Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.07.2010

OLG Düsseldorf (beschwerde, bundesrepublik deutschland, rechtliches gehör, falle, gkg, vorschrift, gebühr, wert, mietvertrag, mietzins)

Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 17/10
Datum:
12.07.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 17/10
Tenor:
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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I.
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Die Antragstellerin leitete unter dem 29. April 2009 bei der Vergabekammer des Bundes
ein Nachprüfungsverfahren gegen die Antragsgegner ein. Sie wandte sich gegen den
am 27. Januar 2009 geschlossenen Mietvertrag der Antragsgegner über Teile des
früheren Flughafens X an ein Drittunternehmen für die Zeitdauer von mindestens 10
Jahren und machte geltend, es handele sich nicht um einen reinen Mietvertrag, sondern
auch um einen Dienstleistungsauftrag, nämlich die Veranstaltung einer …messe
zweimal im Jahr, wobei das von der öffentlichen Hand zu leistende Entgelt in
erheblichen Nachlässen auf den ortsüblichen Mietzins sowie der Verpflichtung
erheblicher Baumaßnahmen bestehe. Sie hat vermutet, dass das Drittunternehmen nicht
marktgerechte Mietzinsen zahle und die Antragsgegner Bauinvestitionen von 5 Mio. €
zugesagt habe; Genaueres konnte sie mangels Kenntnis des Vertragsinhalts und
Verweigerung von Akteneinsicht nicht vortragen.
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Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag verworfen und u.a. die Kosten der
Vergabekammer der Antragstellerin auferlegt. Der Beschluss ist bestandskräftig.
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Die Vergabekammer hat mit dem angefochtenen Beschluss unter Zugrundelegung der
bis April 2009 geltenden Fassung des § 128 GWB eine Gebühr von 7.750,00 € (davon
unter Anrechnung eines Vorschusses von der Antragstellerin noch zu zahlen
5.250,00 €) festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, mangels eines von der
Antragstellerin abgegebenen Angebots komme es auf das mit dem Nachprüfungsantrag
verfolgte Interesse an, welches nur geschätzt werden könne. Dieses sei auf die Nutzung
und den Betrieb der Gebäudeflächen im Flughafen X gerichtet, in jedem Falle aber auf
die Feststellung der Unwirksamkeit des Mietvertrages. Unter Zugrundelegung der von
der Antragstellerin vorgetragenen Mietkonditionen und der von den Vergabekammern
angewendeten Tabelle ergebe sich eine Gebühr von 7.750,00 €. Gründe für eine
Herabsetzung oder eine Erhöhung der Gebühr ergäben sich nicht.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie
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hält die Berechnung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des
Nachprüfungsantrages im Sinne des § 128 Abs. 2 S. 1 GWB durch die Vergabekammer
für überhöht. Gegenstand des Nachprüfungsantrages könne nicht der Mietvertrag als
solcher, sondern nur der nach ihrer Ansicht mit dem Mietvertrag verbundene
Dienstleistungsauftrag sein. Der Wert dieses Dienstleistungsauftrages sei mit dem
Mietvertragsnachlass sowie der Verpflichtung der Vermieter zu Bauinvestitionen zu
bemessen. Diese Gegenleistungen der Vermieter habe sie auf Grund von Gerüchten mit
mindestens 5 Mio. € beziffert, dies habe sich aber nicht verifizieren lassen. Aus diesem
Grunde sei in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 2 GKG von einem Auffangwert
von 5.000,00 € auszugehen. Sie beantragt daher,
den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und die Verwaltungsgebühr auf
2.500,00 € festzusetzen.
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Die Vergabekammer hat in ihrer Stellungnahme die Gebührenfestsetzung verteidigt.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze sowie die Vergabeakte Bezug
genommen.
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II.
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Nach Auffassung des Senats ist die Beschwerde der Antragstellerin zulässig und -
jedenfalls überwiegend – begründet, des Weiteren sind der Bundesrepublik
Deutschland – jedenfalls überwiegend – die Kosten des Beschwerdeverfahrens
aufzuerlegen. An einer derartigen Entscheidung ist der Senat jedoch durch
abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte in Vergabesachen
gehindert, so dass die Sache nach § 124 Abs. 2 S. 1 GWB dem Bundesgerichtshof
vorzulegen ist.
