Urteil des OLG Düsseldorf vom 04.04.2006

OLG Düsseldorf: wertminderung, dusche, wand, versicherter, vgb, abrechnung, einzelrichter, wertausgleich, heizung, dokumentation

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-4 U 111/05
Datum:
04.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 111/05
Rechtskraft:
ja
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. April 2005 verkündete
Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichter –
teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 7.508,51
€ zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Nach einem Rohrbruch im Badezimmer seines Hauses nimmt der Kläger die Beklagte,
bei der er eine Wohngebäudeversicherung auf der Grundlage der VGB 62 unterhält, auf
Ersatz des Fliesenschadens in Anspruch.
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Da Fliesen gleicher Art wie die beschädigten nicht zu beschaffen waren, vertritt er den
Standpunkt, die Beklagte habe für die Kosten einer kompletten Neuverfliesung
aufzukommen. Eine auf den Austausch beschädigter Fliesen beschränkte Reparatur sei
ihm nicht zumutbar, weil er eine Versicherung zum Neuwert abgeschlossen habe.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, die zur Reparatur benötigten Fliesen hätten
zerstörungsfrei im Bereich der Dusche aufgenommen und in den Boden eingefügt
werden können. In dem Fall hätte nur noch die Wand der Dusche neu verfliest werden
müssen. Die dabei auftretenden Farbunterschiede seien gegen Zahlung eines
Wertausgleichs – hier in Höhe von 300 € - hinzunehmen.
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Dieser Argumentation hat sich das Landgericht angeschlossen und dem Kläger auf der
Grundlage der Berechnung der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von nur 4.090 €
zugesprochen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger den Anspruch auf Ersatz der Kosten
der Neuverfliesung, die sich insgesamt auf 7.508,51 € belaufen haben, weiter.
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II.
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Die Berufung hat Erfolg.
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Nach § 7 Nr. 1 b VGB 62 hat die Beklagte bei Beschädigung versicherter Sachen für die
Kosten der Reparatur, höchstens jedoch für den Versicherungswert der betroffenen
Teile, aufzukommen. Bei der Reparatur einer teilweise beschädigten Sache bemisst
sich der Umfang der zu entschädigenden Reparaturkosten nach den Geboten der
Erforderlichkeit und Zumutbarkeit. Entscheidend ist, was ein nicht versicherter
Gebäudeeigentümer investiert hätte. Deshalb kann der Versicherungsnehmer nach der
Rechtsprechung nicht die Kosten für die komplette Neuverfliesung eines einheitlich
gefliesten Badezimmers verlangen, wenn dies außer Verhältnis zu der optischen
Beeinträchtigung steht, die verbleibt, wenn z.B. nur der beschädigte Fußboden neu
verfliest wird (Senat VersR 1994, 670; OLG Köln r+s 2005, 422 m. ablehn. Anm. d.
Schriftleitung; AG Amberg NVersZ 2001, 91; Kollhosser in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl.,
§ 7 VGB 62 Rn. 1). Von diesen rechtlichen Erwägungen hat sich auch der Einzelrichter
leiten lassen. Nicht gefolgt werden kann ihm jedoch, soweit er angenommen hat, bei der
vom Kläger veranlassten kompletten Neuverfliesung des Bades handele es sich um
eine Luxussanierung, für die die Beklagte nicht mehr aufzukommen habe.
