Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.09.2009

OLG Düsseldorf (zpo, anschlussberufung, zahlung, rechtsmittel, vertrag, zeitpunkt, höhe, bedingung, forderung, wirkung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 39/09
Datum:
22.09.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 39/09
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 10 O 235/07
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 15. Januar 2009
verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts
Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsrechtszugs tragen die Klägerin zu 10%, und
der Beklagte zu 90%.
3. Der Berufungsstreitwert wird auf 21.295,20 EUR festgesetzt, davon
entfallen auf die Berufung 19.283,47 EUR und auf die
Anschlussberufung 2.011,73 EUR.
G r ü n d e :
1
I. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat den
Beklagten im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von Leasingentgelten (19.283,47 € nebst
Zinsen) nach drei beendeten Leasingverträgen verurteilt. Die dagegen vorgebrachten
Berufungsgründe rechtfertigen keine ihm günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung
unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom
01. September 2009. Dort hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
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"1. Vertrag v. 15.02./11.03.2002 Nr. 35 01 083, VW LT 35, amtl. Kz. XXX (künftig:
LV/MR 446)
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a) Hier geht es ausschließlich um die Vergütung der bei Vertragsende vom Beklagten
in Anspruch genommenen Mehrkilometer:
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Tabelle
5
Zeile
Position
Beträge/€
01
Vergütung Mehr-Km (20.450 km x 0,1278 €/km)
2.613,51
6
01
Vergütung Mehr-Km (20.450 km x 0,1278 €/km)
2.613,51
02
16% MWSt
418,16
03
Zwischensumme 1
3.031,67
04
Zahlung v. 19.09.2005
- 500,00
05
Zahlung v. 25.10.2005
- 500,00
06
Restforderung
2.031,67
b) Der Beklagte will, wie bereits im ersten Rechtszug, die Zahlung Tabelle Zeile 05
als Teilerfüllung auf eine andere Leasingverbindlichkeit (vgl. nachfolgend sub I.2b)
verrechnet haben. Ob ihn die dort unterbliebene Verrechnung beschwert, wird dort zu
prüfen sein. Hier beschwert ihn das nicht. Weitere Einwendungen erhebt er nicht.
Sonstige Fehler zu seinen Lasten sind auch nicht ersichtlich, so dass sein
Rechtsmittel in Höhe von 2.031,67 EUR ohne Weiteres unbegründet ist.
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2. Verträge v. 28.10./17.12.2002 Nr. 35 71 110, VW LT 35, amtl. Kz. XXX (künftig:
LV/MR 251) und v. 13.12.2004/12.01.2005 Nr. 38 75 323, VW LT 35, amtl. Kz. XXX
(künftig: LV/KR 564)
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Die Einwendungen des Beklagten gegen die Wirksamkeit der Kündigungen vom. 09.
März 2006 sind unbegründet. Im Zeitpunkt ihrer (im zweiten Rechtszug nicht mehr
bestrittenen) Zugänge war er in beiden Verträgen mit jeweils zwei Leasingraten (02/06
und 03/06) im Verzug, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
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a) Allerdings trifft es zu, dass die Zahlung vom 25. Oktober 2005 (500 €) entsprechend
der mit der Zahlung verbundenen Tilgungsbestimmung eindeutig im Sinne des § 366
Abs. 1 BGB auf die zu diesem Zeitpunkt offenen Leasingverbindlichkeiten LV/MR 251
und LV/KR 564 (jeweils Leasingrate 10/05) bezogen gewesen ist.
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b) Eine solche Tilgungsbestimmung gab es indes in gleicher Weise für die Zahlung
vom gleichen Tage in Höhe von 1.541,93 EUR. Diese war für sich allein bestimmt und
geeignet, die hier in Rede stehenden Leasingverbindlichkeiten aus den Verträgen
LV/MR 251 und LV/KR 564 vollständig zu tilgen (jeweils Leasingrate 10/05 nebst
Versicherungsprämien), so dass der Beklagte der Klägerin aus diesen beiden
Verträgen nichts mehr schuldete. Waren aber zum genannten Zeitpunkt beide
Verträge mit insgesamt 500,00 EUR überzahlt, durfte die Klägerin den aus § 812 Abs.
1 S. 1 BGB folgenden Rückzahlungsanspruch des Beklagten mit ihrer offenen, den
Rückzahlungsanspruch übersteigenden Forderung aus dem Vertrag LV/MR 446
verrechnen, § 387 BGB. Das hat die Klägerin mit der entsprechenden Buchung
konkludent getan. Damit erlosch ihre Forderung aus diesem Vertrag in Höhe eines
Teilbetrags von 500,00 EUR (s. o. Tabelle, Zeile 05) und gleichzeitig erlosch der
Rückforderungsanspruch des Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Für eine
Aufrechnung mit den hier umstrittenen Leasingverbindlichkeiten aus beiden Verträgen
(jeweils Leasingrate 02/06 und 03/06) stand die Überzahlung nicht mehr zur
Verfügung, so dass die Klägerin beide Verträge fristlos wegen Zahlungsverzugs
kündigen konnte, §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 543 Abs 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB.
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3. Sonstige Fehler des angefochtenen Urteils zu seinen Lasten macht der Beklagte
nicht geltend und sie sind auch sonst nicht ersichtlich."
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II. An diesen Erwägungen, gegen die der Beklagte innerhalb der ihm eingeräumten Frist
auch keine Einwendungen mehr erhoben hat, hält der Senat fest.
