Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.08.2005

OLG Düsseldorf: stand der technik, einstweilige verfügung, erfindung, bus, spiel, daten, vertragsstrafe, rom, anzeige, software

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 34/04
Datum:
18.08.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 34/04
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Februar 2004 verkün-
dete Urteil der 4 a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeän-
dert. Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,-- Euro abzuwenden, falls nicht
die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 250.000,-- Euro festge-
setzt.
G r ü n d e:
1
I.
2
Der Kläger ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten
europäischen Patentes 0 751 368 (Klagepatent, Anlage K 1; deutsche Übersetzung
Anlage K 2) betreffend eine automatische Zählvorrichtung für ein Dartspiel; aus diesem
3
Schutzrecht nimmt er die Beklagte in der Berufungsinstanz noch auf Rechnungslegung,
Vernichtung der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände und Feststellung ihrer
Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung ist am 30. Juni 1995 eingereicht
und am 2. Januar 1997 veröffentlicht worden; der Hinweis auf die Patenterteilung ist am
20. Oktober 1999 bekannt gemacht worden. Der in diesem Rechtsstreit interessierende
Patentanspruch 1 lautet in der vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlichten
deutschen Übersetzung (vgl. Anl. K2, S. 11/12) wie folgt:
4
Automatische Zählvorrichtung für ein Dartspiel, das einen Satz von Pfeilen und
ein Dartbord aufweist, mit einer Hauptsteuerschaltung (10), einer herkömmlichen
Pfeilsensierschaltung (20), die mit der Hauptsteuerschaltung (10) verbunden ist für
die Sensierung des Wurfs eines Pfeiles auf das Dartbord und zur Übermittlung
einer entsprechenden Wurf-Information auf die Hauptsteuerschaltung (10), einem
Tastenfeld (30), das an dem Dartbord angebracht ist, mit mindestens einer ersten
Taste (0), einer zweiten Taste (P), einer dritten Taste (G) und einer vierten Taste
(A), die mit der Hauptsteuerschaltung (10) verbunden sind für das Setzen einer
Mehrzahl von Eingaben in die Hauptsteuerschaltung (10), einer Vielzahl von
Anzeigen zur Anzeige der Eingaben, die durch das Tastenfeld (30) gesetzt sind,
5
wobei die Hauptsteuerschaltung (10) einen vorprogrammierten Mikrocomputer
(11), einen ROM (12) für die Speicherung firmeneigener Software, einen mit dem
Mikrocomputer (11) verbundenen Oszillator (13), zwei Pufferspeicher (14 und 15)
und zwei Codier/Decodierschaltungen (16 und 17) aufweist, die mit dem
Mikrocomputer (11) verbunden sind für die Kommunikation mit der
Pfeilsensierungsschaltung (20), dem Tastenfeld (30) und den Anzeigen über zwei
Busleitungen (BUS 1 und BUS 2),
6
wobei die Eingaben vom Tastenfeld (30) aufweisen:
7
eine erste Eingabe zur Bestimmung eines Spielmodes aus einer Vielzahl von zur
Verfügung stehenden Spielmodes durch manuelle Betätigung der ersten Taste
(O),
8
eine zweite Eingabe zur Bestimmung der Gesamtzahl der Spieler aus einer
Vielzahl von verfügbaren Spielerzahlen durch manuelle Betätigung der zweiten
Taste (P) des Tastenfeldes (30),
9
eine dritte Eingabe zur Bestimmung einer gemeinsam vorgegebenen Trefferzahl
für alle Spieler durch manuelle Betätigung der dritten Taste (G) des Tastenfeldes
(30) und
10
eine vierte Eingabe für die Addition eines Handicaps für mindestens einen der
Spieler durch manuelle Betätigung der vierten Taste (HA) zur Änderung der
vorgegebenen Trefferzahl des spezifischen Spielers gegenüber der in der dritten
Eingabe gesetzten.
11
Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 bis 4 der Klagepatentschrift erläutern die
Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels, wobei Figur 1 die schematische Ansicht
eines Dartspiels zur Verwendung der vorliegenden Erfindung, Figur 2 und Figur 3 ein
12
Blockschalt- bzw. Schaltbild einer erfindungsgemäßen automatischen Zählvorrichtung
und Figur 4 ein Blockschaltbild einer Hauptsteuerschaltung nach der Erfindung zeigt.
Der Kläger ist ferner eingetragener Inhaber des ebenfalls am 30. Juni 1995
angemeldeten und am 7. Januar 1999 bekannt gemachten parallelen deutschen
Gebrauchsmusters 295 21 935 (Klagegebrauchsmuster, Anl. K 3), das er im selben
Umfang geltend macht wie das Klagepatent.
13
Die Beklagte vertrieb im Jahre 1999 elektronische Dartboards mit automatischen
Zählvorrichtungen, die den in Anspruch 1 des Klagepatentes angegebenen Merkmalen
wortsinngemäß entsprachen. Wegen dieser Handlungen verpflichtete sich die Beklagte
unter dem 14. September 1999 gegenüber dem Kläger zur Unterlassung und versprach
für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.001,-- DM
(Anlage K 13; im folgenden: Unterlassungserklärung I).
