Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.02.2006

OLG Düsseldorf: gebühr, hauptsache, rechtshängigkeit, vorschuss, zustellung, weisung, datum

Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 79/05
Datum:
03.02.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 79/05
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers – unter Zurück-weisung
des weitergehenden Rechtsmittels - wird der Beschluss der 1.
Vergabekammer des Bundes vom 14. Oktober 2005, VK 1-107/05,
aufgehoben.
Das Nachprüfungsverfahren wird eingestellt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens vor der Verga-
bekammer zu tragen. Die Antragsgegnerin trägt die zur zweck-
entsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtli-chen
Auslagen des Antragstellers und die ihr selbst entstande-nen Auslagen.
Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den
Antragsteller war notwendig.
Die Gebühr wird auf 950 € festgesetzt. Nach Abzug des von dem
Antragsteller geleisteten Vorschusses in Höhe von 2.500 € sind ihm
1.550 € zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin in Höhe
von 55 % zu tragen, der Antragsteller in Höhe von 45 %. Die
Antragsgegnerin hat 55 % der außergerichtlichen Kosten des
Antragstellers zu tragen; der Antragsteller trägt 45 % der Kosten der
Antragsgegnerin; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 2.500
€.
I.
1
Auf den Antrag des Antragstellers vom 3. August 2005 leitete die 1. Vergabekammer
des Bundes ein Nachprüfungsverfahren wegen der Vergabe behindertenspezifischer
Ausbildungsdienstleistungen nach § 102 SGB III/2005, Vergabe-Nr.: 151-05-200503,
Los 7 des Regionalen Einkaufszentrums B., ein. Die Vergabekammer veranlasste die
Zustellung des Nachprüfungsantrags an die Antragsgegnerin am selben Tag. Mit
Schreiben vom 27. Juli 2005 rief der Antragsteller die Vergabeprüfstelle der
Antragsgegnerin an. Mit Schriftsatz vom 16. August 2005 erklärte der Antragsteller
seinen Nachprüfungsantrag für erledigt, nachdem die Vergabeprüfstelle dem Antrag
stattgegeben hatte. Die Antragsgegnerin schloss sich der Erledigungserklärung an.
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Mit Beschluss vom 14. Oktober 2005, VK 1-107/05, hat die Vergabekammer des Bundes
das Nachprüfungsverfahren wegen Erledigung eingestellt und angeordnet, dass der
Antragsteller die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen habe. Ferner hat sie
angeordnet, dass die Verfahrensbeteiligten die ihnen entstandenen Auslagen selbst zu
tragen haben. Die Höhe der Gebühr für das Verfahren hat sie auf 950 € festgesetzt und
die Erstattung der Differenz zwischen geleistetem Vorschuss in Höhe von 2.500 € und
der Gebühr in Höhe von 950 € angeordnet.
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Gegen die ihn betreffende Entscheidung über die außergerichtlichen Auslagen richtet
sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er vertritt den Standpunkt, dass ihm
auf Grund von § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB ein Ersatz seiner notwendigen Aufwendungen
zustehe, weil die Vergabeprüfstelle seinem Nachprüfungsantrag abgeholfen habe.
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Er beantragt,
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den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 14. Oktober 2005, VK
1 –107/05, aufzuheben,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, seine, des Antragstellers, zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu
erstatten,
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und die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten
durch ihn festzustellen.
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Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.
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Sie ist dem Vortrag des Antragstellers nicht entgegengetreten.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die zu den
Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.
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II.
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1. Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet, soweit sie sich
gegen die von der Vergabekammer erlassene Anordnung, dass der Antragsteller die
ihm zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Auslagen selbst zu
tragen habe, richtet.
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Soweit der Antragsteller beantragt hat, den Beschluss der Vergabekammer insgesamt,
und zwar auch soweit ihm die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer auferlegt
worden sind, aufzuheben, ist seine sofortige Beschwerde unbegründet. Die
Entscheidung der Vergabekammer über die Kosten des erstinstanzlichen
Nachprüfungsverfahrens beruht auf § 128 Abs. 1 GWB. Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 GWB
hat der Antragsteller die für die Tätigkeit der Vergabekammer anfallenden Kosten
(Gebühren und Auslagen) allein zu tragen. Kostenschuldner ist gemäß § 128 Abs. 1
Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG derjenige, der durch Stellung eines
Nachprüfungsantrags das Verfahren in Gang gesetzt hat (vgl. BGH, Beschl. v.
