Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.01.2005

OLG Düsseldorf: referenz, beurteilungsspielraum, leistungsfähigkeit, chemiker, materialien, zustellung, ausschreibung, behandlung, fachkunde, daten

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 58/04
19.01.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf
Vergabesenat
Beschluss
VII-Verg 58/04
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der
3. Vergabekammer des Bundes vom 30. Juli 2004 (VK 3-86/04) wird
zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des
Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB einschließlich der dort ent-
standenen notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beige-
ladenen zu tragen.
III. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigen war für die Bei-
geladene in der Beschwerdeinstanz erforderlich.
IV. Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 58.912,92 EUR.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
I.
Die Antragsgegnerin schrieb den Abschluss eines Rahmenvertrages über die
Massenentsäuerung und Konservierungsleistungen zur Bestandserhaltung von Bibliotheks
- und Archivgut in zwei Losen aus. Das Los 1 betraf das Bibliotheksgut, das Los 2 das
Archivgut. Die Vertragsdauer sollte sich über einen Zeitraum vom 1.3.2004 bis zum
31.12.2006 erstrecken, wobei eine Option vorsah, den Vertrag um jeweils ein Jahr bis
maximal zum 31.12.2008 zu verlängern.
Die Antragsgegnerin übersandte den Bietern die Angebotsaufforderung mit den dazu
gehörigen Vergabeunterlagen nebst einer Leistungsbeschreibung (Anlage Bf 3), wo es
unter Ziffer 3 heißt:
a. "3. Qualitätsvereinbarungen:
3.1. Die toxikologische Unbedenklichkeit des behandelten Materials ist durch den
Auftragnehmer auf der Basis verbindlicher Atteste zu belegen. Sie hat insbesondere den
geltenden Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland und den Normen der EU (z.B.
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
Chemikalienverordnung, Sicherheitsblätter) zu genügen.
3.2 Es ist im gesamten zu entsäuernden Material durchgängig und gleichmäßig ein pH-
Wert im Rahmen von mindestens 7,5 und höchstens 9,5 zu gewährleisten. Spezifische
Anforderungen innerhalb dieses Rahmens sind bei entsprechenden Materialien nach
Vorgabe der Abrufberechtigten zu berücksichtigen. Bei bis zu 3 % der entsäuerten
Materialien pro Auftrag ist eine geringe Abweichung hinnehmbar. Eine Kontrolle erfolgt
anhand der gelieferten dokumentarischen Unterlagen, die gemäß 2.3 Teil der Leistung
sind.
3.3 Eine alkalische Reserve in Form einer Erdalkaliverbindung ist einzubringen. Dies
erfolgt in Absprache mit den Abrufberechtigten je nach Erfordernis des Materials, jedoch ist
das Einbringen von mindestens 0,5 Ma. % MgCO 3 zu gewährleisten. Die alkalische
Reserve muss gleichmäßig im Papier eingelagert sein.
3.4 Als weitere Qualitätsstandards sind die folgenden Kriterien zu beachten:
Der Originalzustand muss unverändert und ohne Deformation erhalten sein, u.a. dürfen
keine Veränderung in der Funktion von Bindung oder Einband und keine Veränderung
in den Klebungen auftreten.
Keine Farbveränderungen (Auslaufen von Farben) beim Einband und Schnitt des
Buchblocks, bei Stempel und Druckfarben und bei Tinten. Die Fixierung der Farben
des Bibliotheks- und Archivguts ist zulässig....
Keine sichtbaren Ablagerungen an der Außenseite der Bücher im Buchblock oder auf
den Archivalien.
Keine dauerhaften, behandlungsbedingten Geruchsbelästigungen.
Keine Verringerung der mechanischen Festigkeit (Reißfestigkeit/Flexibilität)
Keine Einschränkung der Lesbarkeit der Materialien
Keine Verdickungen des Materials über 10 % des ursprünglichen Umfangs. "
Auf Seite 5 der Leistungsbeschreibung sind die Zuschlagskriterien wie folgt angegeben:
"Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot unter Berücksichtigung der
folgenden Kriterien erteilt:
a. 1. Technischer Wert gem. den beigefügten Nachweisen
2. Preis
Die Reihenfolge der genannten Zuschlagskriterien entspricht gleichzeitig der
Rangfolge, die bei der Bewertung der Angebote zum Tragen kommt."
Am 16.1.2004 reichte die Antragstellerin ihr Angebot ein. Mit Schreiben vom 27.2.2004
(Anlage Bf 14) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr der Zuschlag aus
"preislichen Gründen" nicht erteilt werde und beabsichtigt sei, die Beigeladene zu
25
26
27
28
beauftragen. Die Antragstellerin rügte die beabsichtigte Entscheidung der Antragsgegnerin
und beantragte mit Schriftsatz vom 12.3.2004 die Vergabenachprüfung durch das
Bundeskartellamt. Die 3. Vergabekammer des Bundes entschied durch Beschluss vom
14.4.2004, dass die Antragsgegnerin die Wertung der Angebote der Antragstellerin und der
Beigeladenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu
wiederholen habe (Anlage Bf 15). Die bisherige Wertung der Antragsgegnerin weise ein
Abwägungsdefizit auf, weil sie sich nicht - jedenfalls nicht dokumentiert - mit den Vor- und
Nachteilen der von der Antragstellerin und der Beigeladenen angebotenen
Entsäuerungsmethoden "Papersave" und "CSC" in Bezug auf die Erfüllung der nach der
Ausschreibung geforderten Qualitätsstandards auseinandergesetzt habe. Sie habe sich
vielmehr darauf beschränkt, die Arbeitsproben und eingereichten Nachweise der beiden
Bieter zu untersuchen. Es fehle eine Auseinandersetzung mit der sich anschließenden
Frage, ob die konkurrierenden Verfahren gleich geeignet seien, die gesamte vertraglich
geschuldete Leistung in der von der Antragsgegnerin vorgegebenen Qualität zu erbringen.
Die diesbezüglich von der Antragsgegnerin zu erstellende Prognose dürfe nicht allein auf
der Auswertung der Arbeitsproben beruhen. Auch habe die Antragsgegnerin ihrer
Dokumentationspflicht nicht genügt.
Nach Bestandskraft des unangefochten gebliebenen Beschlusses rief der
Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 7.5.2004 bei der Antragsgegnerin an, um
sich nach dem Verfahrensstand zu erkundigen. Deren Mitarbeiter C. teilte mit, dass die
Antragsgegnerin beabsichtige, in eigener Zuständigkeit die Massenentsäuerungsverfahren
der beiden Bieter dahin zu prüfen, ob die Verfahren die Qualitätskriterien der
Verdingungsunterlagen gewährleisten. Die Antragstellerin nahm das Telefonat zum
Anlass, mit Schreiben vom 10.5.2004 darzulegen, welche weiteren Prüfschritte sie für eine
Wertung der Angebote für erforderlich hielt, hier namentlich die Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Als Sachverständigen benannte sie Herrn Dr. H. von der
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin.
