Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.12.2009

OLG Düsseldorf (zugang, teleologische auslegung, beschwerde, energie, eisenbahnrecht, versorgung, historische auslegung, gesetz, strom, verhältnis zu)

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 61/09 (V)
Datum:
16.12.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 61/09 (V)
Nachinstanz:
Bundesgerichtshof
Tenor:
I.
Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der
Bundesnetzagentur vom 18. Dezember 2008 - BK8-08/006 - wird
zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Betroffenen
auferlegt. Sie hat zudem die der Bundesnetzagentur entstande-nen
notwendigen Auslagen zu erstatten.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV.
Wert des Beschwerdeverfahrens: €.
Gründe
1
I.
2
Die Betroffene ist Betreiberin des Hz-Bahnstromfernleitungsnetzes (sog.
Bahnstromnetz). Das Bahnstromnetz verbindet das streckenbezogene Oberleitungsnetz,
über das die elektrischen Betriebsfahrzeuge ihren Traktionsstrom beziehen, mit den
öffentlichen Hz-Versorgungsnetzen. Das Oberleitungsnetz wird von der B als
Betreiberin der Schienenwege betrieben.
3
Derzeit stehen den Eisenbahnverkehrsunternehmen zwei Möglichkeiten zur Verfügung,
um den zum Betrieb ihrer Züge notwendigen Bahnstrom zu erhalten. Zum einen können
sie den Bahnstrom als fertiges Endprodukt von der D abnehmen (Bahnstrom-
Vollversorgung), die dann den Hz-Bahnstrom unter Nutzung ihrer
Bahnstromfernleitungen liefert. Zum anderen kann das Eisenbahnverkehrsunternehmen
den Strom von einem anderen Lieferanten beziehen. Voraussetzung hierfür ist der
Zugang zum Bahnstromnetz der D. Vertraglich sind hierfür derzeit zwei Möglichkeiten
vorgesehen. Entweder schließt die D mit dem Eisenbahnverkehrsunternehmen einen
Netzzugangsvertrag oder mit dem Stromlieferanten des
Eisenbahnverkehrsunternehmens einen Lieferantenrahmenvertrag ab, so dass dieser
seinen Kunden eine sog. all-inclusive Belieferung anbieten kann.
4
Für die Nutzung ihres Bahnstromfernleitungsnetzes verlangt die D von ihren
Netzkunden ein Entgelt. Entsprechende Preisblätter sind auf ihrer Internetseite
veröffentlicht.
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Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 hat die Bundesnetzagentur die Verpflichtung der
D festgestellt, gemäß § 23 a Abs. 1 EnWG eine Genehmigung für die auf ihrer
Internetseite veröffentlichten Netzzugangsentgelte einzuholen (Beschlusstenor zu 1.)
und ihr zugleich aufgegeben, einen Antrag auf Genehmigung der Entgelte zu stellen
(Beschlusstenor zu 2.). Die Vollziehung der zuletzt genannten Anordnung hat sie
gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 EnWG ausgesetzt. Zur Begründung hat die
Bundesnetzagentur im Wesentlichen ausgeführt, das Bahnstromnetz unterliege gemäß
§ 3 a EnWG der Entgeltregulierung durch das EnWG, weil das Allgemeine
Eisenbahngesetz (AEG) keine Vorgaben hinsichtlich der Entgelte für die Nutzung des
Bahnstromnetzes enthalte.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Betroffene mit der form- und fristgerecht
eingelegten und begründeten Beschwerde. Ihrer Meinung nach unterliegen die Entgelte
für die Nutzung der Bahnstromfernleitungen nicht dem EnWG. Die Auslegung von § 1
Abs. 2 Satz 3 AEG und § 3 a EnWG führe zu dem Ergebnis, dass die
spezialgesetzlichen Regelungen des AEG Vorrang vor der Anwendbarkeit des EnWG
hätten. Die Nutzung des Bahnstromnetzes sei im AEG erschöpfend und abschließend
geregelt. Dies gelte für den aus § 14 Abs. 1 AEG folgenden Netzzugangsanspruch
ebenso wie für die Netznutzungsentgelte. Überdies sei das im EnWG vorgesehene
Konzept der Entgeltregulierung für das Bahnstromnetz ungeeignet.
