Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.10.2006
OLG Düsseldorf: treu und glauben, verfügung von todes wegen, erbvertrag, erblasser, vergleich, letztwillige verfügung, genehmigung, scheidung, testament, erbeinsetzung
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 185/06
Datum:
24.10.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 185/06
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 5 T 175/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben; die Sache wird zur
erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Kleve
zurückverwiesen.
I.
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Der Erblasser war bis zu seinem Tod in dritter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet,
der Beteiligte zu 2 ist das einzige Kind des Erblassers aus dessen erster Ehe.
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Im mündlichen Scheidungstermin vor dem Landgericht Düsseldorf am 19.11.1976, in
dem der Erblasser, sein Prozessbevollmächtigter und seine erste Ehefrau anwesend
waren, wurde ein Vergleich geschlossen.
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In dem Protokoll ist hierzu vermerkt:
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Für den Fall der Scheidung schlossen die Parteien den aus der Anlage
ersichtlichen Vergleich, der vorgelesen und genehmigt wurde.
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Der dem Protokoll als Anlage beigefügte Vergleich enthält unter anderem Regelungen
zur Vermögensauseinandersetzung und zum Unterhalt. Die Nr. 12 des Vergleichs lautet:
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Der Kläger setzt hiermit seinen Sohn C. zum alleinigen Erben ein. Dieses soll
auch für den Fall gelten, dass er erneut wieder heiratet.
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Durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom selben Tag - 15 R 226/76 – wurde die
Ehe geschieden.
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Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, nach dem sie und der Beteiligte zu 2
den Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge jeweils zur Hälfte beerbt haben.
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Sie hat geltend gemacht:
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In einem Prozessvergleich könne kein Testament errichtet werden. Ein Erbvertrag sei
nicht zustande gekommen. Es sei nicht eindeutig erkennbar, wer die
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Vertragsschließenden seien, außerdem fehle es an einer Angebotsannahme.
Der Beteiligte zu 2 hat einen Erbschein beantragt, wonach er aufgrund einer
letztwilligen Verfügung des Erblassers Alleinerbe geworden ist und hierzu die
Auffassung vertreten, durch den Vergleich sei ein Erbvertrag geschlossen worden.
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Das Amtsgericht hat in einem Vorbescheid vom 06.03.2006 angekündigt, dass es
beabsichtige, unter gleichzeitiger Ablehnung des Antrags der Beteiligten zu 1 dem
Antrag des Beteiligten zu 2 zu entsprechen und diesem einen Erbschein zu erteilen, der
ihn als Alleinerben ausweist.
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Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt:
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Es liege ein wirksamer einseitiger Erbvertrag vor, durch den der Beteiligte zu 2 als
Alleinerbe eingesetzt worden sei. Im Unterschied zum Testament enthalte ein
Erbvertrag mindestens eine vertragsmäßige Verfügung mit Bindungswirkung im Sinne
des § 2289 BGB. Er sei mithin vom Erblasser nicht mehr frei widerruflich, weil er seine
Testierfreiheit im Umfang der von ihm freiwillig eingegangenen Bindung aufgegeben
habe. Einseitig sei der Erbvertrag, wenn - wie hier - nur der Erblasser vertragsmäßige
Verfügungen von Todes wegen treffe, auch wenn sich der lediglich annehmende
Vertragspartner gleichzeitig zu Leistungen unter Lebenden verpflichte (vgl.
Palandt/Edenhofer, BGB, 64. A, Überblick vor § 2274 Rn 2). Vorliegend sei eine
Bindungswirkung von dem Erblasser und seiner ersten Ehefrau offensichtlich gewollt
gewesen. So ergebe sich bereits aus den übrigen Regelungen des für den Fall der
Scheidung getroffenen Prozessvergleichs, in denen sich die erste Ehefrau ihrerseits u.a.
verpflichtet habe, den hälftigen Miteigentumsanteil des ehelichen Hauses an den
Erblasser zu übertragen, dass die Erbeinsetzung des gemeinsamen Sohnes der
Eheleute für den Erblasser nicht frei widerruflich sein sollte. Dass die Parteien eine
vertragliche Regelung gewollt hätten, folge auch aus dem Umstand, dass die
Alleinerbeinsetzung auch für den Fall der Wiederheirat des Erblassers Bestand haben
sollte.