Mit Schreiben vom 15.6.2004 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin erneut mit, dass
die Beigeladene den Zuschlag erhalten werde. Die Beigeladene habe das preisgünstigere
Angebot abgegeben; ihr CSC-Entsäuerungsverfahren sei gegenüber dem Verfahren
"Papersave" der Antragstellerin in technischer Hinsicht gleichwertig. Auf die Rügen der
Antragstellerin blieb die Antragsgegnerin blieb bei ihrem Standpunkt. Die Antragstellerin
beantragte daraufhin erneut die Vergabenachprüfung und beanstandete, dass die
Antragsgegnerin die Vorgaben der Vergabekammer im Beschluss vom 14.4.2004
hinsichtlich der Vorgehensweise und des Umfangs der notwendigen Wertungsschritte nicht
ausreichend umgesetzt habe.
Mit Beschluss vom 30.7.2004 (Anlage Bf 24) hat die Vergabekammer den
Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat
ausgeführt, dass die Antragsgegnerin die Angebote nunmehr korrekt gewertet und
insbesondere mit Blick auf den Verzicht auf ein Sachverständigengutachten den ihr
zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten habe.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 20.8.2004,
beim Oberlandesgericht eingegangen per Telefax am selben Tage. Sie ist der Ansicht,
dass ihr der Zuschlag zu erteilen sei. Die Beigeladene verfüge schon nicht über
ausreichende sachliche und personelle Mittel, um die von der Antragsgegnerin geforderten
Qualitätsstandards und Leistungsmengen zu erbringen. Ihr Angebot müsse daher von
Wertung ausgeschlossen werden. Jedenfalls habe die Antragsgegnerin aufgrund einer
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
Ermessensreduzierung auf Null ein Sachverständigengutachten über den technischen
Wert der beiden konkurrierenden Verfahren einholen müssen. Ein solches Gutachten
würde belegen, dass ihr "Papersave"-Verfahren allgemein und in Bezug auf den
ausgeschriebenen Auftrag ungleich besser sei als das "CSC"-Verfahren der Beigeladenen.
Die Antragstellerin beantragt in der Sache,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben
und die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung
des Senats über die Sache erneut zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen,
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie halten die Beschwerde für unzulässig. Im Übrigen treten sie den Ausführungen der
Antragstellerin im Einzelnen entgegen. Die Beigeladene meint überdies, das Angebot der
Antragstellerin müsse seinerseits von der Wertung ausgeschlossen werden, weil sie, die
Antragstellerin, die für den Auftrag erforderlichen betrieblichen und personellen
Kapazitäten nicht besitze.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig.
a) Die Beigeladene macht geltend, die Antragstellerin habe entgegen
§ 117 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GWB das von ihr verfolgte Rechtsschutzziel nicht mitgeteilt. Indes
will die Antragstellerin unzweideutig die Entscheidung der Vergabekammer aufgehoben
wissen und eine Wiederholung der Wertung mit einem für sie günstigen Ergebnis
erreichen.
b) Das Rechtsmittel ist auch rechtzeitig eingelegt worden.
Die Beigeladene meint, die nach §117 Abs. 1 S. 1 GWB binnen einer Frist von zwei
Wochen ab Zustellung der Vergabekammerentscheidung einzulegende sofortige
Beschwerde der Antragstellerin sei verfristet. Der Beschluss der Vergabekammer sei den
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 2.8.2004 zugestellt worden. Die erst am
20.8.2004 beim Oberlandesgericht Düsseldorf per Telefax eingelegte sofortige
Beschwerde sei daher verspätet. Die Antragstellerin trägt demgegenüber vor, dass der
angefochtene Vergabekammerbeschluss ihren Verfahrensbevollmächtigten mit der
Tagespost am 6.8.2004 gegen 12 Uhr zugegangen sei. Am 6.8.2004 sei ihr
Verfahrensbevollmächtigter Rechtsanwalt Hager infolge Urlaubs nicht in der Kanzlei
gewesen. Sein Urlaubsvertreter Rechtsanwalt Zebisch sei am 6.8.2004 von 9 Uhr bis 18
Uhr auf einer Dienstreise gewesen und nach Rückkehr nicht mehr in die Kanzlei
gekommen. Die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses sei erst am 9.8.2004 durch
Rechtsanwalt Zebisch erfolgt.
Die Einwände der Beigeladenen greifen nicht durch, ohne dass es hierzu einer
Beweisaufnahme bedarf. Nach der Rechtsprechung genügt für eine Zustellung durch
43
44
45
46
47
48
49
Empfangsbekenntnis nach § 5 Abs. 2 VwZG des Bundes i.V.m. § 56 VwGO nicht, dass das
zuzustellende Schriftstück in die Kanzlei des als Zustellungsempfänger bezeichneten
Rechtsanwalts gelangt, sondern der als Zustellungsadressat bezeichnete Anwalt muss,
damit die Zustellung bewirkt wird, das zuzustellende Schriftstück persönlich als zugestellt
annehmen (vgl. BVerwG NJW 1979, 1998). Die Zustellung ist dabei im Sinne der
Übergabe eines zuzustellenden Schriftstücks grundsätzlich erst an dem Tage bewirkt, an
dem der Zustellungsempfänger durch seine datierte Unterschrift urkundlich bestätigt, vom
Zugang des Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegen genommen zu
haben (vgl. BVerwG NJW 1980, 2427; Senat, Beschluss vom 2.8.2002, Verg 25/02).
Letzteres geschah hier am 9.8.2004. Die am 20.8.2004 eingereichte sofortige Beschwerde
ist daher ersichtlich nicht verspätet eingelegt worden.
2. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig. Insbesondere fehlt der
Antragstellerin nicht die nach § 107 Abs. 2 GWB geforderte Antragsbefugnis, weil sie
mangels betrieblicher Leistungsfähigkeit keine Chance auf den Zuschlag hätte. Nach ihrem
schlüssigen Vortrag verfügt sie über ausreichende technische und personelle Kapazitäten,
um den Auftrag ordnungemäß zu erledigen, was für die Annahme ihrer Antragsbefugnis
genügt (vgl. BGH vom 18.5.2004, NZBau 2004, 457 = VergabeR 2004, 473).
3. Der Nachprüfungsantrag und damit auch die sofortige Beschwerde der Antragstellerin
haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist das Angebot der Beigeladenen nicht wegen
fehlender Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell von der Wertung
auszuschließen.
Die Antragstellerin macht geltend, die Beigeladene sei nicht in der Lage, einen Auftrag des
ausgeschriebenen Umfangs auszuführen; ferner könne sie aufgrund ihrer personellen
Besetzung keine hinreichende Qualitätssicherung bieten. Ein darauf gestützter genereller
Ausschluss des Angebots der Beigeladenen kommt indes schon aus Rechtsgründen nicht
in Betracht. Nach dem bestandskräftigen Beschluss der Vergabekammer vom 14.4.2004
war das Vergabeverfahren ab dem Stadium der 4. Wertungsstufe wiederaufzugreifen und
fortzusetzen. Der Beschlusstenor der Vergabekammer lautet in dem hier interessierenden
Teil:
"Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Wertung der Angebote der Antragstellerin
und der Beigeladenen in dem Vergabeverfahren.......unter Berücksichtigung der
Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen...."
