Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.06.2010

OLG Düsseldorf (wichtiger grund, vermieter, grund, mieter, zustimmung, nutzungsänderung, betrieb, gestaltung, zpo, verweigerung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 32/10
Datum:
01.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 32/10
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 17 O 292/09
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Be-
schlussverfahren zurückzuweisen. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu
den Gründen binnen einer Frist von z w e i W o c h e n schriftsätzlich
Stellung zu nehmen.
2. Der für den 21. September 2010 geplante Senatstermin entfällt.
G r ü n d e
1
I
2
Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht
hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe
rechtfertigen keine dem Beklagten günstigere Entscheidung.
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1.
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Der Mietvertrag der Parteien gibt dem Vermieter ein Recht zur Verweigerung der
Zustimmung zur Nutzungsänderung und zur Untervermietung jeweils "aus wichtigem
Grund" (vgl. § 2 Ziff. 3., § 11 Ziff. 1. des Mietvertrages); liegt ein solcher nicht vor, hat der
Mieter mithin einen Anspruch auf Genehmigung der Untervermietung und der damit hier
einhergehenden Nutzungsänderung. Umgekehrt ist die Kündigung der Klägerin
berechtigt, wenn der Beklagte die Erlaubnis zur Untervermietung und
Nutzungsänderung ohne wichtigen Grund verweigert hat. Anders als nach der
gesetzlichen, von den Parteien modifizierten Regelung des § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB
muss der wichtige Grund dabei nicht in der Person des Dritten liegen.
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Ein wichtiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung war im Streitfall nicht
gegeben; der beklagte Vermieter hätte vielmehr die Untervermietung zum Zweck des
Betriebs eines Ein-Euro-Shops gestatten müssen.
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Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist im Einzelfall unter Abwägung der Interessen der
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Vertragsparteien zu beurteilen (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-,
Pacht- und Leasingrechts, 10. Auflage, Rdn. 967). Grundsätzlich darf auch ein
Untermieter keine Verwendungszwecke verfolgen, die dem Mieter nach dem Inhalt des
Hauptmietvertrags nicht gestattet wären (vgl. BGHZ 89, 308 = NJW 1984, 1031 f.; Senat,
OLGR Düsseldorf 2007, 73). Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass der
Vermieter auch eine Änderung des zunächst vereinbarten vertraglichen
Nutzungszwecks - Betrieb einer Buchhandlung nach dem "W. Konzept" mit den dafür
üblichen Nebenartikeln, ggf. auch nach dem "J.-Konzept" - nur bei Vorliegen eines
wichtigen Grundes verweigern darf. Die Gestaltung des Mietvertrages gibt damit auf der
einen Seite dem Mieter weitgehende Möglichkeiten, das Mietobjekt - etwa wenn sich die
ursprünglich vorgesehene Nutzung als nicht rentabel erweist - selbst anderweitig zu
nutzen oder einen Untermieter zu finden, dem wiederum verschiedene
Nutzungsmöglichkeiten offen stehen. Auf der anderen Seite profitiert auch der Vermieter
von der gewählten Gestaltung, weil sein Risiko, bei mangelnder Zahlungsfähigkeit des
Mieters Ausfälle zu erleiden, dadurch deutlich herabgesetzt wird, dass der Mieter besser
disponieren und insbesondere auf wirtschaftliche Schwierigkeiten flexibel reagieren
kann. Dies dürfte sich auch bei der Mietpreisgestaltung positiv zugunsten des
Vermieters auswirken, der sich hier zudem noch eine Beteiligung an einer etwa höheren
Untermiete ausbedungen hat. Ein Vermieter, der nicht nur die Zustimmung zu einer
Untervermietung, sondern auch die zu einer Nutzungsänderung allein bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes versagen darf, muss sich daher an dieser Gestaltung
festhalten lassen und kann nicht erwarten, durch eine Ausdehnung des Begriffs des
"wichtigen Grundes" zu Lasten des Mieters nicht Vertragsinhalt gewordene
Einschränkungen zu realisieren.
