Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.11.2001

OLG Düsseldorf: dachgeschoss, anhörung, aufwand, zustand, anfang, aufteilung, schallschutz, behörde, eigentumswohnung, miteigentümer

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 Wx 256/01
Datum:
12.11.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Wx 256/01
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1 - 4 tragen die Gerichtskosten der weiteren
Beschwer-de.
Wert: 100.000,00 DM.
I.
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Die Beteiligten zu 1 - 10 bilden die eingangs näher bezeichnete
Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage besteht aus zwei Wohnhäusern, erbaut
im Jahre 1963 in einfacher Bauweise. Sie sind Teil einer Siedlung, in der früher
englische Soldaten mit ihren Familien wohnten. Sie besitzen ein Kellergeschoss, ein
Erdgeschoss, ein Obergeschoss sowie ein Dachgeschoss, das früher als Trockenraum
genutzt wurde. Im Jahre 1993 fand die Aufteilung der Häuser in Wohnungseigentum
statt. Zugleich wurde in der Teilungserklärung gestattet, die Teileigentumseinheiten Nr.
5 und Nr. 10 - dabei handelt es sich um die über dem jeweiligen 1. Obergeschoss
befindlichen Dachböden - zu Wohnzwecken auszubauen. § 6 der Teilungserklärung
vom 17.12.1993 lautet auszugsweise:
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"1. Der Dachboden Nr. 5 und Nr. 10 befindet sich derzeit noch in ei-
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nem unausgebauten Zustand.
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2. Die Teileigentümer Nr. 5 und Nr. 10 sind berechtigt, auf eigene
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Kosten und unter Beachtung der polizeilichen, baubehördlichen
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sowie statischen Bestimmungen folgende Maßnahmen durchzu-
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führen: ..."
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Der Beteiligte zu 5. baute nach Erwerb (26. September 1994) in den Jahren 1995 bis
1997 die beiden Dachböden zu zwei Wohnungen aus. Die im Hause ... gelegene
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Wohnung Nr. 10 veräußerte er an die Beteiligten zu 10, die am 3. Dezember 1997 als
Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurden.
Die Decke zwischen Obergeschoss und Dachgeschoss besteht - von unten nach oben
gesehen - aus einer Putzschicht von 1,5 cm, 16 cm Stahlbeton, einer
Mineralfaserdämmung und Zementestrich. Beim Ausbau der Dachböden zur Wohnung
versah der Beteiligte zu 5. in seiner Wohnung (Nr. 5) Schlaf- und Kinderzimmer mit
Teppichböden, die übrigen Räume mit Keramikböden. In der Wohnung Nr. 10 stattete er
die Küche mit einem Keramikboden, Schlaf- und Kinderzimmer mit Teppichböden und
die übrigen Räume mit Laminat aus. Die Nutzungsänderung und die von dem
Beteiligten zu 5. durchgeführten Umbaumaßnahmen sind vom Bauordnungsamt der
Stadt Wuppertal am 28.11.1994 genehmigt worden.
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Die Umbaumaßnahmen haben zu verschiedenen Verfahren und Streitigkeiten zwischen
dem Beteiligten zu 5. und den übrigen Miteigentümern geführt. Die Beteiligten zu 1 - 4
und 6 - 9 haben im vorliegenden Verfahren beantragt,
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dem Beteiligten zu 5. - entsprechend den heutigen Anforderungen - aufzugeben,
einen der DIN-Norm 4109 (1989) entsprechenden Trittschallschutz einzubauen,
dergestalt, dass der Norm-Trittschallpegel von 53 dB nicht überschritten wird.
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Der Beteiligte zu 5. ist diesem Begehren entgegengetreten und hat geltend gemacht,
seinem Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung habe der erforderliche
Schallschutznachweis des Statikers beigelegen; danach seien die erforderlichen
Schallschutzwerte sogar überschritten. Wenn der Trittschallschutz unzureichend sei,
könne dies seine Ursache darin haben, dass das Gemeinschaftseigentum von Anfang
an nicht ordnungsgemäß hergestellt worden sei, weil man eben zur damaligen Zeit noch
nicht so gebaut habe, wie es den heutigen Anforderungen entspreche.
