Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.04.2004
OLG Düsseldorf: fahrbahn, fahrspur, unfall, kollision, fahrzeugverkehr, schmerzensgeld, sorgfalt, versuch, anteil, mitverschulden
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 U 156/03
Datum:
26.04.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-1 U 156/03
Tenor:
Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird auf die Berufung
der Beklagten unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels
das am 1. August 2003 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Land-
gerichts Mönchengladbach teilweise abgeändert und insgesamt wie
folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin
7.221,57 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.
April 2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 36 % der Klägerin und
zu 64 % den Beklagten auferlegt.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen zu 53 % der Klägerin und
zu 47 % den Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Dem Rechtsmittel der Beklagten bleibt
ebenfalls weitgehend der Erfolg versagt.
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1) Die Berufungskläger dringen nicht mit ihren Einwänden durch, die sie gegen die
durch das Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung geltend machen. Es verbleibt
bei der Quotierung im angefochtenen Urteil, der zufolge sich die Klägerin das
Mitverschulden ihres verstorbenen Ehemannes an der Entstehung der
streitgegenständlichen Kollision in einem Umfang von 1/3 anspruchsmindernd anrechen
lassen muss. Beide unmittelbar Unfallbeteiligten haben schuldhaft das
Zustandekommen des Schadensereignisses herbeigeführt.
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2) Zwar ist dem Ehemann der Klägerin nicht anzulasten, dass er zur Überquerung der
H.straße nicht den ca. 90 m vom Unfallort entfernten beampelten Fußgängerüberweg in
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Höhe der Einfahrt zum Krankenhausgelände benutzt hat. Jedoch hat er unter
Missachtung des Vorranges der sich sichtbar im fließenden Verkehr nähernden
Beklagten zu 1. den wegen seiner erheblichen Gehbehinderung gescheiterten Versuch
unternommen, die H.straße noch vor ihr zu überqueren.
3) Die Beklagte zu 1. hat viel zu spät auf den Anblick des die H.straße querenden
Ehemannes der Klägerin reagiert. Sie hat nämlich erst zu einem Zeitpunkt den durch sie
gesteuerten Pkw Opel Corsa abgebremst, als sie den sich in Bewegung befindlichen
Unfallgegner erstmals unmittelbar vor der Fahrzeugfront sah und es für jeden Versuch
der Vermeidung des Unfalls zu spät war. Dies hatte dann zur Folge, dass er bei
ungebremster Fahrtgeschwindigkeit auf das Fahrzeug aufgeladen wurde und durch den
Kontakt insbesondere mit der Frontscheibe und der fahrerseitigen A-Säule die
erheblichen Verletzungen erlitt, die schließlich zu seinem Tode führten. Hätte sich die
Beklagte zu 1. mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt dem Kollisionsort
genähert, wäre ihr nicht verborgen geblieben, dass ein unter den geschützten
Personenkreis des § 3 Abs. 2 a StVO fallender Fußgänger zum Überqueren der
Fahrbahn ansetzte.
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4a) Im Ergebnis kann die Entscheidung der Tatsachenfrage dahinstehen, ob die
Beklagte zu 1. entsprechend der durch das Landgericht vertretenen Ansicht verpflichtet
war, in dem Moment auf die ihr nach den Sichtverhältnissen mögliche Wahrnehmung
des Ehemannes der Klägerin durch eine Vollbremsung zu reagieren, als er 2,1 sek. vor
dem Unfall im Begriffe war, die durchgehende Trennungslinie zwischen dem
rechtsseitigen Fahrradweg und der Fahrbahn zu überschreiten. Im Ergebnis spricht
vieles wegen der offenbar gewesenen Behinderung des Ehemannes der Klägerin für
die Richtigkeit der durch das Landgericht dargelegten Auffassung. Selbst wenn man
jedoch 2,1 sek. vor dem Zusammenstoß noch keine Reaktionsaufforderung für die
Beklagte zu 1. annähme und zu ihren Gunsten davon ausginge, sie habe noch in dieser
Phase auf ein verkehrsrichtiges Verhalten ihres späteren Unfallgegners vertrauen
dürfen, änderte dies nichts an der Richtigkeit der Feststellung der fahrlässigen
Unfallmitverursachung durch sie.
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b) Denn nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist durch die
Aussage des Zeugen R. erwiesen, dass sich die Beklagte zu 1. mit einem geringeren
Annäherungstempo als die Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h dem späteren
Kollisionsort genähert hat, die den Vermeidbarkeitsberechnungen des
Sachverständigen Dipl.-Ing. L. zugrunde liegt.
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c) Aus seinen gutachterlichen Darlegungen lässt sich ohne Weiteres ableiten, dass die
Beklagte zu 1. auch dann noch die Möglichkeit zu einer räumlichen Vermeidbarkeit des
Zusammenstoßes gehabt hätten, wenn sie eine Annäherungsgeschwindigkeit zwischen
40 km/h und 45 km/h gehabt hätte und sie weniger als 2 sek. vor dem Zusammenstoß
auf den Anblick des die Fahrbahn überquerenden Klägers durch eine Vollbremsung
reagiert hätte. In dieser Phase des vorkollisionären Geschehens kann zu Gunsten der
Beklagten zu 1. der Vertrauensgrundsatz nicht mehr in Ansatz gebracht werden, da
dann der Ehemann der Klägerin nach dem Verlassen des Radweges in so eindeutiger
Querungsabsicht auf die Richtungsfahrbahn vordrang, dass sich für die Beklagte zu 1.
zwingend eine Reaktionsaufforderung ergab. Sie hätte bei einer Vollbremsung und der
durch den Zeugen Rehms bekundeten Ausgangsgeschwindigkeit von deutlich unter 50
km/h den Unfall vermieden, wenn sie die Verzögerung sofort zu dem Zeitpunkt
vorgenommen hätte, als ihr Unfallgegner den rechtsseitigen Fahrradweg einschließlich
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der Begrenzungslinie zum Fahrweg mehr als 20 cm hinter sich gelassen hatte. Die
damit verbunden gewesene Reaktionsaufforderung geht räumlich und zeitlich so weit
über den durch das Landgericht angenommenen Zeitpunkt für die Einleitung einer
Vollbremsung durch die Beklagte zu 1. hinaus, dass sie jedenfalls in dieser Phase des
vorkollisionären Geschehens nicht mehr auf ein verkehrsrichtiges Verhalten des
Ehemannes der Klägerin vertrauen durfte.
5) Das Rechtsmittel der Beklagten hat lediglich einen geringen Teilerfolg, der sich auf
die Höhe ihrer Schadensersatzverpflichtung bezieht. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf Ersatz der Anzeigekosten für das Jahrgedächtnis in Höhe von 360,00 DM.
