Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.01.2010

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Oberlandesgericht Düsseldorf, II-3 UF 162/09
Datum:
08.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II-3 UF 162/09
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts –
Familiengericht – Kleve vom 23.06.2009 – 4 F 80/09 – aufgehoben und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller.
Streitwert: 12.950,00 €
Die zulässige Berufung des Antragstellers, mit der er hilfsweise Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung begehrt, hat Erfolg.
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Die Ehe der Parteien kann nach § 1565 Abs. 1 BGB geschieden werden. Die Ehe ist als
gescheitert anzusehen, weil jedenfalls der Antragsteller die Wiederaufnahme der
ehelichen Lebensgemeinschaft ernsthaft und endgültig ablehnt. § 1565 Abs. 2 BGB
steht dem Ausspruch der Ehescheidung nicht entgegen, weil das Trennungsjahr im
August 2009 abgelaufen ist.
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Das Amtsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Parteien zum Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch kein Jahr lang im Sinne des § 1567
Abs. 1 S. 1 BGB getrennt gelebt haben. Die Parteien haben unstreitig bis August 2008
gemeinsam in ihrem Haus gewohnt. Die Antragsgegnerin hat außerdem
unwidersprochen dargelegt, dass die Parteien noch im April 2008 gemeinsam einen
Wohnwagen angeschafft und diese Anschaffung auch gemeinsam finanziert haben.
Wiederum unstreitig haben die Parteien im April und Mai 2008 gemeinsame Urlaube
verbracht. Dazu hat der Antragsteller im Rahmen der Anhörung nach § 613 ZPO im
Termin vor dem Amtsgericht am 09.06.2009 erklärt, die Antragsgegnerin habe bei dem
Kurzurlaub im Mai 2008 nach einem Streit damit gedroht, ihn zu verlassen. Der
Antragsteller geht also offenbar selbst davon aus, dass die Parteien zu diesem Zeitpunkt
nicht getrennt gelebt haben. Die Parteien sind darüber hinaus nach dem Ergebnis der
Anhörung im Juli 2008 erneut für die Dauer von drei Wochen gemeinsam in Urlaub
gefahren. Von einer Trennung im März 2008 kann danach keine Rede sein.
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Das Trennungsjahr ist jedoch mittlerweile abgelaufen, weil sich die Parteien jedenfalls
im August 2008 endgültig getrennt haben. Zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsteller
unstreitig aus dem gemeinsamen Haus der Parteien ausgezogen. Gleichzeitig haben
die Parteien zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Trennung vollzogen und getrennte
Konten eingerichtet. Danach ist von einer vollständigen Beendigung der ehelichen
Lebensgemeinschaft im August 2008 auszugehen.
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Die Trennungsfrist ist nicht dadurch unterbrochen worden, dass es nach August 2008
bis Dezember 2008 noch vereinzelt zu intimen Kontakten der Parteien gekommen ist.
Voraussetzung für einen Versöhnungsversuch im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB ist,
dass die Ehepartner einvernehmlich von der erfolgten Trennung Abstand genommen
haben und das durch die Wiederaufnahme einer zumindest eingeschränkten häuslichen
Gemeinschaft manifestieren (Palandt/Brudermüller, 67. Aufl., § 1567 BGB, Rn. 7).
Fehlen diese Voraussetzungen, reicht selbst regelmäßiger Geschlechtsverkehr für die
Annahme eines Versöhnungsversuchs nicht aus (OLG Celle FamRZ 1996, 804; OLG
Köln FamRZ 2002, 239). Dass die Parteien nach der räumlichen und wirtschaftlichen
Trennung im August 2008 über bloße sexuelle Kontakte hinaus in irgendeiner Form
wieder eine eheliche Lebensgemeinschaft aufgenommen haben, ist nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 14.08.2009 unwidersprochen
dargelegt hat, dass er "seit fast einem Jahr in einer neuen Beziehung" lebt. Vor dem
Hintergrund dieser neuen Beziehung des Antragstellers ist davon aus-zugehen, dass
jedenfalls der Antragsteller bei den intimen Kontakten der Parteien nach August 2008
nicht mehr das Ziel vor Augen hatte, die eheliche Lebensgemeinschaft mit der
Antragsgegnerin wieder aufzunehmen.
5
Eine Entscheidung des Senats in der Sache kommt nicht in Betracht. Der Senat kann
nicht selbst auf Scheidung der Ehe erkennen, sondern muss die Sache wegen des als
Folgesache anhängigen Versorgungsausgleichsverfahrens nach § 629b Abs. 1 ZPO an
das Amtsgericht zurückverweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO.
Danach sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder
teilweise aufzuerlegen, wenn sie aufgrund neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem
früheren Rechtszug hätte geltend machen können. Sinn dieser Bestimmung ist, die
Kosten des Verfahrens in zweiter Instanz derjenigen Partei, die in erster Instanz nicht
sachgerecht prozessiert hat und deshalb erst in der zweiter Instanz gewinnt,
aufzuerlegen. Einer solchen Partei steht derjenige gleich, der verfrüht, d.h. vor Ablauf
des Trennungsjahres, die Scheidung beantragt und alleine dadurch die Kosten für die
zweite Instanz verursacht hat. Deshalb sind analog § 97 Abs. 2 ZPO dem
Berufungskläger auch dann die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, wenn er
den Scheidungsantrag verfrüht gestellt und seine Berufung gegen die Abweisung eines
Scheidungsantrages nur deswegen Erfolg hat, weil erst während des
Berufungsverfahrens das Trennungsjahr verstrichen ist (BGH FamRZ 1997, 347; OLG
Düsseldorf FamRZ 1983, 628; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629b ZPO, Rn. 7). Der
Antragsteller hat den Scheidungsantrag zu früh eingereicht. Das Amtsgericht hat den
Scheidungsantrag zu Recht abgewiesen, weil das Trennungsjahr aus den bereits
genannten Gründen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch
nicht abgelaufen war.
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