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1.
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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft.
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Nach § 116 Abs. 1 GWB ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige
Beschwerde zum Vergabesenat statthaft. Zu diesen Entscheidungen werden in der
Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2006, 1 Verg 2/06 - juris;
OLG Hamburg, Beschluss vom 03.11.2008, 1 Verg 3/08 – juris; OLG Naumburg,
Beschluss vom 25.02.2010 – 1 Verg 14/09) und Literatur (Jaeger, in Byok/Jaeger,
Vergaberecht, 2. Aufl., § 116 GWB Rdnr. 1116) auch die Beschlüsse der
Vergabekammern über die von ihnen nach § 128 Abs. 1, 2 GWB in Verbindung mit dem
VwKostG zu erhebenden Gebühren gezählt. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass
das Beschwerdeverfahren Besonderheiten aufweist (vgl. nachfolgend unter 2.), ist daran
angesichts der Vorschrift des § 22 VwKostG, die von einem Gleichlauf des
Rechtsschutzes gegen die Hauptsache- und die Kostenentscheidung ausgeht,
festzuhalten. Der Alternative, Beschlüsse der Vergabekammer "in eigenen
Angelegenheiten" dem Verwaltungsrechtsschutz zu unterwerfen, ist bereits wegen der
fehlenden Sachnähe der Verwaltungsgerichte nicht näher zu treten. Im Übrigen wird
Rechtsschutz in Gerichtskostensachen auch durch die mit der Hauptsache befasste
Gericht gewährt, § 66 Abs. 1, § 19 Abs. 1 GKG.
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2.
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Allerdings weist das Verfahren der Beschwerde gegen
Gebührenfestsetzungsbeschlüsse der Vergabekammern gegenüber sonstigen
Beschwerdeverfahren gemäß §§ 116 ff. GWB Besonderheiten auf.
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a) In Gebührenfestsetzungsbeschlüssen entscheidet die Vergabekammer nicht als
neutraler Dritter über die Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten (§ 119 GWB)
untereinander (vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2006 – 1 Verg 2/06;
wonach sich in derartigen Sachen keine verfahrensbeteiligten Personen
gegenüberstehen). Vielmehr entscheidet sie über eigene Ansprüche (genauer gesagt:
über Gebührenansprüche des Rechtsträgers der Vergabekammer) gegen den
Kostenschuldner. Da eigene Ansprüche betroffen sind, ist die Vergabekammer (bzw.
deren Rechtsträger) an dem weiteren Verfahren zu beteiligen (vgl. § 66 GKG, wo in
Gerichtskostensachen die Staatskasse als Vertreter des Kostengläubigers zu beteiligen
ist). Das Rechtsverhältnis zu den übrigen Verfahrensbeteiligten ist von dem
Gebührenbescheid jedenfalls dann, wenn – wie hier – geklärt ist, dass diese unter
keinen Umständen Gebühren werden tragen müssen, nicht betroffen; aus diesem
Grunde sind sie an dem weiteren Verfahren nicht zu beteiligen. Die von der
Vergabekammer herangezogene Vorschrift des § 119 GWB passt auf derartige
Beschwerdeverfahren daher von vornherein nicht. Auch die vom Senat geäußerten
Bedenken gegen eine Verfahrensbeteiligung der Vergabekammer bei einer Anfechtung
ihrer Beschlüsse (vgl. Senat, Beschluss vom 18.12.2007 – VII-Verg 44/07), wie sie
zeitweise zum Teil von den Sozialgerichten befürwortet wurde, greifen in diesem Fall
nicht durch.
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Der Senat hat daher der Vergabekammer als Vertreterin des Bundes rechtliches Gehör
gewährt.
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b) Des Weiteren unterscheidet sich die Beschwerde gegen einen
Gebührenfestsetzungsbescheid von sonstigen Beschwerden dadurch, dass die
Entscheidung der Vergabekammer bei der Festsetzung von Gebühren entsprechend §
114 S. 1 VwGO nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen ist (vgl. OLG Koblenz,
Beschluss vom 16.02.2006 – 1 Verg 2/06; OLG Brandenburg, Beschluss vom
07.05.2008 – Verg W 2/08; OLG Naumburg, Beschluss vom 25.02.2010 – 1 Verg 14/09;
s. auch OLG Hamburg, Beschluss vom 03.11.2008 – 1 Verg 3/08), während im Übrigen
der Vergabesenat eine vollständige Überprüfung vornimmt, § 123 GWB.