14
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe in der Folgezeit über den O-Versand
unter den Typenbezeichnungen CX und CZ elektronische – und ebenfalls
patentverletzende – Dartboards vertrieben, deren Ausgestaltung aus dem als Anlage K
7 vorgelegten Online-Angebot des O-Versandes, den als Anlage K 8 vorgelegten
Katalogabbildungen, den als Anlagen K 9 a und K 9 b überreichten Abbildungen der
Verpackungen und den Bedienungsanleitungen (Anlagen K 10 a [Ausführungsform CX]
und K 10 b [Ausführungsform CZ]) ersichtlich sei; ergänzend verweist er auf den als
Anlage K 11 zur Akte gereichten Schaltplan betreffend ein elektronisches Dartboard mit
der Typenbezeichnung CZX. Das Tastenfeld der Dartboards CX und CZ weist eine
Handicap-Taste auf, nach deren Betätigung der begünstigte Spieler vor Beginn des
eigentlichen Spieles drei Freiwürfe erhält; die aus diesen Freiwürfen erzielte
Punktzahlen werden ihm als Vorsprung für das folgende Spiel gutgeschrieben.
15
Der Kläger ist der Ansicht, die automatischen Zählvorrichtungen dieser Dartboards
verwirklichten die technische Lehre des Klagepatentanspruches 1 wortsinngemäß; die
Handicap-Taste verwirkliche sie jedenfalls mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Vor
dem Landgericht hat er die Beklagte auch auf Zahlung der in der
Unterlassungserklärung I versprochenen Vertragsstrafe in Anspruch genommen.
16
Die Beklagte hat vor dem Landgericht die Übereinstimmung der Handicap-Taste mit den
Vorgaben des Patentanspruches 1 in Abrede gestellt und darüber hinaus geletnd
gemacht, die angegriffene Ausführungsform sei durch den Stand der Technik gemäß der
US-Patentschrift 4 516 781 (Anlage B 1) und der deutsche Offenlegungsschrift 42 33
980 (Anlage K 5) nahe gelegt gewesen, auch seien die Klageschutzrechte nicht
schutzfähig.
17
Darüber hinaus habe sie Dartboards nur importiert, aber nicht über den O-Versand in
den Verkehr gebracht. Außerdem ließen sich dem Klagevorbringen keine
Benutzungshandlungen in nicht rechtsverjährter Zeit entnehmen, so dass die geltend
gemachten Ansprüche verjährt seien und auch keine Wiederholungsgefahr bestehe.
18
Im frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 13. Mai
2003 hat die Beklagte erneut ein strafbewehrtes Unterlassungsversprechen abgegeben
und sich verpflichtet, bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig
werdenden Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,-- Euro den Vertrieb der angegriffenen
Gegenstände zu unterlassen (Bl. 28, 29 d.A.; im folgenden: Unterlassungserklärung II).
19
Durch Urteil vom 24. Februar 2004 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den
zuletzt gestellten Anträgen überwiegend entsprochen und die Beklagte verurteilt,
20
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro – ersatzweise
Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
21
automatische Zählvorrichtungen für ein Dartspiel, das einen Satz von Pfeilen und
ein Dartboard aufweist, mit einer Hauptsteuerschaltung, einer herkömmlichen
Pfeilsensierschaltung, die mit der Hauptsteuerschaltung verbunden ist für die
Sensierung des Wurfs eines Pfeils auf das Dartboard und zur Übermittlung einer
entsprechenden Wurf-Information auf die Hauptsteuerschaltung, einem
Tastenfeld, das an dem Dartboard angebracht ist, mit mindestens einer ersten
Taste, einer zweiten Taste, einer dritten Taste und einer vierten Taste, die mit der
Hauptsteuerschaltung verbunden sind für das Setzen einer Mehrzahl von
Eingaben in die Hauptsteuerschaltung, einer Vielzahl von Anzeigen zur Anzeige
von Eingaben, die durch das Tastenfeld gesetzt sind, anzubieten, in Verkehr zu
bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder
zu besitzen,
22
wobei die Hauptsteuerschaltung einen vorprogrammierten Mikrocomputer, einen
ROM für die Speicherung firmeneigener Software, einen mit dem Mikrocomputer
verbundenen Oszillator, zwei Pufferspeicher und zwei Codier-
/Decodierschaltungen aufweist, die mit dem Mikrocomputer verbunden sind für die
Kommunikation mit der Pfeilsensierungsschaltung, dem Tastenfeld und den
Anzeigen über zwei BUS-Leitungen,
23
wobei die Eingaben vom Tastenfeld aufweisen:
24
eine erste Eingabe zur Bestimmung eines Spielmodus aus einer Vielzahl von zur
Verfügung stehenden Spielmodi durch manuelle Betätigung der ersten Taste,
25
eine zweite Eingabe zur Bestimmung der Gesamtzahl der Spieler aus einer
Vielzahl von verfügbaren Spielerzahlen durch manuelle Betätigung der zweiten
Taste des Tastenfeldes,
26
eine dritte Eingabe zur Bestimmung einer gemeinsam vorgegebenen Trefferzahl
für alle Spieler durch manuelle Betätigung der dritten Taste des Tastenfeldes und
27
eine vierte Eingabe für die Addition eines Handicaps für mindestens einen der
Spieler durch manuelle Betätigung der vierten Taste, wodurch dem
entsprechenden Spieler eine zusätzliche Runde von Würfen gewährt wird, bevor
die anderen Spieler beginnen, zur Änderung der vorgegebenen Trefferzahl des
spezifischen Spielers gegenüber der in der dritten Eingabe gesetzten;
28
2.
