Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.10.2005

OLG Düsseldorf: kostenregelung, erneuerung, balkon, nichtigkeit, terrasse, auflage, sanierung, verwalter, kostenverteilung, anteil

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 164/05
Datum:
21.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 164/05
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 25 T 877/04
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten der dritten Instanz.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 3.000,- Euro.
I.
1
Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Mitglieder der eingangs näher bezeichneten
Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beteiligte zu 1 ist.
2
Unter § 14 Abschnitt 1 der Teilungserklärung vom 21. Februar 1973 ist festgehalten,
dass die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen
Eigentums aller Wohnungs- bzw. Teileigentümer und die Kosten der Bewirtschaftung
des Objektes von den Wohnungs- bzw. Teileigentümern im Verhältnis ihrer
Miteigentumsanteile zu tragen sind. Nach Abschnitt 2 gelten die Bestimmungen des
Absatzes 1 auch für die Verteilung der Kosten, die mit einer ordnungsgemäß
beschlossenen Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums
verbunden sind, sofern die zuständige Wohnungs- bzw. Teileigentümerversammlung
nicht ein anderes Kostenverteilungsverhältnis beschlossen hat.
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Nach Abschnitt 5 hat jeder Wohnungs- bzw. Teileigentümer die mit seinem
Wohnungseigentum verbundenen Lasten und Kosten allein zu tragen, soweit sie nicht
nach Abschnitt 1 bis 4 anders verteilt oder umgelegt werden.
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In der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 fassten die
Wohnungseigentümer unter TOP 9 b) folgenden Mehrheitsbeschluss:
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"Sofern ein Balkon oder eine Terrasse wegen Undichtigkeit saniert werden muß,
gilt folgende Kostenregelung: Bei einer Terrassensanierung übernimmt die
Gemeinschaft die Kosten für die Sanierung von 23,25 Metern Randfläche. Bei einer
Balkonsanierung übernimmt die Gemeinschaft die Kosten der Randsanierung, die
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maximal 13,75 Meter Randfläche betragen kann. Die Kosten für den laufenden
Meter werden wie folgt pauschaliert: 2,9050522 DM multipliziert mit dem aktuellen
Bauindex (Bezugsjahr 1985). Die übrigen Kosten trägt der jeweilige
Sondereigentümer, dessen Terrasse oder Balkon saniert wird."
Aufgrund dieses Beschlusses wurden in der Folgezeit diverse Terrassensanierungen
durchgeführt und abgerechnet.
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Einer der Miteigentümer, die E., teilte der Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 18.
September 2001 mit, sie sei der Auffassung, dass die Terrassensanierungskosten von
der Gemeinschaft insgesamt zu tragen seien, da es sich um Gemeinschaftseigentum
handele.
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Die Beteiligte zu 1 hat daraufhin beantragt, die Nichtigkeit des Beschlusses der
Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b) festzustellen.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 30. Juni 2004 festgestellt, dass der Beschluss
der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b zur Kostenregelung
bei Balkon-/Terrassensanierungen nichtig sei.
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Der Amtsrichter hat ausgeführt, dass durch den genannten Beschluss der in der
Teilungserklärung festgelegte Schlüssel für die Kosten der Instandsetzung für die
Zukunft auf Dauer abgeändert werde. Damit handele es sich um einen
vereinbarungsändernden Beschluss im Sinne der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000.
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Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hat der Beteiligte zu 2 rechtzeitig sofortige
Beschwerde eingelegt.
12
Er hat beantragt,
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unter Änderung des angefochtenen Beschlusses, den Antrag abzuweisen.
14
Die Kammer hat nach mündlicher Verhandlung am 24. Mai 2005 die Beschwerde
zurückgewiesen.
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Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde,
der die Beteiligten zu 1 und 3 bislang nicht entgegen getreten sind.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
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Die gemäß §§ 45 Abs. 1 S. 1 WEG, 22
Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung
des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, § 27 FGG.
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1.
Beschwerde sei nicht begründet. Die Kammer schließe sich zur Begründung den
überzeugenden Ausführungen des Amtsrichters an.
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Der Mehrheitsbeschluss vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b sei mangels
Beschlusskompetenz als gesetzes- bzw. vereinbarungsändernder Mehrheitsbeschluss
nichtig.
