Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.07.2002

OLG Düsseldorf: steuerberater, anhörung, anfang, nachforderung, gestaltung, sozialversicherung, rechtsberatung, säumnis, vollstreckung, unterhaltung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 222/01
Datum:
09.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-23 U 222/01
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Juli 2001 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf-
grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu voll-
streckenden Betrages leisten.
T a t b e s t a n d
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Die Kläger begehren mit der Klage Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung von
Pflichten des Beklagten zu 1. als Steuerberater. Der Beklagte zu 1. führte die Gespräche
mit dem Kläger als dessen Steuerberater, die Beklagte zu 2. ist eine GmbH, die zu
einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt, frühestens 1996, die Geschäfte der
zuvor bestehenden Einzelkanzlei des Beklagten zu 1. übernahm.
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Der Kläger gründete zum 1.1.1995 ein Unternehmen, dessen Gegenstand ein
ambulanter Pflegedienst war. Für dieses Unternehmen waren neben dem Kläger
dessen Ehefrau sowie zunächst zwei Mitarbeiterinnen, Frau L und Frau D, tätig. Mit
diesen schloss der Kläger unter dem 1.1.1995 "Arbeitsverträge" über die Beschäftigung
als "freie Mitarbeiterinnen" nach dem Vorbild eines Vertragsmusters, das er sich von
seinem Berufsverband besorgt hatte. Wegen des näheren Inhalts dieser Verträge wird
auf die schriftlichen Vertragstexte (Bl. 71 bis 76 GA) Bezug genommen. Im Vorfeld der
Unternehmensgründung kam es Ende 1994 und Anfang 1995 zu Gesprächen zwischen
dem Kläger und dem Beklagten zu 1., bei denen es um Fragen der Mandatsabwicklung
und die bei der Unternehmensgründung zu beachtenden Umstände ging. In der
Folgezeit beriet der Beklagte den Kläger jedenfalls bis in das Jahr 1998 in steuerlicher
Hinsicht und übernahm die Lohnbuchhaltung, die Jahresbuchführung, die
Gewinnermittlung für den Betrieb und die Anfertigung der Einkommensteuererklärungen
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Gewinnermittlung für den Betrieb und die Anfertigung der Einkommensteuererklärungen
für den Kläger.
Als Folge einer Betriebsprüfung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
bei dem Kläger im Jahre 1999 wurden die Verhältnisse zu den Mitarbeiterinnen als
"Scheinselbständigkeit" eingestuft und der Kläger mit Bescheid vom 11.10.1999
verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 76.450,15 DM wegen der
Beschäftigung der Mitarbeiterinnen D und L für die Jahre 1995 bis 1997 und der
Beschäftigung einer weiteren Mitarbeiterin W für das Jahr 1997 nachzuzahlen.
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Daneben wurde der Kläger für die Jahre 1996 bis Februar 1999 vom Finanzamt zu
verschiedenen Verspätungs-, Säumniszuschlägen und Zinszahlungen in einer
Gesamthöhe von 13.758,70 DM herangezogen. Wegen der Zusammensetzung dieses
Betrages wird auf die Aufstellung des Steuerberaters W aus dem Jahre 1999 (Bl. 15 GA)
Bezug genommen.
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Der Kläger hat behauptet, er habe anlässlich der Gespräche mit dem Beklagten zu 1.
ausdrücklich auch das Honorar der Mitarbeiterinnen besprochen. Es sei ausdrücklich
eine Empfehlung des Beklagten zu 1. gewesen, die Verträge der Mitarbeiterinnen D und
L so wie später abgeschlossen zu gestalten. Der Beklagte zu 1. habe gegenüber dem
erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers auch zugegeben, dass ihm bei
der Beratung des Klägers die Rechtsprechung zur Scheinselbständigkeit nicht
gegenwärtig gewesen sei und er entsprechende Ratschläge dem Kläger nicht erteilt
habe. Der Kläger hat hierzu die Ansicht vertreten, der Beklagte zu 1. habe ihn bei den
ersten Gesprächen und auch im weiteren Verlauf des Mandatsverhältnisses darauf
hinweisen müssen, dass es Probleme im Hinblick auf die Scheinselbständigkeit der
Mitarbeiterverhältnisse gebe. Er hat weiter behauptet, wenn er dies alles von Anfang an
gewusst hätte, dann hätte er die Mitarbeiterinnen fest mit einer Vergütung nach dem
maßgeblichen Tarifvertrag eingestellt. Er hätte hierfür weniger aufwenden müssen, als
er tatsächlich für die Honorare und die Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge
zahlen musste. Der Mehrbetrag seiner tatsächlichen Zahlungen, den er mit der Klage
als Schadensersatz geltend macht, betrage 134.621,12 DM. Wegen der Einzelheiten
der Berechnung dieses Betrages wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 6.6.2001 (Bl.