29
dem Kläger unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses
vollständig und wahrheitsgemäß darüber Rechnung zu legen, in welchem
30
Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. November 1999
begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
31
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –
preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der
Abnehmer,
32
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und
–preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der
Angebotsempfänger,
33
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
34
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten
und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im
Urteilsausspruch zu I.1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet
werden, wobei hinsichtlich der Angaben zu I.2.a) bis c) entsprechende Einkaufs-
oder Verkaufsbelege (Rechnungen, Lieferscheine) sowie Angebotsschreiben
vorzulegen sind;
35
3. die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen,
unter Ziffer I.1 beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an
einem vom Kläger zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf
Kosten der Beklagten herauszugeben.
36
Außerdem hat es die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger allen
Schaden zu ersetzen, der ihm durch die vorbezeichneten seit dem 20. November 1999
begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.
37
Es ist der Auffassung, die angegriffenen Gegenstände machten von der Lehre des
Klagepatentanspruches 1 wortsinngemäß und, soweit die Handicap-Funktion betroffen
sei, mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln Gebrauch. Die für einen
Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr weiterer Rechtsverletzungen sei durch die
Unterlassungserklärung II mangels Ernsthaftigkeit nicht beseitigt. Die Klage auf Zahlung
der Vertragsstrafe hat es mit der Begründung abgewiesen, im Gegensatz zu den
nunmehr angegriffenen Gegenständen habe die der Unterlassungserklärung I
zugrundeliegenden Ausführungsform die Lehre des Klageschutzrechtes auch
hinsichtlich der Handicap-Funktion wortsinngemäß erfüllt. Wegen weiterer Einzelheiten
der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
38
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihr
Klageabweisungsbegehren weiter. Sie führt unter ergänzender Bezugnahme auf ihren
erstinstanzlichen Sachvortrag aus, das Landgericht habe die angegriffene Vorrichtung
zu Unrecht als patentverletzend bewertet. Abgesehen davon sei die angegriffene
Ausführungsform auch durch Kombination der älteren britischen Patentschrift 2 030 877
(Anlage BB 3) mit der deutschen Offenlegungsschrift 42 33 980 (Anlage K 5) nahe
39
gelegt gewesen.
Zu Unrecht habe das Landgericht die Unterlassungserklärung II als nicht ernst gemeint
betrachtet. Nachdem der Kammervorsitzende in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht auf die angeblich fehlende Ernsthaftigkeit hingewiesen habe, habe sie - die
Beklagte – schon in der ersten Instanz klargestellt, ihr Verteidigungsvorbringen solle
keine Berühmung sein und diene nur der Abwehr der gegen sie erhobenen Ansprüche
und der prozessualen Kostenerstattungspflicht. Dass sie sich gegen die Klage verteidigt
und die Auffassung geäußert habe, zu dem angegriffenen Verhalten berechtigt zu sein,
begründe keine erneute Begehungsgefahr, so lange sie nicht zu erkennen gegeben
habe, sie wolle sofort oder doch in naher Zukunft dieses Verhalten fortsetzen oder
wieder aufnehmen. Unter dem 29. Juni 2004 hat die Beklagte ein weiteres mit einer
Vertragsstrafe von 10.000,-- Euro bewehrtes Unterlassungsversprechen abgegeben
(Anlage BB 4, Bl. 236, 237 d.A.; nachfolgend: Unterlassungserklärung III), das der
Kläger angenommen hat.
40
Mit Blick auf die Unterlassungserklärung III haben beide Parteien im
Verhandlungstermin vom 30. Juni 2005 den Rechtsstreit im Umfang des geltend
gemachten Unterlassungsanspruchs für in der Hauptsache erledigt erklärt und stellen
insoweit wechselseitige Kostenanträge.
41
Die Beklagte beantragt im übrigen,
42
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
43
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeit des
Klagepatentes auszusetzen.
44
Der Kläger beantragt im übrigen,
45
die Berufung zurückzuweisen.
46
Er tritt dem Aussetzungsantrag und dem Vorbringen der Beklagten entgegen und
verteidigt das angefochtene Urteil im wesentlichen; allerdings hält er die Handicap-
Taste der angegriffenen Ausführungsform weiterhin für eine wortsinngemäße
Verwirklichung der unter Schutz gestellten technischen Lehre. Soweit die Beklagte sich
zur Begründung ihres Einwandes, die angegriffene Vorrichtung sei durch den Stand der
Technik nahegelegt, auf die erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegte britische
Patentschrift 2 030 877 berufe, sei sie hiermit nach § 531 Abs. 2 ZPO n.F.
ausgeschlossen.