7
Die Betroffene beantragt,
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den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 18. Dezember 2008 – Az.:
BK 8 -08/006 – aufzuheben.
9
Die Bundesnetzagentur beantragt,
10
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Verfügung und setzt sich im Einzelnen mit den
Argumenten der Beschwerde auseinander.
12
II.
13
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Die von der D erhobenen Entgelte für den Zugang zu dem von ihr betriebenen
Bahnstromfernleitungsnetz (Bahnstromnetz) sind gemäß § 23 a EnWG
genehmigungspflichtig. Die Bundesnetzagentur hat ihr daher gemäß § 65 Abs. 2 EnWG
zu Recht aufgegeben, einen Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte zu stellen.
15
Das EnWG ist gemäß § 3 a EnWG auf die Entgelte für den Zugang zum
Bahnstromfernleitungsnetz anwendbar. Nach dieser Vorschrift gilt das EnWG auch für
die Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie, insbesondere
Fahrstrom, soweit im Eisenbahnrecht nichts anderes geregelt ist.
16
1.
17
Nach dem Wortlaut von § 3 a EnWG ist das Verhältnis zwischen EnWG und
Eisenbahnrecht eindeutig geregelt, so dass in dieser Hinsicht die Vorschrift einer
Auslegung nicht zugänglich ist. § 3 a EnWG sieht ein Regel-Ausnahmeverhältnis vor.
Grundsätzlich ist danach die Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener
Energie den Vorschriften des EnWG unterworfen (Regel). Dies gilt allerdings nur und
soweit, als im Eisenbahnrecht nichts Abweichendes geregelt ist (Ausnahme). Es wird
somit für die Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie
grundsätzlich die Geltung des EnWG angeordnet, jedoch steht die Geltung unter dem
Vorbehalt, dass keine abweichenden eisenbahnrechtlichen Regelungen bestehen
(Theobald in Danner/Theobald, Energierecht, EnWG § 3 Rn. 3; Hermes in
Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 3 a Rn. 9; Grün/Jasper N&R 2007, 46; Schröder,
Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von EnWG und AEG bei der Versorgung der
Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie, S. 32). Spiegelbildlich hierzu bestimmt §
1 Abs. 2 S. 3 AEG, dass das AEG nicht für die Versorgung von Eisenbahnen mit
leitungsgebundener Energie, insbesondere Fahrstrom gilt, soweit nicht durch dieses
Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes etwas anderes bestimmt wird.
18
2.
19
Das Bahnstromnetz ist vom Anwendungsbereich des § 3 a EnWG erfasst. Die von
20
§ 3 a EnWG geforderte Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie
trifft auf das Bahnstromfernleitungsnetz zu.
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Der Begriff der Versorgung umfasst nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 36 EnWG neben
der Erzeugung, Gewinnung und dem Vertrieb von Energie auch den Betrieb eines
Energieversorgungsnetzes. Energieversorgungsnetze sind gemäß § 3 Nr. 16 EnWG
Elektrizitätsversorgungsnetze und Gasversorgungsnetze über ein oder mehrere
Spannungsebenen oder Druckstufen. Anders als für Gasversorgungsnetze findet sich
für Elektrizitätsversorgungsnetze keine ausdrückliche Definition im EnWG. Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Elektrizitätsversorgungsnetz jedoch die
Gesamtheit der miteinander verbundenen Anlagenteile zur Übertragung oder Verteilung
elektrischer Energie (BGH NJW-RR 2005, 565 ff.).