80 GA) Bezug genommen. Darüber hinaus hätten die Beklagten auch den vom
Finanzamt eingeforderten Betrag von 13.758,70 DM zu erstatten. Zu dessen Zahlung sei
er – der Kläger – nämlich nur verpflichtet gewesen, weil er erhebliche
Steuernachzahlungen für die Jahre 1995 bis 1997 zu leisten gehabt habe, über deren
zu erwartende Höhe ihn der Beklagte zu 1. im Jahre 1998 nicht zutreffend informiert
habe. Hätte der Beklagte zu 1. ihm die richtigen Beträge genannt, so hätte er Rücklagen
bilden können. Da er im Vertrauen auf die Information des Beklagten zu 1. das Geld
stattdessen für die Renovierung seiner Wohnung ausgegeben habe, habe er zur
Erfüllung der Nachforderung des Finanzamts keine ausreichenden Mittel gehabt,
weshalb Säumnis-, Verspätungszuschläge und Zinsen angefallen seien.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 148.379,82 DM nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Klagezustellung zu zahlen,
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hilfsweise,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 19.758,70 DM nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Klagezustellung zu zahlen, sowie ihn in Höhe eines weiteren Betrages von
128.621,12 DM von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem Bescheid vom 11.10.1999
zum Aktenzeichen freizustellen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben die Ansicht vertreten, nicht zu Hinweisen über die Sozialversicherungspflicht
der Mitarbeiter verpflichtet gewesen zu sein. Im übrigen habe der Beklagte zu 1.
Schätzungen über die Höhe der Steuernachzahlungen nicht abgegeben. Weiterhin
bestünden Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. schon deshalb nicht, weil sie die
Geschäfte der Kanzlei erst zum 1.1.1998 übernommen habe. Im übrigen haben die
Beklagten sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Beratungsfehler des
Beklagten zu 1. lägen nicht vor. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit
dem er seinen Schadensersatzanspruch gegen beide Beklagte weiterverfolgt.
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Er behauptet, dass er zwar die Vertragsgestaltung mit dem Mitarbeiterinnen angedacht
habe, der Beklagte hiergegen aber keinerlei Einwendungen erhoben habe, obwohl es
ihm – dem Kläger – bei den Gesprächen mit dem Beklagten zu 1. gerade auf die Fragen
der Vertragsgestaltung angekommen sei. Der Beklagte zu 1. hätte ihn bei den
Gesprächen Ende 1994 und Anfang 1995 sowie auch im Laufe des
Mandatsverhältnisses auf das Problem der Scheinselbständigkeit hinweisen müssen. Er
sei im übrigen aufgrund der erheblich unrichtigen Schätzungen des Beklagten zu 1.
über die Höhe der Steuernachzahlungen, die 284.000,-- DM statt geschätzter 140.000,--
DM betragen habe, in eine Liquiditätsenge geraten, was die Verpflichtung zur Zahlung
von Zinsen, Säumnis- und Verspätungszuschlägen zur Folge gehabt habe.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als
Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 148.379,82 DM nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,
17
hilfsweise,
18
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 19.758,70 DM nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Klagezustellung zu zahlen, sowie ihn in Höhe eines weiteren Betrages von
128.621,12 DM von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem Bescheid vom 11.10.1999
freizustellen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie behaupten, der Beklagte zu 1. sei bei der Gestaltung der Mitarbeiterverträge nicht
beteiligt gewesen. Einen Beratungsfehler habe er auch nicht gegenüber dem
erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegeben.
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Im übrigen wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen
ergänzende Ausführungen.