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Im Einzelnen ist folgendes auszuführen:
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II. Zu der Berufung der Klägerin
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Sie macht ohne Erfolg geltend, die Beklagten seien in vollem Umfang für die Folgen des
Unfallereignisses schadensersatzpflichtig. Die Klägerin muss sich anspruchsmindernd
ein erhebliches Mitverschulden ihres Ehemannes an der Entstehung der Kollision
zurechnen lassen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass sie nur im Umfang von 2/3 der
geltend gemachten Vermögenseinbußen ersatzberechtigt ist.
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1) Rechtsgrundlage für das begründete Zahlungsbegehren sind die Vorschriften der §§
7 StVG, 823, 847 BGB a.F. in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und 2 PflVG.
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Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung
des Senats fest, dass die Beklagte zu 1. durch ein fahrlässiges Fehlverhalten die
Unfallverletzungen des Ehemannes der Klägerin mitursächlich herbeigeführt hat, die
schließlich einen Monat nach der Kollision seinen Tod zur Folge hatten.
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2) Der Senat teilt die durch das Landgericht vertretene Ansicht, der zufolge dem
Ehemann der Klägerin kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 25 Abs. 3 S. 1 StVO
wegen der Unterlassung der Benutzung des beampelten, ca. 90 m vom Kollisionsort
entfernten Fußgängerüberweges angelastet werden kann.
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a) Nach dieser Bestimmung müssen Fußgänger Fahrbahnen unter Beachtung des
Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrrichtung überschreiten,
und zwar, wenn die Verkehrslage es erfordert, nur an Kreuzungen oder Einmündungen,
an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen oder auf Fußgängerüberwegen.
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b) Zwar ist den Beklagten einerseits zuzugeben, dass es wegen der Gehbehinderung
des Ehemannes der Klägerin sinnvoll gewesen wäre, wenn er auf seinem Weg zu der
Massagebehandlung im Krankenhaus den direkt an der Einfahrt zu dem Gelände
gelegenen beampelten Fußgängerüberweg benutzt hätte (vgl. Lichtbilder Bl. 54, 55
Beiakte).
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c) Andererseits steht nach der Bestimmung des § 25 Abs. 3 S. 1 StVO die Pflicht zur
Straßenüberquerung innerhalb von Markierungen an Lichtzeichenanlagen unter dem
Vorbehalt, dass die Verkehrslage dies erfordert, wenn die Straße nicht an einer
Kreuzung oder Einmündung überquert wird. Außerhalb dieser Bereiche wird der
Fußgänger bei ruhigem Verkehr nicht auf Fußgängerüberwege verwiesen, weil dies
eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen wäre (Hentschel, Straßenverkehrsrecht,
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36. Aufl., § 25 StVO, Rdnr. 45 mit Hinweis auf die amtliche Begründung zu der
Bestimmung). Unabhängig davon, dass in Höhe der Unfallstelle keine
Straßeneinmündung gelegen ist - die von rechts auf die H.straße stoßende V.-F.-S. ist
ausweislich der Fotodokumentation des Sachverständigen L. vom 5. Februar 2003 auf
dem Endstück als reiner Fußgängerweg ausgestaltet (Bl. 143 d.A.) - befindet sich in
unmittelbarer Nähe des Kollisionsortes auch kein Fußgängerüberweg. Der
nächstgelegene ist in einer Entfernung von ca. 90 m an der Krankenhauseinfahrt
gelegen.
d) Nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil haben die Beklagten
nicht dargelegt, dass zum Zeitpunkt des Kollisionsgeschehens dichter Verkehr
geherrscht hat, der es für den Ehemann der Klägerin erforderlich gemacht hätte, die
Fahrbahn erst an der Fußgängerfurt in Höhe der Krankenhauseinfahrt zu überqueren
(Bl. 8 UA; Bl. 203 d.A.). Auch nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme deutet nichts auf das Vorliegen einer derartigen Verkehrslage hin.
Ebenso wenig enthält das Berufungsvorbringen der Beklagten diesbezüglich
ergänzenden Vortrag.
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3) Allerdings trifft den Ehemann der Klägerin insofern der Vorwurf eines Verstoßes
gegen § 25 Abs. 3 S. 1 StVO, als er unter Missachtung des Vorranges der im fließenden
Verkehr herannahenden Beklagten zu 1. den Versuch der Straßenüberquerung
unternommen hat. Als er die Fahrbahn betrat, war nach den Ausführungen des
Sachverständigen L. in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2000 ihr Fahrzeug bereits
bis auf eine Entfernung von ca. 22 m herangekommen (Bl. 51 Beiakte). Dabei hat der
Sachverständige, wie sich aus dem nachfolgenden Absatz seiner gutachterlichen
Ausführungen ergibt, für die Beklagte zu 1) eine Annäherungsgeschwindigkeit von 50
km/h zugrunde gelegt.
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a) Ein Fußgänger muss beim Überqueren der Fahrbahn, auf welcher der
Fahrzeugverkehr grundsätzlich Vorrang hat, besondere Vorsicht walten lassen. Er muss
an nicht besonders vorgesehenen Überquerungsstellen auf den bevorrechtigten
Verkehr Rücksicht nehmen und bei Annäherung eines Fahrzeuges warten (BGH NJW
2000, 3069 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Er darf insbesondere nicht
versuchen, noch kurz vor einem herannahenden Kraftfahrzeug die Fahrbahn zu
überqueren (BGH a.a.O.).
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Die Beklagte zu 1. legte bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h in der
Sekunde 11,1 m zurück, benötigte also nur 2 Sekunden, um die bezeichnete Distanz
von etwa 22 m bis zum Erreichen des späteren Unfallortes zurückzulegen. Geht man
von der durch den Sachverständigen L. zugrundegelegten Geschwindigkeit von 50 km/h
aus, verringert sich die Zeitspanne auf deutlich unter 2 Sekunden.
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b) Diese Vergleichsbetrachtungen verdeutlichen, in welchem Ausmaß der verstorbene
Ehemann der Klägerin seine Pflichten als Fußgänger verletzt hat. Dies gilt um so mehr
mit Rücksicht auf die Tatsache, dass er unstreitig erheblich gehbehindert war. Dem
Vorbringen der Klägerin zufolge konnte er sich wegen einer Morbus-Bechterew-
Erkrankung nur in langsamer Weise mühsam fortbewegen, wobei er keinen normalen
Gang einhalten konnte, sondern nur einen Fuß vor den anderen zu setzen vermochte
(Bl. 3, 73 d.A.). Aufgrund seiner Erkrankung war er nur in der Lage - so das weitere
Vorbringen der Klägerin - sich in gekrümmter Haltung unter Zuhilfenahme eines
Gehstocks sowie eines Stockschirms fortzubewegen (Bl. 3, 72, 73 d.A.).
