Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.05.2004
OLG Düsseldorf (Treu Und Glauben, Prozessvertretung, Meinung, Erfahrung, Reisekosten, Bezirk, Wechsel, Rechtsverordnung, Konzentration, Datum)
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-W (Kart) 16/00
03.05.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
Kartellsenat
Beschluss
VI-W (Kart) 16/00
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der
Kostenfestsetzungsbe-schluss des Landgerichts Essen vom 22. August
2000 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. März
2000 (Az. U (Kart) 28/99) sind von der Klägerin an Kosten 2.671,40 DM (=
1.365,87 Euro) nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Mai 2000 an die Beklagte
zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 1.958,60 DM (= 1.001,42 Euro).
G r ü n d e :
I. Die Klägerin ist mit ihrer auf Unterlassung, sie an der Benutzung eines Taxenhalteplatzes
in E. zu hindern, gerichteten Klage in zwei Instanzen kostenpflichtig unterlegen. Mit ihrer
sofortigen Beschwerde wendet sie sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Essen vom 22.8.2000, mit dem für den zweiten Rechtszug die Kosten zweier
Rechtsanwälte als erstattungsfähig gegen sie festgesetzt worden sind, und zwar die Kosten
der in H. ansässigen Rechtsanwälte, die die Beklagte zunächst im Berufungsverfahren vor
dem Oberlandesgericht Hamm vertreten haben, sowie zusätzlich die Kosten der
Düsseldorfer Rechtsanwälte, welche die Vertretung der Beklagten vor dem
Oberlandesgericht Düsseldorf übernommen haben, nachdem das Oberlandesgericht
Hamm den Rechtsstreit an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf verwiesen
hat. Die Klägerin ist der Meinung, die festgesetzten Kosten seien nicht sämtlich
erstattungsfähig, da der Anwaltswechsel unnötig gewesen sei.
Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegen getreten. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Beschwerdeerwiderung verwiesen.
II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten mehrerer Rechtsanwälte. In
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§ 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist bestimmt, dass eine Erstattungspflicht bei Beauftragung
mehrerer Rechtsanwälte nur besteht, soweit die Kosten die bei einer Vertretung durch
einen einzigen Rechtsanwalt entstehenden Kosten nicht übersteigen oder in der Person
des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Da sich die Rechtsanwaltskosten durch
die Einschaltung weiterer Rechtsanwälte im vorliegenden Fall verdoppelt haben, kommt
eine Erstattung nur unter dem Gesichtspunkt eines notwendigen Anwaltswechsels in
Betracht. Der Fall eines notwendigen Anwaltswechsels liegt indessen nicht vor, da auch
die in H. ansässigen zweitinstanzlichen Rechtsanwälte der Beklagten vor dem Kartellsenat
des Oberlandesgerichts Düsseldorf postulationsfähig waren. Zwar sind die
Kartellzivilsachen im Land Nordrhein-Westfalen durch Rechtsverordnung der
Landesregierung nach § 92 Abs. 1 Satz 1, § 93 Satz 1 GWB beim Oberlandesgericht
Düsseldorf konzentriert. Gemäß § 93 Satz 2 GWB können die Parteien sich vor dem durch
eine Zuständigkeitskonzentration bestimmten Berufungsgericht jedoch auch durch
Rechtsanwälte vertreten lassen, die bei dem Oberlandesgericht zugelassen sind, das ohne
die Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit für das Rechtsmittel zuständig gewesen
wäre. Dies bedeutet, dass die Beklagte sich in der Berufungsinstanz ohne Weiteres durch
die zunächst eingeschalteten und in H. ansässigen Rechtsanwälte auch vor dem
Oberlandesgericht Düsseldorf hätte vertreten lassen können, ein Anwaltswechsel also
nicht notwendig war.
