Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.03.2004
OLG Düsseldorf: gebühr, vertretung, deponie, vergabeverfahren, fahrtkosten, durchschnitt, vergütung, ermessen, datum, gestaltung
Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 36/03
Datum:
15.03.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 36/03
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Be-schluss der
2. Vergabekammer des Bundes vom 28. Mai 2003 (Az. VK 2 - 64/02)
teilweise abgeändert und dahin neu gefasst, dass die der Antragstellerin
von der Antragsgegnerin zu erstatten-den Auslagen auf 3.605,69 Euro
festgesetzt werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegne-rin
auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 900 Euro
G r ü n d e :
1
I. Die Antragstellerin, die im Nachprüfungsverfahren obsiegt hat, wendet sich mit
sofortiger Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung der Vergabekammer, die die im
Hauptverfahren angefallenen und von der Antragsgegnerin zu erstattenden Geschäfts-
und Verhandlungsgebühren nach § 118 BRAGO mit jeweils 7,5/10 angesetzt hat. Die
Antragstellerin will die Gebühren gemäß ihrem Kostenfestsetzungsantrag in Höhe von
jeweils 10/10 festgesetzt sehen. Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen.
2
II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
3
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin über die von der Vergabekammer
festgesetzten Auslagen von 2.813,09 Euro hinaus weitere 792,60 Euro, insgesamt
folglich 3.605,69 Euro, zu erstatten. Die von den Verfahrensbevollmächtigten der
Antragstellerin getroffene Bestimmung, jeweils eine 10/10 Geschäfts- und
Verhandlungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO zu erheben, ist für die
Kostenfestsetzung verbindlich.
4
a) Das Gebührenrecht des Rechtsanwalts sieht in § 118 Abs. 1 BRAGO für die
anwaltliche Vergütung Rahmengebühren vor. Bei Rahmengebühren bestimmt der
Rechtsanwalt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO die Gebühr im Einzelfall unter
5
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des
Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und
Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr -
wie im vorliegenden Fall - von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem
Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn die Gebührenbestimmung ermessensfehlerhaft
vorgenommen worden ist. Dieser an eine Überprüfung anzulegende Maßstab lässt
deutlich werden, dass der Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr über einen
gewissen Spielraum verfügt. Als ermessensfehlerhaft ist seine Bestimmung deshalb nur
zu qualifizieren, sofern ihr unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt worden sind oder
sie nach den Umständen nicht mehr vertretbar erscheint, dies namentlich deshalb, weil
das Maß des Angemessenen deutlich überschritten worden ist (vgl. Hartmann,
Kostengesetze, 30. Aufl., § 12 BRAGO Rn. 23 f. m.w.N.).
Unter Zugrundelegung des vorstehend dargestellten Prüfungsmaßstabs ist der Ansatz
einer jeweils vollen Geschäfts- und Verhandlungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2
BRAGO nicht als unbillig zu beanstanden. Der Beurteilung der Vergabekammer,
wonach - dies jedenfalls im Ergebnis - die Rechtsanwälte der Antragstellerin den die
Mittelgebühr von 7,5/10 übersteigenden Teil der Gebühr ermessensfehlerhaft in
Rechnung gestellt hätten, teilt der Senat nicht. Das Nachprüfungsverfahren hat in
verschiedener Hinsicht Besonderheiten aufgewiesen, welche die Bewertung der
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, es habe sich um keine lediglich
durchschnittliche Sache gehandelt, nicht unvertretbar erscheinen lassen. Zwar hebt
allein das an einer Auftragserteilung bestehende wirtschaftliche Interesse der
Antragstellerin die vorliegende Sache noch nicht aus dem Durchschnitt vorkommender
Nachprüfungsverfahren heraus. Der Umfang und Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen
Tätigkeit lässt jedoch eine zumindest deutliche Tendenz zur Überdurchschnittlichkeit
erkennen. So wirkten sich die behaupteten und für sich schon differenziert zu
bewertenden Vergaberechtsverstöße im Rechtssinn nicht nur auf die angegriffene
Wertung der Angebote durch die Antragsgegnerin, sondern auch in der weiteren
Prüfungsebene der diskriminierungsfreien Gestaltung des Vergabeverfahrens aus. Die
Vergabekammer hat der Antragsgegnerin deswegen aufgegeben, das
Vergabeverfahren insgesamt aufzuheben. Ungeachtet dessen, dass die Vertretung der
Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vergaberechtliche Kenntnisse erforderte,
waren bei einer sachgerechten Bearbeitung des Falles - da Gegenstand des
Vergabeverfahrens das Abräumen einer "wilden" Deponie war - überdies Kenntnisse
der Spezialmaterie des Abfallwirtschaftsrechts einzusetzen. Auch der zeitliche
Bearbeitungsaufwand war nicht als lediglich durchschnittlich einzustufen. Insoweit ist im
vorliegenden Fall zumindest die Besonderheit zu verzeichnen, dass die
Vergabekammer nach Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Amtsermittlungen
getätigt, das Ergebnis den Beteiligten mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben hat. Es sind von den Rechtsanwälten der Antragstellerin dazu schriftsätzliche
Ausführungen gemacht worden, die ein abermaliges Befassen mit der Sache
vorausgesetzt haben. Alles in allem ist der Ansatz der vollen Gebühr hiernach nicht als
unbillig zu bezeichnen.
6
b) Die zu erstattenden Auslagen sind nach dem der Entscheidung der Vergabekammer
inzident zugrunde gelegten Gegenstandswert von 151.441 Euro zu berechnen, der fünf
vom Hundert der Auftragssumme entspricht (§ 12 a Abs. 2 GKG). Nach der
Rechtsprechung des Senats ist auf die Netto-Auftragssumme abzustellen.
7
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin demnach zu erstatten:
8
10/10 Geschäftsgebühr (§§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 1.585 Euro,
9
10/10 Verhandlungsgebühr (§§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) 1.585 Euro,
10
Pauschale nach § 26 BRAGO 20 Euro,
11
Fahrtkosten gemäß § 28 BRAGO 21,60 Euro,
12
Abwesenheitsgeld gemäß § 28 Abs. 3 BRAGO 31 Euro,
13
Kosten der Antragstellerin:
14
für Abwesenheit (§ 2 Abs. 3 ZSEG) 16 Euro,
15
Zu- und Abgang 57,96 Euro,
16
Flugkosten (ohne Umsatzsteuer) 289,13 Euro,
17
3.605,69 Euro.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 128 Abs. 3 und 4
GWB.
19
a. Dr. M.
20
21