Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.07.2002

OLG Düsseldorf: erbe, tod, beerdigungskosten, haftungsbeschränkung, vergütung, nachlass, deckung, mittellosigkeit, bestattungskosten, thüringen

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-25 Wx 31/02
Datum:
02.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-25 Wx 31/02
Leitsätze:
§ 1836 e Abs. 1 S. 3 BGB
Der Erbe kann sich auf die Haftungsbeschränkung des § 1836 e Abs. 1
S. 3 BGB auch dann berufen, wenn die Vergütung des Betreuers
unmittelbar gegen ihn fest-gesetzt werden soll.
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss
des Landgerichts Duisburg vom 04.02.2002 abgeändert. Der Beschluss
des Amtsgerichts vom 12.10.2001 wird aufgehoben. Das Amtsgericht
wird an-gewiesen, über den Vergütungsantrag des Beteiligten zu 2) vom
05.07.2001 (Bl. 29 SH) unter Beachtung der nachfolgenden
Rechtsauffas-sung des Senats erneut zu befinden.
Der Beteiligte zu 2) hat mit Antrag vom 05.07.2001 als Vergütung und
Aufwandsentschädigung für seine Betreuertätigkeit in der Zeit vom 01.01.2001 bis
02.07.2001 insgesamt 1.018,78 DM aus der Staatskasse verlangt. Das Amtsgericht hat
durch Beschluss vom 12.10.2001 diesen Antrag mit der Erwägung abgelehnt, dass der
Erbe der (am 13.06.2001 verstorbenen) Betreuten vorrangig vor der Staatskasse hafte.
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Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 2) dagegen,
dass das Landgericht seine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des
Amtsgerichts zurückgewiesen hat.
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Das Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als unter Abänderung der Entscheidung des
Landgerichts der Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben ist und das Amtsgericht über
den Vergütungsantrag erneut zu befinden hat. Die Entscheidung des Landgerichts ist
aus Rechtsgründen zu beanstanden (§ 27 FGG).
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Das Landgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die
Betreuervergütung mit dem Tod des Betreuten zu einer Nachlassverbindlichkeit wird, für
die der Erbe des Betreuten grundsätzlich haftet. Im Gesetz nicht geregelt ist der Umfang
der Erbenhaftung, wenn der Betreuer, falls der Betroffene noch lebte, seine
Vergütungsansprüche wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse
ersetzt verlangen könnte (§ 1836 a BGB). Das Landgericht hat sich auf den Standpunkt
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gestellt, dass der Erbe nach dem Tod des Betreuten gegenüber dem Betreuer
unbegrenzt hafte, wenn ein direkter Anspruch gegen den Erben geltend gemacht wird
und die Staatskasse nicht vorher eingetreten sei (ebenso: LG Leipzig, FamRZ 2000,
1451), und zwar auch dann, wenn der Nachlass zur Deckung der
Nachlassverbindlichkeiten unzureichend sein sollte, wovon im vorliegenden Fall bei
einem Nachlasswert von 733, 96 DM und Erbfallschulden in Form von
Beerdigungskosten auszugehen ist. Erst wenn der Erbe die Erbschaft ausschlägt oder
die Unzulänglichkeitseinrede nach § 1990 BGB erhebt, kann der Betreuer nach
Auffassung des Landgerichts seinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse
festsetzen lassen. Diese Ansicht entsprach für Betreuerforderungen bis 31.12.1998
allgemeiner Auffassung (z. B. BayObLG, FamRZ 1998, 697).
Vergütungsansprüche für Betreuungszeiträume ab dem 01.01.1999 sind jedoch anders
zu beurteilen. Der Gesetzgeber hat zum 01.01.1999 die Erbenhaftung in der Weise
ausgeweitet, dass die Erben nunmehr auch für Vergütungsansprüche des Betreuers
haften, die die Staatskasse wegen Mittellosigkeit des Betreuers verauslagt hat (§ 1836 e
Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Ausgleich für diese Rückgriffsmöglichkeit sieht das Gesetz -
ohne dass der Erbe die Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB erheben muss - eine
Haftungsbeschränkung des Erben auf den Nachlasswert vor (§ 1836 e Abs. 1 Satz 3
BGB). Wie der Senat soeben entschieden hat (Beschluss vom 16.05.2002 - 25 Wx 5/02
- ), steht nach § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB als Grundlage der Haftung der Erben für die
Betreuervergütung nur der Nachlass abzüglich der Erbfallschulden zur Verfügung.
Erbfallschulden, insbesondere die Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) sind also bei der
Ermittlung des Nachlasswertes als Passivposten vom Aktivbestand abzuziehen. Ein
Rückgriff der Staatskasse wegen der Betreuervergütung kommt deshalb von vornherein
nicht in Betracht, wenn dem Erben nach Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten
kein Aktivvermögen verbleibt (ebenso der nach der Senatsentscheidung bekannt
gewordene Beschluss des BayObLG FamRZ 2002, 699 mit kritischen Anmerkungen
von Bienwald). Die Ausführungen von Bienwald geben dem Senat zu einer anderen
Beurteilung keine Veranlassung. Zwar entstehen, worauf Bienwald hinweist, die
Bestattungskosten erst nach dem Tod des Erblassers. Allein die Verpflichtung, diese
unausweichlichen Kosten zu tragen - trifft den Erben bereits im Zeitpunkt des Todes. Sie
mindert daher von vornherein den Wert des Nachlasses. Nur darauf kommt es an.
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Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn der Anspruch des Betreuers auf Vergütung
vor
dem Tode des Betroffenen gegen die Staatskasse festgesetzt wird und es nach dessen
Tod darum geht, inwieweit der Erbe für den auf die Staatskasse übergegangenen
Anspruch haftet. Auch wenn der Erbe
nach
(noch nicht festgesetzte) Betreuervergütung in Anspruch genommen wird, kann kein
anderer Haftungsmaßstab gelten. Die Interessenlage ist in beiden Fällen gleich. Der
Erbe des Betroffenen kann sich daher auch in dem gegen ihn gerichteten
Festsetzungsverfahren auf die Haftungsbeschränkung des § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB
berufen. Ihm stehen auch in diesem Fall die in § 92 c Abs. 3 Nr. 1 und 2 BSHG
erwähnten Freibeträge zu (OLG Thüringen, FGPrax 2001, 22 ; BayObLG, FamRZ 2001,
866, 867; Deinert FamRZ 2002, 374, 375). Die Haftung der Erben ist daher schon im
Festsetzungsverfahren auf den Wert des Nachlasses begrenzt, und zwar - wie im Falle
des Anspruchsübergangs - ohne dass der Erbe die Dürftigkeitseinrede erheben muss.
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Da der aktive Nachlasswert im vorliegenden Fall nicht einmal zur Deckung der
Beerdigungskosten ausreicht, scheidet eine Haftung der Erben für die
Betreuervergütung aus. Das Verfahren war deshalb an das Amtsgericht zurück zu
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geben, das nunmehr unter Beachtung vorstehender Rechtsauffassung des Senats die
Berechtigung der mit dem Vergütungsantrag vom 05.07.2001 geltend gemachten Höhe
der Betreuervergütung gegen die Staatskasse zu überprüfen haben wird.