Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.05.2008

OLG Düsseldorf: schnee, parkplatz, ausdehnung, auflage, wagen, gehweg, mangel, erlass, rücknahme, vorsorge

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 161/07
Datum:
19.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 161/07
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 17 O 1/07
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuwei-sen. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen
zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der auf den 03. Juni 2008 avisierte Senatstermin entfällt.
G r ü n d e
1
Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg.
2
I.
3
Das landgerichtliche Urteil ist richtig und aus der Berufungsbegründung ergeben sich
keine Gründe für die beantragte Abänderung. Dem Kläger steht unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen
einer etwaig begangenen Verkehrssicherungspflichtverletzung zu. Denn die Beklagte
war auf dem streitgegenständlichen Autostellplatz nicht zur Durchführung von
Winterdienstmaßnahmen verpflichtet. Sie war folglich nicht verpflichtet, den Stellplatz
von Eis und Schnee freizuhalten.
4
Zwar muss es dem Benutzer eines Stellplatzes grundsätzlich möglich sein, sein
Fahrzeug gefahrlos zu verlassen und es auch wieder zu erreichen. Dem hat die
Beklagte indes dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie dem Kläger und den
anderen Mietern der Stellplätze als Zuwegung und Abstellfläche eine ordnungsgemäß
asphaltierte Fläche zur Verfügung gestellt hat. Dies wird anhand der vorgelegten
Lichtbilder deutlich. Hierauf hat auch das Landgericht zutreffend hingewiesen.
5
Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Durchführung von
Winterdienstmaßnahmen traf die Beklagte hingegen nicht. Grundsätzlich richtet sich der
Umfang der Streupflicht im allgemeinen nach den räumlichen und zeitlichen Umständen
des Einzelfalles und ist insbesondere nach den örtlichen Verhältnissen, der Art und
Wichtigkeit des Verkehrswegs oder Platzes, der Stärke des Verkehrs sowie der
6
Zumutbarkeit der Maßnahmen im einzelnen zu beurteilen (BGH VersR 1975, 359 =
NJW 1975, 444; LG Bielefeld VersR 1998, 380). Eine Räum- und Streupflicht besteht
mithin nicht uneingeschränkt (BGH VersR 1995, 721 f.; BGHZ 112, 75 f.).
Selbst wenn man die deutlich strengeren Anforderungen, die nach der Rechtsprechung
an öffentliche Parkplätze gestellt werden (im Vergleich zu privaten, nur einem
eingeschränkten Nutzerkreis zugänglichen Parkflächen), auf den hier zu
entscheidenden Fall anwendet, läge keine Verletzung der Räum- und Streupflicht durch
die Beklagte vor. Für öffentliche Parkplätze ist anerkannt, dass eine Streupflicht lediglich
bei großer Ausdehnung und großem Fassungsvermögen oder bei einem schnellen
Fahrzeugwechsel besteht (BGH VersR 1966, 90 (92); VersR 1983, 162 (163)). Eine
generelle Pflicht, den gesamten Parkplatz von Glatteis zu befreien und zu streuen,
existiert auch hier nicht (KG VersR 1965, 1105; OLG Frankfurt ZfS 1983, 129; OLG
Koblenz OLGR 1999, 396 f.). Vielmehr ist ausreichend, die Möglichkeit zum gefahrlosen
Verlassen des Platzes oder zum gefahrlosen Erreichen des Wagens sicherzustellen
(BGH VersR 1966, 90 (93)). Deshalb kann eine Streu- und Räumpflicht bei öffentlichen
Parkplätzen bestehen, wenn die Wagenbenutzer die von den Kraftfahrzeugen
befahrenen Flächen auf eine nicht nur unerhebliche Entfernung betreten müssen, um
die Wagen zu verlassen oder zu erreichen (BGH VersR 1983, 162; VersR 1966, 90 (92);
OLG Hamm NJW-RR 2004, 386; OLG Celle MDR 2005, 273; Palandt/Sprau, BGB, 67.
Auflage, § 823 Rn. 226).
7
Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Wie
auf den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern erkennbar, ist die öffentliche Straße mit
Gehweg in wenigen Schritten zu erreichen. In Fällen wie diesen wird deshalb eine
Streupflicht verneint (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. August 2006, Az. I U
3569/06). Dem Verkehrsteilnehmer kann zugemutet werden, auf winterliche Glätte zu
achten und etwaige Gefahren auf einer kurzen Strecke selbst zu meistern (OLG
München VersR 1992, 210; Beschluss vom 13. Januar 2006, Az. 1 U 5136/05). Eine
völlige Mangel- und Gefahrenfreiheit kann nicht verlangt werden und wird vom
vernünftigen Verkehrsteilnehmer auch nicht erwartet (OLG München Beschluss vom 21.
August 2006, Az. I U 3569/06). Ein vernünftiger Verkehrsteilnehmer stellt sich in der
Regel auch auf die winterlichen Verhältnisse durch eigene Vorkehrungen (z.B.
geeignetes Schuhwerk; Mitnahme von Hilfsmitteln zur Schnee- oder Eisbeseitigung etc.)
ein. Das Vorbringen des Klägers lässt nicht erkennen, dass er dahingehend Vorsorge
getroffen hat. Es hat sich deshalb mit dem Sturz ein allgemeines Lebensrisiko
verwirklicht, welches nicht der beklagten Vermieterin anzulasten ist.
8
Die streitgegenständliche Streu- und Räumpflicht besteht erst Recht nicht bei dem im
hier zu entscheidenden Fall vorhandenen privaten Stellplatz, zumal dieser auch nur
eine geringe Ausdehnung hat. Folglich ist der Parkplatz wenig frequentiert und hat auch
nur eine geringe Verkehrsbedeutung. Soweit ersichtlich wird er nur von Personen
betreten, die dort zu ihren auf den angemieteten Stellplätzen abgestellten Fahrzeugen
gelangen oder diese verlassen wollen. Von diesen Personen muss erwartet werden,
dass sie sich auf schlechte Wetterverhältnisse angemessen einstellen (s.o.).
9
II.
10
Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen
ebenfalls vor.
11
Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich
privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.
12
Düsseldorf, den 19. Mai 2008
13
Oberlandesgericht, 24. Zivilsenat
14