Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.06.2005

OLG Düsseldorf: aufrechnung, vollstreckung, gegenforderung, ausnahme, vorrang, drucksache, meinung, prozesskosten, datum

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 W 15/05
Datum:
07.06.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-10 W 15/05
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des
Land-gerichts Düsseldorf vom 14.10.2004 - Rechtspfleger - teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Im Wege der Rückfestsetzung sind auf Antrag des Beklagten vom
06.11.2003 von der Klägerin insgesamt EUR 7.581,25 nebst 4 % Zinsen
aus EUR 4.420,92 ab 15.06.1999, aus EUR 2.326,38 ab 09.06.2000 und
aus EUR 833,95 ab 13.06.2000 an den Beklagten zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
I.
1
Die bei Gericht am 30.11.2004 (Bl. 540 GA) eingegangene sofortige Beschwerde des
Beklagten gegen den seinen Rückfestsetzungsantrag vom 06.11.2003 (Bl. 478 GA)
zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Düsseldorf - Rechtspfleger - vom
14.10.2004 (Bl. 535 f GA), welcher ihm am 22.11.2004 zuging, ist gemäß § 11 Abs. 1
RPflG, §§ 107 Abs. 3, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig.
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Die Zurückweisung der Rückfestsetzung erfolgte im Rahmen des Verfahrens nach §
107 ZPO. Die Kosten für die erste und zweite Instanz waren zunächst auf Grundlage der
vom Senat im Urteil vom 18.05.2000 festgesetzten Streitwerte (Bl. 398 GA) mit
Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 09.07.1999 (Bl. 410 f GA) und 20.07.2000 (Bl. 437
f, Bl. 432 f GA) festgesetzt worden. Daraus ergab sich eine Erstattungsforderung der
Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von gesamt EUR 19.620,36 nebst Zinsen. Mit
Senatsbeschluss vom 30.09.2003 (Bl. 471 f GA) erfolgte im Hinblick auf die
Streitwertfestsetzung des Bundesgerichtshofes vom 11.06.2003 von Amts wegen eine
Herabsetzung der Streitwerte. Danach waren die Parteien befugt, gemäß § 107 ZPO
eine entsprechende Abänderung der Kostenfestsetzung zu beantragen. Als solcher ist
der am 07.11.2003 bei Gericht eingegangene Antrag des Beklagten auszulegen. Der
Beklagte begehrte darin die Neufestsetzung der Kosten gemäß des nach den neu
festgesetzten Streitwerten berichtigten Kostenausgleichungsantrages und zugleich
Rückfestsetzung der unstreitig ausgeglichenen Kostenerstattungsforderungen der
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Klägerin aus den genannten Kostenfestsetzungsbeschlüssen.
II.
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Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist im Ergebnis begründet. Im Rahmen der
Änderung der Kostenfestsetzung nach Herabsetzung der Streitwerte hätte berücksichtigt
werden müssen, dass der Beklagte auf die im Zuge der Änderung der
Kostenfestsetzung für gegenstandslos erklärten Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom
09.07.1999 (Bl. 410 f GA) und 20.07.2000 (Bl. 437 f, Bl. 432 f GA) bereits unstreitig
insgesamt EUR 19.620,36 nebst ebenfalls festgesetzter Zinsen geleistet hat, nach den
nunmehr maßgeblichen, geänderten Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 14.10.2004
(Bl. 520 f, Bl. 530 f GA) jedoch nur zur Erstattung von insgesamt EUR 12.039,11 nebst
entsprechend herabgesetzter Zinsen verpflichtet ist. Hieraus ergibt sich eine
Überzahlung zugunsten des Beklagten von EUR 7.581,25 nebst entsprechender
Zinsen. In Bezug auf diesen überzahlten Betrag kann der Beklagte die sogenannte
Rückfestsetzung verlangen.