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c) Der Sachverständige L. hat in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2000 unter
Heranziehung von Reihen-Untersuchungen zum Thema "Geschwindigkeiten nicht
motorisierter Verkehrsteilnehmer" von Eberhardt/Himbert für den verstorbenen Ehemann
der Klägerin eine maximale Gehgeschwindigkeit von ca. 1 m/sek. in Ansatz gebracht
(Bl. 42, 69 Beiakte). Im Hinblick auf die unstreitigen erheblichen Gehbeeinträchtigungen
ist fraglich, ob für den Ehemann der Klägerin überhaupt eine derartige
Fortbewegungsgeschwindigkeit berücksichtigt werden kann.
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d) Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass zum Unfallzeitpunkt die
Sichtverhältnisse nicht optimal waren. Ausweislich des amtlichen Gutachtens des
deutschen Wetterdienstes Essen vom 30. Januar 2003 war am Unfalltag die Sonne um
7:29 Uhr aufgegangen (Bl. 126 d.A.). Das Schadensereignis hat sich ausweislich der
polizeilichen Verkehrsunfallanzeige um 7:41 Uhr, also etwa 12 Minuten nach
Sonnenaufgang, ereignet. Zwar waren nach dem Gutachten des deutschen
Wetterdienstes aus meteorologischer und astronomischer Sicht die
Erkennbarkeitsverhältnisse zum Zeitpunkt des Kollisionsgeschehens am Unfallort nicht
eingeschränkt (Bl. 126 d.A.). Da der Kläger aber unstreitig mit einer schwarzen
Lederjacke, einer dunkelfarbigen Hose nebst schwarzen Schuhen bekleidet war, ging
von seinem äußeren Erscheinungsbild in dem Licht der Morgendämmerung jedenfalls
keine farbliche Signalwirkung aus.
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e) Gleichwohl hat er dicht vor dem herannahenden Pkw der Beklagten zu 1. versucht,
die Hubertusstraße zu überqueren. Das Ausmaß der ihn treffenden
Sorgfaltspflichtverletzungen ist so groß, dass entgegen der von der Klägerin vertretenen
Ansicht sein Mitverschulden bei der Abwägung aller Verursachungs- und
Verschuldensanteile gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB nicht mit der Folge einer
uneingeschränkten Haftung der Beklagten zurücktreten kann.
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4) In diesem Zusammenhang macht die Klägerin ohne Erfolg geltend, selbst unter
Berücksichtigung eines ihr zuzurechnenden Mitverschuldensanteiles sei die durch das
Landgericht vorgenommene Kürzung des Schmerzensgeldbetrages nicht gerechtfertigt
(Bl. 249, 250 d.A.). Da die Klägerin erstinstanzlich im Rahmen eines mit 11.323,72 EUR
bezifferten Leistungsantrages ein mit 5.000,00 EUR als "zumindest angemessen"
bezeichnetes Schmerzensgeld von 5.000,00 EUR eingeklagt hatte (Bl. 2, 7 d.A.), läuft
ihr Berufungsvorbringen bezüglich der immateriellen Schäden auf eine
Klageerweiterung hinaus. Denn sie vertritt die Ansicht, dass auch unter
Berücksichtigung des durch das Landgericht abgezogenen Mitverschuldensanteils von
1/3 ihr immer noch ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR zustünde, also im
Falle einer unterstellten Haftung der Beklagten in Höhe von 100 % ein voller
Schmerzensgeldbetrag von 7.000,00 EUR. Dieser Auffassung vermag sich der Senat
jedoch nicht anzuschließen.
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a) Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittelangriffs der
Klägerin. Die für die Statthaftigkeit ihrer Berufung erforderliche Beschwer ergibt sich
schon aufgrund der Tatsache, dass das Landgericht ihr nicht die mit 5.000,00 EUR
bezifferte Ersatzleistung für die immateriellen Schäden zuerkannt hat, sondern nur eine
solche im Umfang von 3.500,00 EUR. Daraus folgt, dass das Landgericht einen
Ausgangsbetrag von 5.250,00 EUR bei einer hypothetischen vollen Haftung der
Beklagten zugrundegelegt hat.
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Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung beschwert, wenn diese
von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem
Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (BGH NJW 1999, 1339 mit Hinweis auf
BGH NJW 1994, 2697 sowie BGH NJW 1984, 371). Jedoch kann eine Partei eine Klage
auch noch im Berufungsrechtszug erweitern (§§ 525, 264 Nr. 2 ZPO). Doch darf die
Klageerweiterung nicht das alleinige Ziel des Rechtsmittels sein. Nach ständiger
Rechtsprechung setzt die Erweiterung der Klage in zweiter Instanz eine zulässige
Berufung voraus. Das ist nur dann der Fall, wenn der Kläger mit dem Rechtsmittel
zumindest auch die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer
erstrebt (BGH a.a.O. mit Hinweis auf BGHZ 85, 140, 143 und weiteren
Rechtsprechungsnachweisen). Diese Beschwer ergibt sich hier aus dem Umstand, dass
das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung um 1.500,00 EUR hinter dem
erstinstanzlichen Schmerzensgeldbegehren zurückgeblieben ist.
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b) Jedoch ist es unter Berücksichtigung der nach § 847 Abs. 1 BGB a.F. maßgeblichen
Zumessungskriterien nicht gerechtfertigt, der Klägerin ein unter Berücksichtigung des
Mithaftungsanteils von 1/3 über den Betrag von 3.500,00 EUR hinausgehendes
Schmerzensgeld zuzuerkennen.
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aa) Die gravierenden Verletzungen, die der Ehemann der Klägerin bei dem
Unfallgeschehen erlitten hat, sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt (Bl.
3, 8 UA; Bl. 198, 203 d.A.). Sieht man einmal von den sonstigen zahlreichen
Knochenbrüchen ab, betrafen die schwerwiegendsten Verletzungen die instabile
Fraktur des 10. Brustwirbelkörpers, der Pleuraerguss links, der Haemato-Thorax rechts
sowie das Schädel-Hirntrauma zweiten Grades.
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bb) Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin war ihr Ehemann
bis zu dessen Tod bei vollem Bewusstsein und er hat bis zu seinem Ableben unter den
schweren Verletzungen gelitten (Bl. 6 d.A.). Es bedarf keiner weiteren Ausführungen
dazu, dass er allein schon wegen der zahlreichen Frakturen in seinen Gliedmaßen
einem erheblichen Leidensdruck ausgesetzt war, der bis zu seinem Ableben einen
Monat lang andauerte. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass er
fortlaufend unter ärztlicher Krankenhausbetreuung war. Es ist deshalb davon
auszugehen, dass er im Rahmen des medizinisch Möglichen mit schmerzstillenden
Medikamenten versorgt wurde. Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der
Ehemann der Klägerin nach den zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen wegen
unfallunabhängiger Vorerkrankungen vorgeschädigt war. Diese Beeinträchtigungen
(Morbus-Bechterew, koronare Herzkrankheit - KHK - sowie Hypertonie) waren
mitursächlich für den reduzierten Allgemeinzustand, der sich nach den unfallbedingten
Verletzungen bei dem 80 jährigen Ehemann der Klägerin eingestellt und aus dem sich
dann die Todesursache (posttraumatische Pneumonie und cardiopulmonale
Dekompensation) ergeben hat.
