Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.04.2009
OLG Düsseldorf: treu und glauben, fristlose kündigung, vertragliche haftung, verein, satzung, beschränkung, aufrechnung, rechtsberatung, wohnraummiete, vermieter
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 50/08
Datum:
21.04.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 50/08
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 3 O 362/07
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.01.2008 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.594,13 €.
G r ü n d e
1
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist gemäß § 522 Abs. 2
ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung in der Sache keinen Erfolg,
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des
Berufungsgerichts auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.
2
I.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom
19.01.2008 Bezug genommen. Der Senat hat dort ausgeführt:
4
"Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ihn zum Ersatz des von ihm durch
anwaltliche Schlechtberatung verursachten Kostenschadens in Höhe von
insgesamt 6.594,13 € nebst Zinsen verurteilt.
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Das Berufungsvorbringen vermag eine für den Beklagten günstigere Entscheidung
nicht zu rechtfertigen:
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1.
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Der Beklagte haftet den Klägern gemäß §§ 280 Abs. 1, 328, 675 BGB unter dem
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Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte für die Folgen des von
ihm den Klägern im November 2003 auftrags des Vereins "I. M. e.V." erteilten
fehlerhaften Rechtsrats.
a)
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Entgegen der sich auf ein Urteil des Landgerichts Offenburg (NJW-RR 2003, 1703)
stützenden Entscheidung des Landgerichts beschränkt sich die Haftung des
Beklagten gegenüber den Klägern nicht auf Pflichtverletzungen aus dem
unmittelbar zwischen den Parteien erst im Juli 2004 (anlässlich der von der
Vermieterin unter dem 13.07.2004 ausgesprochenen Kündigung) zustande
gekommenen Mandatsverhältnis. Die grundlegende Ursache für die den Klägern
im Zusammenhang mit der Beendigung des Mietverhältnisses durch fristlose
Kündigung seitens der Vermieterin und dem nachfolgenden Räumungsprozess
entstandenen Schäden hatte der Beklagte bereits durch seinen im November 2003
erteilten fehlerhaften Rechtsrat gesetzt, gegenüber den Mietzinsansprüchen für die
Zeit von Februar bis Juni 2004 mit einem vermeintlichen Gegenanspruch in Höhe
von 4.097,31 € aufzurechnen und entsprechend keine Mietzahlungen zu leisten.
Dieser Rat war - insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit - falsch, weil
der Beklagte das im Mietvertrag zulässig vereinbarte Aufrechnungsverbot
verkannte.
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b)
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Für die Folgen dieser defizitären anwaltlichen Beratung haftet der Beklagte den
Klägern ungeachtet des Umstandes, dass er im November 2003 noch nicht von
den Klägern mandatiert war, sondern ihnen Rechtsrat im Rahmen ihrer
Mitgliedschaft im "I. M. e.V." erteilte. Zwar kann grundsätzlich nur der
Vertragspartner eine vertragliche Haftung in Anspruch nehmen. Vertragspartner
des Beklagten waren vor der Mandatierung durch die Kläger selbst im Juli 2004
nicht die Kläger, sondern der "I. M. e.V." in Düsseldorf. Anderes gilt aber dann,
wenn - wie hier - nach dem Willen der Vertragsparteien Dritte in den Schutzbereich
des Vertrages einbezogen sind. Von einem solchen Vertrag mit Schutzwirkung zu
Gunsten Dritter ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB)
immer dann auszugehen, wenn dem Vertragsschuldner die Einbeziehung des
Dritten in den vertraglichen Schutzbereich bekannt oder zumindest erkennbar ist,
die Rechtsgüter des Dritten durch die Vertragsleistung des Schuldners
bestimmungsgemäß oder typischerweise beeinträchtigt werden können
("Leistungsnähe"), ein berechtigtes Interesse des Vertragsgläubigers am Schutz
des Dritten besteht und der Dritte ein Schutzbedürfnis hat (vgl. BGH NJW 1985,
489 und 2411; 1996, 2927; 2004, 3630; Senat NJW-RR 1997, 1314; GuT 2007,
287; MDR 2007, 988; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 328 Rn. 13 ff.; Zugehör,
Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 1383 ff.; ders. NJW 2008, 1105;
Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 102 ff.). Diese
Grundsätze gelten auch für Anwaltsverträge; in einem solchen Fall sind die von
einer Pflichtverletzung betroffenen Personen Adressaten der anwaltlichen Pflichten
und berechtigt, bei pflichtwidriger Schadenszufügung durch den Anwalt von ihm
Schadensersatz zu fordern (vgl. BGH NJW 1995, 51; NJW 2000, 725).