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c) Es ist schließlich zu erwägen, ob nicht in Abweichung von §§ 116 ff. GWB in
denjenigen Fällen, in denen – anders als hier - die Vergabekammer einen
Gebührenbescheid ohne nähere Begründung erlassen hat, dieser in Anlehnung an die
allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regeln die Möglichkeit zur weiteren Begründung
oder zur Abhilfe auf Einwände des Gebührenschuldners einzuräumen ist.
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3.
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Die Beschwerde ist auch teilweise begründet.
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a) Der Senat kann den Gebührenbescheid der Vergabekammer nur auf
Ermessensfehler überprüfen (vgl. oben unter 2.b). Ein solcher liegt jedoch vor, weil die
Vergabekammer von einem unzutreffend berechneten Gegenstandswert ausgegangen
ist.
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Im Ansatzpunkt zutreffend hat die Vergabekammer allerdings den Vertrag der
Antragsgegner mit dem Drittunternehmen zugrunde gelegt. Zwar ist im Allgemeinen von
dem Interesse des Antragstellers auszugehen, in diesem Falle hat die Antragstellerin
jedoch kein Angebot abgegeben, so dass in diesem Falle auf den geschlossenen
Vertrag zurückzugreifen ist (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 25.02.2010 – 1 Verg
14/09).
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Die Vergabekammer ist jedoch von dem innerhalb eines Zehnjahreszeitraums an die
Antragsgegner zu zahlenden Mietzins (nach Berechnung der Antragstellerin) von rund
20 Mio. € ausgegangen. Dieser Ansatzpunkt trifft jedoch nicht zu. Gegenstand des
Nachprüfungsverfahrens ist allein der öffentliche Auftrag im Sinne des § 99 GWB (vgl.
Senatsbeschluss vom 27.09.2007 – VII-Verg 2/07, VergabeR 2008, 988; s. auch
Senatsbeschluss vom 10.03.2009, VII-Verg 35/08); die im Schreiben des Vorsitzenden
der Vergabekammer vom 16. April 2010 zitierte Bemerkung aus dem Senatsbeschluss
vom 02.12.2008 (VII-Verg 25/08) sollte von dieser Rechtsprechung nicht abweichen.
Der öffentliche Auftrag bestand auch nach Auffassung der Antragstellerin (vgl.
Senatsbeschluss vom 09.06.2010 – VII—Verg 9/10) nicht in dem Abschluss des
Mietvertrags als solchem, sondern in der Verpflichtung des Drittunternehmens zur
Abhaltung von Modemessen. Das Entgelt der Antragsgegnerinnen soll in dem Nachlass
auf den ortsüblichen Mietzins sowie ihren Zusagen auf Vornahme von Bauinvestitionen
bestanden haben. Der Wert der angegriffenen Beauftragung mit den fraglichen
Dienstleistungen bestand damit in diesen (vermuteten) Gegenleistungen der
Antragsgegner.
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Dieser Wert kann nur mit 5 Mio. € als dem Wert der Bauinvestitionen angesetzt werden.
Soweit die Antragstellerin ursprünglich daneben auch Mietzinsnachlässe angesprochen
hat, beruhte ihre Berechnung jedoch, wie sich aus ihrem Schriftsatz an die
Vergabekammer vom 20. Mai 2009 (Bl. 1560 Vergabekammerakte) ergibt, auf dem
Vergleich mit einem Marktzins unter Berücksichtigung der Bauinvestitionen. Die
Bauinvestitionen können aber nicht doppelt angesetzt werden.
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4.
