Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.08.2006

OLG Düsseldorf: gebühr, hauptsache, verkündung, beratung, datum

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-10 WF 11/06
Datum:
01.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-10 WF 11/06
Leitsätze:
RVG VV-Nr. 2200 a.F., seit 01.07.2006 RVG VV-Nr. 2100
1.
Die Gebühr nach RVG VV-Nr. 2200 a.F. kann auch dann anfallen, wenn
die Prü-fung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels durch den
bisherigen Prozessbe-vollmächtigten erfolgt.
2.
Der Urkundsbeamte ist an den Inhalt und Umfang der richterlichen
Prozesskos-tenhilfebewilligung und Beiordnung gebunden. Seine
Prüfungskompetenz er-streckt sich nicht auf die Frage, ob die
Bewilligung und Beiordnung durch das Ge-richt zu Recht erfolgt sind
Tenor:
Die Beschwerde der Landeskasse vom 20.03.2006 gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Viersen – Familiengericht - vom 15.03.2006
wird zurück-gewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden
nicht erstattet.
I.
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Die am 21.03.2006 bei Gericht eingegangene Beschwerde der Landeskasse (Bl. 104,
107f PKH-Heft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Viersen – Familiengericht - vom
15.03.2006 (Bl. 103 PKH-Heft) ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig,
jedoch unbegründet.
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Zu Recht hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss die Erinnerung der
Landeskasse vom 12.09.2005 (Bl. 50, 52f PKH-Heft) gegen den Beschluss des
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Amtsgerichts vom 05.09.2005 (Bl. 46 PKH-Heft) zurückgewiesen. Die von dem
Antragsteller zur Festsetzung nach § 55 RVG beantragte Gebühr nach RVG VV-Nr.
2200 (in der im Zeitraum 31.05. bis 04.07.2005 maßgeblichen Fassung, seit 01.07.2006:
RVG VV-Nr. 2100) zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, mithin ein Betrag
in Höhe von gesamt EUR 223,30, ist angefallen und hier zutreffend im
Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG festgesetzt worden.
Entgegen der Auffassung der Landeskasse kann die Gebühr nach RVG VV-Nr. 2200
a.F. auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels
durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten erfolgt. Dass dieser bereits mit der
Sache befasst war, steht dem nicht entgegen. Auch dem bisherigen
Prozessbevollmächtigten kann außerhalb des Prozessauftrags – hier nach Abschluss
der ersten Instanz - wegen des weiteren Prozessverlaufs ein außergerichtlicher
Beratungsauftrag erteilt werden (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/ Madert/Müller-Rabe,
RVG, 16. Aufl., VV 2200-2203 Rn. 2; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., RVG-VV Nr.
2100, Rn. 3). Eine Einschränkung auf bisher nicht mit der Sache befasste
Rechtsanwälte lässt sich dem Gebührentatbestand der RVG VV-Nr. 2200 a.F. nicht
entnehmen. Die Beratung über die Aussichten eines Rechtsmittels gehört auch nicht
mehr zu den Tätigkeiten, die mit den Gebühren für das erstinstanzliche Verfahren
abgegolten sind. Diese sind im Katalog des § 19 RVG aufgeführt; zum erstinstanzlichen
Verfahren gehört nach § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG lediglich die Empfangnahme der (hier: die
Instanz beendenden) Entscheidung und Mitteilung an den Auftraggeber. Ausgehend
von einem regelmäßigen Verlauf kann auch hier davon ausgegangen werden, dass der
Antragsteller erst nach Abschluss der ersten Instanz beauftragt wurde, die
Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu prüfen.
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Für die hier fragliche Festsetzung der Beratungsgebühr nach RVG VV-Nr. 2200 a.F.
nebst Auslagen und Mehrwertsteuer kommt es nicht auf die dem Bundesgerichtshof zur
Entscheidung vorliegende Rechtsfrage (Az: XII ZB 182/05) an, ob schon zu Beginn
eines Verfahrens und vor Verkündung einer Entscheidung zur Hauptsache eine
Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung des Prozessbevollmächtigen für die
Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zulässig ist. Das Familiengericht
Viersen hat die mit Beschluss vom 17.09.2004 (Bl. 27 PKH-Heft) für das erstinstanzliche
Verfahren unter Beiordnung des Antragstellers gewährte Prozesskostenhilfe mit
Beschluss vom 03.11.2004 (Bl. 38 PKH-Heft) ausdrücklich auf die nach Abschluss der
ersten Instanz fällige Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels erstreckt.
Dieser Beschluss ist nicht nach § 127 Abs. 3 ZPO binnen der vorgesehenen Frist von
der Staatskasse angefochten worden. Er ist damit unabhängig von seiner inhaltlichen
Richtigkeit wirksam und im nachfolgenden Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG
bindend. Der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwaltes gegen die Landeskasse
bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und er
beigeordnet worden ist, vgl. § 48 Abs. 1 RVG. Der Urkundsbeamte ist an den Inhalt und
Umfang der richterlichen Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung gebunden.
Seine Prüfungskompetenz erstreckt sich nicht auf die Frage, ob die Bewilligung und
Beiordnung durch das Gericht zu Recht erfolgt sind (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36.
Aufl., RVG, § 55 Rn. 24 mwN).
5
II.
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Der Kostenausspruch folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BRAGO.
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