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zunächst zutreffend darauf
hingewiesen, dass bereits die ursprüngliche im Mietvertrag vorgesehene Nutzung dem
Mieter gewisse Gestaltungsfreiheiten ließ, ohne dass es sich um eine
Nutzungsänderung gehandelt hätte. So war der Mieter weder überhaupt zum Betrieb
seines Gewerbes verpflichtet - der Vermieter hätte also auch einen Leerstand dulden
müssen - noch war der Mieter auf eine bestimmte Form der Präsentation seiner Waren
oder ein bestimmtes Preisniveau festgelegt. Dass das von der Klägerin tatsächlich
betriebene Ladenlokal - so der Beklagte - über ein geschmackvolles Interieur verfügt,
die Waren ansprechend präsentiert werden, das Geschäft einen gepflegten Eindruck
macht und insgesamt "schön" ist (Schriftsatz vom 6. November 2009), gibt dem
Vermieter keinen Anspruch auf eine derartige Gestaltung, zumal es sich bei den
genannten Merkmalen um objektiver Beurteilung nicht uneingeschränkt zugängliche
ästhetische Eigenschaften handelt. Vielmehr hätte sich auch der Verkauf von Büchern
nebst einfachen Nebenartikeln auf niedrigem Preisniveau noch im Rahmen des
vertraglich vereinbarten Nutzungszwecks gehalten. Der Betrieb eines Ein-Euro-Shops,
ebenfalls auf Laufkundschaft ausgerichteter Einzelhandel, stellt demgegenüber keine
gravierende Nutzungsänderung dar. Hätte der Beklagte sicherstellen wollen, dass ein
bestimmtes Erscheinungsbild des in dem Objekt betriebenen Gewerbes gewahrt bleibt,
hätte er eine dahingehende Klausel in den Vertrag aufnehmen können und müssen;
auch wäre in Betracht gekommen, nur die Nutzung durch Gewerbe bestimmter
Branchen zu gestatten. An einseitig gebliebene Vorstellungen eines Vertragspartners ist
die andere Partei dagegen nicht gebunden.
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Ein wichtiger Grund, dem Betrieb eines Ein-Euro-Shops nicht zuzustimmen, lässt sich
auch nicht daraus herleiten, dass sich die angemieteten Räumlichkeiten in einem
repräsentativen Gebäude befinden. Auch hierzu hat bereits das Landgericht zutreffend
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darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang nicht nur auf das Objekt des
Vermieters abgestellt werden darf, sondern das gesamte Umfeld in die Betrachtung mit
einzubeziehen ist. Dabei ist festzustellen, dass es sich nicht um eine Geschäftslage mit
überwiegend repräsentativen und hochwertigen Ladenlokalen handelt, sondern sich in
der nächsten Umgebung sowohl architektonisch ansprechende als auch schlichte
Zweckbauten befinden, in denen unterschiedliche Gewerbe betrieben werden, darunter
auch Einzelhandel im Niedrigpreissegment. Angesprochen wurden mithin bereits zum
Zeitpunkt der beabsichtigten Nutzungsänderung Kunden aus allen
Bevölkerungsschichten. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass auch
Geschäfte mit Angeboten auf niedrigem Preisniveau, etwa Discounter, durchaus auch
von besser situierten Kunden aufgesucht werden.
Insgesamt stand dem Beklagten damit kein wichtiger Grund zur Seite, der ihn berechtigt
hätte, die von der Klägerin begehrte Zustimmung zu verweigern. Die Kündigung der
Klägerin war daher zum 31. Dezember 2009 (§ 580 a Abs. 2 BGB) wirksam.
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2. Das Landgericht hat auch dem Feststellungsbegehren der Klägerin zu Recht
stattgegeben. Zwar ist ein Vermieter grundsätzlich nicht verpflichtet, einer
Untervermietung zuzustimmen (§ 540 Abs. 1 BGB), so dass eine Verweigerung keine
Schadensersatzpflicht des Vermieters auslöst, weil er keine Pflichtverletzung begeht
(vgl. Senat, ZMR 2010, 755 – Beschl. v. 26.11.2009, I-24 U 91/09 -; OLG Düsseldorf
WuM 1993, 399). Etwas anderes gilt aber, wenn die Parteien - wie hier - vereinbart
haben, dass der Vermieter die Zustimmung zur Untervermietung nur aus wichtigem
Grund versagen darf, der Mieter also darüber hinaus einen Anspruch auf Erteilung der
Erlaubnis hat. Verweigert der Vermieter bei einer derartigen Vertragsgestaltung seine
Zustimmung zur Untervermietung ohne wichtigen Grund, begeht er eine
Pflichtverletzung (vgl. BGH, NJW 1984, 1031) gemäß § 280 BGB und macht sich dem
Mieter gegenüber schadensersatzpflichtig (vgl. Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdn. 1281;
Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Auflage, § 540 Rdn. 8). Ob für eine
Schadensersatzverpflichtung ergänzend die Voraussetzungen des § 281 BGB vorliegen
müssen (so Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdn. 1281), kann offen blieben, weil diese im
Streitfall gegeben sind. Denn der Beklagte hatte die Zustimmung mit Schreiben vom 4.
Juni 2009 ernsthaft und endgültig verweigert, so dass eine Fristsetzung gem. § 281 Abs.
2 BGB entbehrlich war, und beharrt seitdem ständig auf seiner ablehnenden Haltung.
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II
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Auch die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen der
Berufungszurückweisung im Beschlussverfahren liegen vor.
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III
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Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich
privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (vgl. OLG Brandenburg,
MDR 2009, 1363).
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