22
Das Bahnstromfernleitungsnetz erfüllt diese Voraussetzungen. Die
Bahnstromfernleitungen verbinden das von der B betriebene streckenbezogene
Oberleitungsnetz, aus dem die elektrische Lok regelmäßig mittels eines
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Stromabnehmers den Bahnstrom bezieht, mit den öffentlichen Versorgungsnetzen. Das
Bahnstromfernleitungsnetz ist ein -Hz-Hochspannungsnetz mit einer Gesamtlänge von
ca. km. Es ist über Schaltanlagen an die öffentlichen Versorgungsnetze angeschlossen
und nimmt an ca. Umformer- und Umrichteranlagen Strom auf. Über die Schaltanlagen
wird der -Hz-Strom in den -Hz Bahnstrom umgewandelt und in das -kV-
Hochspannungsnetz der D eingespeist. In ca. Unterwerken wird der Strom sodann zu
einer Spannung von kV herab transformiert und in das Oberleitungsnetz der B als
Betreiberin der Schienenwege überführt. Schaltanlagen und Unterwerke gehören zum
Bahnstromfernleitungsnetz und stehen im Eigentum der D. Ob es sich bei dem
Fernleitungsnetz um ein Übertragungs- oder Verteilernetz handelt – letzteres nimmt die
Beschwerde in technischer Hinsicht an – bedarf keiner Entscheidung, da der Begriff des
Elektrizitätsversorgungsnetzes sowohl Übertragungs- als auch Verteilernetze
unabhängig von der Spannungsstufe umfasst (Theobald in Danner/Theobald, aaO.,
EnWG § 3 Rn. 14; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, aaO., § 3 Rn. 12).
3.
24
Ist das Stromfernleitungsnetz der D somit vom grundsätzlichen Anwendungsbereich des
§ 3 a EnWG erfasst, bedeutet dies, dass die Entgelte für den Netzzugang der
energierechtlichen Regulierung unterliegen, es sei denn aus dem Eisenbahnrecht ergibt
sich eine andere Regelung.
25
Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Zum Eisenbahnrecht zählen sämtliche
eisenbahnrechtlichen Regelungen, insbesondere das AEG und die auf Grund des § 26
Abs. 1 Nr. 6, 7 und Abs. 4 Nr. 1 AEG ergangene Verordnung über den
diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur
Erhebung von Entgelten für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur
(Eisenbahninfrastruktur-Benutzerverordnung - EIBV). Weder enthalten das AEG und die
EIBV ausdrückliche Sonderregelungen über die Netzzugangsentgelte (siehe unter a.),
noch ist dem gesetzgeberischen Regelungsplan zu entnehmen, dass die Entgelte für
den Zugang zum Stromfernleitungsnetz dem Bereich des EnWG entzogen und
abschließend dem Eisenbahnrecht unterstellt werden sollen (siehe unter b.). Auch für
eine analoge Anwendung des AEG ist kein Raum (siehe unter c.)
26
a.
27
Das Eisenbahnrecht enthält keine ausdrücklichen Entgeltregelungen für die Nutzung
des von der D betriebenen Stromfernleitungsnetzes.
28
§ 14 Abs. 4 AEG enthält eine Regelung über die Entgelte für die Nutzung von
Schienenwegen; § 14 Abs. 5 AEG befasst sich mit den Entgelten für den Zugang zu
Serviceeinrichtungen. In § 2 Abs. 3 c AEG sind die Serviceeinrichtungen im Sinne des
Gesetzes enumerativ aufgezählt. Die Bahnstromfernleitungen gehören nicht dazu.
29
Auch in der EIBV findet sich keine Entgeltbestimmung für das Stromfernleitungsnetz.
Die §§ 20 ff. EIBV haben die Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten für
Schienenwege und die Entgeltgrundsätze für Schienenwege zum Gegenstand.
30
§ 24 EIBV befasst sich mit den Entgelten für Serviceeinrichtungen.
31
b.
32
Dass der Gesetz- und Verordnungsgeber, obwohl er im Eisenbahnrecht keine
ausdrückliche Regelung über die Zugangsentgelte für die Nutzung des
Fernleitungsnetzes getroffen hat, das Fernleitungsnetz dennoch der Entgeltregulierung
nach dem EnWG entziehen und abschließend den Regelungen des AEG unterstellen
wollte, kann nicht festgestellt werden.