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Bei seiner Vernehmung durch das Landgericht hat der örtliche Geschäftsstellenleiter der
Beklagten, der Zeuge D., bekundet, er habe dem Kläger vorgeschlagen, Bodenfliesen
durch eine Fachfirma vorsichtig ablösen und im Wandbereich der Dusche neu einsetzen
zu lassen. Anschließend solle der Boden vollständig neu gefliest werden (GA 74). Wenn
der Kläger dann noch einen Ausgleich für den durch die unterschiedliche Verfliesung
von Wänden und Boden bedingte Wertminderung erhalten hätte, wäre das
möglicherweise eine angemessene Lösung gewesen, die auch der Fallgestaltung in
dem angesprochenen Urteil des Senats entsprochen hätte. Davon ist die Beklagte bei
der von ihr unter dem 23. Oktober 2003 vorgenommenen Abrechnung (GA 12) jedoch
abgewichen. Stattdessen sollten nach einem von ihr vorgestellten speziellen Verfahren
(GA 40) Wandfliesen im Bereich der Dusche zerstörungsfrei aufgenommen und im
Bodenbereich neu verarbeitet werden. Das hätte jedoch dazu geführt, dass sich
Farbabweichungen zwischen den Wandfliesen ergeben hätten. Ob das – bei einem
angepassten Wertausgleich – noch zumutbar ist, ist zweifelhaft, da unterschiedliche
Farben bei Boden und Wand häufig gewollt sind, eine uneinheitliche Verfliesung der
Wände jedoch kaum. Unabdingbar scheint bei diesem Sanierungskonzept aber
jedenfalls, dass der Boden, der Sockel der Duschtasse und der Wandbereich neben der
Heizung, soweit dieser durch die Duschabtrennung nicht verdeckt wird, einheitlich
gefliest werden. Dann wären aber nicht nur, wie von der Beklagten angenommen, 10,
sondern (geschätzt) 25 Wandfliesen im Duschbereich aufzunehmen gewesen. Anhand
der von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder ist nämlich feststellbar, dass für die
Behebung des Schadens im Bereich des Bodens zwölf, zur Verkleidung der
Duschtasse fünf und zur Abdeckung des Wandbereichs zwei Fliesen benötigt werden
(vgl. das Lichtbild GA 38). Somit hätten insgesamt 19 Fliesen an anderer Stelle
aufgenommen werden müssen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese nicht
problemlos von der Wand abgenommen werden können. Insofern ergibt sich aus der
Dokumentation der Klägerin, dass eine zerstörungsfreie Entfernung von Fliesen und
Bodenplatten nur "in vielen Fällen" möglich ist (GA 40). Mithin muss eingerechnet
werden, dass einzelne Fliesen bei der Ablösung Beschädigungen erleiden, die eine
Wiederverwendung unmöglich machen. Deshalb geht der Senat bei der
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Schadensschätzung von Ablösungsversuchen bei zumindest 25 Fliesen aus. Das führt
auf der Basis der Berechnung der Beklagten zu einer Erhöhung der Netto-Kosten für die
Aufnahme von Fliesen um 609 € (Aufnahme von zehn Fliesen: 406 €; Aufnahme von 25
Fliesen: 1.015 €). Entsprechend erhöhen sich die Kosten für das Aufstemmen, das
Vorbereiten und das Erneuern der Bodenverfliesung, die die Beklagte auf der
Grundlage von zehn auszutauschenden Fliesen mit (374 € + 661 € =) 1.035 €
veranschlagt hat. Da sich aber andererseits durch die zerstörungsfreie Ablösung die
Kosten für das Aufstemmen der Fliesen und die Neuverfliesung im Duschbereich
vermindern, erscheint ein Zuschlag für das Aufstemmen, das Vorbereiten und die
Erneuerung der Bodenfliesen von insgesamt (netto) 600 € angemessen. Unter
Berücksichtigung des von der Beklagten im übrigen für die Fliesenarbeiten kalkulierten
Werklohns (ohne Wertminderung und ohne Rechnung S.) von (netto) 3.790 € ergibt sich
dann ein Gesamtbetrag von (netto) 4.999 €. Hinzuzurechnen ist die Mehrwertsteuer
(798,84 €), die die Beklagte bei ihrer Abrechnung außer Acht gelassen hat. Damit ergibt
sich – ohne Wertminderung – eine Gesamtsumme von 5.798,84 €. Diese liegt aber nur
noch rund 1.700 € unter der Vergütung, die die von dem Kläger beauftragte Fachfirma
für die vollständige Neuverfliesung des Bades berechnet hat (GA 14 ff.: 7.508,51 €). Bei
diesem überschaubaren Differenzbetrag würde aber auch ein nicht versicherter
Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung eine komplette Neuverfliesung in
Auftrag geben. Zu demselben Resultat gelangt man im übrigen auch, wenn man dem
Kläger aufgrund der unterschiedlichen Farbgebung im Wandbereich eine angemessene
Wertminderung zubilligt. Denn diese müsste den von der Beklagten zugestandenen
Betrag (300 €) unter den gegebenen Umständen erheblich übersteigen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Berufungsstreitwert: 3.481,51 €.
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K. Dr. R. O.
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