Urteil des OLG Düsseldorf vom 31.01.2008

OLG Düsseldorf: positive vertragsverletzung, ware, käufer, wohnung, zustand, lieferung, nachbesserung, zwangsvollstreckung, einbau, drucksache

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-8 U 184/06
Datum:
31.01.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-8 U 184/06
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 10. November 2006
verkündete Ur-teil der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Mönchengladbach wird zurückgewie-sen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der
Kosten ge-gen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des
Urteils voll-streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstre-ckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
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A.
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Der Kläger erwarb in dem von der Beklagten in H. betriebenen Fliesenhandel "Fliesen
M." Ende des Jahres 2002 Bodenfliesen für seine etwa 80 qm große Wohnung. Die
Fliesen des Herstellers "B. W. GmbH" waren aufgrund eines Hinweis eines Mitarbeiters
der Beklagten, dass bei verschiedenen Teillieferungen bzw. -abholungen Unterschiede
im Aussehen auftreten könnten, als einheitliche Charge vom Kläger bestellt und in zwei
Teillieferungen am 30.11.2002 und 07.12.2002 von ihm abgeholt und bezahlt worden. In
der Folge verlegte der Kläger die Fliesen in seiner gesamten Wohnung. Danach rügte er
gegenüber der "Fa. F. M." eine unterschiedliche Glasur und bemängelte, dass die
Fliesen teils eine glänzende, teils eine matte Oberfläche aufwiesen. Ein Mitarbeiter der
Beklagten nahm die verlegten Fliesen in Augenschein und äußerte gegenüber dem
Kläger, dass sich die Herstellerfirma mit ihm in Verbindung setzen werde. Nachdem
weitere Reaktionen seitens der Beklagten nicht erfolgten, leitete der Kläger gegen einen
der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten, der ihm von einer
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Mitarbeiterin in den Geschäftsräumen des "F. M." als Inhaber benannt worden war, vor
dem Amtsgericht Erkelenz unter dem Aktenzeichen 14 H 12/03 ein selbständiges
Beweisverfahren ein, in dessen Verlauf der Sachverständige F. ein Gutachten erstattete
und die Kosten für die Erneuerung des Fliesenbodens (Ausbau der alten und Verlegung
neuer Fliesen) auf 11.861,13 € ohne Mehrwertsteuer errechnete.
Der Kläger hat von der Beklagten Ersatz dieses Betrages begehrt sowie die
Feststellung ihrer Ersatzpflicht hinsichtlich der mit dem Ausräumen der Wohnung
verbundenen Kosten verlangt und vorgetragen, die Fliesen seien wegen einer
unterschiedlichen Oberflächenstruktur mangelhaft. Die Abweichungen in der Glasur
seien für ihn nicht erkennbar gewesen. Einer Nachfristsetzung habe es mangels einer
Bereitschaft der Beklagten zur Nachlieferung nicht bedurft.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe, sobald sie erstmals vom Mangel erfahren
habe, sofort ihre Bereitschaft zur Nachlieferung erklärt. Der Kläger müsse sich ein zum
Ausschluss seiner Ansprüche führendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil er die
Fliesen vor der Verlegung nicht auf Glasur- bzw. Farbabweichungen untersucht und die
Platten beim Verlegen nicht – wie es der Herstellerhinweis auf der Packung verlange –
aus verschiedenen Paketen gemischt habe.
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Das Landgericht hat durch Inaugenscheinnahme der verlegten Fliesen, Einholung eines
schriftlichen Sachverständigengutachtens und mündliche Anhörung des
Sachverständigen K. Beweis erhoben und die Beklagte unter Annahme einer
Verweigerung der Nacherfüllung zur Zahlung von 3.125 € verurteilt (Kosten für die
Beseitigung der verlegten sowie die Anschaffung neuer Fliesen). Im Übrigen hat der
Einzelrichter die Klage abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, Ersatz der Kosten
für die Neuverlegung könne der Kläger nicht verlangen. Ein Anspruch nach §§ 280, 281
BGB entfalle mangels eines Verschuldens der Beklagten; eine Ersatzpflicht wegen
verweigerter Nacherfüllung scheide ebenfalls aus, weil die Nacherfüllung die
Einbaukosten nicht umfasse.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein
Begehren auf Zahlung der Verlegungskosten weiterverfolgt und die Auffassung vertritt,
diese Aufwendungen gehörten zu den in § 439 Abs. 2 BGB aufgeführten Kosten der
Nacherfüllung. Des weiteren behauptet der Kläger, die Beklagte habe die Ware vor dem
Verkauf einer Kontrolle unterziehen müssen, weil sie bewusst Fliesen zweiter und dritter
Wahl eingekauft habe.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den ausgeurteilten Betrag von 3.125 €
hinaus weitere 3.544, 96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 03.07.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen
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Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und trägt vor, bei den streitbefangenen
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Fliesen habe es sich um Ware erster Wahl gehandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
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B.
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Die Berufung ist zulässig; sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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1.