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Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.6.2002 den Kläger
angehört. Wegen des Ergebnisses des Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk
vom 25.6.2002 Bezug genommen. Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des
Parteivortrags auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung, der vorbereitenden
Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat
die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag keinen
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten aus positiver Vertragsverletzung, weil
der Beklagte zu 1. keine aus dem Steuerberatervertrag mit dem Kläger folgende Pflicht
verletzt hat.
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I.
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Eine Pflichtverletzung durch den Beklagten zu 1. liegt nicht darin, dass er den Kläger
nicht über die Sozialversicherungspflicht der Beschäftigungsverhältnisse mit dessen
Mitarbeiterinnen aufgeklärt hat. Der Steuerberatungsauftrag und auch die damit im
Zusammenhang stehende Lohnbuchhaltung verpflichten den Steuerberater nämlich
nicht zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen (OLG Celle GI 2001, 19;
OLG Hamburg GI 1990, 198; LG Kleve GI 2001, 279; LG Limburg GI 2001, 233; vgl.
auch OLG Hamm GI 1998, 69; OLG Köln GI 1990, 198 hinsichtlich der
Unfallversicherung durch eine Berufsgenossenschaft). Zwar hat der Steuerberater eine
Pflicht zur erschöpfenden und umfassenden Beratung. Dies gilt jedoch nur innerhalb
des Rahmens, den §§ 1, 32 Abs. 1 und § 33 StBerG für seine Tätigkeit vorsieht, also bei
der Hilfeleistung in Steuersachen. Dazu gehört die Beratung in Fragen des
Sozialversicherungsrechts nicht. Der Steuerberater wäre zu einer entsprechenden
Rechtsberatung auch gar nicht befugt, weil er damit gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßen
würde, wie Art. 1 § 4 Abs. 3 RBerG ausdrücklich klarstellt. Ein Steuerberater hat seine
Tätigkeit auf die in § 1 StBerG genannten Gebiete zu beschränken (BGH NJW 2000,
69). Eine Tätigkeit, die über die Hilfeleistung in Steuersachen hinausgeht, kann der
Mandant, der einen Steuerberater beauftragt, deshalb nicht erwarten. Dem steht nicht
entgegen, dass der Beklagte zu 1. die Lohnbuchhaltung und damit auch die
Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge übernommen hatte. Die bloße Anfertigung
des Rechenwerks bedeutet nämlich noch keine Rechtsberatung in Angelegenheiten der
Sozialversicherung (OLG Celle GI 2001, 19, 20) und verpflichtet den Steuerberater erst
recht nicht zu deren Aufnahme in einem weitergehenden Umfang – ganz abgesehen
davon, dass Lohnkonten für die Mitarbeiterinnen D und L hier zunächst ja gerade nicht
zu führen waren.
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Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1. liegt auch nicht darin, dass er – unter Verstoß
gegen Art. 1 § 1 RBerG – ausdrücklich vertraglich eine Beratung auch in
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Angelegenheiten der Sozialversicherung oder bei der Gestaltung der Mitarbeiterverträge
übernommen und dabei den Beklagten zu 1. falsch beraten hätte, anstatt auf ein
entsprechendes Ansinnen des Klägers diesen an einen Rechtsanwalt zu verweisen.
Allerdings ist der Steuerberater zu letzterem verpflichtet, wenn an ihn eine Bitte um
Beratung herangetragen wird, deren Erfüllung eine unerlaubte Rechtsberatung
darstellen würde (BGH NJW 2000, 69 hinsichtlich des Entwurfs gesellschaftsrechtlicher
Verträge). Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers durch den Senat liegt ein
derartiger Fall hier nicht vor. Vielmehr hat der Kläger erklärt, den Beklagten nicht
ausdrücklich danach gefragt zu haben, ob mit dem von ihm entworfenen Verträgen sein
Ziel erreicht werde, dass die Beschäftigungsverhältnisse zu den Mitarbeiterinnen nicht
der Sozialversicherungspflicht unterfielen.