47
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
48
II.
49
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Entgegen der Ansicht des
Landgerichts stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz,
Rechnungslegung und Vernichtung der angegriffenen Erzeugnisse nicht zu, denn die
angegriffene Vorrichtung verwirklicht die nicht wortsinngemäß erfüllten Vorgaben des
Klagepatentanspruches1 und des im selben Umfang geltend gemachten
50
Klagegebrauchsmusters auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Eine
Aussetzung der Verhandlung im hiesigen Verletzungsrechtsstreit mit Rücksicht auf die
nach Schluss der mündlichen Verhandlung angezeigte Nichtigerklärung des
Klagepatentes durch das Bundespatentgericht ist unter diesen Umständen nicht
geboten.
A.
51
Entgegen der Auffassung des Klägers schließt die Unterlassungserklärung III
Einwendungen gegen den Verletzungsvorwurf nicht schlechthin aus. Die Abgabe dieser
Erklärung hat zur Erledigung des Unterlassungsanspruches geführt. Die hierdurch
eingetretene verfahrensrechtliche Lage unterscheidet sich von derjenigen nach einem
Anerkenntnis: Während der Beklagte letzterenfalls die Kostenlast nicht mehr mit der
Begründung abwehren kann, der anerkannte Anspruch habe aus materiell-rechtlichen
Gründen nicht bestanden (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in
Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdnr. 32 m.w.N. FN. 260), müssen vor einem zu einer
übereinstimmenden Erledigungserklärung führenden Ereignis erhobene Einwände
berücksichtigt werden, weil nach § 91 a ZPO auf der Grundlage des bisherigen Sach-
und Streitstandes über die Kostenlast zu entscheiden ist und nicht ohne weiteres
angenommen werden kann, der Beklagte habe sich mit der Abgabe des
Unterlassungsversprechens freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben und
müsse daher auch automatisch die entsprechenden Kosten tragen (vgl. Berneke, a.a.O.,
Rdnr. 244 m.w.N. FN. 279; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl.,
Rdnr. 658). Ob das Unterlassungsversprechen den Zusatz "ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht" enthält oder nicht, ist ebenso wenig erheblich wie die Motivation zur
Abgabe der Erklärung. Lediglich mit nach Eintritt der Erledigung erstmals erhobenen
Einwendungen gegen den materiellen Anspruch könnte die Beklagte nicht mehr gehört
werden, weil deren Berücksichtigung nicht mehr dem bei Abgabe des
Unterlassungsversprechens maßgeblichen Sach- und Streitstand entspräche. Eine
solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, weil die Beklagte sämtliche
Einwendungen – auch diejenigen aus der Berufungsbegründung vom 23. Juni 2004 –
vor dem Zugang der Unterlassungserklärung III vom 29. Juni 2004 im vorliegenden
Verfahren geltend gemacht hatte. Hinzu kommt, dass die Nebenansprüche auf
Schadenersatz, Rechnungslegung und Vernichtung von der Erledigung nicht betroffen
sind und weiter in Streit stehen. Vor einer Entscheidung über diese Ansprüche ist auch
zu prüfen, ob die angegriffene Vorrichtung von der unter Schutz gestellten Lehre
Gebrauch macht.
52
B.
53
Die angegriffene Vorrichtung entspricht nicht der Lehre der Klageschutzrechte.
54
Das Klagepatent – entsprechendes gilt für das im selben Umfang geltend gemachte
Klagegebrauchsmuster – betrifft eine automatische Zählvorrichtung für ein Dartspiel,
insbesondere für ein solches, das für jeden Spieler die Vorgabe eines Handicaps
ermöglicht, damit für unterschiedlich starke Spieler eine ihrer individuellen
Geschicklichkeit angepasste Ausgangsbasis eingestellt werden kann.
55
Der allgemeine Aufbau eines Dartspiels und insbesondere des Dartboards ist in der von
der Klagepatentschrift (Abs. 0002; deutsche Übersetzung, S. 1 und 2) einleitend
erörterten US-Patentschrift 5 193 817 (Anlage K 4) dargestellt. Die dort beschriebene
56
Schaltungsanordnung sieht jedoch nicht die Möglichkeit vor, für Spieler
unterschiedlichen Niveaus ein Handicap vorzugeben, sondern detektiert nur das
Auftreffen der Pfeile auf die jeweiligen Zielplatten und zeigt die hierbei erzielten Treffer
bzw. Punkte an.