Die Beklagte kann dem, wie dies mit ihrer Beschwerdeerwiderung geschehen ist, nicht mit
Erfolg entgegen halten, die beim Oberlandesgericht Hamm zugelassenen Rechtsanwälte
seien auf die Materie des Kartellrechts nicht spezialisiert. Hieran trifft zwar zu, dass das
Rechtsgebiet des Kartellrechts nicht jedem Rechtsanwalt zureichend bekannt ist und auch
nicht geläufig sein muss. Von daher kann es unter dem Gebot einer zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich sein, dass die Parteien eines
Rechtsstreits mit kartellrechtlichem Einschlag sich von Rechtsanwälten vertreten lassen,
die mit der Rechtsmaterie des Kartellrechts hinreichend vertraut sind. Ob eine erfolgreiche
Rechtsverteidigung im vorliegenden Prozess die Vertretung durch einen des Kartellrechts
kundigen Rechtsanwalt im Berufungsrechtszug für die Beklagte notwendig erscheinen ließ,
kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn die Vertretung durch einen solchen
Rechtsanwalt erforderlich gewesen ist und die Kosten im Prinzip erstattungsfähig gewesen
sind, war ein Anwaltswechsel im Streitfall nach den Umständen nicht notwendig im Sinne
von § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Denn die anwaltlich vertretene Beklagte hatte selbst bereits im
ersten Rechtszug den kartellrechtlichen Bezug des Klagebegehrens erkannt, was sowohl
in ihrer Klageerwiderung (dort S. 5 und 8 = GA 52, 55) als auch in ihrem Schriftsatz vom
4.12.1998 (S. 5 = GA 99) deutlich geworden ist. Ausweislich ihrer Berufungsbegründung
vom 26.5.1999 (S. 12 = GA 142), und zwar bevor sich im Berufungsrechtszug anwaltliche
Vertreter für die Beklagte bestellten, berief sich auch die Klägerin im zweiten Rechtszug
nunmehr ausdrücklich auf einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 26 Abs. 2
GWB a.F. (§ 20 Abs. 1, Abs. 2 GWB n.F.). Bei dieser Sachlage hatte die Beklagte nach der
Gesetzeslage damit zu rechnen, dass das Oberlandesgericht Hamm im weiteren
Prozessverlauf einen Beschluss nach § 93 Satz 1, § 87 Abs. 1 GWB fassen und den
Rechtsstreit an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf verweisen würde.
Daher kam für die Beklagte in Betracht, mit der zweitinstanzlichen Prozessvertretung von
vorneherein solche beim Oberlandesgericht Hamm zugelassenen Rechtsanwälte zu
beauftragen, deren Kanzlei einen zureichenden kartellrechtlichen Sachverstand
repräsentierte. Solche Rechtsanwälte gibt es, wie die Erfahrung des Senats lehrt, nicht nur
vereinzelt auch im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm. Hätte die Beklagte sogleich
diese Möglichkeit einer Prozessvertretung gewählt, wäre ein Anwaltswechsel überflüssig
gewesen. Von dieser Möglichkeit hatte die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer
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Kostenerstattung Gebrauch zu machen, da nach allgemeiner Meinung jede Partei nach
Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehalten ist, die Kosten ihrer Prozessführung, soweit sie
diese im Fall eines Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten,
wie sich dies mit einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
vereinbaren lässt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 ZPO Rn. 12 m.w.N.). Hiervon
ausgehend hat die Beklagte gegen die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Erstattung
der Kosten der von ihr im Berufungsrechtszug zunächst beauftragten und beim
Oberlandesgericht Hamm zugelassenen Rechtsanwälte, wobei zu ihren Gunsten zu
unterstellen ist, diese hätten auch den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem
Oberlandesgericht Düsseldorf wahrgenommen.
2. Die zu erstattenden Kosten sind unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von
20.000 DM für das Berufungsverfahren wie folgt zu berechnen:
13/10 Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 11 BRAGO 1.228,50 DM
13/10 Verhandlungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1,
§ 11 BRAGO 1.228,50 DM
Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO 40,-- DM
Reisekosten (110 km x 2 x 0,52 DM) 114,40 DM
gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO
Tage- und Abwesenheitsgeld
gemäß § 28 Abs. 3 BRAGO 60,-- DM
2.671,40 DM
Umsatzsteuer ist nicht hinzuzusetzen, da die Beklagte eigener Angabe zufolge einer
Umsatzsteuerpflicht nicht unterliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
a. W.