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cc) Ist ein Unfallopfer von einer Vorschädigung getroffen, so berührt dieser Umstand
zwar nicht die Einstandspflicht des Schädigers für solche materiellen und immateriellen
Beeinträchtigungen, die sich aus einem Zusammenwirken der Vorerkrankungen mit den
Unfallverletzungen ergeben.
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Indes muss der Umstand, dass die unfallunabhängigen Vorschädigungen des
Ehemannes der Klägerin der Beklagten zu 1. nicht zugerechnet werden können, bei der
Bemessung des Schmerzensgeldes Berücksichtigung finden. Deshalb ist es im
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Ergebnis nicht gerechtfertigt, der Klägerin ein Schmerzensgeld zuzuerkennen, welches
über die durch das Landgericht auf der Grundlage einer unterstellten vollen Haftung der
Beklagten festgesetzten Höhe von 5.250,00 EUR hinausgeht. Diese Summe entspricht
mit einer geringfügigen Abweichung zu ihren Gunsten dem erstinstanzlich durch die
Klägerin geltend gemachten Schmerzensgeld. Der ihr zustehende Anteil von 2/3 macht
den Betrag von 3.500,00 EUR aus.
III. Zu der Berufung der Beklagten
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Sie dringt nicht mit ihrem Einwand durch, das Schadensereignis sei für sie nicht zu
vermeiden gewesen; sie sei mangels konkreter Anhaltspunkte dahingehend, dass eine
durch § 3 Abs. 2 a StVO geschützte Person zum Überqueren der Fahrbahn angesetzt
habe, nicht zu einer Verminderung der Fahrtgeschwindigkeit verpflichtet gewesen (Bl.
238, 239 d.A.). Vielmehr steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte zu 1. den Zusammenstoß hätte vermeiden
können, wenn sie ihre Fahrtgeschwindigkeit der konkreten Verkehrssituation angepasst
hätte und sie konkret die Reaktionsaufforderung zur Einleitung eines Bremsvorganges
in dem Moment nicht ignoriert hätte, als der Ehemann der Klägerin nach dem gänzlichen
Verlassen des rechtsseitigen Radweges zum Überqueren der Fahrbahn ohne
Beachtung des fließenden Verkehrs ansetzte.
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1 a) Zwar hat außerhalb von Fußgängerüberwegen der Fahrzeugverkehr grundsätzlich
Vorrang, weil die Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient. Ein Fußgänger
muss deshalb auf den bevorrechtigten Fahrverkehr Rücksicht nehmen, also bei
Annäherung eines Fahrzeuges warten (BGH NJW 2000, 3069). Umgekehrt ist aber
auch der Fahrzeugverkehr trotz seines Vorranges dem überquerenden Fußgänger
Rücksicht schuldig (BGH VersR 1969, 1115).
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b) Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 StVO hat der Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit u.a. den
Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Gegen diese Verpflichtung hat
die Beklagte zu 1. in unfallursächlicher Weise verstoßen. Denn sie hat deutlich
verspätet die Vollbremsung des durch sie geführten Fahrzeuges erst in dem Moment
eingeleitet, als sie den Ehemann der Klägerin unmittelbar vor der Fahrzeugfront sah und
sie keine Möglichkeit mehr zur Abwendung des Zusammenstoßes hatte. Bei Einhaltung
der gebotenen Sorgfalt gegenüber ihrem Unfallgegner, in Bezug auf den sie nach
Maßgabe des § 3 Abs. 2 a StVO für einen Gefährdungsausschluss Sorge tragen
musste, hätte sie rechtzeitig dessen Annäherung im Zuge der versuchten
Straßenüberqueren bemerken können und auf die konkrete Gefahrensituation durch ein
Abbremsen des Fahrzeuges bis zum Stillstand reagieren müssen.
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Nach Auffassung des Landgerichts ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit erwiesen,
dass die Beklagte zu 1. den Ehemann der Klägerin vor dem Zusammenstoß bewusst
wahrgenommen und insoweit ihre gesteigerte Sorgfaltspflichten gegenüber dem
Unfallopfer als einem älteren Menschen verletzt hat (Bl. 6 UA; Bl. 201 d.A.). Diese
Darlegung trifft zwar insoweit zu, als das Landgericht die frühzeitige Wahrnehmung des
Ehemanns der Klägerin durch die Beklagte zu 1) verneint hat. Indes ist im Ergebnis die
Feststellung zu treffen, dass die Beklagte zu 1) fahrlässig gegen ihre Pflichten aus § 3
Abs. 2 a StVO verstoßen hat.
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Die verspätete Einleitung der Vollbremsung ergibt sich aus den Ausführungen des
Sachverständigen Loskant. Er hat in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2000
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dargelegt, es sei wegen der fehlenden Bremsspuren auf der Fahrbahn - das Fahrzeug
der Klägerin war nicht mit einem ABS-System ausgerüstet - sowie im Hinblick auf die
Aussage des Zeugen R. (richtig: R.) davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1. "erst
mit der Kollision auf den Fußgänger aufmerksam wurde bzw. eine
Gefahrabwehrreaktion einleitete" (Bl. 50 d.A.). Der Zeuge R hat in seiner Vernehmung
vom 3. November 2000 durch den Verkehrsdienst der Polizeiinspektion Rheydt
anschaulich geschildert, die Fahrerin sei aus ihrem Auto gestiegen habe die Hände vors
Gesicht geschlagen und gesagt, dass sie den Mann nicht gesehen habe (Bl. 17, 18 BA).
Dem entspricht der Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung, die Beklagte zu 1.
habe den Ehemann der Klägerin vor dem eigentlichen Unfallereignis nicht
wahrgenommen (Bl. 64 d.A.). Bei seiner Befragung durch das Landgericht im
Beweisaufnahmetermin am 25. April 2003 ist der Zeuge R bei seiner früheren
schriftlichen Unfalldarstellung geblieben. Er konnte sich noch genau daran erinnern,
dass die Beklagte zu 1. im unmittelbaren Anschluss an den Unfall die bezeichnete
Äußerung gemacht hatte (Bl. 186 d.A.).
2) Allerdings lässt sich aus der Darstellung des Zeugen nicht ableiten, dass der
Ehemann der Klägerin in dem Moment, als er von der Front des Fahrzeuges der
Beklagten zu 1. erfasst wurde, stand. Zwar hat der Zeuge bekundet, er habe den Mann
in dem Moment auf der Straße stehen sehen, als er erfasst und durch die Luft
geschleudert worden sei (Bl. 184, 185 d.A.). Indes ist zu berücksichtigen, dass der
Zeuge nach eigenem Bekunden das Unfallopfer zuvor nicht wahrgenommen hatte.