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III. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren
liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
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IV. Die von der Klägerin unbedingt eingelegte (unselbständige) Anschlussberufung
verliert durch die Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 ZPO
ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4 ZPO), so dass es keinen Anlass gibt, sich mit ihr sachlich
auseinanderzusetzen.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
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Wird die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückgewiesen und
entfällt dadurch die Wirkung der Anschlussberufung, sind die Kosten im Verhältnis der
Werte von Haupt- und Anschlussberufung zu quoteln.
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1. Soweit ersichtlich ist die Frage, wie die Kosten in Fällen einer nach § 524 Abs. 4 ZPO
wirkungslos gewordenen Anschlussberufung zu verteilen sind, bisher höchstrichterlich
noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat nur entschieden (NJW-RR 2006,
1147 = MDR 2006, 586), dass der Berufungsführer, der nach dem gemäß § 522 Abs. 2
ZPO erfolgten Hinweis auf die Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels die Berufung
zurücknimmt, nach Wortlaut und Sinn und Zweck der für diesen Fall maßgeblichen
Kostenbestimmung (§ 516 Abs. 3 ZPO) auch die Kosten der dadurch hinfällig
werdenden Anschlussberufung zu tragen hat.
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2. Ob das auch zu gelten hat, wenn der Berufungsführer das Rechtsmittel nicht
zurücknimmt, sondern es auf einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
ankommen lässt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
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a) Der Senat hat entschieden, bei Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß
§ 522 Abs. 2 ZPO seien die Kosten im Verhältnis der Werte von Haupt- und
Anschlussberufung zu quoteln (Senat NJW 2003, 1260 = MDR 2003, 288 m.w.N.; ebs.
OLG Celle NJW 2003, 2755; OLG Dresden BauR 2003, 1431; OLG Brandenburg MDR
2003, 1261; OLG München OLGR 2004, 456; KG Berlin MDR 2008, 1062; ebs. Musilak,
ZPO 6. Aufl., § 524 Rn 31a; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 524 Rn 44;
Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 3. Aufl., § 524 Rn 53; MünchKomm/Rimmelspacher,
ZPO, 3. Aufl., § 524 Rn 62). Er hat das (unter Verweis auf BGHZ 80, 146) damit
begründet, das Beschlussverfahren des § 522 Abs. 2 ZPO verhalte sich ähnlich wie das
Revisionsannahmeverfahren gemäß § 556 Abs. 2 S. 4 ZPO a.F. Das Schicksal der
Anschlussberufung entspreche dem der früheren Anschlussrevision und für den
Beschluss sei eine qualifizierte richterliche Mehrheit (Einstimmigkeit) erforderlich.
Zudem hänge der Bestand des Anschlussrechtsmittels nicht, wie bei der
Rechtsmittelrücknahme, von einer in das freie Belieben des Rechtsmittelführers
gestellten Rechtshandlung, sondern von der Entscheidung des Gerichts ab.
Hinzukomme, dass die Anschlussberufung auch nach der Novellierung der
Zivilprozessordnung von der Zulässigkeit des Hauptrechtsmittels abhänge. Im Falle der
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unzulässigen Revision sei aber anerkannt, dass der Anschlussrevisionskläger mit
seinen Kosten belastet bleibe.
b) Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung dazu vertretene Gegenauffassung (z. B.
OLG Celle MDR 2004, 592; OLG Köln OLGR 2004, 397; OLG Frankfurt OLGR 2006,
1095 m.w.N.; ebs. Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen Rn 383 [S. 142 f.]
und J. Schneider ZZP 119 [2006], 423, 432 f) verweist darauf, dass eine solche
Kostenverteilung den "einsichtigen" Berufungsführer, der nach entsprechendem
Hinweis das Rechtsmittel zurücknehme, bestrafe im Vergleich zu dem "uneinsichtigen"
Berufungsführer, der es trotz des erteilten Hinweises auf eine Beschlussentscheidung
des Gerichts ankommen lasse.
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c) Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest. Die Gegenmeinung übersieht, dass
der Anschlussberufungsführer, wenn er sich prozessual richtig verhält, kein Kostenopfer
zugunsten des "uneinsichtigen" Berufungsführers bringen muss. Während dieser gute
Gründe haben kann, sein Rechtsmittel nicht zurückzunehmen und über es durch einen
mit Gründen und in Rechtskraft erwachsenden Beschluss entscheiden zu lassen, kennt
sein ein Anschlussrechtsmittel erwägender Gegner das damit verbundene Kostenrisiko
aus §§ 522 Abs. 2, 524 Abs. 4 ZPO, wenn es zu einer Zurückweisung der Berufung im
Beschlussverfahren kommt. Diesem Kostenrisiko kann er ganz einfach dadurch
entgehen, indem er das Anschlussrechtmittel nicht unbedingt, sondern unter der
zulässigen (innerprozessualen) Bedingung erhebt (vgl. dazu z. B. MünchKomm/
Rimmelspacher, aaO, § 524 Rn 27; Wieczorek/Schütze/Gerken, aaO, § 524 Rn 24),
nämlich unter der Bedingung, dass die Berufung des Gegners nicht durch Beschluss
nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird (so auch MünchKomm/Rimmelspacher,
aaO, § 524 Rn 62; ebs. Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen Rn 383 aE [S.
143]. Das hat einen zusätzlichen Kostenvorteil, denn tritt die Bedingung nicht ein
(Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren), gilt die Anschlussberufung als
nicht erhoben und sie bleibt ohne Einfluss auf den Berufungsstreitwert.
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