Aus der deutschen Offenlegungsschrift 42 33 980 (Anlage K 5) ist ein Steuerverfahren
für Dart-Spiele einschließlich PC und Mittel zur Eingabe persönlicher Daten in den
Computer zur Errechnung eines Handicaps (Anlage K 5, Anspruch 1; Spalte 1, Zeilen
35 ff. und 48 bis 53 sowie Spalte 2, Zeilen 13 bis 19) bekannt. Der Computer kann in
das Dartboard integriert werden (Klagepatentschrift Abs. 0004 [deutsche Übersetzung,
Abs. 3] und Anlage K 5, Spalte 2, Zeilen 3 und 4). Sämtliche Daten müssen über ein
Eingabegerät in den Rechner eingegeben werden, wobei dieses Eingabegerät eine
Tastatur oder ein Datenlesegerät sein kann, in das ein Chip oder eine Diskette eingelegt
wird (vgl. Anlage K 5, Anspruch 9 und Spalte 1, Zeilen 53 bis 56 sowie Spalte 2, Zeilen
11 ff.). Das Handicap kann für stärkere Spieler zu einem erhöhten Startwert (Anlage K 5,
Anspruch 2 und Spalte 1, Zeilen 38 bis 39) oder zu einer Verringerung der Anzahl der
zur Verfügung stehenden Würfe (a.a.O., Anspruch 3 und Spalte 1, Zeilen 40 bis 43)
führen. Es ist nicht vorgesehen, das Handicap des einzelnen Spielers durch einfachen
Tastendruck am Dartboard festzulegen.
57
Die britische Patentschrift 2 133 296 offenbart eine Zählvorrichtung mit Tasten, deren
Muster demjenigen der Dart-Zielscheibe entspricht und die nach manueller Be-tätigung
der einzelnen Tasten Punkte anzeigt; die europäische Patentanmeldung 0 181 420
(Anlage K 15) beschreibt eine aus einem herkömmlichen Dartboard hervorgegangene
Vorrichtung, wobei ebenfalls nur die erzielten Punkte angezeigt werden, die zuvor
detektiert, einem Computer zugeführt und gespeichert worden sind (Klagepatentschrift
Abs. 0005 und 0006; deutsche Übersetzung, S, 3, Absätze 1 und 2).
58
Die in der Klagepatentschrift angegebene – und auch objektiv zutreffende – Aufgabe der
Erfindung besteht darin, eine automatische Zählvorrichtung für ein Dartspiel so
auszubilden, dass die Spieler eine Mehrzahl von Daten einschließlich Spielmodus,
Spieleranzahl, gemeinsamer Treffervorgabe für alle Spieler und eines Handicaps für
bestimmte Spieler eingeben können.
59
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Anspruch 1 des Klagepatentes eine Vorrichtung mit
folgenden Merkmalen vor:
60
1. Automatische Zählvorrichtung für ein Dartspiel, das einen Satz von Pfeilen und
ein Dartboard aufweist.
61
2. Die automatische Zählvorrichtung weist auf:
62
2.1 eine Hauptsteuerschaltung (10),
63
2.2 eine herkömmliche Pfeilsensierschaltung (20),
64
2.2.1 die mit der Hauptsteuerschaltung (10) verbunden ist 2.2.2 für die Sensierung
des Wurfs eines Pfeils auf das Dartboard und 2.2.3 zur Übermittlung einer
entsprechenden Wurfinformation auf die Hauptsteuerschaltung (10),
65
2.3 ein Tastenfeld (30),
66
2.3.1 das an dem Dartboard angebracht ist und 2.3.2 das mindestens eine erste
Taste (0), eine zweite Taste (P), eine dritte Taste (G) und eine vierte Taste (HA)
aufweist,
67
2.3.2.1 die mit der Hauptsteuerschaltung (10) ver- bunden sind 2.3.2.2 für das
Setzen einer Mehrzahl von Eingaben in die Hauptsteuerschaltung (10);
68
2.4 eine Vielzahl von Anzeigen zur Anzeige der Eingaben, die durch das
Tastenfeld (30) gesetzt sind.
69
3. Die Hauptsteuerschaltung weist auf:
70
3.1 einen vorprogrammierten Mikrocomputer (11), 3.2 einen ROM (12) für die
Speicherung firmeneigener Software, 3.3 einen Oszillator (13),
71
3.3.1 der mit dem Mikrocomputer (11) verbunden ist,
72
3.4 zwei Pufferspeicher (14 und 15) und zwei Codier/Decodier- schaltungen (16
und 17),
73
3.4.1 die mit dem Mikrocomputer (11) verbunden sind 3.4.2 für die Kommunikation
mit der Pfeilsensierungsschaltung (20), dem Tastenfeld (30) und den Anzeigen
über zwei Bus- leitungen (BUS 1 und BUS 2).
74
4. Die Eingaben vom Tastenfeld (30) weisen auf:
75
4.1 eine erste Eingabe zur Bestimmung des Spielmodus aus einer Vielzahl zur
Verfügung stehender Spielmodi durch manuelle Betätigung der ersten Taste (0),
4.2 eine zweite Eingabe zur Bestimmung der Gesamtzahl der Spieler aus einer
Vielzahl verfügbarer Spielerzahlen durch manuelle Betätigung der zweiten Taste
(P) des Tastenfeldes (30), 4.3 eine dritte Eingabe zur Bestimmung einer
gemeinsam vorgegebenen Trefferzahl für alle Spieler durch manuelle Betätigung
der dritten Taste (G) des Tastenfeldes (30) und 4.4 eine vierte Eingabe für die
Addition eines Handicaps für mindestens einen der Spieler durch manuelle
Betätigung der vierten Taste (HA) zur Änderung der vorgegebenen Trefferzahl des
spezifischen Spielers gegenüber der in der dritten Eingabe gesetzten.