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Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen M... und
nach dessen Anhörung dem Antrag der Antragsteller entsprochen. Zur Begründung hat
es im Wesentlichen ausgeführt, dass von den Dachgeschosswohnungen
Trittschallbelästigungen über das Maß des Hinzunehmenden hinaus ausgingen, dass
jedoch nicht sicher festgestellt werden könne, ob dies darauf zurückzuführen sei, dass
das Gebäude von Anfang nicht ordnungsgemäß errichtet wurde oder ob der Beteiligte
zu 5. die Bodenbeläge nicht ordnungsgemäß verlegt habe; da der Beteiligte zu 5. sich
jedoch mit weiteren erforderlichen Untersuchungen nicht einverstanden erklärt habe,
gehe diese Beweisvereitelung zu seinen Lasten.
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Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 5. hat das Landgericht die
angefochtene Entscheidung abgeändert und den Antrag der Antragsteller
zurückgewiesen. Die Antragsteller zu 1 - 4 haben sofortige weitere Beschwerde
eingelegt.
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Im einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
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Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene
Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).
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Das Landgericht hat am 07.06.2001 die Wohnungseigentumsanlage in Augenschein
genommen und ebendort die Verhandlung vom selben Tage durchgeführt, bei der die
Beteiligten zu 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 anwesend bzw. vertreten waren, ferner die
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und des Antragsgegners und - jedenfalls
zeitweise - die Beteiligten zu 4 vertreten waren. Die Kammer hat bei der
Augenscheinseinnahme festgestellt, dass das Begehen der Wohnung des Beteiligten
zu 5. durch eine ca. 90 kg schwere Person, die flache Schuhe trug, in der darunter
liegenden Wohnung der Beteiligten zu 2. (W...) kaum zu hören war; erst das Begehen
dieser Wohnung durch eine ca. 60 kg schwere Person mit Schuhen, die 6 cm hohe
Absätze hatten, war hier wie auch in der unter der Dachgeschosswohnung Nr. 10
liegenden Wohnung der Beteiligten zu 4 (S...) deutlich wahrnehmbar, wobei in der
betreffenden Obergeschosswohnung Stille herrschte. Darüber hinaus gaben die
Bewohner bzw. Eigentümer der Obergeschosswohnung an,
Geräuschbeeinträchtigungen ergäben sich auch durch Stühlerücken, den Aufenthalt
mehrerer Personen, Laufen durch die Wohnung, Geräusche einer elektrischen
Schreibmaschine und Geräusche in der Küche, wenn z. B. etwas falle. Die Kammer hat
des weiteren festgestellt, dass auch das Begehen der Obergeschosswohnungen in den
Erdgeschosswohnungen zu hören war und zwar in etwa gleicher Lautstärke wie das
Begehen der Dachgeschosswohnungen. Auch die Bewohner der
Erdgeschosswohnungen berichteten ausweislich des landgerichtlichen Vermerks vom
07.06.2001 von sonstigen aus den Obergeschosswohnungen dringenden Geräuschen,
wenn etwa Kinder durch die Wohnung liefen oder die elektrische Heizung über den
Boden gezogen werde.
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Aufgrund dessen hat das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Antragsteller hätten keinen Anspruch darauf, dass der Beteiligte zu 5.
schalldämmende Maßnahmen in den Wohnungen Nr. 5 und 10 durchführt. Die
durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben, dass von den Dachgeschosswohnungen
keine das unvermeidliche Maß übersteigenden Nachteile für die übrigen Miteigentümer,
insbesondere die Eigentümer der Obergeschosswohnungen, ausgehen. Angesichts der
festgestellten allgemeinen Hellhörigkeit der beiden Häuser, die sich im übrigen daraus
ergebe, dass die Bewohnerin der den Beteiligten zu 10. gehörenden
Eigentumswohnung bekundete, auch sie höre Geräusche, und zwar nicht nur aus den
Obergeschosswohnungen, sondern aus dem ganzen Hause, könnten die aus dem
Dachgeschoss dringenden Geräusche nicht als wesentliche Beeinträchtigungen
angesehen werden, sondern nur als solche, die die Schwelle des Ortsüblichen, das
heißt, der in den Häusern herrschenden Schallverhältnisse allenfalls ganz geringfügig
überschritten. Dass der Trittschallschutz der Böden der Dachgeschosswohnungen die
heute gültigen Normanforderungen (Normtrittschallpegel von 53 dB) nicht erfülle, sich
vielmehr bei den vom Sachverständigen durchgeführten Messungen Werte von 64 bzw.