Und in den zur Auslegung der Worte "Wertung der Angebote" heranzuziehenden
Beschlussgründen heißt es auf S. 14:
"Vorliegend hat die Antragsgegnerin ausweislich der Auswertungsbögen zwar die
Qualitätsstandards von Ziffer 2 Der Leistungsbeschreibung abgeprüft und das Ergebnis in
knapper Form festgehalten. Allerdings hat sie, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen
Verhandlung erläuterte, die Prüfung darauf beschränkt, die Arbeitsproben zu untersuchen
und die von den Bietern selbst eingereichten Nachweise zu prüfen. Diese Prüfungsschritte
sind selbstverständlich vergaberechtlich legitim bzw. - weitergehend - sogar geboten.
Problematisch ist jedoch, dass die Antragsgegnerin ihren Wertungsvorgang an dieser
Stelle bereits mit dem Ergebnis abgeschlossen hat, die hier streitgegenständlichen
Verfahren seien gleichwertig. ...
50
51
52
53
54
55
56
57
58
(Unterstreichungen durch den Senat)
Mit Blick auf die vier Wertungsstufen des § 25 VOL/A bedeutet dies, dass nach der
Rechtsauffassung der Vergabekammer nur die letzte Wertungsphase wiederholt werden
musste, ein Zurückgehen auf eine frühere Wertungsstufe danach grundsätzlich,
vorbehaltlich neuer Erkenntnisse, unzulässig war. Solche neuen Erkenntnisse, die Zweifel
an der Eignung und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen begründen könnten, lagen und
liegen hier jedoch nicht vor.
b) Danach geht es hier nur noch um die letzte Wertungsphase nach
§ 25 Nr. 3 VOL/A, in welcher der öffentliche Auftraggeber aus den Angeboten der engeren
Wahl das wirtschaftlichste Angebot ermittelt.
aa) Für diesen Wertungsschritt nennen die EG-Vergaberichtlinien beispielhaft eine Reihe
von Kriterien, die zur Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebotes herangezogen werden
können. Aus diesem weder abschließenden noch zwingenden Katalog hat sich die
Antragsgegnerin für die Kriterien "technischer Wert" und "Preis" entschieden und dabei
dem "technischen Wert" das größere Gewicht beigemessen. Nur in Bezug auf die Wertung
dieser beiden Kriterien hatte sie nach dem bestandskräftigen Beschluss der
Vergabekammer vom 14.4.2004 unter Berücksichtigung der Auffassung der
Vergabekammer die Vergabe zu wiederholen.
Auf Seite 14 des Beschlusses vom 14.4.2004 führt die Vergabekammer aus, dass die
Antragsgegnerin die eingereichten Arbeitsproben untersucht und ihre Nachweise geprüft
habe. Dies sei - für sich gesehen - sogar geboten gewesen. Entgegen der im Senatstermin
von der Antragstellerin geäußerten Ansicht hat die Vergabekammer es mithin sogar
ausdrücklich gebilligt, dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung auch auf die
Auswertung von Arbeitsproben stützen wollte. Allerdings - so die Vergabekammer weiter -
habe die Antragsgegnerin unzulässigerweise schon an dieser Stelle ihre Bewertung mit
dem Ergebnis abgeschlossen, die Verfahren der Antragstellerin und der Beigeladenen
seien technisch gleichwertig. Im Einzelnen hat die Vergabekammer das Fehlen einer
nachvollziehbaren Abwägungsentscheidung, die im Rahmen einer Prognose anzustellen
und nicht nur auf den Arbeitsproben basieren dürfe, beanstandet.
Die von der Antragsgegnerin im Anschluss an die bestandskräftige (und damit bindende)
Vergabekammerentscheidung zu wiederholende Wertung durfte (und musste) also auf den
eingereichten Arbeitsproben der Bieter beruhen. Zusätzlich hatte die Antragsgegnerin
weitere Erkenntnisquellen heranzuziehen. Welche dies im Einzelnen waren, hat die
Vergabekammer nicht vorgegeben und oblag daher dem Beurteilungsspielraum der
Antragsgegnerin. Zudem war die Antragsgegnerin gehalten, die Vor- und Nachteile der
beiden konkurrierenden Massenentsäuerungsverfahren im Rahmen einer
auftragsbezogenen Prognose gegeneinander abzuwägen.
bb) Einen diesen Anforderungen genügenden Wertungsvorgang hat die Antragsgegnerin
ausweislich ihres Vergabevermerkes vom 15.6.2004 durchgeführt.
(1) Indem sie die angebotenen Trockenverfahren anderer Bieter erneut ausgesondert und
von den drei verbliebenen Anbietern von Flüssigphasenverfahren die Antragstellerin und
die Beigeladene in die engere Wahl genommen hat, hat sie nach dem oben Ausgeführten
sogar mehr als notwendig (und zulässig) getan, nämlich eine frühere Wertungsstufe
wiederholt, was ihr Wertungsergebnis jedoch nicht beeinflusst hat und daher
59
60
61
62
63
64
vergaberechtlich unschädlich ist.
(2) Zu dem von der Vergabekammer im Beschluss vom 14.4.2004 vermissten "direkten
Vergleich" der Verfahren der Antragstellerin und der Beigeladenen hat die Antragsgegnerin
auf S. 5 des Vergabevermerks Ausführungen gemacht. Dort stellt sie fest, dass bei beiden
Verfahren - "Papersave" und "CSC" - eine ausreichende Neutralisierung der sauren
Komponenten der geschädigten Papiere stattfinde. Das Verfahren der Antragstellerin habe
Vorteile aufgrund der besonderen Vorbereitung des Behandlungsguts (Vortrocknung),
ferner bei der gleichmäßigen Verteilung der Puffersubstanz, bei der Verhinderung
unkontrollierter chemischer Reaktionen und auch bei der Stabilität der Behandlungslösung.
Das Verfahren der Beigeladenen sei demgegenüber in Bezug auf die Trocknung
wesentlich schonender, ferner könnten bei ihm irreversible Änderungen der Papierstruktur
und optische Fehler sicherer vermieden werden. Die Nachteile des Angebots der
Beigeladenen gegenüber dem der Antragstellerin würden durch Vorteile auf den anderen
Gebieten ausgeglichen. Auf dieser Grundlage kommt die Antragsgegnerin in ihrem
Vergabevermerk vom 15.6.2004 zu dem Zwischenergebnis:
"Gravierende Unterschiede des technischen Werts, die einen Einfluss auf das
Preis/Leistungsverhältnis haben müssten, lassen sich durch die vergleichende
Gegenüberstellung der beiden Verfahren nicht feststellen."