76
Für die vorbeschriebene Erfindung ist wesentlich, dass anders als im Stand der Technik
gemäß der im Abs. 0004 der Klagepatentbeschreibung (deutsche Übersetzung, S. 3,
Abs. 3) diskutierten deutschen Offenlegungsschrift 42 33 980 keine personenbezogenen
Daten zur Errechnung eines Handicaps in ein Eingabegerät eingelesen werden,
sondern die automatische Zählvorrichtung über das aus dem einleitend erörterten Stand
der Technik (vgl. Klagepatentschrift, Abs. 0002, 0005 und 0006; deutsche Übersetzung,
S.1, 2 und 3, Abs. 1 und 2) bekannte und in der Merkmalsgruppe 2.2 beschriebene
Registrieren der erzielten Treffer bzw. erreichten Punktwerte hinaus auch die die
Eingabe und Verarbeitung der in der Merkmalsgruppe 4 genannten Daten ermöglicht,
die – wie es die Merkmale 2.3.2.2 und 2.4 ausdrücken – durch das Betätigen einer Taste
des Tastenfeldes in die Hauptsteuerschaltung
gesetzt
Funktionsablauf, den die Klagepatentschrift mit dem Begriff
"Setzen"
das Landgericht im angefochtenen Urteil (Umdruck S. 23) zutreffend dargestellt: Das
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Betätigen einer Taste des Tastenfeldes löst ein dieser Taste zugeordnetes Signal aus,
dieses Signal wird durch eine der beiden in Merkmal 3.4.2 genannten Busleitungen der
Hauptsteuerschaltung zugeleitet (Merkmal 2.3.2.2), dort wird von mehreren der in dem in
Merkmal 2.3.2 angesprochenen ROM in der Software niedergelegten Möglichkeiten (vgl.
Abs. 0016; deutsche Übersetzung, S. 10, Abs. 2) die am Tastenfeld gewählte aktiviert
und über die andere Busleitung ein entsprechendes Signal zur Anzeige weitergeleitet
(vgl. Abs. 0012, 0013 und 0015, deutsche Übersetzung S. 7, 8 und 9). Durch Betätigen
der entsprechenden Taste wird automatisch und unmittelbar ohne die Notwendigkeit
weiterer vom Benutzer zu vollziehender Schritte eine bestimmte Funktion unter
gleichzeitiger Abänderung bzw. Deaktivierung der bisher ausgewählten Parameter
aufgerufen und angezeigt. Ebendies geschieht auch beim Betätigen der Handicap-
Taste gemäß Merkmal 4.4. Nachdem durch Betätigen der Taste gemäß Merkmal 4.3 die
für alle Spieler geltende Treffervorgabe eingegeben bzw. gesetzt worden und der zu
begünstigende oder zu benachteiligende Spieler ausgewählt worden ist, werden für
diesen allein durch das Betätigen der Handicap-Taste abweichende Startbedingungen
geschaffen, indem für ihn die zuvor gemäß Merkmal 4.3 eingestellte allgemeingültige
Treffervorgabe verändert wird. Aus der maßgeblichen englischen Fassung des
Merkmals 4.4 (... adding a handicap on any one of the players
by
the fourth key (HA) thus causing the object score of the specific player to change form
the originally set in the third input) ergibt sich für den Durchschnittsfachmann mit aller
Deutlichkeit, dass allein die manuelle Betätigung der Handicap-Taste das Mittel ist, das
die zuvor eingestellte allgemeingültige Treffervorgabe verändert. Den Ausdruck
"Addition" des Handicaps (in der maßgeblichen englischen Anspruchsfassung: "a fourth
input for adding a handicap") in Anspruch 1 versteht der angesprochene
Durchschnittsfachmann selbstverständlich nicht als mathematische Vorgabe in dem
Sinn zu, dass notwendigerweise etwas addiert, also hinzugezählt werden müsste; das
Merkmal besagt aus seiner Sicht, dass eine bestimmte Größe hinzugefügt werden soll,
die die zuvor nach Merkmal 4.3 eingegebene für alle Spieler gültige Treffervorgabe für
einen oder mehrere individuell ausgewählte Spieler abweichend festlegt. Das kann wie
im in der Klagepatentschrift erörterten bevorzugten Ausführungsbeispiel auch dadurch
geschehen, dass für ein schwächeren Spieler die allgemeingültige Treffervorgabe
verringert wird, indem man von ihr eine bestimmte Punktzahl abzieht. Auf der Grundlage
der Ausführungen in Abs. 0015 (Spalte 5, Zeilen 23 bis 28; deutsche Übersetzung S. 9
Mitte) und 0010, 0011 (Spalte 3, Zeilen 35 bis 39 und 46 ff.; deutsche Übersetzung S. 6,
Abs. 2) ist dem Durchschnittsfachmann aber klar, dass die Handicap-Taste