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Gemäß § 14 Abschnitt 1 der Teilungserklärung seien die Kosten der Instandhaltung und
Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Verhältnis der
Miteigentumsanteile von den Wohnungs- und Teileigentümern zu tragen. Nach § 14
Abschnitt 2 der Teilungserklärung seien auch die mit einer ordnungsgemäß
beschlossenen Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums
verbundenen Kosten nach Miteigentumsanteilen zu verteilen, sofern die zuständige
Wohnungs- bzw. Teileigentümerversammlung nicht ein anderes
Kostenverteilungsverhältnis beschlossen hat.
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Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 beinhalte eine
Änderung des geltenden Kostenverteilungsschlüssels der
Wohnungseigentümergemeinschaft dahingehend, dass bei einer Terrassensanierung
die Gemeinschaft die Kosten für die Sanierung von 23,25 m Randfläche übernimmt und
bei einer Balkonsanierung von maximal 13,75 m Randfläche. Die übrigen Kosten tragen
danach die jeweiligen Sondereigentümer, deren Terrasse oder Balkon saniert wird.
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Für einen solchen Beschluss stehe der Eigentümerversammlung grundsätzlich die
Beschlusskompetenz nicht zu. Eine Kompetenz der Eigentümerversammlung für einen
solchen Beschluss, obwohl er auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet
sei, zur mehrheitlichen Beschlussfassung gemäß § 23 Abs. 1 WEG stehe ihr nur zu,
wenn diese ihrerseits durch Vereinbarung bzw. die ihr gleichstehende
Teilungserklärung begründet worden ist (BGH NJW 2000, 3500, 3502; OLG Hamm,
NZM 2003, 803).
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Eine solche sogenannte Öffnungsklausel enthalte § 14 Abschnitt 2 der
Teilungserklärung für Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten nicht. Bei der
Auslegung einer Grundbucheintragung sei auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie
er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen
ergebe (BGH, ZMR 2004, 834).
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In § 14 Abschnitt 2 der Teilungserklärung werde eine Öffnungsklausel festgelegt, doch
bezieht sich diese nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Teilungserklärung nur auf
Veränderungen oder Erneuerungen des gemeinschaftlichen Eigentums, und nicht auf
Instandhaltung und Instandsetzung. Die Öffnungsklausel sei auch nicht auf die
Instandhaltung und Instandsetzung auszuweiten, da in der Teilungserklärung
ausdrücklich zwischen Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung und Kosten, die
mit einer ordnungsgemäß beschlossenen Veränderung oder Erneuerung verbunden
sind, unterschieden werde und für beide unterschiedliche Kostenregelungen in die
Teilungserklärung eingefügt worden seien.
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Eine über den Sonderfall der Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen
Eigentums hinausgehende Öffnungsklausel für weitere Bereiche sehe die
Teilungserklärung nicht vor. Unter Berücksichtigung des das Grundbuchrecht
beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes führe die Auslegung somit nicht zu einer
Erweiterung der Öffnungsklausel. Die Öffnungsklausel müsse eindeutig und klar sein.
Bei Zweifeln sei eine Öffnungsklausel nicht anzunehmen (vgl. OLG Frankfurt OLGR
Frankfurt 2005, 7 ff).
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Mangels Beschlusskompetenz verbleibe es daher bei der Nichtigkeit des Beschlusses
vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b).
28
2.
stand. Gesichtspunkte, die darauf hindeuten, dass die Überlegungen der Kammer in
dem mit der weiteren Beschwerden angegriffenen Punkt von entscheidungserheblichen
Rechtsfehlern im Sinne des § 27 FGG beeinflusst sein könnten, hat der
Rechtsmittelführer nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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a) aa)
Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen hat,
bestimmt sich in erster Linie nach den im Grundbuch eingetragenen
Miteigentumsquoten (§ 16 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 WEG). Diese Regelung ist abdingbar,
wozu es einer Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 1 WEG bedarf, ein
Mehrheitsbeschluss reicht nicht aus. Im Regelungsbereich des § 16 WEG
(Kostenverteilung) fehlt der Eigentümergemeinschaft jegliche Beschlusskompetenz
(BGH NZM 2000, 1184). Ein Mehrheitsbeschluss ist allerdings möglich, wenn in der
Gemeinschaftsordnung eine entsprechende Öffnungsklausel enthalten ist (vgl. OLG
Frankfurt NZM 2001, 140; KG NZM 2001, 959). Auch in diesem Fall muss jedoch für die
Änderung durch Mehrheitsbeschluss ein sachlicher Grund gegeben sein und der
einzelne Wohnungseigentümer darf gegenüber dem vorherigen Rechtszustand nicht
unbillig benachteiligt werden (OLG Zweibrücken NZM 1999, 1060). Der Umstand allein,
dass die gesetzliche Regelung unzweckmäßig ist, genügt nicht, um von ihr
abzuweichen, auch nicht die hypothetische Erwägung, dass die Wohnungseigentümer
oder der teilende Eigentümer, wenn sie den Fall bedacht hätten, ihn anders geregelt
haben würden (Weitnauer-Gottschalg WEG 9. Auflage 2005, § 16 Rdz. 19).