Bei der vergleichenden Gegenüberstellung der Verfahren ist die Antragsgegnerin aber
nicht stehen geblieben, sondern hat um die von der Vergabekammer geforderte
auftragsbezogene Prognose ergänzt. Hierbei hat sie sachgerecht auf das Ziel der
Ausschreibung, nämlich auf die Verbesserung der Alterungsbeständigkeit des Buch- und
Archivmaterials, abgestellt, für welche die Qualität der gleichmäßigen Einlagerung der
Puffersubstanz und die Veränderung des pH-Wertes im Material von Bedeutung ist. Ferner
hat sie auf die positiven Erfahrungen mit der Antragstellerin als ihrer bisherigen
Auftragnehmerin zurückgegriffen. Was die Beigeladene angeht, konnte sie sich auf solche
Erfahrungen naturgemäß nicht beziehen. Jedoch konnte sie auf die überreichten
Referenzen zurückgreifen, auch wenn diese nicht in größerem Umfange vorhanden waren,
weil es sich um ein "relativ junges" Verfahren handelte (so der Vergabevermerk).
Einschlägig war eine Referenz der Landesbibliothek Berlin. Über deren Prüfung durch die
Antragsgegnerin verhält sich eine Notiz vom 11.5.2004 betreffend ein Telefongespräch
vom selben Tage, das der bei der Antragsgegnerin zuständige Chemiker Dr. S. und die
Leiterin der historischen Sammlungen der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), Dr.
G., führten, und in dem es heißt:
"Sie (Anm. des Senats: gemeint ist Frau Dr. G.) bestätigt, dass die Fa. P. in 2003 einen
Auftrag über die Feinreinigung, Massenentsäuerung und Dekontaminierung durchgeführt
hat. Die Fa. P. hat den Auftrag aufgrund einer Ausschreibung erhalten, in der sie das
wirtschaftlichste Angebot der Firmen in der engeren Wahl abgegeben hatte. Bei der
Wertung wurde insbesondere auch die große Erfahrung des wissenschaftlichen Leiters der
P., Herrn Professor Dr. W., entsprechend gewürdigt.
In 2003 wurden über 18000 Bücher zur vollsten Zufriedenheit der ZLB von der FA. P.
behandelt. Der gesamte Auftrag wurde in gutem Einvernehmen abgewickelt. Der Effekt der
Massenentsäuerung wurde von der FA. P. nachgewiesen und dokumentiert. Sowohl
organisatorisch als auch von der Qualität der Behandlung nach dem CSC - Verfahren sind
keine Beanstandungen festgestellt worden."
(Unterstreichungen durch den Senat)
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
"Ergänzend" - so der Vergabevermerk ausdrücklich - zu dieser Referenz und der
Arbeitsprobe der Beigeladenen hat die Antragsgegnerin die aktuellen
Untersuchungsergebnisse des Prof. Dr. B. berücksichtigt, die dieser der Antragsgegnerin in
einer Telefonauskunft vom 3.6.2004 und einem Mailschreiben vom 9.6.2004
übermittelt hat. Jenes Telefonat vom 3.6.2004 haben Dr. S. und Prof. Dr. B. geführt. Dr. S.
hat hierzu in einer Notiz festgehalten, dass Prof. Dr. B. alle Untersuchungen im Rahmen
der von ihm durchgeführten Studie betreffend das Verfahren der Beigeladenen
abgeschlossen habe und nur noch die Publikation ausstehe. Weiter gibt die Telefonnotiz
die Angaben des Prof. Dr. B. wörtlich wie folgt wieder:
"...Nach den gewonnenen Ergebnissen ist das Verfahren der Fa. P. als mindestens voll
vergleichbar und geeignet im Verhältnis zu dem Verfahren der Fa. Z. einzustufen. Als
Vorteil des Verfahrens ist anzusehen, dass eine Verformung der behandelten Bücher
praktisch nicht auftritt und die Re-Konditionierung wesentlich unproblematischer ist, als bei
dem Verfahren der Z.. Wegen der schonenderen Behandlung ist nach seinen
Erkenntnissen das Risiko von unerwünschten Nebeneffekten geringer. Bei
problematischen Farben und Materialien liegen vergleichbare Verhältnisse vor."
(Unterstreichungen durch den Senat)
Sodann werden zur Untermauerung verschiedene Untersuchungsergebnisse aufgeführt.
Abschließend heißt es in der Telefonnotiz des Dr. S., eine Versicherung des Prof. Dr. B.
wiedergebend, wie folgt:
"Sämtliche Untersuchungen wurden streng neutral durchgeführt. Herr Prof. W. ist
Honorarprofessor an der SABK. Eine Studentin der SABK ist bei der FA. P. angestellt.
Beide sind nicht an der Studie beteiligt gewesen."
Die Antragsgegnerin hat also keineswegs die Ergebnisse und Angaben des Prof. Dr. B.
unkritisch übernommen, sondern diese - vertreten durch Dr. S. - in einem Gespräch unter
Fachleuten hinterfragt und erörtert, wobei auch die Neutralität und Verlässlichkeit der
Untersuchungen des Prof. Dr. B. zur Sprache gekommen und abgesichert worden sind.
Weiterhin hat sich die Antragsgegnerin ausweislich ihres Vergabevermerkes auf die
Angaben des Prof. Dr. B. in seiner E-Mail vom 9.6.2004 gestützt, in der es u. a. heißt:
"...in der Anlage darf ich Ihnen noch ein paar Informationen zum CSC-Verfahren
übermitteln. Es handelt sich hierbei um eine Risikoabschätzung entsprechend den
Arbeiten, die wir im Rahmen unseres DFG-Projektes durchgeführt haben. Diese Daten
werden in das Gutachten inhaltlich eingehen.
Zur Neutralität der Untersuchungen möchte ich ebenfalls noch eine kurze Bemerkung
anführen. Herr Prof. Dr. W. W. ist seit langer Zeit Honorarprofessor an der Staatlichen
Akademie der Bildenden Künste, er war dies auch schon zu einer Zeit, als er noch beim Z.
beschäftigt war. Er ist mit dem Inhalt und der Durchführung des Gutachtens in keinster
Weise befasst und hat selbstverständlich auch keinen Einfluss auf Resultate.
Darüber hinaus ist Frau Dipl. Rest. U. H. bei P. angestellt, nutzt
aber die Infrastruktur des Studiengangs für ihre Arbeiten. Als Kontaktperson unterstützt
sie die organisatorische Durchführung mancher Arbeiten, auch im Rahmen des
77
78
79
80
81
82
83
Gutachtens, ist aber weder mit analytischen Untersuchungen, noch mit der Interpretation
von Daten befasst. Sämtliche Untersuchungen von Probematerialien werden an
zertifizierten Laboratorien durchgeführt und zwar bei der N. AG in Wi. und als
Gegenanalyse bei der Wo.A....."
Abschließend kommt die Antragsgegnerin in ihrem Vergabevermerk zu dem
Wertungsergebnis, dass die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen
untereinander im technischen Wert gleichwertig seien und daher nach dem Angebotspreis
zu entscheiden sei, mithin der Zuschlag auf die Beigeladene entfallen solle.
Die Antragsgegnerin hat danach die Verfahrensvorgaben der Vergabekammer eingehalten.
Dabei ist ihrem Vergabevermerk auch zu entnehmen, dass sie lediglich die ihr von Prof. Dr.
