Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.09.2006
OLG Düsseldorf: liquidation, entschädigung, untreue, sachverständiger, ermessen, anhörung, ermittlungsverfahren, datum
Oberlandesgericht Düsseldorf, III-4 Ws 448/06
Datum:
13.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-4 Ws 448/06
Tenor:
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 4.392,63 Euro.
In dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren wurde der
Sachverständige in Kevelaer von der Staatsanwaltschaft mit der gutachtlichen
Beurteilung der Frage beauftragt, ob Anhaltspunkte für ein Insolvenzvergehen oder
Straftaten des Betruges bzw. der Untreue bestehen. Die erbetenen Gutachten legte er
unter dem 30. Januar 2006 und dem 5. Mai 2006 vor. Für seine Tätigkeit erteilte der
Sachverständige am 8. Mai 2006 eine Rechnung über insgesamt 15.075,36 Euro; seine
Mühewaltung berechnete er mit 140,25 Stunden zu je 92 Euro. Nachdem der
Bezirksrevisor im Rahmen seiner Anhörung geltendgemacht hatte, die Tätigkeit des
Sachverständigen sei gemäß § 9 Abs. 2 JVEG mit lediglich 65 Euro zu bemessen, hat
dieser gerichtliche Festsetzung gemäß seiner Liquidation vom 8. Mai 2006 beantragt.
Das Landgericht ist dem mit seinem Beschluss vom 27. Juni 2006 gefolgt. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors.
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Die Sache ist wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat zur Entscheidung in
der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden.
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Die nach § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das
gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 JVEG zuständige Landgericht hat zu Recht den dem
Sachverständigen zu vergütenden Stundensatz entsprechend seiner Liquidation auf 92
Euro je Stunde festgesetzt.
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Der Stundensatz bestimmt sich nach der in § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG i. V. m. der
zugehörigen Anlage 1 bezeichneten Honorargruppe. Ist die Leistung auf einem
Sachgebiet erbracht worden, das in keiner Honorargruppe genannt wird, so ist diese
gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG nach billigem Ermessen einer der genannten
Honorargruppen zuzuordnen.
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In der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG findet sich das Sachgebiet
"Unternehmensbewertung" mit der Einordnung in die Honorargruppe "10". Ein anderes
Sachgebiet, unter welches die Leistung des Sachverständigen eingeordnet werden
könnte, findet sich in der Liste nicht. Die Tätigkeit des Sachverständigen kommt einer
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"Unternehmensbewertung" zumindest sehr nahe. In seinem Gutachten vom 30. Januar
2006 untersucht der Sachverständige, ob ein Insolvenzvergehen des Angeklagten
vorliegt. Zu diesem Zweck stellt er eine Überschuldensprüfung an, ob i. S. v. § 19 Abs. 2
InsO das Vermögen des Unternehmens seine bestehenden Verbindlichkeiten nicht
mehr deckt. Das Gutachten enthält mithin eine den strafrechtlichen Anforderungen
entsprechende Unternehmensbewertung. Nicht anders verhält es sich mit dem
Gutachten vom 5. Mai 2006. Ob sich der Angeklagte in den dort beschriebenen Fällen
eines Betruges gemäß § 263 StGB oder einer Untreue gemäß § 266 StGB strafbar
gemacht haben kann, hängt ebenfalls vom jeweiligen Finanzstatus im Zeitpunkt des
Abschlusses der Geschäfte oder bei Vornahme der schädigenden Handlungen ab.
Mithin war auch hier eine Unternehmensbewertung erforderlich. Gemäß § 9 Abs. 1
JVEG kann der Sachverständige somit eine Entschädigung nach der (höchsten)
Honorargruppe 10 verlangen.
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich die Entschädigung nach § 9 Abs. 2 JVEG
richtet. Danach kann der Sachverständige "im Fall des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der
Insolvenzordnung" abweichend von § 9 Abs. 1 JVEG als Honorar nur 65 Euro je Stunde
verlangen. Nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO hat ein vorläufiger Insolvenzverwalter zu
prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird;
zusätzlich kann ihn das Gericht beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein
Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des
Unternehmens des Schuldners bestehen. Hierbei handelt es sich um eine
Sachverständigenleistung eigener Art, die ausschließlich im Insolvenzverfahren
erbracht wird; zur Vermeidung von Abrechnungsschwierigkeiten soll für diese
Sachverständigentätigkeit ein festes Stundenhonorar festgelegt werden (BT-Drs.
15/2487, S. 139f; OLG München Rpfl.2005, 571). Ein derartiger Fall liegt hier jedoch
nicht vor. Der Sachverständige war ausschließlich im Auftrag der Staatsanwaltschaft im
Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den Angeklagten tätig. Mit dem
Insolvenzverfahren war er weder als vorläufiger Insolvenzverwalter noch in sonstiger
Funktion befasst. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 JVEG greift somit nicht ein. Als
Spezialregelung zu der allgemeinen Festlegung nach Abs. 1 (Hartmann KostG, 36.
Aufl., § 9 JVEG Rdn. 28), ist sie einer analogen Ausweitung ihres Geltungsbereichs
nicht zugänglich (ebenso OLG Nürnberg Rpfl 2006,500; OLG Koblenz ZinsO
2006,31;OLG München NJW-RR 2006,50).
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Im vorliegenden Fall verbleibt es mithin bei der Eingruppierung der Leistung des
Sachverständigen in die Honorargruppe 10.
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Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8
JVEG).
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