30
bb)
der Gemeinschaftsordnung sind "aus sich heraus" objektiv und normativ auszulegen,
ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung
Beteiligten ankommt (BGH NJW 1998, 3713 (3714). Maßgebend sind dabei der Wortlaut
und die Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses, wenn sie nach den
besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für Jedermann ohne weiteres erkennbar sind.
Eigentümerbeschlüsse sind auch einer ergänzenden Auslegung zugänglich (BayObLG
WE 1994, 154). Die Grundsätze der ergänzenden Auslegung greifen aber nur ein, wenn
im Wege der normativen Auslegung zunächst festgestellt wird, dass der Beschluss
einen regelungsbedürftigen Punkt nicht regelt, das heißt eine Regelungslücke aufweist
(Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Auflage 2003 § 23 Rdz. 55). Im gerichtlichen Verfahren
nach § 43 WEG obliegt die Auslegung von Beschlüssen dem Tatrichter, der zunächst
die für die Auslegung relevanten Tatsachen zu ermitteln hat, bevor er sie im Wege der
Auslegung rechtlich würdigen kann. Das Rechtsbeschwerdegericht kann aber jedenfalls
solche Beschlüsse uneingeschränkt selbst auslegen, die als Dauerregelung auch für
den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers gelten sollen (BGH NJW 1998,
3713, 3714). Soweit ein Beschluss - objektiv und normativ - "aus sich heraus"
auszulegen ist, und nur für Jedermann erkennbare Umstände außerhalb des
protokollierten Beschlusses herangezogen werden dürfen, stehen die für die Auslegung
relevanten Umstände von vornherein fest. Auch in diesem Fall besteht deshalb kein
Grund, die Auslegung als rechtliche Würdigung dem Tatrichter vorzubehalten (BGH
a.a.O.; Bärmann/Pick/Merle a.a.O. § 23 Rdz. 57).
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b)
entscheidungserheblicher Rechtsfehler unterlaufen ist - die Nichtigkeit der
Beschlussfassung zu TOP 9 b angenommen.
32
aa)
Beschwerdeführer befürworteten Interpretation der Beschlussqualität überhaupt entfiele.
Denn insbesondere der Fassung des Eigentümerbeschlusses vom 12. Dezember 1994
zu TOP 9 b lässt sich nicht die von den Beschwerdeführern favorisierte, keineswegs
zwingende Bedeutung im Sinne einer Bestätigung bzw. Klarstellung früherer
Beschlüsse über die Behebung von - anfänglichen - Baumängeln und die Verteilung
dieser Kosten entnehmen. Die Formulierung eingangs des letztgenannten Beschlusses
("Der Verwalter erklärt die aufgrund der gefassten Versammlungsbeschlüsse
durchgeführte bisherige Kostenregelung bei Terrassen- und Balkonsanierungen und
bittet zur Klarheit um entsprechende Beschlussfassung.") belegt dies nicht hinreichend.
Insbesondere findet sich kein Anhalt für eine Bezugnahme auf eine bereits auf dem
Beschlusswege (?) rechtswirksam (?) zuvor getroffene Kostenregelung und deutet
nichts auf eine Einzelfallregelung hin. Aufklärungsansätze, denen die Kammer nach
dem von ihr zu bewertenden Sachstand mit Blick auf § 12 FGG hätte nachgehen
müssen, sind in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
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bb)
im Sinne der rechtsfehlerfrei entwickelten landgerichtlichen Auslegung verstanden
werden, der sich der Senat anschließt. Demnach bezieht sich die Öffnungsklausel nur
auf Veränderungen und Erneuerungen und nicht auf Maßnahmen der Instandhaltung
und Instandsetzung und ist auch nicht auf solche auszuweiten.
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Das Beschwerdevorbringen in dritter Instanz hat Auslegungsdefizite der
landgerichtlichen Entscheidung insoweit nicht aufgezeigt.
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3.
Beteiligten zu 2 außergerichtliche Kosten der Beteiligten zu 1 und 3 aufzuerlegen,
zumal diese sich nicht am Verfahren in dritter Instanz beteiligt haben.
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