B. mitgeteilten Untersuchungsergebnisse zugrunde gelegt hat, nicht aber dessen erst
später fertiggestelltes Gutachten, wie von der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom
15.12.2004 zu Unrecht behauptet.
cc) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dass der Antragsgegnerin
Wertungsfehler unterlaufen seien.
Auch die Antragstellerin nimmt - zutreffend - an, dass der öffentliche Auftraggeber bei der
Leistungsbewertung von Angeboten grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum hat, der
nur auf Beurteilungsfehler überprüfbar ist, also insbesondere darauf, ob die Vergabestelle
von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, den ihr eingeräumten
Beurteilungsspielraum richtig interpretiert und eingehalten hat, und ob die Einschätzung auf
unsachgemäßen Erwägungen beruht. Das dabei gefundene Wertungsergebnis muss
zumindest vertretbar sein. All dies ist hier der Fall.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist der Antragsgegnerin nicht vorzuwerfen, kein
Sachverständigengutachten über den technischen Wert der beiden konkurrierenden
Massenentsäuerungsverfahren eingeholt zu haben. Hierzu ist vorab zu bemerken, dass die
Vergabekammer in ihrer bestandskräftigen Entscheidung vom 14.4.2004 keine
diesbezüglichen Vorgaben gemacht hat. Dessen ungeachtet war eine Begutachtung auch
nicht zwingend geboten. Nach § 6 Nr. 1 VOL/A sollen die Sachverständigen in der Regel
von den Berufsvertretungen vorgeschlagen werden, sofern der öffentliche Auftraggeber "die
Mitwirkung von Sachverständigen zur Klärung rein fachlicher Fragen für zweckmäßig" hält.
Das Wort "zweckmäßig" bestätigt, dass dem öffentlichen Auftraggeber auch in dieser Frage
ein Beurteilungsspielraum zusteht. Diesen hat die Antragsgegnerin im Streitfall nicht
überschritten.
(1) Dem lässt sich nicht durchgreifend entgegenhalten, der Antragsgegnerin habe schon
die notwendige Sachkenntnis gefehlt. Zu Recht hat die Vergabekammer darauf
hingewiesen, dass der Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Dr. S., von Beruf Chemiker sei und
das Personal der Bedarfsträgerin jedenfalls über eine gewisse Sachkunde verfüge.
(a) Gegen die Sachkunde des Dr. S. bringt die Antragstellerin nichts Konkretes vor. Als
Chemiker ist Dr. S. für das in Rede stehende Fachgebiet ersichtlich qualifiziert. Zudem trägt
die Antragsgegnerin unwidersprochen vor, dass Dr. S. auch mit der Beschaffung von
Entsäuerungsleistungen Erfahrungen habe. Schließlich belegen die dokumentierten
Fachgespräche des Dr. S. mit Prof. Dr. B. seine Sachkenntnis. Zwar mag die
Antragstellerin aus der Deutschen Bücherei L. hervorgegangen sein und - wie sie vorträgt -
seinerzeit alle Mitarbeiter, die sich bis dahin mit der Entsäuerung von Buch- und Archivgut
befasst hatten, in das damals neu gegründete Unternehmen übernommen haben. Ohne
84
85
86
87
88
89
90
jede Kenntnisse auf dem Gebiet der Buchkonservierung dürfte die Bedarfsträgerin damit
jedoch nicht geblieben sein. Diesbezüglich vorhandene Kenntnisse, die sich schon aus der
täglichen Pflege des Buch- und Archivguts ergeben, liegen nahe, ohne dass es hier darauf
entscheidend ankäme. Maßgebend ist die Qualifikation des Dr. S., so dass auch nicht von
Relevanz ist, wenn die Antragstellerin darauf verweist, Prof. Dr. B. habe im Rahmen einer
Studie vom September 2002 angemerkt hat, dass es Archivaren und Bibliothekaren sowie
den befassten Restauratoren nahezu unmöglich sei, die am Markt angebotenen
Entsäuerungsleistungen (selbständig) zu beurteilen.
Gegen die hinreichende Fachkunde des Dr. S. spricht nicht dessen E-Mail vom 3.6.2004 an
die Mitarbeiterin der Bedarfsträgerin, Frau Sch. (Anlage Bf 26/2). Daraus ergibt sich nur,
dass Dr. S. eine Begutachtung in der gegebenen strittigen Situation verfahrenstaktisch für
am besten geeignet hielt. Dass er sich selbst eine vertretbare Beurteilung nicht zutraute,
folgt daraus nicht.
(2) Auch die von der Antragstellerin angeführten weiteren Indizien gegen eine hinreichende
Fachkunde der Antragsgegnerin tragen nicht.
Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Antragsgegnerin selbst habe die
Hinzuziehung eines Sachverständigen für erforderlich gehalten, weil sie zunächst den
Sachverständigen Dr. H. von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung mit der
Begutachtung der beiden Entsäuerungsverfahren beauftragt habe. Abgesehen davon, dass
dies allein kein tragfähiges Indiz wäre, lässt sich auch nicht feststellen, dass die
Antragsgegnerin einen solchen Auftrag an Dr. H. überhaupt erteilt hat. Noch in einer E-Mail
vom 28.5.2004 an die Antragsgegnerin sprach Dr. H. lediglich allgemein von einer
"Gutachtertätigkeit" und wie diese vonstatten gehen könnte bzw. mit welchen Kosten zu
rechnen sei. Dass Dr. H. am 25.5.2004 die Landesbibliothek Berlin aufsuchte und den
dortigen Bestand in Augenschein nahm, lässt sich schon mit den naheliegenden
Erfordernissen einer vorherigen Unterrichtung
über den Umfang eines Auftrags und einer Kostenabschätzung plausibel erklären.
Die Antragstellerin meint ferner, ein deutlicher Hinweis auf die mangelnde Sachkunde der
Antragsgegnerin folge daraus, dass die Antragsgegnerin am 11.5.2004 auf dem Schriftsatz
der Antragstellerin vom 10.5.2004 vermerkt habe, dass sie wohl nicht umhin kommen
werde, Referenzmengen von der Beigeladenen und gegebenenfalls von der Antragstellerin
neutral prüfen zu lassen. Auch dies ist kein tauglicher Beleg für eine mangelnde
Sachkunde der Antragsgegnerin, sondern bestätigt nur, dass die Antragsgegnerin die
Einholung eines Gutachtens vor allem aus verfahrenstaktischen Gründen erwogen hat.
Gleiches gilt für das Schreiben der Antragsgegnerin vom 2.6.2004 an die Bedarfsträgerin
(Anlage Bf 26), wonach die Entscheidung über eine Begutachtung gemäß einem Hinweis
der Vorsitzenden der Vergabekammer zwar bei der Vergabestelle liege, man aber mit
einem Gutachten auf der sicheren Seite sei, da die Antragstellerin ein Gutachten weiterhin
fordere.
(c) Die Einholung eines Gutachtens war und ist für die Vergabeentscheidung auch nicht
deswegen zwingend geboten, weil nach der Einschätzung des Dr. H. eine haptische und
optische Begutachtung keine hinreichenden Aussagen über die Wirksamkeit bzw.