12
c)
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Die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte liegen hier vor:
Inhalt und Zweck des dem Beklagten von dem Mieterschutzverein erteilten Auftrags
war ersichtlich die Beratung Dritter, nämlich der Vereinsmitglieder, deren
Rechtsgüter diesem Zweck entsprechend durch Fehlleistungen des Beklagten
Nachteile erleiden konnten und hier auch erlitten haben. Die Drittbezogenheit der
von dem Beklagten zu erbringenden Leistung war nachgerade der Kern des ihm
erteilten Beratungsauftrags. Auch liegt das Interesse des Vereins am Schutz seiner
Mitglieder, denen er die Rechtsberatung offeriert, auf der Hand. Die Beklagten sind
zudem auch schutzbedürftig. Gleichwertige Ersatzansprüche gegen den
Mieterschutzverein sind nicht dargetan, zumal nach § 3 Nr. 4 S. 3 der aktuellen
Satzung des Vereins (allgemeinkundig, veröffentlicht unter:
www.ivmieterschutz.de/anmeldung/satzung.html)
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"Aus der Gewährung von Rat, Information und Hilfe kann das Mitglied keine
Ansprüche gegen den Verein und seine Organe herleiten."
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die Haftung des Vereins ausgeschlossen ist. Das dem Beklagten von dem Verein
übertragene Beratungsmandat bezog mithin gerade diejenigen Vereinsmitglieder,
deren Beratung der Beklagte im Einzelfall übernahm, in seinen Schutzbereich ein.
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d)
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Da der Beklagte den Klägern bereits wegen des ihnen im November 2003 erteilten
verfehlten Rechtsrats haftet, bedarf es keiner vertiefenden Erörterung, ob und mit
welchen Folgen der Beklagte die Kläger auch nach Mandatierung im Juli 2004
fehlerhaft beraten hat. Insoweit hat das Landgericht völlig zutreffend eine
Pflichtverletzung des Beklagten darin gesehen, dass er ohne erneute Sach- und
Rechtsprüfung an dem in der früheren Beratung eingeschlagenen (falschen) Weg
festgehalten hat. Die Auffassung der Berufung, der Beklagte hätte den Sachverhalt
nicht nochmals umfassend prüfen müssen, ist von Rechtsirrtum beeinflusst und
verkennt die Pflichten eines Anwalts. Denn dieser hat in den Grenzen des Mandats
dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu
führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit
solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den
sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken
aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage
ist (BGH WM 1993, 1376; 1996, 1824; 2006, 927; 2007, 419; NJW 2007, 2485;
NJW-RR 2008, 1235). Durch ungeprüftes Fortsetzen des bereits im November
2003 eingeschlagenen falschen Weges hat der Beklagte diese Pflichten
verabsäumt und den bereits eingetretenen Schaden sogar noch vertieft.
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2.
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Die den Klägern entstandenen Kostenschäden, nämlich
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Kosten des Räumungsprozesses, I. Instanz, Kostenfestsetzungsbeschluss
vom 13.01.2006)
1.170,22
€
Kosten des Räumungsprozesses, II. Instanz, Kostenfestsetzungsbeschluss
vom 28.10./11.11.2005)
1.861,57
€
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Gerichtskosten des Berufungsverfahrens
968,00 €
an den Beklagten geleistete Vorschüsse
2.594,34
€
insgesamt
6.594,13
€
sind sämtlich verursacht durch den verfehlten Rat des Beklagten, mit einem
vermeintlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber dem
laufenden Mietzinsanspruch die Aufrechnung zu erklären und Zahlungen nicht zu
leisten. Mit Recht haben das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 25.04.2005, 14e O
97/04) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 29.09.2005, I-10 U 86/05)
die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des so entstandenen
Zahlungsverzugs für wirksam erachtet und die Kläger zur Räumung verurteilt. Es
bedarf hier keiner Erörterung, ob der Hilfsbegründung des 10. Zivilsenats, ein
Gegenanspruch in der behaupteten Höhe von 4.097,31 € habe den Klägern bereits
nicht zugestanden (sub II.2.b der Urteilsgründe), zu folgen ist. Denn durch § 6 Nr. 1
und 2 des Mietvertrages vom 25.03.1991 war die Aufrechnung mit anderen als
unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Ansprüchen gegenüber dem Mietzins
ohnehin ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Beklagten verstieß die von
der Vermieterin ausgesprochene fristlosen Kündigung auch nicht gegen die aus §
242 BGB folgenden Gebote von Treu und Glauben. Zweck des Verbotes einer
Aufrechnung gegenüber dem Mietzinsanspruch ist es gerade, dem Vermieter die
Sanktion des § 543 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zur Sicherstellung der
regelmäßigen und nicht mit der Auseinandersetzung um Gegenansprüche
belasteten Mietzinszahlung zu erhalten. Wäre der Vermieter wegen bestehender
Gegenansprüche nach Treu und Glauben gehindert, die ihm durch § 543 Abs. 1
und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eröffneten Konsequenzen aus dem Zahlungsverzug des
Mieters zu ziehen, so liefe das Aufrechnungsverbot weitgehend leer. Die
Interessen des Mieters sind durch die Möglichkeit, seine Rechte gerichtlich geltend
zu machen, hinreichend gewahrt."