33
Zwar werden die Bahnstromfernleitungen gemäß § 2 Abs. 3 AEG ausdrücklich in die
Legaldefinition der Eisenbahninfrastruktur eingeschlossen, so dass sie unter das Gebot
der diskriminierungsfreien Zugangsgewährung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG fallen.
Hieraus folgt aber nicht, dass der Zugang zum Stromfernleitungsnetz und damit auch die
für den Zugang aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung geschuldete Gegenleistung,
namentlich das Zugangsentgelt, abschließend dem Regelungsbereich des AEG
zuzuordnen ist (im Ergebnis ebenso: Grün/Jasper N&R 2007, 46, 48; Schröder aaO.,
Seite 108, 120 ff.; Sondergutachten der Monopolkommission "Bahn 2009: Wettbewerb
erfordert Weichenstellung", Rn. 248; a.A. ohne weitere Begründung: Suckale in Beck
´scher AEG Kommentar, § 2 Rn. 137). Die Ausführungen der Beschwerde zum
schuldrechtlichen Synallagma und einem übergeordnetem Prinzip des einheitlichen
wirtschaftlichen Vorgangs führen in diesem Zusammenhang nicht weiter. Vielmehr ist
der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan aus dem Gesetz selbst im Wege der
historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen. Diese Auslegung bestätigt
indes die von der Beschwerde behauptete bewusste Entscheidung des Gesetzgebers
für eine abschließende Regelung des Netzzugangs und der Netzzugangsentgelte durch
das AEG nicht. Anders als die Beschwerde in ihrem Schriftsatz vom 30. September
2009 (dort Seite 14) glauben machen will, vertritt auch die Monopolkommission hierzu
keine abweichende Auffassung (vgl. Sondergutachten aaO., Rn. 248 u. 252). Sie
empfiehlt vielmehr nur der Klarstellung halber den Zusatz "einschließlich der
Bahnstromfernleitungen" aus der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 AEG zu streichen.
34
aa.
35
Die in weiten Teilen unergiebige historische Auslegung bestätigt eine abschließende
Sonderregelung der Netzzugangsentgelte im AEG nicht. Sie spricht vielmehr gegen
eine solche Annahme.
36
§ 1 Abs. 2 Satz 3 AEG, der sich über den Anwendungsbereich des AEG für die
Versorgung von Eisenbahnen mit leitungsgebundener Energie verhält, ist über das im
April 2005 verabschiedete Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
in das AEG aufgenommen worden. Allerdings ist die Regelung erst im Laufe des
Vermittlungsverfahrens in das AEG eingefügt und nicht weiter begründet worden (vgl.
hierzu Elsner N&R 2006, 53 ff.). Auch § 3 a EnWG war im Gesetzesentwurf der
Bundesregierung zunächst nicht enthalten und ist erst durch den Wirtschaftsausschuss
eingefügt worden. Die Erläuterungen hierzu beschränken sich auf die Ausführungen,
dass die Norm das Verhältnis zum Eisenbahnrecht regele (BT-Drucks. 15/5268 Seite
18, 117).
37
Auch zu § 2 Abs. 3 AEG, der die Bahnstromfernleitungen ausdrücklich der
Eisenbahninfrastruktur zuweist, findet sich in den Gesetzesmaterialen nichts
Weiterführendes. In der Gesetzesbegründung sind keine Ausführungen zu den
Bahnstromfernleitungen enthalten (BT-Drucks. 15/3280 Seite 14). Der Gesetzgeber
befasst sich in der Begründung lediglich damit, dass im bisherigen Allgemeinen
38
Eisenbahngesetz die Begriffe "Eisenbahninfrastruktur" und "Betriebsanlage" nicht
vollständig deckungsgleich nebeneinander standen und dass die Unterscheidung
zwischen einem zugangsrechtlichen und einem planungsfeststellungsrechtlichen Begriff
für Anlagen nicht länger aufrechterhalten werde.
In der Begründung zu § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG heißt es lediglich, dass
Eiseninfrastrukturunternehmen in dem durch die Eiseninfrastruktur-Benutzerverordnung
bestimmten Umfang verpflichtet sind, die diskriminierungsfreie Benutzung ihrer
Infrastruktur zu gewähren und die dort beschriebenen Leistungen diskriminierungsfrei zu
erbringen haben (BT-Drucks. 15/3280 Seite 17).