Nachhaltigkeit des Restaurierungsverfahrens treffen könne (E-Mail vom 28.5.2004, Anlage
Bf 25). In jener E-Mail des Dr. H. heißt es:
"In einer ersten Phase kann eine optische und haptische Begutachtung erfolgen, die
91
92
93
94
95
96
insgesamt (mit Bericht etc.) etwa 12 Arbeitsstunden in Anspruch nehmen wird....
Das daraus resultierende Gutachten kann in keinster Weise Aussagen über die
Wirksamkeit, bzw. Nachhaltigkeit des Restaurierungsverfahrens treffen. Hierfür sind in
jedem Fall weitere Untersuchungen (nicht an den originalen Beständen, sondern an
Testpapieren) erforderlich, die nicht mehr im Rahmen einer normalen Gutachtertätigkeit zu
leisten sind. Hierfür wäre eine wissenschaftliche Vorstudie erforderlich..."
Diese Aussage des Dr. H. bezieht sich auf den Anspruch eines wissenschaftlichen
Gutachtens, um das es hier nicht geht. Nach den Maßstäben der Wissenschaft mag eine
wissenschaftliche Vorstudie für die Beurteilung zu fordern gewesen sein. Bei dem in Rede
stehenden Beschaffungsvorgang war - im Rahmen eines fairen Vergabewettbewerbs -
indes nur eine vertretbare Vergabeentscheidung zu treffen. Eine diesbezügliche Grundlage
hätte zwar auch ein wissenschaftliches Gutachten erbringen können - der allein eröffnete
Weg war dies jedoch nicht. Einen alternativen Weg hat die Antragsgegnerin in zulässiger
Weise beschritten. Sie hat die Arbeitsproben der Bieter in Augenschein genommen und
sachverständig durch den Chemiker Dr. S. geprüft. Sie hat die Verfahren vergleichend
gegenübergestellt und in Bezug auf die Beigeladene die Erfahrungen einer anderen
Bibliothek mit einem vergleichbaren Auftrag ausgewertet. Ihre daraus gezogenen
Schlussfolgerungen hat sie durch eine Rückfrage bei einem anerkannten Fachmann, Prof.
Dr. B., der zudem seinerzeit im Rahmen einer Studie mit den hier anstehenden Fragen
befasst war, verifiziert.
(d) Soweit die Antragstellerin meint, auf Arbeitsproben, deren Herstellung der Auftraggeber
nicht kontrollierend begleitet habe, sei generell kein Verlass, unterstellt sie eine allgemeine
Unredlichkeit der Bieter, von der nicht ausgegangen werden kann. Zudem sieht die VOL/A
gerade in schwierigen Fällen das Einholen von Probestücken ausdrücklich vor (vgl. § 8 Nr.
1 Abs. 2, Nr. 4 VOL/A). Schließlich hat die Antragstellerin die bieterseitige Hereingabe von
Arbeitsproben zunächst nicht beanstandet, sondern entsprechend den
Vergabebedingungen der Antragsgegnerin selbst eine Arbeitsprobe eingereicht.
(e) Eine das Ermessen auf Null reduzierende Verpflichtung der Antragsgegnerin, ein
Gutachten einzuholen, folgt auch nicht aus den Ergebnissen der englischen Studie
"INFOSAVE".
Die Antragstellerin führt an, das Entsäuerungsverfahren der Beigeladenen basiere auf dem
Verfahren eines spanischen Unternehmens. In Bezug auf jenes Verfahren habe die im
Jahre 2003 publizierte Studie "INFOSAVE" ergeben, dass von insgesamt 15 behandelten
Büchern nur zwei Bücher keine unerwünschten Nebenerscheinungen zeigten. Fünf Bücher
seien chemisch untersucht worden, davon hätten drei Bücher eine alkalische Reserve von
unter 0,5 Gew. % aufgewiesen, womit die Anforderungen der Antragsgegnerin gemäß Ziffer
3.3 der Ausschreibungsunterlagen verfehlt würden.
Dem ist indes entgegenzuhalten, dass das INFOSAVE-Resultat aus der Zeit 2002/2003
stammt und nur 15 Bücher betraf. Es ist daher nur von geringer Aussagekraft und schon
deshalb nicht geeignet, die von der Beigeladenen hinsichtlich eines Großauftrags über die
Behandlung von mehr als 18.000 Büchern beigebrachte Referenz mit dem Prädikat "zur
vollsten Zufriedenheit" durchgreifend zu erschüttern. Zudem hat die Antragsgegnerin
anhand der Arbeitsproben der Beigeladenen festgestellt, dass die Beigeladene die
geforderten Ergebnisse erbringen kann. Gestützt wurde diese Einschätzung durch die
aktuellen Untersuchungsergebnisse und Stellungnahmen des Prof. Dr. B. von Juni 2004.
Auf diesem Hintergrund ist der von der Antragsgegnerin gezogene weitere Schluss
97
98
99
100
101
102
103
mindestens gut vertretbar, dass die Beigeladene den ausgeschriebenen Auftrag in gleicher
Qualität wie die Antragstellerin bewältigen wird.
Zudem setzt die Beigeladene, die im Jahre 2003 gegründet wurde, das CSC-
Ausgangsverfahren nicht unverändert ein, sondern in einer weiterentwickelten Form. Dies
gilt jedenfalls für die Phase der Vortrocknung bzw. deren Weglassung. Die INFOSAVE-
Studie betraf indes noch das Ausgangsverfahren mit einer Vortrocknung des zu
behandelnden Materials auf einen Feuchtigkeitsgehalt von 2 % bis 2,5 %. Dem
Vergabevermerk der Antragsgegnerin vom 15.6.2004 und auch der
Verfahrensbeschreibung der Beigeladenen in ihrem Angebot ist demgegenüber zu
entnehmen, dass die Beigeladene eine Vortrocknung nur für Ausnahmefälle vorsieht und
dies auch nur bis zu einer Restfeuchte von 5 %. Insoweit bestätigt sich die Richtigkeit der
von der Antragstellerin zitierten Aussage des Prof. Dr. W. in der
Vergabekammerverhandlung vom 5.4.2004, wonach die Beigeladene in ihrem Verfahren
grundsätzlich auf eine Vortrocknung verzichtet. Schon wegen dieser
Verfahrensunterschiede sind die Ergebnisse der INFOSAVE-Studie auf das aktuelle CSC-
Verfahren der Beigeladenen nicht übertragbar.
(f) Eine Begutachtung ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht wegen einer
aus der Weiterentwicklung drohenden Patentverletzung geboten. Die rechtlichen, jedoch
nicht näher begründeten Zweifel der Antragstellerin muss die Antragsgegnerin nicht teilen.
Sie darf annehmen und darauf vertrauen, dass die Beigeladene sich rechtmäßig verhält
und die patentrechtliche Seite abgeklärt hat.
(3) Der Antragsgegnerin ist ein Vergaberechtsverstoß ebenso wenig insoweit anzulasten,
als sie die Stellungnahmen des Prof. Dr. B. von 3.6. und 9.6.2004 in ihre Wertung hat
einfließen lassen.
(a) Die Fachkunde des Prof. Dr. B. steht außer Streit, worauf schon die Vergabekammer
zutreffend hingewiesen hat.