Deshalb konnte er auch keine Angaben dazu machen, ob "der Mann" vorher "im Gehen
befindlich war oder ob er schon an dieser Stelle längere Zeit gestanden hatte" (Bl. 184
d.A.). Nach den Darlegungen des Sachverständigen L spricht die Spurensituation an
dem Pkw Opel Corsa, insbesondere der von rechts nach links gerichtete Beulenversatz
auf der Motorhaube, für die Annahme, dass der Fußgänger zum Kollisionszeitpunkt eine
Eigengeschwindigkeit - in Querrichtung zum Pkw von rechts nach links - inne hatte (Bl.
48 Beiakte). Diese Spurensituation lässt mit hinreichender Sicherheit den Rückschluss
darauf zu, dass der Ehemann der Klägerin sich in dem Moment, als er von dem
Fahrzeug erfasst wurde, in einer Gehbewegung befand.
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3) Die Beklagte zu 1. hat in vorwerfbarer Weise übersehen, dass diese Gehbewegung in
die durch sie benutzte Fahrbahn hineinführte, nachdem der Ehemann der Klägerin
bereits den rechtsseitigen Parkstreifen mit einer Breite von 1,8 m und den sich daran
anschließenden Radweg mit einer weiteren Breite von 1,4 m überquert hatte. Nach
einer Gesamtgehstrecke von 5,8 m kam es dann - wie sich aus der zeichnerischen
Unfallrekonstruktion des Sachverständigen L (Bl. 53 Beiakte) ergibt - zu dem
Zusammenstoß.
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a) Entsprechend der durch das Landgericht getroffenen Feststellung befanden sich auf
der H.traße in Höhe der Unfallstelle zum Zeitpunkt des Schadensereignisses auf dem
rechtsseitigen Parkstreifen keine abgestellten Fahrzeuge. Dies ergibt sich aus der
glaubhaften Darstellung des Zeugen R. in Verbindung mit der durch ihn gefertigten
Skizze (Bl. 19 Beiakte). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die
Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 7 UA; Bl. 202 d.A.). Die
Situation ist auch anschaulich durch eines der von der Polizei am Unfallort
aufgenommenen Fotos verdeutlicht, welches den Endstand des PKW der Beklagten zu
1) zeigt (Bl. 7 Beiakte).
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b) Zutreffend ist die weitere durch das Landgericht getroffene Feststellung, dass die
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Beklagte zu 1. bei der erforderlichen Aufmerksamkeit, die sie nach den Umständen hätte
walten lassen müssen, den Ehemann der Klägerin frühzeitig hätte wahrnehmen können
(Bl. 6, 7 UA; Bl. 201, 202 d.A.). Dem steht nicht entgegen, dass sich der Unfall in den
Morgenstunden des 2. November 2000 12 Minuten nach Sonnenaufgang ereignet hat.
Unter Bezugnahme auf das bezeichnete Gutachten des Deutschen Wetterdienstes
Essen vom 30. Januar 2003 hat der Sachverständige L. in seiner Stellungnahme vom 5.
Februar 2003 dargelegt, die Erkennbarkeitsverhältnisse seien zum Unfallzeitpunkt am
Unfallort mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingeschränkt gewesen (Bl. 123 d.A.).
Diese Feststellung findet eine Bestätigung in der durch den Sachverständigen als
Anlage zu seinem Nachtragsgutachten vom 5. Februar 2003 beigefügten
Fotodokumentation. Diese zeigt die Unfallstelle so, wie sie sich in den Morgenstunden
des 17. November 2002, also ziemlich genau zwei Jahre nach dem Unfall, dem
Sachverständigen darstellte (Bl. 129 ff. d.A.). Er hat im Einzelnen dargelegt, dass
bezogen auf den Zeitpunkt des Sonnenaufgangs am Tag der Fertigung der
fotografischen Aufnahmen diejenigen Fotos mit der Lichtsituation am Unfalltag zum
Kollisionszeitpunkt bei ebenfalls bedecktem Himmel zu vergleichen sind, die in der Zeit
ab 8:00 Uhr entstanden sind (Bl. 122 d.A.). Dabei handelt es sich um die Digitalfotos ab
Bild 9 (Bl. 133 ff. d.A.) bzw. um die mit einer konventionellen Spiegelreflexkamera
aufgenommenen Bilder 22 ff. (Bl. 140 ff. d.A.).
c) Diese Lichtbilder, die mit einer ebenfalls dunkel gekleideten und das mutmaßliche
Gangbild des Ehemannes der Klägerin imitierenden Person aufgenommen worden sind,
lassen keine Zweifel an der Richtigkeit der bezeichneten Feststellung des
Sachverständigen aufkommen: Es war zum Unfallzeitpunkt eine ausreichende
Erkennbarkeit des unfallbeteiligten Fußgängers gegeben (Bl. 123 d.A.). Der Zeuge R.
hat bei Vorlage der Fotodokumentation bekundet, die tatsächlichen Lichtverhältnisse
zum Zeitpunkt des fraglichen Geschehens seien am ehesten durch die Bilder auf Bl. 134
und 135 d.A. sowie auf Bl. 142 d.A. wiedergegeben (Bl. 185 d.A.). Auch danach ist kein
Raum für die Annahme eines irgendwie gearteten Sichthindernisses aus der
Annäherungsperspektive der Beklagten zu 1.. Die durch den Zeugen bezeichneten
Bilder sind ebenfalls in der Zeit nach 8:00 Uhr aus einer Aufnahmeentfernung von ca. 25
m zum Unfallort gefertigt und lassen sogar erkennen, dass die abgebildete
Versuchsperson einen farbigen Regenschirm in der Hand hatte.
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4) Wegen der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Sichtverhältnisse war für die Beklagte
zu 1. frühzeitig erkennbar, dass es sich bei ihrem späteren Unfallgegner um einen
gebrechlichen älteren Menschen handelte, dem gegenüber sie sich so zu verhalten
hatte, dass eine Gefährdung ausgeschlossen war (§ 3 Abs. 2 a StVO).
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a) Nach dem Inhalt der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige hatte der Ehemann der
Klägerin wegen seiner Morbus-Bechterew-Erkrankung eine gekrümmte Körperhaltung
und führte als Fortbewegungshilfe einen Gehstock sowie einen Stockschirm mit sich (Bl.
3 unten Beiakte). Die mutmaßliche Körperhaltung des Unfallopfers bei der
Fortbewegung unter Inanspruchnahme einer Gehhilfe hat die Versuchsperson in der
Lichtbilddokumentation des Sachverständigen anschaulich wiedergegeben.