erfindungsgemäß stets allein zu einer abweichenden Einstellung der zuvor gemäß
Merkmal 4.3 eingestellte für alle vorgegebene Trefferzahl für den einzelnen Spieler führt,
so dass für ihn während des folgenden Spiels diese individuelle Treffervorgabe gilt. Da
sich die allgemeine Beschreibung der Erfindung im wesentlichen auf eine wörtliche
Wiederholung des Anspruches 1 beschränkt, ohne dessen Merkmale näher zu
erläutern, wird der Durchschnittsfachmann in diesen Erläuterungen, soweit es um die
unmittelbare Abänderung der allgemeingültigen Treffervorgabe allein durch Betätigen
der Handicap-Taste geht, nicht nur Besonderheiten des dort dargestellten
Ausführungsbeispiels sehen, sondern ihnen auch allgemeingültige Erörterungen über
die erfindungswesentliche Funktionsweise der automatischen Zählvorrichtung
entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung "Betätigung der vierten Taste
zur
Merkmals 4.4 entgegen der Ansicht des Klägers mehr als eine Zweckangabe und soll
auch nicht lediglich zum Ausdruck bringen, dass die Betätigung der Handicap-Taste die
Möglichkeit eröffnen soll, ausgewählte Spieler gegenüber den anderen in irgendeiner
beliebigen Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen, sondern es wird zugleich das
Mittel festgelegt, mit dessen Hilfe diese Bevorzugung oder Benachteiligung verwirklicht
werden soll. Vorrichtungen, bei denen es nach Betätigen der Handicap-Taste für alle
Spieler bei einer einheitlichen Treffervorgabe bleibt, ausgewählte Spieler jedoch vor
Beginn des eigentlichen Spiels zusätzliche Freiwürfe erhalten und die daraus erzielte
Punktzahl als Vorsprung mit in die Wertung des folgenden Spiels nehmen, werden vom
Wortsinn des Merkmals 4.4 nicht erfasst.
C.
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Dieser Lehre entspricht die angegriffene Ausführungsform nicht.
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1. Zutreffend hat das Landgericht allerdings die Merkmale 1 bis 4.3 der vorstehenden
Merkmalsgliederung für wortsinngemäß erfüllt gehalten. Das zieht auch die Beklagte in
der Berufungsinstanz nicht mehr ernsthaft in Zweifel; jedenfalls hat sie insoweit keine
konkreten Einwände mehr erhoben.
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2. Nicht verwirklicht ist dagegen das Merkmal 4.4.
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a) Entgegen der Ansicht des Klägers liegt eine wortsinngemäße Benutzung nicht vor.
Die in Anspruch 1 beschriebenen Auswirkungen des Handicaps auf die Trefferzahl
mögen zwar auch eine Zweckangabe sein, Anspruch 1 besagt jedoch gleichzeitig, auf
welchem funktionellen Weg dieser Zweck erreicht werden soll, nämlich durch
Betätigung der Handicap-Taste, wobei es nicht genügt, dass die Betätigung
irgendwelche mittelbaren Auswirkungen hat, sondern ihr Ergebnis muss die Änderung
der Treffervorgabe sein. Dass dem Spieler durch die Tastenbetätigung irgendein
beliebiger Vorteil zugewendet wird, genügt nach dem eindeutigen Wortsinn des
Merkmals 4.4 nicht.
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Bei der angegriffenen Ausführungsform verändert eine Betätigung der Handicap-Taste
den als allgemeingültige Ausgangsbasis zuvor eingestellten Zählerstand unstreitig
nicht. Dem Spieler werden statt dessen vorab drei zusätzliche Würfe zugeteilt, und die
hierbei erzielten Treffer werden ihm im folgenden Spiel als Vorsprung gutgeschrieben.
Diese Würfe sind zusätzlich vom Benutzer zu vollziehende Schritte, die die Lehre des
Anspruches 1 gerade ausschließen will. Der Zählerstand wird nicht vor dem Spiel für
ausgewählte Spieler abweichend von der allgemeinen Vorgabe eingestellt, sondern
durch zusätzlich und vorab erzielte Treffer; die Veränderung erfolgt letztlich durch
dieselben Maßnahmen wie auch beim anschließenden Spiel.
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b) Die in Merkmal 4.4 beschriebene technische Lehre wird auch nicht mit patentrechtlich
äquivalenten Mitteln erfüllt.