Ferner hat die Vergabekammer zutreffend ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, dass Prof. Dr.
B. ein anderes Verfahren geprüft habe als dasjenige, welches dem Angebot und der
Arbeitsprobe der Beigeladenen zugrunde liegt.
Die hier interessierenden Untersuchungen des Prof. Dr. B. waren bei Abgabe seiner
Stellungnahmen vom 3.6. und 9.6.2004 - nur diese hat die Antragsgegnerin bei ihrer
Wertung berücksichtigt - auch schon abgeschlossen.
(b) Die Behauptung der Antragstellerin, Prof. Dr. B. sei von der Beigeladenen mit der
Evaluierung entgeltlich beauftragt worden, hat sich nicht bestätigt. Zwar hatte die
Antragstellerin kurz vor dem Verhandlungstermin vor der Vergabekammer ein Schreiben
des Prof. Dr. B. vom 30.6.2004 (Bf 23) erhalten, mit welchem dieser mitteilte, dass die von
ihm Ende Mai 2004 fertig gestellte Evaluierung des "CSC"-Entsäuerungsverfahrens der
Beigeladenen "im Auftrag" der Beigeladenen durchgeführt worden sei. Nach Lage der
Akten ist aber nicht davon auszugehen, dass Prof. Dr. B. von der Beigeladenen gegen
Bezahlung beauftragt worden war. Unwidersprochen trägt die Beigeladene hierzu vor (GA
172), Prof. Dr. B. sei auf sie zugekommen und habe sie gebeten, das von ihr angewendete
Verfahren noch in seine für die DFG erarbeitete Studie einzubeziehen. Zu diesem Zweck
habe er Bücher, die die Universitätsbibliothek Marburg ausgewählt hatte, bereit gestellt,
welche sie, die Beigeladene, mit ihrem Verfahren entsäuert und dann zurückgesandt habe.
104
105
106
107
108
109
110
111
Auch in einer E-Mail an Dr. S. vom 11.6.2004 bezeichnet Prof. Dr. B. die hier
interessierende Untersuchung als Bestandteil eines "DFG-Projektes".
(c) Die Nähe anderer Personen zu der Beigeladenen hindert die Verwertung der
Stellungnahmen des Prof. Dr. B. vom 3.6. und 9.6.2004 ebenfalls nicht. Prof. Dr. W. (von
der Beigeladenen) war mit der Durchführung der DFG-Studie bzw. der diesbezüglichen
Untersuchung des "CSC"-Verfahrens nicht befasst. Die Dipl.-Rest. H. (von der
Beigeladenen) arbeitet nur gelegentlich im Studiengang des Prof. Dr. B. und hat weder an
den analytischen Untersuchungen noch an der Interpretation der Daten mitgewirkt. Die
Untersuchungen der Probematerialien wurden durch zwei auswärtige Laboratorien
durchgeführt (vgl. E-Mail des Prof. Dr. B. vom 11.6.2004).
Hinzu kommt, dass Prof. Dr. B. auch mit der Antragstellerin in wissenschaftlicher
Verbindung steht. Hierzu hat die Beigeladene unwidersprochen vorgetragen, dass Prof. Dr.
B. mit der Antragstellerin einen bis heute nicht gekündigten Kooperationsvertrag über eine
wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit betreffend das
Massenentsäuerungsverfahren und andere wissenschaftliche Felder geschlossen habe.
Letztlich hat die Antragsgegnerin die beiden Stellungnahmen des Prof. Dr. B. ausweislich
ihres Vergabevermerkes nur "ergänzend" hinzugezogen. Dies erlaubt den Schluss, dass
sie ihre Entscheidung auch dann getroffen hätte, wenn Prof. Dr. B. sich nicht zur Qualität
des "CSC"-Verfahrens geäußert hätte, ohne dass dies von tragender Bedeutung für die
Entscheidung des Senats wäre.
(4) Ein Wertungsfehler ist der Antragsgegnerin auch nicht mit Blick auf neuere Erkenntnisse
über die Qualität der Arbeit der Beigeladenen und ihre Leistungsfähigkeit anzulasten.
(a) Auf Seiten 4 f. ihres Schriftsatzes vom 11.11.2004 rechnet die Antragstellerin vor, dass
nach der Patentoffenlegungsschrift, die dem Verfahren der Beigeladenen zugrunde liege,
die Entsäuerung von 40 kg Büchern in einem Arbeitsgang unter Einschluss der Befüllung
und der Entnahme der Bücher aus der Entsäuerungsanlage 12 Stunden Zeit benötige. Pro
Tag könne die Beigeladene daher nur höchstens 80 kg Bücher bzw. Archivgut entsäuern.
Selbst bei einer ganzjährigen Vollauslastung komme sie somit auf ein Arbeitsresultat von
höchstens 29.200 kg. Demgegenüber belaufe sich nach § 3 des Rahmenvertrages der
Antragsgegnerin die zu behandelnde jährliche Menge auf 20.000 bis 30.000 kg
Bibliotheksgut und 8.000 kg Archivgut.
All dies vermag die Wertung der Antragsgegnerin nicht zu erschüttern, weil es schon an
den zutreffenden Prämissen fehlt. Die von der Antragstellerin behaupteten Kapazitäten
entsprechen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten im Betrieb der Beigeladenen. In ihrer
"Firmendarstellung" zum Angebot führt die Beigeladene aus, dass zwei Anlagen zur
Massenentsäuerung mit einer Einzelkapazität von 40.000 kg/Jahr zur Verfügung stehen.
Schon damit ist die erforderliche Kapazität gegeben. Hinzu kommt, dass die Beigeladene
angekündigt hat, noch zwei weitere Entsäuerungsanlagen in Betrieb zu nehmen.
(b) Auf Seiten 5 ff. des Schriftsatzes vom 11.11.2004 trägt die Antragstellerin vor, das
"CSC"-Entsäuerungsverfahren der Beigeladenen sei nicht in der Lage, die verlangten
Qualitätskriterien und -standards zu gewährleisten. Sie, die Antragstellerin, habe
Buchmaterial untersucht, das im Jahre 2004 von der Beigeladenen mit ihrem Verfahren
entsäuert worden sei. Ein Kunde habe im Mai 2004 der Beigeladenen 10 Testbücher zur
Entsäuerung übergeben. Ferner seien der Beigeladenen im August 2004 verschiedene
Testbücher zur Entsäuerung übergeben worden. Die Untersuchungen hätten ein negatives
112
113
114
115
116
Ergebnis hervorgebracht. Auch dieser Vortrag ist indes schon im Ansatz nicht geeignet, die
Wertung der Beigeladenen so durchgreifend zu erschüttern, dass sie nicht mehr vertretbar
erschiene. Die Antragsgegnerin hatte von den Bietern selbst erstellte Proben als Nachweis
ihrer Arbeitsqualität gefordert und genügen lassen. Eine solche Probe hat die Beigeladene
eingereicht. Von ihr ist zunächst einmal auszugehen. Sie genügte nach den unstreitigen
Feststellungen der Antragsgegnerin den geforderten Qualitätskriterien. In ihrem Vermerk
vom 15.6.2004 konstatiert die Antragsgegnerin, dass eine ausreichende Neutralisierung
der sauren Komponenten der geschädigten Papiere stattfinde. Ferner ist der
Antragsgegnerin von einem anderen Großauftraggeber bekannt, dass die Beigeladene bei
einem anderen Auftrag im Umfang von 18.000 Büchern sehr gute Ergebnisse ("zur vollsten
Zufriedenheit") erzielt hat. All dies lässt sich durch die Testung von insgesamt knapp 20
Büchern im Rahmen zweier Kleinaufträge nicht grundlegend in Frage stellen. Zudem hebt
der Vergabevermerk der Antragsgegnerin vom 15.6.2004 auf Seite 5 gut nachvollziehbar
hervor, dass es für die Qualität der Konservierungsergebnisse stets auch auf die konkrete
technische Durchführung im Einzelnen ankomme. "Ausreißer" sind danach immer möglich,
was die Aussagekraft der von der Antragstellerin vorgelegten wenigen Testobjekte für die
von ihr beabsichtigte Verallgemeinerung zusätzlich schwächt.