9.12.2003, XZB 14/03= NZBau 2004, 285). Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 128
Abs. 3 Satz 1 GWB. § 128 Abs. 3 Satz 1 ordnet in Abweichung von § 128 Abs. 1 Satz 2
an, dass die Kosten nicht dem Antragsteller, sondern einem anderen
Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen sind, soweit dieser im Nachprüfungsverfahren
unterlegen ist. Dies trifft im Streitfall nicht zu, weil das Verfahren nicht durch eine
sachliche Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag, sondern
durch Einstellung auf Grund eines erledigenden Ereignisse seinen Abschluss gefunden
hat.
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Dem Antragsteller steht aus § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB jedoch ein Anspruch auf
Erstattung seiner im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren entstandenen zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen gegen die
Antragsgegnerin zu. Nach § 128 Abs. 4 Satz 1 findet eine Erstattung der zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen statt, soweit die
Anrufung der Vergabekammer erfolgreich ist oder dem Antrag durch die
Vergabeprüfstelle abgeholfen wird. Eine abhelfende Entscheidung der
Vergabeprüfstelle liegt vor. Die Vergabeprüfstelle der Antragsgegnerin hat - wie außer
Streit steht - dem auf die Einhaltung der Vergabevorschriften gerichteten Prüfungsantrag
des Antragstellers vom 27. Juli 2005 nach § 103 Abs. 2 GWB stattgegeben. Dadurch ist
nach Rechtshängigkeit (= Einreichung) des Nachprüfungsantrags die tatsächliche
Erledigung des vom Antragsteller eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens eingetreten.
Die Parteien haben deshalb das erstinstanzliche Verfahren übereinstimmend für in der
Hauptsache erledigt erklärt. Die Vergabekammer hatte mithin nur noch über die Kosten
des erstinstanzlichen Vergabenachprüfungsverfahrens und über die Auslagen der
Verfahrenbeteiligten zu entscheiden.
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Die Vergabekammer ist nach § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB befugt, die im erstinstanzlichen
Nachprüfungsverfahren entstandenen Auslagen des Antragstellers dem Antragsgegner
aufzuerlegen, wenn der Antragsteller parallel zur Einreichung des Nachprüfungsantrags
nach § 107 Abs. 1 GWB einen Antrag nach § 103 Abs. 2 GWB bei der Vergabeprüfstelle
eingereicht und diese dem Antrag nach § 103 Abs. 2 GWB abgeholfen hat. Antrag im
Sinne des § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag nach § 107 Abs. 1
GWB, denn für die Anordnung der Erstattung von Auslagen des erfolgreichen
Antragstellers im Verfahren vor der Vergabeprüfstelle sieht § 129 Satz 2 GWB eine
entsprechende Anwendung von § 128 (d.h. auch von Abs. 4 Satz 1) GWB durch die
Vergabeprüfstelle vor. Die erfolgreiche Anrufung der Vergabeprüfstelle führt dazu, dass
das parallel mit dem Nachprüfungsantrag verfolgte Begehren des Antragstellers
gegenstandslos wird und mithin der Nachprüfungsantrag des Antragstellers sich in
sonstiger Weise erledigt (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB). Erklären die Parteien daraufhin
übereinstimmend das Nachprüfungsverfahren für erledigt und wird ein
Feststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 GWB nicht gestellt, so kann die Vergabekammer
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in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO das Nachprüfungsverfahren
einstellen. Gleichzeitig trifft sie eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nach
§ 128 Abs. 1 GWB und eine Entscheidung über die Auslagen der Verfahrensbeteiligten.
War der Antragsteller mit seinem Begehren vor der Vergabeprüfstelle erfolgreich und
hätte mithin voraussichtlich auch sein Nachprüfungsantrag Erfolg gehabt, sieht § 128
Abs. 4 Satz 1 GWB eine Erstattung seiner im Verfahren vor der Vergabekammer
entstandenen Auslagen durch den unterlegenen Antragsgegner vor (vgl. BGH, Beschl.
v. 9.12.2003, X ZB 14/03 = NZBau 2004, S. 285, unter II. b)). Die Vorschrift trägt dem
Umstand Rechnung, dass § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB die Prüfung durch die
Vergabeprüfstelle nicht zur Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anrufung der
Vergabekammer erhoben hat, sondern diese eine fakultative Überprüfungsinstanz
bildet. Um dem Antragsteller für das durch eine Abhilfeentscheidung der
Vergabeprüfstelle in der Hauptsache tatsächlich erledigte erstinstanzliche
Nachprüfungsverfahren nicht unbillig Kosten aufzubürden, hat die Vergabekammer
nach § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB bei einer erfolgreichen Anrufung der Vergabeprüfstelle
die zweckentsprechenden Aufwendungen des Antragstellers im erstinstanzlichen
Nachprüfungsverfahren dem Antragsgegner aufzuerlegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO analog.
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D.
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D.-B.
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