39
Folgende Anhaltspunkte deuten vielmehr im Gegenteil darauf hin, dass der historische
Gesetz- und Verordnungsgeber den Zugang zu den Bahnstromfernleitungen nicht
abschließend durch das AEG und die EIBV regeln wollte. In den Materialien zur EIBV
hat der Verordnungsgeber zur Begründung, warum er abweichend vom Anhang II Nr. 3
der Richtlinie 2001/14/EG die dort genannte Bereitstellung von Fahrstrom nicht in die
Anlage I Nr. 2 a der Verordnung aufgenommen hat, ausgeführt, dass "der
diskriminierungsfreie Zugang zu leitungsgebundener Energie durch energierechtliche
Vorschriften sichergestellt wird" (Verordnung zum Erlass und zur Änderung
eisenbahnrechtlicher Vorschriften des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen, BR-Drucks. 249/05 Seite 59). Der Verordnungsgeber beabsichtigte
daher, es zumindest für Teilbereiche der Energieversorgung von Eisenbahnen bei einer
Anwendbarkeit des EnWG zu belassen (vgl. auch Schröder, aaO., Seite 121).
40
Ein weiteres Indiz liefert die Regelung in § 110 Abs. 5 EnWG. Dort ist im
Zusammenhang mit den Objektnetzen, auf die die Regulierung des Netzbetriebs keine
Anwendung findet, geregelt, dass die Anwendung des EnWG auf den Fahrstrom der
Eisenbahnen unberührt bleibt. Einer solchen Regelung hätte es aber nicht bedurft, wenn
der Gesetzgeber das Bahnstromfernleitungsnetz vollständig und abschließend durch
das Eisenbahnrecht geregelt wissen wollte (Grün/Jasper N&R 2007, 48; Schröder aaO.,
Seite 120 f.).
41
b.
42
Auch die teleologische Auslegung steht der Annahme einer abschließenden
Sonderregelung im AEG entgegen.
43
Die teleologische Auslegung orientiert sich am Sinn und Zweck des Gesetzes, wobei
allgemeine Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen mit zu berücksichtigen
sind (vgl. nur BGHZ 87, 381, 383).
44
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG dient das Gesetz u.a. der Sicherstellung eines wirksamen
unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei dem Erbringen von
Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen. Mit
diesem gesetzgeberischen Ziel ist eine abschließende Regelung des Zugangs zum
Stromfernleitungsnetz und der Netzzugangsentgelte im AEG nicht in Einklang zu
bringen. Voraussetzung für einen funktionierenden und effizienten Wettbewerb von
Eisenbahnverkehrsunternehmen ist es, dass die Bedingungen, zu denen die
Unternehmen Bahnstrom beziehen können, wettbewerbskonform ausgestaltet sind. Die
im AEG vorgesehenen Regelungen können dies indes allein nicht gewährleisten.
45
aa.
46
Dies gilt zunächst für den Netzzugangsanspruch selbst. Zugangsberechtigt nach
47
§ 14 Abs. 1 Satz 1 AEG sind allein die in § 14 Abs. 2 und 3 AEG genannten
Unternehmen, Stellen und Behörden. Nicht erfasst von dieser Regelung sind
Stromversorger und Stromlieferanten. Hierbei handelt es sich aber gerade um eine für
den Wettbewerb auf der Schiene wichtige Nachfragergruppe. Das
Eisenbahnverkehrsunternehmen hat zwei Möglichkeiten, die zum Betrieb der Züge
notwendige Energie zu erhalten. Zum einen kann es den benötigen Bahnstrom als
fertiges Endprodukt von der D abnehmen (Bahnstrom-Vollversorgung). Zum anderen
kann das Eisenbahnverkehrsunternehmen auch den Strom von einem Dritten erwerben.
