Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.08.2010

OLG Düsseldorf (kläger, culpa in contrahendo, geschäftsführung ohne auftrag, ablauf der frist, fahrzeug, höhe, erstattung, anwaltskosten, kaufvertrag, ersatz)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-22 U 44/10
Datum:
13.08.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-22 U 44/10
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. Januar 2010
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 653,93 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
05.07.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 90 %,
dem Beklagten zu 10 % auferlegt. Von den Kosten des
Berufungsverfahrens tragen der Kläger 40 %, der Beklagte 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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I.
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Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen am
04.11.2007 unter Ausschluss der Gewährleistung von dem Beklagten erworbenen
Gebrauchtwagen der Marke Opel Corsa B zu einem Kaufpreis in Höhe von 6.000,00
€.
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Nach Übergabe des Fahrzeugs stellte der Kläger zahlreiche Mängel fest. Er
erneuerte zwei Radlager für 76,80 €, erwarb zwei Radnaben für je 131,90 € und ließ
für 20,00 € die Bremsen neu einstellen. Im Frühjahr 2008 wurde das Fahrzeug nach
einer Polizeikontrolle durch die DEKRA-Prüfstelle überprüft. Der Kläger meldete das
Fahrzeug danach ab, weil die Fahrzeugpapiere gefälscht waren. Für den Stellplatz
des Fahrzeugs zahlte er 50,00 €.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.04.2008 erklärte der Kläger wegen der Mängel
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und der falschen Papiere den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Beklagte wurde vom Amtsgericht Hagen in dem Verfahren 84 Cs 232 Js 30/07 –
3003/07 wegen Fälschung von TÜV-Eintragungen in den Fahrzeugpapieren
verurteilt.
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Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 15.08.2008
vereinbarten die Parteien, dass der Kläger dem Beklagten das Fahrzeug für 30 Tage
zum Zwecke der Nachbesserung übergibt. Der Kläger übergab das Fahrzeug am
07.09.2008, der Beklagte kam jedoch seiner Verpflichtung trotz einer
Nachfristsetzung bis zum 14.11.2008 und einer weiteren Frist zur Nacherfüllung bis
zum 04.12.2008 zunächst nicht nach. Erst im Frühjahr 2009 bemühte sich der
Beklagte, die TÜV-Abnahme für das Fahrzeug zu erlangen. Diese erfolgte am
28.04.2009 nach der Begutachtung durch den TÜV-Nord. Am 06.06.2009 übergab
der Beklagte dem Kläger das Fahrzeug, welcher es seinerseits dem TÜV vorstellte
und sodann eine Frist zur Nacherfüllung wegen angeblicher Mängel bis zum
04.09.2009 setzte. Am 08.10.2009 wurde dem Kläger bei einer Polizeikontrolle die
Weiterfahrt untersagt, weil die Leuchtweitenregulierung nicht funktionierte, die
Stoßstange unsachgemäß angebracht war und die Karosserie zu tief lag.