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Da die Bemessung der Gebührenhöhe im Ermessen der Vergabekammer steht, hätte
dies in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1 VwGO die
Aufhebung des Kostenbeschlusses zur Folge; es bliebe dann ihr überlassen, einen
neuen Gebührenbeschluss zu erlassen. Nach Auffassung des OLG Naumburg
(Beschluss vom 25.02.1010 – 1 Verg 14/09) soll in derartigen Fällen eine Aufhebung
und Zurückverweisung an die Vergabekammer gemäß § 123 S. 2, 2. Alt. GWB erfolgen;
nach Auffassung des Senats kommt dies aber nicht bei Beschlüssen der
Vergabekammer in eigenen Angelegenheiten in Betracht, vielmehr ist diese Vorschrift
auf die Hauptsacheentscheidungen in Nachprüfungsverfahren zugeschnitten.
Ungeachtet dessen wäre zu erwägen, ob nicht angesichts der Tatsache, dass die
Vergabekammer zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Handhabung nach einer
Tabelle vorzugehen pflegt und bereits unangegriffen festgestellt hat, dass keine Gründe
für eine Heraufsetzung oder Herabsetzung der nach dem Gegenstandswert zu
bemessenden Gebühr ersichtlich sind, eine Festsetzung durch den Senat in Betracht
kommt.
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In jedem Falle hätte der Senat über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
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entscheiden. Die Praxis der Oberlandesgerichte hierzu ist unterschiedlich. Während ein
Teil der Oberlandesgerichte die Vorschriften der ZPO anwenden (vgl. OLG
Brandenburg, a.a.O.; ausweislich einer Bemerkung im Beschluss des OLG Naumburg,
a.a.O., auch dieses Gericht), haben andere Gerichte die Vorschrift des § 66 Abs. 8 GKG
analog angewandt (so früher der Senat in seinem Beschluss vom 10.11.2008 – VII-Verg
45/08; auch OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Koblenz, a.a.O.; wohl auch OLG Naumburg,
a.a.O.). Der Senat hält keine dieser Lösungen für zutreffend.
Dass bei einer erfolgreichen Beschwerde gegen einen Gebührenfestsetzungsbeschluss
der Vergabekammer nicht der andere Verfahrensbeteiligte (hier die Antragsgegner) mit
den Beschwerdekosten belastet werden kann, versteht sich nach den Ausführungen
unter 2.a) von selbst. Nach Auffassung des Senats kann aber auch die Vorschrift des §
66 Abs. 8 GKG nicht analog angewendet werden. Die Vergabekammer ist kein Gericht
(vgl. BGH NJW 2010, 76 = NZBau 2010, 129 = VergabeR 2010, 66 m.w.N.). Vielmehr
verweist § 128 Abs. 1 GWB insoweit auf das VwKostG; das Verfahren wird auch im
Übrigen kostenmäßig als Widerspruchsverfahren angesehen (vgl. BGH NJW 2008,
3222 = VergabeR 2008, 787). Wird ein Kostenbescheid einer Verwaltungsbehörde im
Prozess zu ihren Lasten aufgehoben oder abgeändert, gehen die Kosten des Prozesses
zu ihren Lasten. Der Vorschrift des § 22 VwKostG liegt die Vorstellung zugrunde, dass
für die Anfechtung eines Kostenbescheides die allgemeinen Vorschriften gelten. Da die
Vergabekammer in ihren eigenen Angelegenheiten durch einen Verwaltungsakt
entscheidet, erscheint dem Senat angemessen, die Kosten eines erfolgreichen
Rechtsmittels der Vergabekammer (genauer gesagt, ihrem Rechtsträger) aufzuerlegen,
der auch die Gebühren zufließen. Andererseits erscheint dem Senat auch nicht
gerechtfertigt, im Falle einer erfolglosen Beschwerde von der Erhebung von
Gerichtsgebühren abzusehen (im Falle einer erfolgreichen Beschwerde wäre in jedem
Falle von der Erhebung von Gebühren im Hinblick auf die persönliche Gebührenfreiheit
des Rechtsträgers der Vergabekammer abzusehen). Für eine Anwendung des § 66 Abs.
8 GKG fehlt es nach Ansicht des Senats damit an einer Lücke.
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Da der Senat damit von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte in Vergabesachen
abweichen würde, ist gemäß § 124 Abs. 2 S. 1 GWB eine Vorlage an den
Bundesgerichtshof notwendig.
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Dicks Schüttpelz Frister
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