Die Übernahme einer entsprechenden Beratung durch den Beklagten zu 1. folgt auch
nicht aus den Umständen der Gespräche mit dem Kläger. Dieser konnte
berechtigterweise aus ihnen nicht die Erwartung herleiten, der Beklagten zu 1. habe ihn
– über die Hilfeleistung in Steuersachen hinaus – auch in Angelegenheiten der
Sozialversicherung beraten. Maßgeblich dafür ist der eigene Sachvortrag des Klägers,
insbesondere bei seiner Anhörung durch den Senat. Bei dieser Gelegenheit hat der
Kläger ausdrücklich erklärt, die Verträge ohne Beteiligung durch den Beklagten zu 1.
selbst anhand eines Musters seines Berufsverbandes entworfen und dem Beklagten zu
1. vor Vertragsschluss anlässlich des einzigen Gesprächs im Jahre 1994 auch gar nicht
gezeigt zu haben. Der Kläger hat nach seinen eigenen Ausführungen bei diesem
Gespräch vielmehr neben anderen steuerrechtlichen Fragen – lediglich die Höhe der
Vergütung angesprochen und den Beklagten zu 1. anhand von ihm gemachter
Vorgaben zur Höhe des Honorars Sozialversicherungsbeiträge berechnen lassen. Darin
kann nicht die Übernahme einer besonderen vertraglichen Verpflichtung zur Beratung in
Fragen des Sozialversicherungsrechts gesehen werden, da wie ausgeführt – die
Lohnbuchhaltung regelmäßig die Berechnung von Sozialversicherungsbeiträgen mit
sich bringt, was zu den erlaubten Buchführungsarbeiten eines Steuerberaters gehört
und von der Frage der Gestaltung der zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse zu
unterscheiden ist.
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Dasselbe gilt für das zweite Gespräch Anfang 1995, bei dem der Kläger dem Beklagten
zu 1. die geschlossenen Verträge gezeigt hat. Seine Frage, ob dies so "in Ordnung"
gehe, bezog sich nämlich nach seinen eigenen Angaben bei der Anhörung durch den
Senat im wesentlichen auf die Klausel, der zufolge die Mitarbeiterinnen sich selbst bei
dem Finanzamt anmelden sollten. Wie der Kläger bei seiner Anhörung erläutert hat, kam
es ihm dabei besonders darauf an, den Eindruck zu vermeiden, er beschäftige die
Mitarbeiterinnen "schwarz". Dadurch, dass der Beklagte zu 1. nach dem klägerischen
Vortrag erwidert hat, das gehe in Ordnung, hat er den Kläger nicht in
sozialversicherungsrechtlichen Fragen beraten.
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Vor diesem Hintergrund spielt es auch keine Rolle, wenn der Beklagte zu 1. tatsächlich
– wie von dem Kläger behauptet – gegenüber dessen erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten eingeräumt haben sollte, von dem Problem der
Scheinselbständigkeit nichts gewusst zu haben. Das ändert nichts daran, dass er zu
einer entsprechenden Beratung des Klägers nicht verpflichtet war.
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Etwas anderes gilt auch nicht insoweit, als der Kläger in den Jahren 1996/97 sich mit
dem Beklagten zu 1. "darüber unterhalten" haben will, ob zu diesem Zeitpunkt in der
Presse aufgekommene Berichte über die Scheinselbständigkeit auch auf ihn zuträfen.
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Auch eine derartige "Unterhaltung" begründet keine Verpflichtung des Beklagten zur
Übernahme einer Beratung auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts und dazu,
Hinweise zur Ausgestaltung der Mitarbeiterverträge zu geben. Die berechtigten
Erwartungen des Mandanten an den Umfang der Beratungstätigkeit eines
Steuerberaters richten sich auch in einem solchen Fall nach den §§ 32, 33 StBerG, sind
also daran auszurichten, dass der Steuerberater eine Hilfeleistung in
Steuerangelegenheiten, nicht auf sonstigen Rechtsgebieten schuldet. Daran ändert eine
Unterhaltung auch über andere Fragen nichts. Aus einer einmaligen Äußerung zur
Rechtslage kann nicht der Schluss gezogen werden, der Steuerberater wolle
umfassend die Beratung auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts übernehmen
(LG Kleve GI 2001, 279, 281).