Letztere Möglichkeit setzt den Zugang zum Bahnstromnetz der D voraus, um den Strom
zum Oberleitungsnetz transferieren zu können. Damit die dritten Stromversorger und –
lieferanten mit dem Produkt der "Bahnstromvollversorgung" in Wettbewerb zur D treten
können, ist erforderlich, dass auch sie einen Anspruch auf Zugang zum
Fernleitungsnetz der D haben. Zwar räumt die D den dritten Energielieferanten nach
ihrem eigenen Vorbringen derzeit die Möglichkeit einer solchen "all-inclusive"
Belieferung durch Abschluss eines Bahnstrom- Lieferantenrahmenvertrages ein (Seite
17 der Beschwerde, Anlage Bf 4b). Zur Sicherung eines wirksamen unverfälschten
Wettbewerbs auf der Schiene ist aber eine gesicherte Rechtsposition des
Zugangspetenten und damit ein gesetzlicher Netzzugangsanspruch der
Stromlieferanten erforderlich. Dieser wird ihm durch § 20 EnWG eingeräumt. Ohne
Erfolg macht die Beschwerde geltend, ein Rückgriff auf § 20 EnWG füge sich nicht in die
wettbewerbliche Konzeption des EnWG ein, weil der dritte Stromlieferant nach dem
EnWG keine rechtlich durchsetzbare Möglichkeit habe, den Bahnstrom bis zu seinen
Kunden, den Eisenbahnverkehrsunternehmen, durchzuleiten. Dieses Argument ist nicht
stichhaltig. Zwar entnimmt das Eisenbahnverkehrsunternehmen den Strom nicht aus
dem Fernleitungsnetz, sondern aus dem streckenbezogenen Oberleitungsnetz. Nach
der Konzeption des § 20 EnWG, der bei der Nutzung mehrere Teilnetze das Gesamtnetz
für den Netznutzer als einheitliches Netz fingiert, müsste der Zugangsberechtigte nach
dem sog. Ein-Vertrag-Modell einen Netznutzungsvertrag mit dem Netzbetreiber
schließen, aus dessen Netz der Strom letztlich entnommen wird. Das wäre im
vorliegenden Fall die B als Betreiberin des Oberleitungsnetzes. Nach der
gesetzgeberischen Konzeption ist das Oberleitungsnetz aber nicht als (Teil-)Stromnetz
zu behandeln. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 3 AEG die streckenbezogene
Versorgung mit Fahrstrom und somit auch das Oberleitungsnetz ausdrücklich den
Schienenwegen zugordnet. Deshalb ist es auch nur schlüssig und fügt sich problemlos
in das gesetzliche Gesamtgefüge ein, dass dem Eisenbahnverkehrsunternehmen die
Nutzung des Oberleitungsnetzes mit Erwerb einer entgeltregulierten Trasse bei der B
und dem Stromlieferanten die Nutzung des vorgelagerten Bahnstromnetzes über einen
Anspruch aus § 20 Abs. 1 EnWG verschafft wird. Die von der Beschwerde geforderte
"Durchleitung" des Stroms an das Eisenbahnverkehrsunternehmens ist hierdurch
gewährleistet, ohne dass ein Systembruch vorliegt.
48
bb.
49
Auch eine abschließende Regelung der Netzzugangsentgelte im AEG ist mit dem
gesetzgeberischen Ziel in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG nicht in Einklang zu bringen. Wenn der
Zugang zum Bahnstromnetz und die hierfür zu zahlenden Entgelte abschließend im
AEG geregelt wären, könnten die Entgelte und Entgeltgrundsätze gemäß § 14 f AEG
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nachträglich nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen das in § 14 Abs. 1 AEG
enthaltene Diskriminierungsverbot verstoßen, indem den Zugangsberechtigten ohne
sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedliche Entgelte berechnet werden. Eine
Überprüfung der Entgelte dahingehend, ob sie insgesamt der Höhe nach gerechtfertigt
oder überhöht sind, findet nicht statt. Das Fehlen einer Entgeltkontrolle birgt aber die
Gefahr, dass der D die Preissetzungsmöglichkeiten eines monopolistischen
Infrastrukturanbieters offenstehen. Möglicherweise überhöhte Zugangspreise zum
Bahnstromnetz wirken als Markteintrittsbarriere für vor – und nachgelagerte Anbieter,
also für die Stromlieferanten und Eisenbahnverkehrsunternehmen, und stehen dem in §
1 Abs. 1 AEG verankerten Ziel, wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf der
Schiene zu erreichen, diametral entgegen (vgl. auch Sondergutachten der
Monopolkommission "Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichenstellung", Rn. 248, 249
u. 252). Die Möglichkeit der Eisenbahnverkehrsunternehmen, ihren Stromlieferanten zu
wählen, hängt somit entscheidend davon ab, dass die Lieferanten zu
wettbewerbsadäquaten Bedingungen Zugang zum Bahnstromnetz haben.