(5) Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, dass nicht die Antragsgegnerin, sondern die
Bedarfsträgerin in Wahrheit entschieden habe, ob ein Gutachten einzuholen sei und wie
die Wertung auszufallen habe. Insoweit mag die Bedarfsträgerin tatsächlich ein Wort
mitgesprochen haben, schädlich war dies jedoch nicht. Die Antragsgegnerin hat im
Ergebnis selbst gewertet. Es ist nicht ersichtlich, dass sie keine eigenverantwortliche
Entscheidung getroffen hätte.
(6) Vergaberechtliche Dokumentationsfehler sind der Antragsgegnerin ebenfalls nicht
anzulasten. Die Dokumentationspflicht der Antragsgegnerin richtet sich nach
§ 30 Nr. 1 VOL/A. Danach ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen
Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der
einzelnen Entscheidungen enthält. Im Streitfall war nach dem bestandskräftigen Beschluss
der Vergabekammer vom 14.4.2004 nur die letzte Wertungsphase zu wiederholen, was die
Antragsgegnerin hinreichend dokumentiert hat. Soweit die Antragstellerin Angaben darüber
vermisst, aus welchem Grund die Antragsgegnerin von dem erteilten Auftrag an den
Sachverständigen Dr. H. Abstand genommen hat, geht dies schon deshalb ins Leere, weil
es zu einer Beauftragung nicht gekommen ist und die Antragsgegnerin diese -
sachverständig anderweit und ergänzend unterstützt - durch eine nach dem Vorstehenden
hinzunehmende eigene Wertung ersetzt hat. Soweit die Antragstellerin behauptet, die
Stellungnahmen des Prof. Dr. B. hätten die "entscheidend alleinige Rolle" gespielt, was im
Vergabevermerk hätte gekennzeichnet werden müssen, ist dem nicht weiter nachzugehen,
weil mangels durchgreifender gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass in
der Tat - wie ausdrücklich dokumentiert - die beiden Stellungnahmen des Prof. Dr. B. von
der Antragsgegnerin nur "ergänzend" herangezogen worden sind. Soweit die
Antragstellerin (GA 94) auf ein später hergestelltes Schreiben der Antragsgegnerin vom
23.6.2004 (Anlage Bf 29) verweist, wo es heißt:
"Durch die Evaluation von Prof. Dr. B. sind wir in die Lage versetzt worden, uns mit
Ergebnissen der Überprüfung größerer Bestände auseinanderzusetzen."
folgt daraus nichts anderes. Im Gegenteil bestätigt dieses Schreiben, dass gerade die
Referenz der Berliner Landesbibliothek eine Hauptrolle spielte.
117
118
119
120
121
122
Ein Dokumentationsfehler ergibt sich schließlich nicht daraus, dass die Antragsgegnerin
die Einzelheiten der DFG-Studie des Prof. Dr. B. nicht in ihrem Vergabevermerk
niedergelegt hat. Zumindest mit Blick darauf, dass die Beigeladene eine den
Vergabebedingungen entsprechende Arbeitsprobe vorgelegt hatte und ihre im Jahre 2003
an 18.000 Büchern erbrachten Konservierungsleistungen mit einem sehr guten Prädikat
beurteilt worden waren, durfte sich die Antragsgegnerin im Rahmen des ihr zustehenden
Beurteilungsspielraums mit einer informellen und zusammenfassenden Einschätzung des
Prof. Dr. B. begnügen. Dementsprechend verkürzte sich ihre diesbezügliche
Dokumentationspflicht. Gleiches gilt umgekehrt für die Referenz der Landesbibliothek
Berlin. Grundlage für die nach dem Vergabekammerbeschluss vorzunehmende
auftragsbezogene Prognose, die naturgemäß mit einer gewissen Unsicherheit behaftet
sein musste, war die bedingungsgemäße Arbeitsprobe der Beigeladenen, die ihrerseits
zusammen mit der positiven Einschätzung des Prof. Dr. B. die ebenfalls positive Referenz
der Landesbibliothek Berlin für einen vergleichbaren Auftrag bestätigte. Auf die Aussage
der Landesbibliothek Berlin, die der Beigeladenen eine uneingeschränkt sehr gute Arbeit
attestierte, durfte sich mithin die Antragsgegnerin ohne weitere detaillierte Nachprüfungen
verlassen. Etwaige noch verbleibende Defizite bei einer der drei Bewertungskomponenten
hinsichtlich ihrer Aussagekraft wurden durch die jeweils anderen Wertungskomponenten
so ausgeglichen, dass sich eine hinreichende Entscheidungsgrundlage ergab.
Arbeitsproben, Referenz der Berliner Landesbibliothek und informelle Bestätigung durch
den ausgewiesenen Fachmann Prof. Dr. B. standen insoweit in einer sich gegenseitig
stützenden Wechselwirkung.
(7) Nicht berechtigt ist schließlich die Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe
durch die Befragung des Prof. Dr. B. das Gebot der Chancengleichheit im
Vergabewettbewerb missachtet (§ 2 Nr. 2 VOL/A, § 97 Abs. 2 GWB). Die Antragstellerin
hatte in bezug auf die vorzulegenden Referenzen einen beachtlichen Vorsprung, weil sie
bis dahin für die Antragsgegnerin gearbeitet hatte. Eine solche unmittelbare Referenz
konnte die Beigeladene naturgemäß nicht aufweisen. Durch die von der Antragsgegnerin
herangezogenen weiteren Erkenntnisquellen einschließlich derjenigen des Prof. Dr. B.
wurde eine Chancengleichheit im Bieterwettbewerb mithin eher geschaffen als verhindert.
III.
Für die von der Antragstellung im Schriftsatz vom 15.12.2004 geforderte Vorlage an den
Europäischen Gerichtshof oder an den Bundesgerichtshof fehlt es an den gesetzlichen
Voraussetzungen (Art. 35 EGV; § 124 Abs. 2 GWB). Im übrigen gibt dieser Schriftsatz dem
Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO.