Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.11.2009

OLG Düsseldorf (beschwerde, kostenverteilung, frist, zustellung, uvp, sachprüfung, begründung, rücknahme, gerichtskosten, rechtsmittel)

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 9/09 (V)
Datum:
16.11.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 9/09 (V)
Tenor:
I. Die Beteiligte hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens
zu tragen sowie dem Bundeskartellamt seine in der Beschwerdeinstanz
entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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I.
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Die Beteiligte (nachfolgend: M.) beliefert Augenoptiker mit Brillengläsern. Diesen stellt
sie Unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) für ihre Abgabepreise an den Endkunden
zur Verfügung.
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Das Bundeskartellamt geht dem Verdacht nach, dass diese UVP von einem Großteil der
Empfehlungsempfänger befolgt werden und deshalb im Markt wie Fest- oder
Mindestpreise wirken.
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Mit dem angefochtenen Auskunftsbeschluss hat das Bundeskartellamt M. gemäß § 59
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Satz 1 GWB um die Überlassung einer elektronischen Aufstellung
ihrer sämtlichen Brillenglas-Kunden und der mit ihnen im Geschäftsjahr 2008 getätigten
Umsätze (Netto-Umsätze abzüglich Skonti, Rabatten und sonstigen
Erlösschmälerungen) gebeten. Zur Begründung hat es ausgeführt: Um zu überprüfen,
ob ein Verstoß gegen § 1 GWB vorliege, müssten die Marktwirkungen der UVP
festgestellt werden. In diesem Zusammenhang sei entscheidend, welcher Teil des
Umsatzes aus dem Verkauf von Brillengläsern an Endkunden auf Glasverkäufe entfalle,
bei denen die UVP eingehalten oder überschritten worden seien.
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M. hat ihre gegen den Auskunftsbeschluss eingelegte Beschwerde - ohne sie begründet
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zu haben - zurückgenommen.
II.
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A. Nachdem M. ihre Beschwerde zurückgenommen hat, ist lediglich noch über die
gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Frage einer Erstattung
außergerichtlicher Auslagen zu befinden. Die Entscheidung war dahin zu treffen, dass
der M. sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Auslagen des
Bundeskartellamtes zur Last fallen.
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1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind im Falle der Rücknahme der
Beschwerde die Gerichtskosten demjenigen aufzuerlegen, der in der Hauptsache
unterlegen ist oder ohne die Rücknahme der Beschwerde unterlegen wäre. Dies hat
grundsätzlich auch dann zu gelten, wenn das Rechtsmittel zurückgenommen wird, ohne
dass eine Sachprüfung erfolgt ist (BGH, WuW/E DE-R 1982 - Kostenverteilung nach
Rechtsbeschwerderücknahme). Da sich der Rechtsmittelführer mit der Rücknahme in
die Rolle des Unterlegenen begeben hat, sind indessen bei offenem
Verfahrensausgang - insbesondere wenn eine Sachprüfung bisher nicht erfolgt ist - die
Gerichtskosten anders als im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung (dazu
BGH, WuW/E DE-R 420, 421 - Erledigte Beschwerde; NJW 2006, 1340 - Call-Option)
regelmäßig nicht hälftig zu teilen, sondern dem Rechtsmittelführer aufzuerlegen (BGH,
WuW/E DE-R 1982 - Kostenverteilung nach Rechtsbeschwerderücknahme).