47
b) Die durch § 3 Abs. 2 a StVO besonders geschützte Person muss bei äußerster
Sorgfalt bemerkt werden können (Hentschel a.a.O., § 3 StVO, Rdnr. 29 a mit Hinweis auf
BGH NJW 1986, 183). Entgegen der durch die Beklagten vertretenen Auffassung kommt
es somit für die Feststellung des Pflichtverstoßes der Beklagten zu 1. nicht darauf an, ob
sie ihren spätern Unfallgegner bei der Annäherung tatsächlich als eine ältere
48
gebrechliche Person erkannt hat. Für die Feststellung einer Pflichtverletzung
ausreichend ist die Möglichkeit der Erkennbarkeit.
c) Für die Pflicht zu einer erhöhten Rücksichtnahme nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 a
StVO kommt es auf die konkrete Verkehrssituation an. Befindet sich eine älter Person in
einer Lage, in welcher für sie nach der Lebenserfahrung keine Gefährdung zu erwarten
ist, so braucht ein Kraftfahrer nicht allein schon wegen ihres höheren Alters ein
Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten (BGH NZV 1994, 273 mit Hinweis auf BayObLG
VRS 65, 461, 462). Die bezeichnete Vorschrift steht der Anwendung des
Vertrauensgrundsatzes gegenüber älteren Menschen nicht schon prinzipiell entgegen
(BGH a.a.O. mit Hinweis auf BayObLG a.a.O.).
49
Dementsprechend hatte die Beklagte zu 1. in dem Moment noch keine Veranlassung, in
Bremsbereitschaft zu gehen oder weitergehend sogar die Geschwindigkeit zu
reduzieren, in welchem sie hätte wahrnehmen können, dass der Ehemann der Klägerin
den rechtsseitigen Gehweg verließ, um den anschließenden Parkstreifen zu betreten.
Gleiches mag auch noch für die Phase des vorkollisionären Geschehens zutreffen, in
der er den 1,8 m breiten Parkstreifen überquerte, um auf den anschließenden 1,4 m
breiten Radweg zu gelangen.
50
d) Jedoch greift der besondere Schutz des § 3 Abs. 2 a StVO stets dann ein, wenn der
ältere Mensch sich in einer Verkehrssituation befindet, in welcher erfahrungsgemäß
damit gerechnet werden muss, dass er aufgrund seines Alters das Geschehen nicht
mehr voll übersehen und meistern werde. Konkreter Anhaltspunkte für eine
Verkehrsunsicherheit bedarf es nicht (BGH NZV 1994, 273 mit Hinweis auf KG VRS 70,
463). Nach diesen Vorgaben hätte die Beklagte zu 1. in dem Moment nicht mehr auf ein
verkehrsrichtiges Verhalten ihres späteren Unfallgegners vertrauen dürfen, in dem sie
hätte bemerken können, dass er den 1,4 m breiten Radweg überquerte und zum Gang
über die anschließende, 3,5 m breite Fahrbahn ansetzte, ohne in erkennbarer Weise auf
den sich ihm von links nähernden bevorrechtigten fließenden Fahrzeugverkehr zu
achten. Wegen seiner ohne Weiteres erkennbaren Gebrechlichkeit hätte die Beklagte zu
1., die sich bereits auf ca. 22 m der späteren Unfallstelle genähert hatte, die Möglichkeit
bedenken müssen, dass der Fußgänger mit der Bewältigung der konkreten
Verkehrssituation überfordert war.
51
5) Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 11.
Dezember 2000 ist der Nachweis einer räumlichen Vermeidbarkeit der Kollision nicht zu
führen, wenn man zu Gunsten der Beklagten zu 1. von der Annahme ausgeht, sie hätte
erst dann reagieren müssen, als der Fußgänger deutlich die Fahrspur betrat (Bl. 49
Beiakte). Diese Vermeidbarkeitsbewertung hat der Sachverständige bei seiner
mündlichen Anhörung im Termin am 25. April 2003 wiederholt (Bl. 189 unten d.A.).
Hingegen hat er die räumliche Vermeidbarkeit des Unfalls für den Fall bejaht, dass die
Beklagte zu 1. in der Phase des vorkollisionären Geschehens mit einer Vollverzögerung
reagiert hätte, als der Ehemann der Klägerin sich bei der Straßenüberquerung noch auf
dem Radweg in Höhe der Markierungslinie befand (Bl. 49 Beiakte; Bl. 188 d.A.).
Bezogen auf die Unfallrekonstruktionszeichnung des Sachverständigen ist damit die
Phase gemeint, in der das gelb markierte Fußgängersymbol auf der Markierungslinie
zwischen der Fahrspur und dem Radweg abgebildet dargestellt ist und die
Annäherungsposition des Pkw von links ebenfalls mit gelber Farbgebung
gekennzeichnet ist (Bl. 53 Beiakte). Von dort aus benötigte der Ehemann der Klägerin
für die Bewältigung der 2,1 m bis 2,2 m langen Strecke bis zum Kollisionspunkt einen
52
Zeitraum zwischen 2,1 Sekunden bis 2,2 Sekunden, wie der Sachverständige bei seiner
Anhörung dargelegt hat (Bl. 188 d.A.).
6) Im Hinblick auf dieses Beweisergebnis hat das Landgericht die Feststellung getroffen,
wegen der gesteigerten Sorgfaltspflichten der Beklagten zu 1. aus § 3 Abs. 2 a StVO sei
für sie eine Reaktionsaufforderung in dem Moment gegeben gewesen, als sich das
Unfallopfer 2,1 Sekunden vor dem Schadensereignis vor dem Parkstreifen auf dem
Radweg befunden habe (Bl. 7 UA; Bl. 202 unten d.A.). Diese Ortsangabe bezieht sich
auf die gelb gekennzeichnete Fußgängerposition in der Unfallrekonstruktionszeichnung.
Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrem Rechtsmittelvorbringen, bei der durch
das Landgericht angenommenen Annäherungsposition des Ehemannes der Klägerin
2,1 Sekunden vor dem Unfall hätten noch keine konkreten Anhaltspunkte für die
Annahme der Gefahr eines bevorstehenden verkehrswidrigen Verhaltens bestanden (Bl.
238, 239 d.A.). Diese Vorbringen vermag indes der Berufung der Beklagten nicht zum
Erfolg zu verhelfen.
53
Der Sachverständige hat seine Betrachtungen zur räumlichen Vermeidbarkeit auf die
Annahme einer Fortbewegungsgeschwindigkeit des Unfallgegners der Beklagten zu 1.)
von 1 m/sek. begründet. Wie bereits dargelegt, ist angesichts der gravierenden
Gehbehinderung des Ehemannes der Klägerin, welche die Inanspruchnahme von zwei
Gehhilfen erforderten, schon zweifelhaft, ob nicht die durch den Sachverständigen
berücksichtigte Annäherungsgeschwindigkeit zu hoch angesetzt ist. Bei seiner
mündliche Anhörung hat der Sachverständige dargelegt, werde eine niedrigere
Fußgängergehgeschwindigkeit angesetzt, so hätte die Beklagte zu 1. das
Unfallgeschehen noch eher vermeiden können (Bl. 189 d.A.).
54
7) Unabhängig davon ist folgendes zu berücksichtigen:
55
a) Die Annahme des Sachverständigen bezüglich der letzten Möglichkeit zur räumlichen
Vermeidbarkeit der Kollision 2,1 Sekunden bis 2,2 Sekunden vor dem Zusammenstoß
durch eine Vollbremsung der Beklagten zu 1. beruht auf der Prämisse einer
Annäherungsgeschwindigkeit von 50 km/h bei nasser Fahrbahnoberfläche unter
Zugrundelegung einer Vollverzögerung von 6 m/sek.² (Bl. 21 Beiakte). Die
Annäherungsgeschwindigkeit ist jedoch im Hinblick auf die Bekundungen des Zeugen
R. zu hoch angesetzt. Korrigiert man das vorkollisionäre Tempo der Beklagten zu 1. in
der gebotenen Weise nach unten, verschiebt sich ebenfalls die räumliche
Vermeidbarkeitsbetrachtung zu ihren Lasten. Konkret hätte sie bei einer
Annäherungsgeschwindigkeit zwischen 40 km/h und 45 km/h den Unfall noch
vermeiden können, wenn sie dann auf den Anblick des sich von rechts nähernden
Ehemannes der Klägerin mit einer Vollbremsung reagiert hätte, als dieser nach dem
Verlassen des rechtsseitigen Radweges und dem Überqueren der Trennungslinie in der
Größenordnung zwischen 22 cm und 33 cm auf der Fahrspur vorgedrungen wäre. Nach
Lage der Dinge steht außer Zweifel, dass spätestens bei einer derart weiten
Annäherung für die Beklagte zu 1. einen dringende Reaktionsaufforderung gegeben war
und sie nicht mehr auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Fußgängers vertrauen
durfte.
56
aa) Der Zeuge Rehms fuhr auf der Hubertusstraße mit seinem Taxi-Fahrzeug hinter dem
Pkw Opel Corsa der Beklagten zu 1.. Beide waren von der Krankenhauszufahrt aus
nach links in die H.straße abgebogen. Im Hinblick darauf hat der Zeuge bei seiner
Befragung durch das Landgericht nachvollziehbar geschildert, die durch ihn und die
57
Beklagte zu 1. gefahrene Geschwindigkeit sei "nicht all zu hoch gewesen" da man sich
"noch in der Beschleunigungsphase" befunden habe (Bl. 184 d.A.). Er habe als
Taxifahrer nicht schnell fahren können, weil der Wagen vor ihm "nicht so schnell
beschleunigte" (Bl. 187 d.A.). Konkret hat der Zeuge angegeben, man habe die
zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h "im Leben noch nicht erreicht" (Bl. 184
d.A.). Im Hinblick darauf kann für die Vermeidbarkeitsbetrachtungen auch nicht die
innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit zugrunde gelegt werden.
bb) Wie bereits ausgeführt, wäre nach den Darlegungen des Sachverständigen die
letzte Möglichkeit zur räumlichen Vermeidbarkeit des Unfalls für die Beklagte zu 1. bei
einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h in dem Moment gegeben gewesen, als ihr
Unfallgegner 2,1 Sekunden vor der Berührung die Trennungslinie zwischen Fahrspur
und Radweg erreicht hatte (gelbes Fußgängersymbol; vgl. Zeichnung Bl. 53 Beiakte).
Dem liegt die Berechnung zugrunde, dass der Anhalteweg des Fahrzeuges bei einer
Vollverzögerung von 6 m/sek.² ca. 30 m betragen hätte (Bl. 49 Beiakte). Sodann hat der
Sachverständige errechnet, welche Zeitspanne das Fahrzeug benötigte, um die
Wegstrecke von 30 m bei einer durchschnittlichen Annäherungsgeschwindigkeit von 50
km/h - ungebremst - zurückzulegen. Er hat auf diese Weise einen Zeitbedarf von 2,1
Sekunden ermittelt (genau: 2,158 Sekunden, nämlich 30 m : 13,9 m/sek.). Sodann hat er
die Vergleichsbetrachtung angestellt, in welcher Annäherungsposition der Fußgänger
2,1 Sekunden vor der Kollision bei einer Fortbewegungsgeschwindigkeit von 1 m in der
Sekunde gewesen wäre und hat auf diese Weise die Trennungslinie zwischen der
Fahrspur und den Radweg als den maßgeblichen Annäherungspunkt ermittelt.
58
Diese gutachterliche Analyse wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Auch der
Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieses Berechnungsansatzes in Frage zu
stellen, wenn man einmal das zu hohe Annäherungstempo außer Betracht lässt.
59
cc) Überträgt man die Berechnung auf eine Annäherungsgeschwindigkeit von 40 km/h,
die nach den Bekundungen des Zeugen Rehms durchaus in Betracht kommt, so ergibt
sich folgendes: Unter Zugrundelegung der durch den Sachverständigen
berücksichtigten Vollverzögerung von 6 m/sek.² hätte die Beklagte zu 1. einen
Gesamtanhalteweg von 20,26 m benötigt. Diese Feststellung vermag der Senat
aufgrund einer eigenen Anhaltewegberechnung zu treffen. Die für die
Vermeidbarkeitsbetrachtung maßgebliche Zeitspanne hätte dann nicht 2,158 Sekunden
betragen, sondern hätte sich auf 1,825 Sekunden reduziert (Division des Anhalteweges
von 20,26 m durch die Geschwindigkeit, die das Fahrzeug ungebremst bei 40 km/h in
einer Sekunde zurückgelegt hätte, nämlich 11,1 m/sek.). Zu prüfen ist dann, in welcher
Annäherungsposition sich der Ehemann der Klägerin 1,825 Sekunden vor dem
Zusammenstoß befunden hätte.
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Befand sich der Fußgänger - wie der Sachverständige ermittelt hat - 2,158 Sekunden
vor dem Kontakt noch auf der Trennungslinie zwischen Fahrspur und Radweg, muss er
1,825 Sekunden vor dem Zusammenstoß zwangsläufig näher an die Bewegungslinie
des Pkw herangekommen sein. Bildet man die Differenz zwischen den beiden
Zeitwerten, ergibt sich ein Unterschied von 0,333 Sekunden. Bezogen auf eine
Gehgeschwindigkeit des Ehemannes der Klägerin von 1 m/sek., lässt sich daraus
abgerundet ein weiteres räumliches Vordringen von 33 cm ableiten. Mit anderen
Worten: Bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 40 km/h und einer sich daraus
ergebenden Vermeidbarkeitszeitspanne von 1,825 Sekunden wäre der Ehemann der
Klägerin bereits ca. 33 cm über die durch den Sachverständigen angenommene
61
Position auf der Trennungslinie zwischen Fahrspur und Radweg hinaus in Richtung
Fahrzeug vorgedrungen.
dd) Überträgt man die obige Vermeidbarkeitsberechnung auf eine
Annäherungsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1. von 45 km/h errechnet sich bezogen
auf die Trennungslinie ein weiteres Vorrücken des Ehemannes der Klägerin von
aufgerundet 22 cm.