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Der Erbvertrag sei auch nicht mangels Eindeutigkeit der Vertragsschließenden oder aus
anderen Gründen formungültig. Aus dem Sitzungsprotokoll des Landgerichts Düsseldorf
vom 19.11.1976 gehe eindeutig hervor, dass Vertragsparteien die Prozessparteien
seien. Der Sohn des Erblassers sei hingegen nicht Vertragspartei, sondern nur
bedachter Dritter. Die für den Erbvertrag vorgeschriebene Form der notariellen
Beurkundung werde durch die Aufnahme der Erklärung in einen Prozessvergleich
ersetzt (§§ 2276, 127a BGB). Von einem persönlichen Abschluss des Erbvertrags
(§ 2274 BGB), der ausweislich des Sitzungsprotokolls in Anwesenheit des Erblassers
und seines Prozessbevollmächtigten sowie seiner erste Ehefrau geschlossen worden
sei, sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung auszugehen. Da der Vergleich laut
Sitzungsprotokoll, "vorgelesen und genehmigt" worden sei, habe es einer weiteren
Annahmeerklärung der Parteien nicht bedurft.
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Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und weiter
vorgetragen:
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In dem Prozessvergleich fehle die notwendige Annahmeerklärung durch die frühere
Ehefrau des Erblassers. Der Vergleich sei formnichtig, weil die frühere Ehefrau nicht
anwaltlich vertreten gewesen sei.
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Der Beteiligte zu 2 ist dem entgegengetreten und hat ergänzend vorgetragen:
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Auch bei einer Unwirksamkeit des Erbvertrags sei es der Beteiligten zu 1 nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Mangel der Form
zu berufen. Ein an sich formnichtiger Vertrag sei in besonderen Ausnahmefällen als
wirksam zu behandeln, wenn – wie hier - die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben
unvereinbar sei. In der Scheidungsfolgenvereinbarung sei eine Vielzahl von
Vereinbarungen getroffen worden, die alle umgesetzt worden seien. Diese seien nicht
mehr rückabzuwickeln, insbesondere sei der Erblasser bei seinem Tod nicht mehr
Eigentümer des in dem Vergleich genannten Hauses in N. gewesen.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ergänzend dargelegt:
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Die Formel "vorgelesen und genehmigt" ersetze die erforderliche Annahmeerklärung.
Für die Wirksamkeit des geschlossenen Erbvertrags sei es unschädlich, dass die
Ehefrau des Erblassers nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, da jedenfalls der
Erblasser, zu dessen Lasten der Vertrag geschlossen worden sei, anwaltlich vertreten
gewesen sei. Hinzu komme, dass ausweislich des Sitzungsprotokolls der Richter bei
Abschluss des Vergleichs als beauftragter Richter gehandelt habe. Hier gelte gemäß §
78 Abs. 3 ZPO der Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 ZPO nicht. Darüber hinaus sei die
Ehe nach dem alten Ehescheidungs- und Verfahrensrechts geschieden worden, das
keine auf dem Einverständnis der Partner beruhende Auflösung der Ehe gekannt habe
und wonach es zulässig gewesen sei, dass verabredungsgemäß nur für die Klägerseite
ein Anwalt auftrat und das Gericht durch den Einzelrichter die Scheidung aussprechen
konnte (vgl OLG Frankfurt NJW 1969, 194; OLG Koblenz NJW 1971, 1043). Gleiches
gelte auch für einen im Vorfeld geschlossenen Vergleich (vgl. OLG Koblenz NJW 1971,
1043).
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Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
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Mit der weiteren Beschwerde macht die Beteiligte zu 1 weiter geltend, da der Vergleich
nicht die ausdrückliche Annahmeerklärung der Ehefrau enthalte, liege kein wirksamer
Erbvertrag vor.
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Der Beteiligte zu 2 tritt dem entgegen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
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Die gemäß §§ 20, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist –
jedenfalls vorläufig – auch begründet. Der Sachverhalt ist nicht hinreichend aufgeklärt.
Damit ist davon auszugehen, dass die angefochtene Entscheidung auf einer
Rechtsverletzung beruht, §§ 27 FGG.
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1. Die Kammer hat ausgeführt:
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Das Amtsgericht gehe zu Recht von einem wirksamen Erbvertrag aus, aufgrund dessen
der Beteiligte zu 2 Alleinerbe geworden sei.
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Nach herrschender Meinung könne in einem Prozessvergleich zwar kein Testament
wohl aber ein Erbvertrag errichtet werden (vgl Palandt/Edenhofer § 2232 Rn 1 und
Palandt/Heinrichs § 127 a Rn 3). Bei der in Nr. 12 des Prozessvergleichs enthaltenen
letztwilligen Verfügung handele es sich um einen solchen Erbvertrag. Während mit
einem Testament der Erblasser eine einseitige Verfügung von Todes wegen treffe, stelle
der Erbvertrag eine in Vertragsform errichtete Verfügung von Todes wegen dar. Indem
der Erblasser neben anderen Regelungen im Zusammenhang mit seiner Scheidung
auch seine Erbfolge in den Prozessvergleich mit aufgenommen habe, habe er
erkennbar keine einseitige letztwillige Verfügung, sondern eine letztwillige Verfügung in
Vertragsform errichten wollen.