63 dB ergeben hätten, rechtfertige eine andere Beurteilung nicht. Insbesondere sei der
Beteiligte zu 5. nicht verpflichtet, abweichend von den im übrigen Haus herrschenden
Trittschallverhältnissen die Böden dem heutigen Schallschutzstandard entsprechend
dergestalt herzurichten, dass der Normtrittschallpegel von 53 dB nicht überschritten
wird. Denn wenn an einem Altbau Wohnungseigentum begründet werde, bestimme der
bei Aufteilung bestehende Zustand den Standard; ein einzelner Wohnungseigentümer
sei nicht verpflichtet, durch nachträgliche Maßnahmen den bestehenden Schallschutz
zu verbessern.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
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Auszugehen ist von § 6 der Teilungserklärung. Danach hatte der Beteiligte zu 5. beim
Ausbau des Dachgeschosses die "polizeilichen, baubehördlichen sowie statischen
Bestimmungen" zu beachten. Das hat er getan. Die Baugenehmigung vom 28.11.1994
liegt vor. Der zugrunde liegende Bauantrag enthielt auch den erforderlichen
Schallschutznachweis. Dieser war weder von der Behörde noch von dem im
vorliegenden Verfahren tätigen Sachverständigen beanstandet worden. Der
Sachverständige M... hat bei seiner Anhörung in der Sitzung vom 20.09.2000 erklärt, er
habe sich den Schallschutznachweis soeben noch einmal an Hand der Gerichtsakte
"überschlagsmäßig" angesehen, dabei sei ihm kein Rechenfehler aufgefallen. Da der
Nachweis bzgl. des Trittschalls nur knapp eine groß bedruckte Seite umfasst (Bl. 406
R.), kann angenommen werden, dass Fehler, wenn sie denn vorhanden gewesen
wären, einem diplomierten Sachverständigen für Schallschutz auch bei überschlägiger
Prüfung aufgefallen wären. Im übrigen hat der Sachverständige, nachdem er am
20.10.1998 in der Dachgeschosswohnung des Hauses Nr. 49 zwei
Trittschallmessungen durchgeführt hatte - vom Küchenboden mit Keramikbelag
senkrecht in das Wohn- Esszimmer der darunter liegenden Obergeschosswohnung und
vom Estrich des Wohnzimmers in das darunter liegende Arbeitszimmer der
Obergeschosswohnung - und nachdem die zweite Messung auf der Prüffläche ohne
Oberboden zu einem ähnlich schlechten Ergebnis geführt hatte, nämlich 63 dB im
Vergleich zu 64 dB, in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.10.1998 ausgeführt, der
mangelhafte Trittschallschutz sei wohl offensichtlich nicht durch den Ausbau verursacht,
sondern offensichtlich Folge des alten Bodenaufbaus.
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Diese Feststellung fügt sich in den Rahmen dessen, was die Kammer am 07.06.2001
ermittelt hat. Die allgemeine Hellhörigkeit der Häuser, der Umstand, dass die
Schallbelästigungen aus dem Dachgeschoss in den Obergeschosswohnungen in etwa
gleicher Lautstärke zu vernehmen sind wie diejenigen aus dem Obergeschoss in den
Erdgeschosswohnungen, legt die Vermutung nahe, dass eine etwa mangelhafte
Verlegung des Bodenbelags im Dachgeschoss nicht Ursache des Trittschalls ist. Das
Landgericht hat in Anlehnung an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart
vom 05.05.1994 (NJW - RR 1994, 1497) zu Recht darauf hingewiesen, dass der
Beteiligte zu 5. nicht verpflichtet war, Maßnahmen zur Verbesserung des bestehenden
Schallschutzes durchzuführen.
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Das Landgericht hat die tatsächlichen Verhältnisse ausreichend aufgeklärt.
Insbesondere sind weitere bautechnische Untersuchungen wie vom Sachverständigen
M... in seinem "Zwischenbericht" vom 15.03.2000 vorgeschlagen und von den
Antragstellern gewünscht bei der gegebenen Sachlage nicht notwendig. Derartige
Untersuchungen würden voraussichtlich einen Aufwand von mindestens 100.000,00
DM erfordern. Die Bodenflächen der Dachgeschosswohnung der Beteiligten zu 5. und
10. wären nach Einschätzung des Sachverständigen M... bis auf die Rohdecke
abzubrechen und anschließend neu herzustellen. Ein solcher Aufwand übersteigt das
Maß des Zumutbaren. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 04.07.2001 (3
Wx 120/01) auf die grundsätzlich anzuerkennende Opfergrenze hingewiesen, die sich
aus der Treuepflicht der Wohnungseigentümer untereinander ergibt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Nr. 1 WEG. Für die Anordnung von
Kostenerstattung bestand aus Billigkeitsgründen kein Anlass.
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