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ee) Im Nachhinein lässt sich aufgrund der Aussage des Zeugen Rehms nicht mehr
genau aufklären, mit welchem mittleren Annäherungstempo die Beklagte zu 1. auf den
späteren Unfallort zugefahren ist. Im Ergebnis kann aber die Entscheidung der Frage
dahinstehen, ob die Geschwindigkeit 40 km/h oder 45 km/h betragen hat. Selbst wenn
man zu Gunsten der Beklagten zu 1. den letztgenannten höheren Wert zugrundelegt -
dieser ist noch mit der Aussage des Zeugen R vereinbar, man habe "im Leben noch
nicht" die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erreicht - bleibt festzustellen, dass sich
der Ehemann der Klägerin bereits so weit als erkennbar hilfsbedürftige gebrechliche
Person in Querungsabsicht auf der Fahrbahn fortbewegt hatte, ohne auf den fließenden
Verkehr zu achten, dass die Beklagte zu 1. allen Anlass zur Einleitung einer sofortigen
Vollbremsung gehabt hätte. Eine solche hätte bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von
45 km/h - wie die obige Fortführung der Vermeidbarkeitsberechnung des
Sachverständigen zeigt - noch eine räumliche Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens
bewirkt.
63
Nach der Ansicht des Sachverständigen war eine Reaktionsaufforderung für die
Beklagte zu 1. in dem Moment gegeben, als der Fußgänger die Fahrspur deutlich betrat
(Bl. 49 Beiakte). Eine derartige Deutlichkeit war jedenfalls in der Annäherungsphase
gegeben, als der Ehemann der Klägerin die bezeichnete Trennungslinie bereits mehr
als 20 cm hinter sich gelassen hatte.
64
8) Jedoch hat die Berufung der Beklagten einen geringen Teilerfolg, der sich auf die
Höhe ihrer Ersatzverpflichtung bezieht.
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Der Ersatzanspruch der Klägerin, der gemäß § 844 Abs. 1 BGB die Beerdigungskosten
zum Gegenstand hat, umfasst nicht die Aufwendungen für Anzeigen hinsichtlich eines
Jahresgedächtnisses.
66
Nach der Rechtsprechung des Senats werden nur die Aufwendungen für den
Beerdigungsakt an sich, einschließlich der Bewirtung der Trauergäste anlässlich der
Beerdigung, ersetzt. Dazu zählen indes nicht die Aufwendungen für die Bewirtung bei
einer Folgefeierlichkeit, wie etwa anlässlich eines 6-Wochenamtes (Senat, Urteil vom
13. Oktober 2003, Az. 1 U 234/02 mit Hinweis auf LG Ulm VersR 1968, 183).
Konsequenterweise zählen dann auch nicht die Aufwendungen für Anzeigen zur
Vorbereitung eines Jahresgedächtnisses nicht zu den erstattungsfähigen Kosten (vergl.
Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Auflage, Rn. 342, Fußnote
11: Danach fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Beerdigung). Im
Gegensatz zu der seitens der Klägerin vertretenen Ansicht kann keine Analogie zu der
Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Grabstein hergestellt werden. Dem steht schon
entgegen, dass eine Grabkennzeichnung nach den einschlägigen
Benutzungsordnungen vorgeschrieben ist.
67
Damit reduziert sich die Ersatzverpflichtung der Beklagten und den anteiligen Betrag
68
von 360,00 DM, entsprechend 184,07 EUR.
IV. Zur Höhe der Leistungsverpflichtung der Beklagten
69
1. Zur Quotelung der Haftungsanteile
70
Die Abwägung aller unfallursächlichen Umstände gemäß §§ 9 StVG, 254, 823 BGB
führt zu dem Ergebnis, dass es bei der durch das Landgericht ausgesprochenen
Quotelung im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zum Nachteil der Beklagten verbleibt. Die von
den Parteien jeweils erstrebte Verbesserung dieser Haftungsverteilung kommt nicht in
Betracht.
71
Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat trotz ungünstiger Umstände leichtfertig den
Versuch einer Straßenüberquerung unternommen, obwohl die Beklagte zu 1. sich schon
bis zur Grenze einer räumlichen Vermeidbarkeit dem späteren Unfallort genähert hatte.
Diese Pflichtwidrigkeit wiegt so schwer, dass sie entgegen der durch die Klägerin
vertretenen Ansicht bei der Abwägung nicht in den Hintergrund treten kann.
72
Die von dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. ausgegangene Betriebsgefahr war aufgrund
der Tatsache deutlich erhöht, dass sie in vorwerfbarer Weise nicht den Vorgang der
langsamen Fußgängerannäherung ihres späteren Unfallgegners von rechts bemerkt
hatte. Diese Pflichtwidrigkeit wiegt aufgrund des Umstandes schwer, dass sie durch ihr
Fahrverhalten dafür Sorge tragen musste, dass jede Gefährdung des offenkundig
gebrechlichen Ehemannes der Klägerin ausgeschlossen war. Dieser eindeutig
überwiegende Verursachungs- und Verschuldensanteil ist mit einer Haftungsquote von
2/3 zum Nachteil der Beklagten zu berücksichtigen.
73
2. Zu den ersatzfähigen materiellen Schäden
74
Insoweit ist die durch das Landgericht vorgenommene Berechnung um die oben
genannte Position von 360,00 DM betreffend die Aufwendungen für das Jahrgedächtnis
zu korrigieren. Die ersatzfähigen Kosten reduzieren sich also von 15.934,12 DM (Bl. 11
UA; Bl. 206 d.A.) auf 15.574,12 DM.
75
Davon ist die unstreitige Sterbegeldzahlung im Umfang von 2.100,00 DM in Abzug zu
bringen, woraus sich ein Zwischensaldo von 13.474,12 DM ergibt. Der der Klägerin
zustehende Anteil von 2/3 macht dann im Ergebnis den Betrag von 8.982,75 DM aus.
Abzüglich der vorprozessualen Zahlung der Beklagten zu 1. in Höhe von 1.704,00 DM
verbleibt der erstattungsfähige Rest von 7.278,75 DM, entsprechend 3.721,57 EUR.
76
Aus den oben dargelegten Gründen verbleibt es auf der Grundlage einer
Anspruchsberechtigung der Klägerin im Umfang von 2/3 bei dem ihr durch das
Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrag von 3.500,00 EUR.
77
Die Summe der ersatzfähigen materiellen und immateriellen Schäden stellt sich im
Ergebnis auf 7.221,57 EUR.
78
V. Zu den Nebenentscheidungen
79
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
80
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§
708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 7.446,07 EUR. Dabei entfällt
auf das Rechtsmittel der Klägerin ein Anteil von 3.857,78 EUR und auf dasjenige der
Beklagten ein solcher von 3.588,29 EUR.
82
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
83
a. K T
84
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