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2. Ob außergerichtliche Kosten zu erstatten sind, beurteilt sich gemäß § 78 GWB nach
Billigkeitserwägungen, wobei die Umstände des konkreten Falles einschließlich des
Verfahrensausgangs abzuwägen sind. Danach sind die außergerichtlichen Auslagen
des Gegners jedenfalls dann zu erstatten, wenn sich der Rechtsmittelführer durch die
Rücknahme des Rechtsmittels selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, durch
das Gericht noch keine Sachprüfung erfolgt ist und keine sonstigen Gesichtspunkte
hervortreten, die im Rahmen von Billigkeitserwägungen eine abweichende
Kostenverteilung rechtfertigen könnten (BGH, WuW/E DE-R 1982 - Kostenverteilung
nach Rechtsbeschwerderücknahme). Denn die Entscheidung über die Kostenerstattung
dient im Kartellverwaltungsverfahren ebenso wenig der abschließenden Klärung von
Rechtsfragen wie im Zivilprozess; sie soll lediglich zu einer dem jeweiligen Sach- und
Streitstand entsprechenden Kostenverteilung führen (BGH, WuW/E DE-R 1982 -
Kostenverteilung nach Rechtsbeschwerderücknahme; WuW/E DE-R 420, 421 -
Erledigte Beschwerde; zu Allem auch: Senat, Beschl. v. 12.2.2009, VI – Kart 20/06 (V);
Beschl. v. 13.7.2009, VI-Kart 15/07 (V)).
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B. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze führt vorliegend zur Kostenlast der M.. Sie
hat ihr Rechtsmittel zurückgenommen, ohne es zuvor begründet zu haben und ohne
dass dementsprechend eine Sachprüfung durch den Senat stattfinden konnte.
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Billigkeitsgesichtspunkte, die ausnahmsweise eine Kostenbeteiligung des
Bundeskartellamts rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Dass sich das
Bundeskartellamt mit M. zunächst darauf verständigt hat, an Stelle der erbetenen
Aufstellung über alle Brillenglas-Kunden und die mit Ihnen im Geschäftsjahr 2008
getätigten Umsätze lediglich eine Umsatzaufstellung nach Umsatzklassen ohne
konkreten Umsatzausweis zu erhalten, führt nicht zu einer Kostenquotelung. Wie das
Bundeskartellamt unwidersprochen vorgetragen hat, handelte es sich nicht um eine
teilweise Abhilfe des Beschwerdebegehrens, sondern lediglich um ein behördliches
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Entgegenkommen mit dem Ziel der Verfahrensvereinfachung und
Verfahrensbeschleunigung, von dem im weiteren Verlauf überdies wieder Abstand
genommen werden musste, weil sich die übermittelten Daten als unzureichend
erwiesen und nachträglich ergänzt werden mussten. Ob - wie M. behauptet - diese
nachgereichten Daten von dem ursprünglichen Auskunftsverlangen deutlich abwichen,
kann für die Kostenentscheidung auf sich beruhen. Denn die Beschwerde macht dazu
selbst nicht geltend, dass das Amt auf diesem Weg rechtlich durchgreifenden Bedenken
gegen den angefochtenen Beschluss Rechnung getragen und einem andernfalls zu
erwartenden (teilweisen) Beschwerdeerfolg zuvorgekommen ist.
C. Beim Beschwerdewert hat der Senat das Interesse von M. berücksichtigt, die
erbetenen Auskünfte nicht erteilen und somit den mit der Auskunftserteilung
verbundenen (sachlichen und personellen) Aufwand nicht auf sich nehmen zu müssen,
und jenes Interesse auf 5.000 € veranschlagt. Das von M. darüber hinaus reklamierte
Ziel, die Ermittlungen des Bundeskartellamtes nicht unterstützen zu müssen und auf
diesem Wege möglicherweise den Erlass einer behördlichen Untersagungs- oder
Abstellungsverfügung (§ 32 Abs. 1 und 2 GWB) verhindern zu können, hat als eine bloß
mittelbare Auswirkung außer Betracht zu bleiben.
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III.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 2 GWB
liegen nicht vor. Der Senat hat die Kostenentscheidung auf der Grundlage der
höchstrichterlichen Rechtsprechung getroffen.
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Dr. J. Kühnen Breiler Dieck-Bogatzke
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Rechtsmittelbelehrung:
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Die Entscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten
Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die
Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht
(Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen.
Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem
Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der
Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
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Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde
gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim
Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden
Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung
dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des
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Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und
ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann
nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und –begründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.