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Der Kläger hat behauptet, bei der TÜV-Kontrolle am 12.06.2009 seien diverse
Mängel festgestellt worden. Darüber hinaus weiche die im Fahrzeugschein
angegebene Schadstoffklasse von der tatsächlichen ab.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2008 zu zahlen, Zug um
Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Opel Corsa B,
Fahrzeugidentifikationsnummer WOLOSBF08W4049575,
2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1
genannten PKW im Annahmeverzug befindet,
3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 441,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2008 zu zahlen,
4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 603,93 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
05.07.2008 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat eingewandt, die Heckstoßstange sei bereits beim Verkauf "angesengt" gewesen,
sie sei neu lackiert worden. Für die Motoreintragung sei eine neue, serienmäßige
Auspuffanlage ordnungsgemäß vor der Begutachtung durch den TÜV Süd eingebaut
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worden. Eine bestimmte Schadstoffklasse sei nicht vereinbart worden.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen
Anwaltskosten (603,93 €), der Kosten für die Unterstellung des Fahrzeugs (50,00 €) und
der Verwendungen des Klägers für zwei Radlager (76,80 €) und zwei Radnaben
(263,80 €) sowie der Kosten für eine Bremseinstellung (20,00 €) stattgegeben, sie im
übrigen jedoch abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein
Rücktrittsrecht nicht zu. Er habe jedoch Anspruch auf Erstattung seiner vergeblichen
Verwendungen für das Fahrzeug. Die Kosten für das Unterstellen des Fahrzeugs seien
erforderlich gewesen, da der Kläger es wegen der gefälschten Fahrzeugpapiere habe
abmelden müssen. Bei den Zahlungen für Radlager und Radnaben handele es sich um
notwendige Verwendungen für den Erhalt der Funktionsfähigkeit und Sicherheit des
streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dies gelte auch für die Einstellung der Bremsen. Die
vorgerichtlichen Anwaltskosten seien zu erstatten, da die Einschaltung eines
Rechtsanwalts wegen des schwerwiegenden Gesetzesverstoßes des Beklagten in
Form der zugestandenen Fälschung der Eintragungen in den Fahrzeugpapieren
erforderlich gewesen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil der Kammer vom
22.12.2009 Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er macht geltend,
dem Kläger könne ein Anspruch auf Verwendungsersatz nicht zustehen, da es nicht zur
Rückabwicklung des Vertrages gekommen sei. Darüber hinaus könne er auch deshalb
keinen Ersatz für seine Verwendungen verlangen, weil es sich bei den Radlagern und
Radnaben um Verschleißteile handele und das Fahrzeug unter Ausschluss der
Gewährleistung verkauft worden sei; dies gelte auch für die Kosten der
Bremseinstellung. Die Kosten für das Unterstellen des Fahrzeugs seien zwar
ursprünglich geltend gemacht worden. Die Parteien hätten sich aber im Termin vom
15.08.2008 vor dem Landgericht dahin geeinigt, dass er, der Beklagte, nachbessern
dürfe, was er auch getan habe. Er habe damit die Verpflichtung aus dem Vergleich
erfüllt. Mit dessen Erfüllung sei der Anspruch des Klägers auf Erstattung der
Unterstellkosten untergegangen. Schließlich sei auch kein Anspruch auf Erstattung
vorgerichtlicher Anwaltskosten gegeben. Der ursprüngliche Verzug sei durch den
Vergleich aufgehoben worden.
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Der Beklagte beantragt,
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das am 28.01.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Wuppertal abzuändern und
die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich des ihm zuerkannten
Zahlungsanspruchs für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen
auf die Berufungsbegründung des Beklagten vom 19.04.2010 (Bl. 172 ff. GA) und die
Berufungserwiderung des Klägers vom 12.05.2010 (Bl. 182 f. GA).
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II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten hat überwiegend keinen Erfolg. Dem Kläger steht
gemäß § 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen
Anwaltskosten in Höhe von 603,93 € und der Unterstellkosten in Höhe von 50,00 € zu.
Lediglich der Anspruch auf Ersatz der von ihm getätigten Verwendungen ist nicht
begründet, die Berufung hat damit nur in Höhe von 410,60 € Erfolg, wobei ein Teilbetrag
in Höhe von 50,00 € auf einem Rechenfehler des Landgerichts beruht.
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1. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der ihm durch die vorgerichtliche Einschaltung
eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten. Ein solcher
Kostenerstattungsanspruch kann sich aus Vertrag, Verzug, positiver
Vertragsverletzung (§ 280 BGB), culpa in contrahendo (§ 311 BGB) oder
Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., vor §
91, Rn. 11). Im vorliegenden Fall sind die Parteien durch einen Kaufvertrag
miteinander verbunden. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 280 Abs. 1
BGB. Der Beklagte hat sich vertragswidrig verhalten; er hat ein mangelhaftes
Fahrzeug übergeben, da dieses wegen der Fälschungen im Fahrzeugschein nicht
zur gewöhnlichen Verwendung geeignet war und die Gewährleistungsrechte
wegen des vorsätzlichen Handelns des Beklagten nicht ausgeschlossen waren.