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Seit 01.09.2004 ist in § 91 Abs. 4 ZPO für die Fälle nachträglicher Aufhebung oder
Änderung der Kostengrundentscheidung die Möglichkeit der Rückfestsetzung gesetzlich
geregelt. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die bislang herrschende Meinung
in Rechtssprechung und Literatur, die eine Rückfestsetzung von überzahlten
Prozesskosten seit längerer Zeit zuließ, gesetzlich absichern. Er sieht die Grundlage
insoweit in § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach bei Aufhebung oder Änderung eines für
vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils der Vollstreckungsgläubiger zum Ersatz des
Schadens verpflichtet ist, der dem Vollstreckungsschuldner durch die Vollstreckung des
Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung erbrachten Leistung
entstanden ist (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1508, S. 16 f). § 91 Abs. 4 ZPO gilt
gemäß § 29 Nr. 2 EGZPO auch für Verfahren, die zum Zeitpunkt 01.09.2004 anhängig
oder rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Die im Rahmen der Festsetzung nach §§
104 ff ZPO vorgesehene Möglichkeit der Rückfestsetzung muss auch im Falle der
Abänderung der Kostenfestsetzung aufgrund nachträglicher Änderung des Streitwerts
gelten (vgl. Stein/Jonas-Bork, ZPO, 22. Aufl., § 107 Rn. 5; Musielak-Wolst, ZPO, 4. Aufl.,
§ 107 Rn. 3).
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Die Rückfestsetzung scheitert nicht an der von der Klägerin erklärten Aufrechnung mit
im einzelnen streitigen Schadensersatzansprüchen aus dem streitgegenständlichen
Mietverhältnis. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass das
Kostenfestsetzungsverfahren formell ausgestaltet ist. Entsprechend kann eine
Festsetzung/Rückfestsetzung nur erfolgen, wenn der entsprechende Anspruch nach
Grund und Höhe unstreitig ist. Die sich nach Änderung der
Kostenfestsetzungsbeschlüsse ergebende Überzahlung der Klägerin durch den
Beklagten steht nach Grund und Höhe fest. Diesbezüglich hat die Klägerin keinerlei
Einwendungen geltend gemacht. Sie hat lediglich mit Schriftsatz vom 30.06.2004 (Bl.
510 GA) gegen den Rückerstattungsanspruch des Beklagten mit angeblich ihr
zustehenden Schadensersatzansprüchen aus dem streitgegenständlichen
Mietverhältnis aufgerechnet. Die erstmals im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 107
ZPO erklärte Aufrechnung ist jedoch nicht zulässig. Aufgrund der formellen
Ausgestaltung des Festsetzungsverfahrens kann eine Aufrechnung gegen den
ansonsten unstreitigen Kostenerstattungsanspruch nur zugelassen werden, wenn über
den Bestand und die Höhe der Gegenforderung sowie über die Aufrechnungslage
zwischen den Parteien kein Streit besteht (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rn.
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21 "Aufrechnung"). Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat die
zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen dem Grunde und der Höhe
nach bestritten.
Der von der Klägerin in Bezug genommene Beschluss des OLG Oldenburg vom
28.06.2004 - 9 W 29/04 (Bl. 517 f GA) vermag eine andere Beurteilung nicht (mehr) zu
rechtfertigen. Hier wurde der streitigen Aufrechnung deshalb eine die Rückfestsetzung
hindernde Wirkung zugebilligt, weil die Aufrechnung gesetzlich normiert, die
Rückfestsetzung dagegen lediglich eine richterrechtlich gebildete Ausnahme vom
geschriebenen Recht war. Dies hat sich nach gesetzlicher Normierung der
Rückfestsetzung in § 91 Abs. 4 ZPO geändert. Gründe, der Aufrechnung danach noch
den Vorrang gegenüber der Rückfestsetzung einzuräumen, sind nicht ersichtlich.
Vielmehr hat diejenige Partei, die auf die Kosten bereits eine nicht im Streit stehende
Überzahlung geleistet hat, ein ebenso schützenswertes Interesse wie der
Kostengläubiger bei der ursprünglichen Kostenfestsetzung daran, dass sie die nach der
geänderten Kostenfestsetzung überzahlten Kosten umgehend zurückerhält und das
Kostenrückfestsetzungsverfahren nicht mit der Klägerin materiell-rechtlicher Fragen -
wie hier der geltend gemachten Aufrechnung - belastet wird.
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III.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: EUR 7.581,25
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