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aa) Es fehlt schon die erforderliche Gleichwirkung. Entgegen der Ansicht des Klägers
und auch des Landgerichts genügt es zur Annahme der Gleichwirkung nicht, dass
sowohl die im Klagepatent beschriebene Vorrichtung als auch die angegriffene
Ausführungsform dem betreffenden Spieler durch Betätigung der Handicap-Taste
irgendeinen wie auch immer gearteten Wettkampfvorteil verschaffen. Das Klagepatent
hat sich auf eine ganz bestimmte Funktionsweise festgelegt, um diesen Vorteil zu
erreichen, indem allein die Eingabe des Handicaps bzw. die Betätigung der
entsprechenden Taste für den stärkeren Spieler seine individuelle Treffervorgabe
gegenüber der für alle anderen gültigen erhöht oder für den schwächeren Spieler
verringert, ohne dass es auf das weitere Verhalten des Spielers oder seine
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Geschicklichkeit ankäme. Bei dem so bestimmten Schutzbereich des
Klagepatentanspruches 1 muss es aus Gründen der Rechtssicherheit verbleiben. Die
bei der angegriffenen Vorrichtung verwirklichte Form des Handicaps in Gestalt
zusätzlicher Würfe vor Beginn des eigentlichen Spiels ist demgegenüber ein anderer
Weg, weil der Spieler nur die Chance erhält, einen Vorsprung für sich zu erzielen,
dessen Höhe von seiner Geschicklichkeit abhängt und der im ungünstigen Fall auch
den Wert 0 ausmachen kann. Ob es, wie das Landgericht meint, ebenso gebräuchlich ist
wie eine manuelle Änderung der vorgegebenen Trefferzahl durch Tastendruck, dass der
begünstigte Spieler anstatt Freiwürfe auszuführen die Pfeile gezielt in bestimmte
Trefferbereiche eindrückt (vgl. Umdruck S. 28, Bl. 155 d.A.), braucht hier nicht
abschließend geklärt zu werden, wenngleich der Umstand, dass die in den
Bedienungsanleitungen für die angegriffenen Geräte niedergelegten Spielregeln als
selbstverständlich voraussetzen, dass die Pfeile geworfen und nicht einfach aus
nächster Nähe in das gewünschte Feld eingesteckt werden, eher gegen eine solche
Annahme spricht und auch kaum vorstellbar erscheint, dass die Mitspieler ein solches
Verhalten dulden würden. Unabhängig davon, ob die Freiwürfe regulär aus der üblichen
Distanz ausgeführt werden oder ob der Spieler an das Dartboard heran tritt und die
Pfeile aus nächster Nähe von Hand gezielt in ausgewählte Zielfelder drückt, wird der
Zählerstand erst durch das Auftreffen der Pfeile auf das Zielfeld verändert, und es
geschieht nichts anderes als später beim eigentlichen Spiel. Das verlässt die vom
Klagepatent vorgezeichnete Linie.
bb) Die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform war für den
Durchschnittsfachmann mit dem Wissen des Prioritätstages auch nicht anhand an den
Patentansprüchen orientierter Überlegungen als zur Lösung der erfindungsgemäßen
Aufgabe gleichwirkendes und gleichwertiges Austauschmittel auffindbar. Dass die in
der Klagepatentschrift als Stand der Technik erörterte deutsche Offenlegungsschrift 42
33 980 zur Verwirklichung der Handicap-Funktion neben der Veränderung der
Treffervorgabe auch die Möglichkeit zusätzlicher Würfe anspricht, ändert daran nichts.
Der Durchschnittsfachmann sieht, dass diese Möglichkeit der Vorgabe des Merkmals
4.4 zuwiderläuft; eine an Anspruch 1 des Klageschutzrechtes orientierte Ersatzlösung
müsste das Funktionsprinzip einer unmittelbaren Änderung der Treffervorgabe
beibehalten, beispielsweise, indem abweichend von den Merkmalen 4.3 und 4.4 die
Treffervorgabe für jeden Spieler einzeln eingestellt und dabei auch das Handicap
verwirklicht wird.
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Über die Verletzungsfrage kann der Senat ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen
entscheiden, auch wenn das in der Beurteilung von Patentverletzungen langjährig
erfahrene Landgericht den Sachverhalt anders bewertet und eine Verwirklichung der
erfindungsgemäßen Lehre mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln angenommen hat.
Die technische Lehre der Klageschutzrechte ist auch für den technisch nicht
vorgebildeten Verletzungsrichter ohne Schwierigkeiten zu erfassen; nicht anderes gilt
für die Überprüfung der angegriffenen Vorrichtung auf eine Übereinstimmung mit der
unter Schutz gestellten Lehre. Beides setzt keine besonderen Fachkenntnisse voraus;
es geht nur um bestimmte Funktionsabläufe zwischen nach ihrer Funktion definierten
Bauteilen in der automatischen Zählvorrichtung und nicht etwa um deren
elektrotechnisch-konstruktive Umsetzung. Die Funktionsweise der angegriffenen
Gegenstände steht außer Streit; umstritten ist nur die patentrechtliche Bewertung, ob
diese Funktionsweise der in Anspruch 1 des Klagepatentes niedergelegten technischen
Lehre entspricht.
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D.
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Entsprechend dem Ergebnis des Berufungsverfahrens hat der Kläger als unterlegene
Partei nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; die Anordnungen
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
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Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, denn die hierfür in § 543
ZPO n.F. aufgestellten Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Als reine
Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F..
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R1 R4 Dr. R3
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