Dem Kläger standen daher die sich aus §§ 434 Abs. 1, 437, 440 BGB ergebenden
Gewährleistungsansprüche zu. Einer vorherigen Fristsetzung zur Nacherfüllung
bedurfte es ausnahmsweise nicht, da eine Nachbesserung für den Kläger mit Blick
auf die vorangegangene Täuschung nicht zumutbar war (vgl. BGH Urteil v.
12.03.2010, Aktenzeichen V ZR 147/09, zitiert nach juris, dort Rn. 9; Urteil v.
08.12.2006, Aktenzeichen V ZR 249/05, zitiert nach juris, dort Rn. 12, 13). Neben
dem Rücktrittsrecht aus § 437 Nr. 2 BGB wegen der Lieferung einer mangelhaften
Sache stand dem Kläger gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf
Ersatz solcher Schäden zu, die nicht an der mangelhaften Kaufsache entstanden
sind (Begleitschaden). Dazu gehören die Kosten für die vorgerichtliche
Einschaltung des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Zur Durchsetzung seiner
Gewährleistungsrechte durfte der Kläger die Einschaltung eines Rechtsanwalts für
erforderlich halten.
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Aufgrund der Rücktrittserklärung des Klägers ist das Vertragsverhältnis der
Parteien zunächst in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt worden. Nach dem
Termin vor dem Landgericht vom 15.08.2008 haben sich die Parteien
(außergerichtlich) einvernehmlich auf eine Mängelbeseitigung durch den
Beklagten verständigt, wodurch das Recht des Klägers zum Rücktritt erloschen ist
(vgl. BGH Urteil vom 12.03.2010, Aktenzeichen V ZR 147/09, zitiert nach juris, dort
Rn. 10). Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Nacherfüllung zwar nicht in der
ihm vom Kläger gesetzten Frist nachgekommen, jedoch hat der Kläger das
Fahrzeug von ihm entgegen genommen, ohne zuvor die ihm nach Ablauf der Frist
zur Nacherfüllung stehenden Rechte geltend zu machen. Im Zeitpunkt seiner
erneuten Rücktrittserklärung vom 07.09.2009 lagen nach den unangefochtenen
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Feststellungen des Landgerichts in seinem Urteil vom 28.01.2010 die
Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht vor, da keine Mängel an dem Fahrzeug
vorhanden waren, die nicht von dem im Kaufvertrag vereinbarten
Gewährleistungsausschluss umfasst waren.
Die ursprünglichen weiteren Ansprüche des Klägers wegen des vertragswidrigen
Verhaltens des Beklagten sind demgegenüber nicht durch die einvernehmlich
durchgeführte Mängelbeseitigung erloschen. Der Kläger hat durch sein
Einverständnis lediglich auf sein Rücktrittsrecht verzichtet, nicht aber auf
Ansprüche wegen anderer, ihm durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten
entstandener Nachteile. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die –
wenngleich auf Vorschlag des Landgerichts – letztlich von den Parteien selbst
herbeigeführte Einigung zur Abgeltung auch solcher Ansprüche erklärt worden ist.
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Dies gilt gleichermaßen für den Anspruch auf Erstattung der Kosten für das
Unterstellen des Fahrzeugs in Höhe von 50,00 €. Auch diese Kosten sind durch die
Pflichtverletzung des Beklagten verursacht worden und deshalb als Schaden zu
ersetzen.
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2. Weitere Ansprüche auf Erstattung von Verwendungen gemäß § 347 Abs. 2 BGB
kommen dagegen nicht in Betracht. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien
wird in Ermangelung eines wirksamen Rücktritts nicht rückabgewickelt. Der Kläger
kann die Kosten für die Beschaffung von Ersatzteilen und für das Einstellen der
Bremse auch nicht als Schadenersatz geltend machen. Denn diese Kosten
betreffen Mängel am Kaufgegenstand, für die die Regelungen in §§ 434 ff. BGB
gelten. Da eine Gewährleistung im Kaufvertrag ausgeschlossen worden ist, haftet
der Beklagte für diese Mängel nicht, § 444 BGB.
3. Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 284, 286 BGB.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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R. S.-L. K.
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