Selbst wenn man dies anders beurteilen und eine Pflichtverletzung bei dieser
Gelegenheit annehmen wollte, so wäre diese für den geltend gemachten Schaden nicht
ursächlich geworden. Der genaue Zeitpunkt der angeblichen Äußerung ist nicht
bekannt. Jedenfalls war die Mitarbeiterin L aber damals, nämlich bereits seit Herbst
1995, fest angestellt. Bei der Mitarbeiterin D war dies nur deshalb nicht der Fall, weil sie
selbst nicht fest angestellt sein wollte, wie der Kläger bei seiner Anhörung vor dem
Senat ausgeführt hat. Das begründet erhebliche Zweifel an den Möglichkeiten des
Klägers, diesen Vertrag im Verlaufe des Jahres 1997 so rechtzeitig zu kündigen bzw.
eine vertragliche Änderung zu erreichen, dass dies sich noch bis Ende 1997 zugunsten
des Klägers ausgewirkt hätte. Die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
bezieht sich nämlich nur auf den Zeitraum bis Ende 1997.
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II.
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Der Kläger hat auch keinen Anspruch wegen der behaupteten falschen Angaben des
Beklagten zu 1. im Jahre 1998 über die zu erwartenden Steuernachzahlungen. Der
Kläger hat einen derartigen Anspruch nicht nachvollziehbar dargelegt.
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Die Behauptung, der Kläger habe im Jahre 1998 Angaben über die zu erwartenden
Steuernachzahlungen für die Jahre 1995 bis 1997 gemacht, kann so nicht zutreffen. Der
Steuerbescheid für 1995, der die vom Kläger angesprochene tatsächliche Nachzahlung
betrifft (75.055,38 DM), datiert nämlich vom 7.11.1997. Im Folgejahr 1998 kann der
Beklagte zu 1. deshalb keine Angaben über zu "erwartende" Steuernachzahlungen für
das Jahr 1995 gemacht haben, auf die sich der Kläger bei seinen
Vermögensdispositionen verlassen hätte. Weiterhin macht der Kläger zum Teil von ihm
an das Finanzamt zu zahlende Beträge geltend, die erstmals in den Jahren vor 1998
fällig wurden, also vor der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten zu 1. Letztere
kann hierfür also nicht ursächlich geworden sein. Auch für die Beträge aus 1998 und
1999 ist nach dem Vortrag des Klägers nicht nachvollziehbar, wie der Kläger innerhalb
einer Zeit von allenfalls wenigen Monaten bei der Nennung höherer Beträge durch den
Beklagten zu 1. die erforderlichen Rücklagen hätte bilden können. Weiterhin können die
geltend gemachten Beträge gar nicht sämtlich auf eine unzutreffende Schätzung des
Beklagten zu 1. über die Höhe der Nachzahlungen zurückzuführen sein, weil der Kläger
auch die Erstattung von Verspätungszuschlägen geltend macht. Diese werden von dem
Finanzamt für die verspätete Abgabe von Erklärungen, nicht für verspätete Zahlungen
erhoben. Sie können deshalb nicht mit mangelnder Aufklärung über die Höhe zu
erwartender Nachzahlungen zusammenhängen. Inwieweit hier ein weiteres
Fehlverhalten des Beklagten zu 1. zugrundeliegt, welche Erklärungen der Beklagte zu
1. also wann entgegen welcher Verpflichtung zu spät abgegeben haben soll, ist dem
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Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Schließlich geht es bei den vom Kläger
erstattet verlangten Beträgen ganz überwiegend um die Säumnis mit der Zahlung von
Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer, nicht mit der Zahlung der Nachforderung.
Auch insoweit kann die behauptete unzutreffende Prognose des Beklagten zu 1. über
die Höhe der Nachzahlung hierfür nicht ursächlich gewesen sein. Weitere Hinweise an
den Kläger durch den Senat waren nicht erforderlich, nachdem das Landgericht in dem
angefochtenen Urteil bereits auf den unzulänglichen Sachvortrag hingewiesen hatte
und die Berufungsbegründung keinerlei Ergänzung enthält.
III.
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Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2., da es nach den obigen
Ausführungen bereits an einer einen Schadensersatzanspruch begründenden
Pflichtverletzung des Beklagten zu 1. fehlt. Auf die zweifelhafte Frage, ob die Beklagte
zu 2. eine derartige Schuld – so sie denn bestünde – übernommen hätte, kommt es
deshalb nicht an.
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IV.
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Aus den obigen Ausführungen folgt, dass auch der Hilfsantrag unbegründet ist, mit dem
der Kläger dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgt und nur hinsichtlich eines Teils der
geltend gemachten Forderung Freistellung statt Zahlung verlangt.
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V.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den Kläger: 75.865,40 €
(= 148.379,82 DM).
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