22
II.
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Das tatsächliche und rechtliche Vorbringen des Beklagten in den Schriftsätzen vom
13.02.2009 und 16.04.2009 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, weil es
gegenüber der Berufungsbegründung, die der Senat vollständig berücksichtigt hat,
keine entscheidungserheblichen neuen Gesichtspunkte enthält. Ergänzend ist
folgendes auszuführen:
24
1.
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Der Vortrag des Beklagten, die Kläger seien Mitglieder des Vereins "I. M. e.V." nur mit
der Beschränkung auf Wohnungsmietangelegenheiten gewesen, weshalb ihr
Beratungsanspruch auf Wohnungsmietangelegenheiten begrenzt gewesen und die
ihnen hier erteilte Beratung in gewerblichen Mietangelegenheiten ohne vertragliche
Grundlage erfolgt sei, ist unsubstantiiert und deswegen unerheblich. Es mag sein, dass
der Verein heute zwischen Geschäftsraummiete und Wohnraummiete - etwa in der
Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge - unterscheidet. Es ist aber nichts
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dafür ersichtlich, dass dies bereits im Zeitpunkt der Falschberatung durch den Beklagten
(November 2003) der Fall gewesen wäre. Der von den Klägern vorgelegten Satzung
des Vereins ist eine solche Differenzierung des Anspruchs auf Rechtsberatung nicht zu
entnehmen. Trotz Hinweises des Berichterstatters des Senats mit Verfügung vom
19.03.2009 auf den Mangel der Substantiierung hat der Beklagte etwaige andere
vereinsinterne Rechtsgrundlagen für die behauptete Differenzierung nicht vorgetragen.
Der Senat hat deshalb davon auszugehen, dass die vorgelegte Textfassung der
Satzung derjenigen entspricht, die zum Zeitpunkt der fehlerhaften Beratung der Kläger
durch den Beklagten in Kraft war. Überdies enthielten die hierfür vorgesehenen
Formulare im Zeitpunkt des Beitritts der Kläger zu dem Verein keine entsprechende
Differenzierung; nach den Angaben des Beklagten werden erst seit dem Jahr 2004
Beitrittsformulare verwendet, die zwischen Wohnraummiete und gewerblicher Miete
unterscheiden.
2.
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Ebenso ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, der Beratungsanspruch der Kläger
gegenüber dem Verein habe sich auf die im Beitrittsformular angegebene Wohnanschrift
beschränkt. Auch für eine derartige Beschränkung der Mitgliedsrechte ist der Satzung
des Vereins nichts zu entnehmen. Andere Rechtsgrundlagen für die angebliche
Beschränkung der Mitgliedsrechte sind weder ersichtlich noch vom Beklagten dargetan.
Auch aus dem Schreiben der Rechtsanwälte B. I. und P. vom 06.05.2008 sind konkrete
Hinweise auf bereits im Jahre 2003 geltende Rechtsgrundlagen für eine Beschränkung
des Beratungsanspruchs auf die in der "Anmeldebescheinigung" angegebene Anschrift
nicht zu ersehen. Dagegen sprechen auch die Aktivitäten des Vereins in der
Geschäftsraummietsache der Kläger im Jahre 2003. Eine Vernehmung des als Zeugen
benannten W. F. ist nicht veranlasst, da der Beweisantritt auf Ausforschung gerichtet ist.
28
III.
29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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