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Die Parteien streiten im Berufungsverfahren in erster Linie darum, ob die Kosten der
Verlegung zu den Kosten der Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB n.F.
gehören; dies hat das Landgericht zu Recht verneint:
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In der Rechtsprechung ist die Frage, welche Aufwendungen § 439 Abs. 2 BGB erfasst,
umstritten. Während das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Verfahren, in dem auf
Nacherfüllung geklagt wurde, eine Anwendung dieser Vorschrift auf die Kosten der
Neuverlegung bejaht hat (MDR 2005, 135), hat das Oberlandesgericht Köln den
Aufwand für einen Wiedereinbau
nicht
verschuldensunabhängig vom Verkäufer zu tragende Kosten erachtet ( NJW-RR 2006,
677). Der Senat schließt sich dieser letztgenannten Auffassung an:
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Im Rahmen der Nacherfüllung gemäß § 439 BGB kann der Käufer nur die Leistung
verlangen, die Inhalt des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs ist, denn der
Nacherfüllungsanspruch stellt einen modifizierten Erfüllungsanspruch dar, der sich
bereits nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 BGB auf die Beseitigung des Mangels der
Kaufsache oder Lieferung einer mangelfreien Ware beschränkt (vgl. Tiedtke/Schmitt,
DStR 2004, 2060, 2062 f.; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895 f.) Die in § 439 Abs. 2 BGB
genannten Aufwendungen "zum Zwecke der Nacherfüllung" betreffen dem gemäß – nur
– die Kosten, die erforderlich sind, um die ursprüngliche Leistungspflicht zu erfüllen,
also dem Käufer eine mangelfreie
Kaufsache
von Arbeitskosten die Rede ist, werden die Aufwendungen erfasst, die notwendig sind,
um den Mangel des
verkauften Gutes
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Die Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe, dass der Verkäufer im Rahmen der
Nacherfüllung den Zustand herzustellen habe, in dem die Kaufsache sich befände,
wenn sie mangelfrei gewesen wäre, und er deswegen auch die Einbaukosten zu tragen
habe, trennt nicht zwischen dem Zustand der Kaufsache selbst, für deren Mangelfreiheit
der Verkäufer einzustehen hat, und den sonstigen durch den Einbau einer mangelhaften
Sache entstandenen Schäden. Bei den letztgenannten Schäden - im Streitfall die
Verlegungskosten - ,die wegen des Einbaus der mangelhaften Fliesen "doppelt"
anfallen, handelt es sich um solche, die nach altem Recht unter die typischen
Mangelfolgeschäden subsumiert wurden. Diese Schäden werden aber von § 439 BGB
n.F. nicht erfasst; nach der Begründung des Regierungsentwurfes des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind Mangelfolgeschäden, die nach altem Recht
unter die positive Vertragsverletzung fielen, nach den §§ 280 ff BGB – und damit
verschuldensabhängig – zu ersetzen (vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 224, 225).
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Eine Einbeziehung aller Kosten für sämtliche Arbeiten, die zur Herstellung eines
mangelfreien Zustandes nicht nur der Kaufsache selbst, sondern dazu erforderlich sind,
diese Sache dem vom Käufer intendierten Zweck zuzuführen, in die -
verschuldensunabhängige – Nacherfüllungspflicht würde überdies zu einer nicht
gerechtfertigten Belastung des Verkäufers mit Prüfungspflichten der Ware führen. Um
nicht erheblichen Kosten ausgesetzt zu sein, müsste der Händler, der an den
Endverbraucher liefert, Untersuchungen der Ware vornehmen. Eine solche generelle
Untersuchungspflicht trifft den Zwischenhändler, der an den Endverbraucher liefert,
nach gefestigter Rechtsprechung nicht (vgl. BGH NJW 1981, 1269).
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2.
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Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 oder 284 BGB steht dem Kläger nicht zu, weil
die Beklagte die Mangelhaftigkeit der Fliesen nicht zu vertreten hat:
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Ein Verschulden der Herstellerin – B. W. GmbH – braucht sie sich nicht zurechnen zu
lassen; der Hersteller ist im Verhältnis zum Käufer grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe
des Verkäufers im Sinne des § 278 BGB, weil sich die Pflichten des Verkäufers nicht auf
die Herstellung der Sache erstrecken (Palandt- Heinrichs, 66. Aufl. § 278 Rdn. 13
m.w.N.).
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Eine generelle Untersuchungspflicht der Ware durch den Verkäufer besteht - wie erörtert
– nicht, weil der Verkäufer in der Regel bei neuen Sachen davon ausgehen darf, dass
sie nicht mit Mängeln behaftet sind.
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Soweit der Kläger im Berufungsverfahren in seinem letzten Schriftsatz geltend gemacht
hat, die Beklagte habe mit Mängeln rechnen müssen, weil sie bewusst Ware zweiter
und dritter Wahl eingekauft habe, kann sein Vorbringen nicht zugelassen werden, weil
die Voraussetzungen des § 531 ZPO nicht vorliegen. Der Kläger hat nichts dazu
vorgetragen, weshalb dieser Vortrag nicht bereits in erster Instanz erfolgt ist.
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C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 BGB; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Beschwer des Klägers liegt unter 20.000 €.
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Die Revision war zuzulassen. Die Beantwortung der Frage, ob nach mangelhafter
Lieferung zu den vom Verkäufer zu tragenden Aufwendungen gemäß § 439 Abs. 2 BGB
auch die Kosten des Einbaus der mangelfreien Kaufsache gehören, hat grundsätzliche
Bedeutung und ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden.
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