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Der mit diesem Prozessvergleich errichtete Erbvertrag sei auch wirksam geschlossen
worden.
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Nach § 2274 BGB könne der Erblasser einen Erbvertrag nur persönlich schließen. Der
nicht verfügende Vertragspartner müsse den Erbvertrag annehmen. Daran, dass der
Erblasser den Erbvertrag im Sinne des § 2274 BGB persönlich abgeschlossen habe,
könne vorliegend kein Zweifel bestehen, da er persönlich im Termin anwesend
gewesen sei. Die erforderliche Annahmeerklärung der früheren Ehefrau des Erblassers
sei ebenfalls erfolgt. Der Einwand der Beteiligten zu 1, aus dem Protokoll ergebe sich
nicht, dass die frühere Ehefrau die Erbeinsetzung des Sohnes durch ihren Ehemann
angenommen habe, greife nicht durch. Denn auch eine nicht ausdrücklich erklärte
Annahme könne durch Auslegung festgestellt werden (vgl OLG Frankfurt Rpfleger 1980,
344). Die frühere Ehefrau des Erblassers sei ebenfalls persönlich im Scheidungstermin
anwesend gewesen. Die in Nr. 12 des Prozessvergleichs erfolgte unwiderrufliche
Erbeinsetzung des gemeinsamen Kindes der Eheleute habe ersichtlich im Interesse der
früheren Ehefrau gelegen. Denn sie habe der finanziellen Absicherung des Beteiligten
zu 2 gedient, der zu diesem Zeitpunkt erst 6 Jahre alt gewesen sei. Bei lebensnaher
Betrachtung habe die frühere Ehefrau die Erbeinsetzung ihres Sohnes durch ihren
Ehemann im Scheidungstermin stillschweigend angenommen.
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Die für den Erbvertrag nach § 2276 BGB vorgeschriebene notarielle Beurkundung
werde gemäß § 127 a BGB bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der
Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll
ersetzt. Der gerichtliche Vergleich sei entsprechend den Vorschriften der
Zivilprozessordnung ordnungsgemäß protokolliert und der Inhalt des Protokolls von den
anwesenden Parteien genehmigt worden.
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2. Das hält der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Aufgrund
des zugrunde zu legenden Sachverhalts kann nicht festgestellt werden, dass der
Erblasser und seine erste Ehefrau einen in dem Prozessvergleich enthaltenen
Erbvertrag wirksam geschlossen haben.
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a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung der Vorinstanzen, dass mit dem
Vergleichsschluss die erste Ehefrau des Erblassers das Angebot, den gemeinsamen
Sohn als Alleinerben einzusetzen, angenommen hat. Die weitere Beschwerde, die sich
ausdrücklich allein hiergegen wendet, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
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aa) Es muss nicht entschieden werden, ob die Auslegung der Erklärung der ersten
Ehefrau des Erblassers bei Abschluss des Vergleichs nur in eingeschränktem Umfang
der Überprüfung durch den Senat unterliegt.
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Hierfür spricht allerdings, dass gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 2 ZPO das
Gericht der weiteren Beschwerde an die vom Beschwerdegericht ohne Verletzung des
Gesetzes festgestellten Tatsachen gebunden ist (vgl Keidel/Meyer-Holz, FGG 15. A, §
27 Rn 42). Tatsache in diesem Sinn ist auch der Sinngehalt einer Erklärung. Deshalb ist
die Auslegung der Erklärung, also die Feststellung dessen, was tatsächlich erklärt ist,
allein Sache der Tatsacheninstanz, mit der Folge, dass das Gericht der weiteren
Beschwerde die von ihm vorgenommene Auslegung nur auf Rechtsfehler hin
überprüfen kann. Die tatrichterliche Auslegung einer Erklärung bindet daher das
Rechtsbeschwerdegericht, solange sie - ohne zwingend sein zu müssen - nach den
Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist, mit gesetzlichen
Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht
widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (Keidel/Meyer-Holz § 27
Rn. 49). Ob dennoch die Frage, ob ein Vertragsangebot des Erblassers durch die
Genehmigung eines Vergleichs angenommen wird, im Rahmen der Frage, ob ein
Erbvertrag wirksam zustande gekommen ist, der unbeschränkten Prüfung durch das
Rechtsbeschwerdegericht unterliegt (so OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 344), kann hier
offen bleiben.