Im Vergleich zu den Regelungen des AEG stellt das EnWG die geeigneten
Instrumentarien bereit, um diese Voraussetzungen zu schaffen.
Entgeltgenehmigungsvorbehalt und Anreizmechanismen sind geeignete Mittel, um
wettbewerbsadäquate Zugangsbedingungen zum Bahnstromfernleitungsnetz zu
schaffen. Das EnWG, die StromNEV und die ARegV enthalten detaillierte Regelungen,
die den Besonderheiten der Energiewirtschaft Rechnung tragen, während das AEG
keine energierechtlichen Sonderregelungen enthält. Dass die im EnWG vorgesehene
Entgeltregulierung für das Bahnstromnetz per se ungeeignet ist, kann nicht festgestellt
werden. Zutreffend weist die Bundesnetzagentur darauf hin, dass die kostenorientierte
Entgeltregulierung weder die Durchführung eines förmlichen Vergleichsverfahrens noch
einen Vergleich mit anderen Stromnetzbetreibern zwingend voraussetzt. Auch das
Konzept der Anreizregulierung ist hinreichend flexibel, um etwaigen Besonderheiten
des Bahnstromnetzes Rechnung tragen zu können. Insoweit kann auf die §§ 15 Abs. 1,
22 Abs. 1 ARegV verwiesen werden.
51
Schließlich ist kein Grund ersichtlich und von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt,
warum der Gesetzgeber für das Bahnstromnetz im Verhältnis zu sonstigen Stromnetzen
und auch im Verhältnis zum Zugang zur Schiene und zu den Serviceeinrichtungen viel
niedrigere Anforderungen an die Entgeltregulierung hätte stellen sollen. Dass der
Zugang zum Bahnstromnetz und die hierfür zu zahlenden Entgelte für den Gesetzgeber
keine herausgehobene Stellung für die Gewährleistung der in § 1 Abs. 1 AEG
normierten Ziele gehabt habe, so wie die Beschwerde geltend macht, ist durch nichts
belegt. Die Tatsache, dass sich im AEG und der EIBV keine ausdrücklichen
Regelungen über die Entgeltbemessung der Netzzugangsentgelte befinden, reicht
hierfür schon deshalb nicht aus, weil dem Gesetz- und Verordnungsgeber – wie § 1 Abs.
2 Satz 2 AEG zeigt – bewusst war, dass die Vorschriften des EnWG eingreifen, wenn im
AEG oder der EIBV nicht etwas anderes bestimmt ist.
52
c.
53
Auch für eine analoge Anwendung der eisenbahnrechtlichen Vorschriften ist kein Raum.
Da nach § 3 a EnWG in der Regel die Vorschriften des EnWG anwendbar sind, besteht
keine planwidrige Gesetzeslücke, die durch eine Analogie zu schließen wäre.
54
III.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 90 EnWG.
56
Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO
nach dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin an der begehrten
Entscheidung und somit danach zu bestimmen, dass der Zugang zu ihrem
Bahnstromnetz nicht der Entgeltregulierung nach dem EnWG unterliegt und sie keinen
Antrag auf Entgeltgenehmigung stellen muss. Da die verfahrensentscheidende Frage –
wie die Beschwerdeführerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz selbst vorträgt – von
grundsätzlicher und für weitere Verfahren von fundamentaler Bedeutung ist, bewertet
der Senat dieses Interesse mit €.
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