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bb) Denn die Auslegung der in der Genehmigung des Vergleichs liegenden Erklärung
der ersten Ehefrau des Erblassers dahin, dass sie hierdurch das Erbvertragsangebot
angenommen hat, erweist sich als zutreffend.
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aaa) Die Genehmigungserklärung ist angesichts der Doppelnatur des
Prozessvergleichs (vgl Zöller/Stöber, ZPO, 24. A, § 794 Rn 3) wie jede andere
Willenserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen (zur Möglichkeit der Auslegung
vgl OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 2700; OLG Frankfurt aaO). Warum gerade beim
Erbvertrag eine ausdrückliche Erklärung notwendig sein sollte (so OLG Oldenburg
DNotZ 1966, 249), ist nicht ersichtlich.
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Dass der Senat in dieser Frage eine andere Auffassung als das OLG Oldenburg vertritt,
erfordert keine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG. Hierin liegt
schon deshalb keine Abweichung von dessen Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift,
weil jener Beschluss nicht die Genehmigung eines gerichtlichen Vergleichs, sondern
einer notariellen Urkunde und damit einen anderen Sachverhalt betrifft.
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bbb) Bei der Auslegung ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Vergleich
insbesondere eine Auseinandersetzung der Vermögens- und
Unterhaltsangelegenheiten für den Fall der Scheidung enthält. So hat sich die Ehefrau
verpflichtet, die ihr gehörende Haushälfte auf den Erblasser zu übertragen (Nr. 5).
Gerade vor diesem Hintergrund ist es zutreffend in der Genehmigung des Vergleichs
zugleich die Annahme des Angebots der einseitigen Erbeinsetzung des gemeinsamen
Sohnes durch den Erblasser seitens der Ehefrau als ein Bestandteil einer umfassenden
Scheidungsfolgenvereinbarung zu sehen.
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b) Aufgrund des bisher ermittelten Sachverhalts kann aber nicht festgestellt werden,
dass das in der Genehmigung des Vergleichs liegende Angebot zum Abschluss eines
Erbvertrags seitens Erblassers in der gebotenen Form des § 2274 BGB (persönlich)
erfolgt ist.
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aa) Dies ist vom Senat zu prüfen, obwohl die Beteiligte zu 1 mit der weiteren
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Beschwerde nur noch – wie dargelegt zu Unrecht – geltend macht, ein Erbvertrag sei
mangels Annahmeerklärung der Ehefrau nicht zustande gekommen. Auf eine zulässige
weitere Beschwerde hin hat das Rechtsmittelgericht deren Begründetheit unabhängig
von den erhobenen Rügen umfassend zu überprüfen (allg. Meinung vgl. Keidel/Meyer-
Holz § 27 Rn 15, mN).
bb) Auch wenn die Frage, ob der Erblasser den Erbvertrag persönlich geschlossen hat,
hier also durch eine selbst erklärte Genehmigung des Vergleichs ein entsprechendes
Angebot abgegeben hat, als tatsächliche Feststellung nur der dargelegten
eingeschränkten Überprüfung durch den Senat unterliegt, erweisen sich die
Ausführungen der Kammer hierzu als rechtsfehlerhaft. Ob der Erblasser die
Genehmigungserklärung persönlich abgegeben hat, bedarf der weiteren Aufklärung im
Rahmen des § 12 FGG.
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Das Landgericht ist dem Amtsgericht folgend aufgrund der allgemeinen
Lebenserfahrung von einem persönlichen Abschluss des Erbvertrags durch den
Erblasser ausgegangen, weil der Vergleich ausweislich des Sitzungsprotokolls in
Anwesenheit des Erblassers und seines Prozessbevollmächtigten sowie seiner ersten
Ehefrau vorgelesen und genehmigt worden sei. Das ist nicht richtig, denn es kann nach
der Lebenserfahrung nicht angenommen werden, dass eine in einem Gerichtstermin
anwesende Partei, deren Prozessbevollmächtigter ebenfalls anwesend ist, einen
vorgelesenen Vergleich auch persönlich und nicht nur durch ihren Bevollmächtigten
genehmigt (vgl OLG Stuttgart NJW 1989, 2700). Soweit laut Protokoll ein Vergleich
genehmigt worden ist, bedarf es, um einen wirksamen Erbvertragsschluss annehmen zu
können, vielmehr der ausdrücklichen Feststellung, dass diese Genehmigung nicht nur
durch den Prozessbevollmächtigten, sondern auch durch die persönlich anwesende
Partei erklärt worden ist. Das muss sich nicht unbedingt aus dem Protokoll ergeben, es
kann vielmehr auch auf andere Weise – etwa durch Vernehmung der im Termin
anwesenden Personen – nachgewiesen werden (vgl. OLG Stuttgart aaO; MüKomm-
BGB/Musielak, 4. A, § 2276 Rn 8; BeckOK-BGB/Litzenburger, Stand: 01.07.2006, §
2276 Rn 7).
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Entsprechende tatsächliche Feststellungen sind bisher nicht getroffen worden und
deshalb nachzuholen.
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c) Das ist hier nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil, wie der Beteiligte zu 2
meint, die Beteiligte zu 1 sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ohnehin
nicht auf eine Unwirksamkeit des Erbvertrags und damit ihr gesetzliches Erbrecht
berufen kann.
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aa) Es ist schon fraglich, ob der Einwand des Rechtsmissbrauchs oder der
Treuwidrigkeit gegenüber der Erbenstellung überhaupt und insbesondere im
Erbscheinsverfahren geltend gemacht werden kann. Die Erbenstellung kann
grundsätzlich nur durch Gesetz, wirksames Testament und wirksamen Erbvertrag
begründet werden. Ebenso sind die Voraussetzungen, unter denen ein Erbe wegfällt, im
Gesetz erschöpfend geregelt. Daraus wird verbreitet der Schluss gezogen, die
Erbenstellung könne nicht aus Gesichtspunkten des § 242 BGB angezweifelt werden;
zumindest im Erbscheinsverfahren sei lediglich zu prüfen, wer Erbe geworden ist, und
nicht, ob besondere Umstände der Geltendmachung eines Erbrechts entgegenstehen
(vgl OLG Köln NJW-RR 2006, 225, mN).
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bb) Auch wenn man eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 242
BGB nicht annimmt, ist zu berücksichtigen, dass eine auf der Verletzung gesetzlicher
Formvorschriften beruhende Nichtigkeit eines Vertrags im Interesse der
Rechtssicherheit in aller Regel nicht auf Grund von Billigkeitserwägungen außer acht
gelassen werden darf; eine Ausnahme kann nur in ganz besonders gelagerten Fällen
gemacht werden, in denen nach den gesamten Umständen die Nichtigkeitsfolge mit
Treu und Glauben unvereinbar wäre; an die Bejahung eines Ausnahmefalles sind
strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1985, 1778; OLG Köln aaO; jew
mwN).
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cc) Dass hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt, der es der Beteiligten zu 1 verwehren
würde, sich auf die Nichtigkeit des Erbvertrags zu berufen, kann nicht festgestellt
werden. Der Beteiligte zu 2 macht hierzu geltend, dass in der
Scheidungsfolgenvereinbarung gemäß dem Vergleich eine Vielzahl von
Vereinbarungen getroffen worden sei, die alle umgesetzt worden seien. Diese seien
nicht mehr rückabzuwickeln, insbesondere sei der Erblasser bei seinem Tod nicht mehr
Eigentümer des in dem Vergleich genannten Hauses in N. gewesen.
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Warum dies die Beteiligte zu 1 hindern sollte, sich auf die Nichtigkeit des Erbvertrags zu
berufen, an deren Abschluss sie selbst nicht beteiligt war, ist nicht ersichtlich. In diesem
Zusammenhang ist auch nicht feststellbar, dass die wirtschaftlichen Folgen der
Nichtigkeit des Erbvertrags für den Beteiligten zu 2 unerträglich wäre. Wenn der Vertrag
nichtig ist, ist er gemeinsam mit der Beteiligten zu 1 Erbe zu ½. Bei einer Wirksamkeit
des Erbvertrags ist er hingegen zwar Alleinerbe, muss jedoch den Pflichtteilsanspruch
der Beteiligten zu 1 von ¼ des Nachlasswerts erfüllen.
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3. Die im übrigen zutreffende Entscheidung des Landgerichts ist damit aufgrund der
unzureichenden Ermittlungen zu der Frage, ob der Erblasser die Genehmigung des
Vergleichs persönlich erklärt hat, aufzuheben. Die Sache ist an die Kammer
zurückzuverweisen, um die notwendigen Ermittlungen, die der Senat als
Rechtsbeschwerdegericht nicht durchführen kann, nachzuholen.
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III.
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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.
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Gerichtskosten fallen im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht an (§ 131 Abs. Satz
2 KostO). Über eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird das Beschwerdegericht
zu befinden haben (vgl Keidel/Zimmermann § 13 a Rn. 36).
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Unter diesen Umständen ist auch die Festsetzung des Geschäftswerts nicht erforderlich
(§ 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).
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