Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.02.2005

OLG Düsseldorf: bargeld, paket, treu und glauben, firma, gegen nachnahme, anweisung, beförderung, inhaber, haus, mitverschulden

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 145/04
Datum:
02.02.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 145/04
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. April 2004
verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Düsseldorf (31 O 69/03) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheits-
Leistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreck-
baren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von
ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterhebung von
Nachnahme in sechs Fällen in Anspruch.
2
Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit Telekommunikationsmitteln.
3
Im Zeitraum vom 13. bis zum 20. August 2002 bestellte eine Firma C. K. in A., Inhaber
M. R. , vier Mal Mobiltelefone. Da die Klägerin zuvor zu dieser Firma keine
Geschäftsbeziehung hatte, wollte sie diese bestellten Waren nur gegen Nachnahme in
bar ausliefern.
4
Am 14. August 2002 versah die Klägerin ein für die Firma C. K. bestimmtes Paket mit
einem von der Beklagten gestellten vorgedruckten Nachnahmeaufkleber.
5
Auf diesen Aufklebern ist auf der linken Seite folgender Hinweis aufgedruckt:
6
"Bitte alle Felder auf dem Aufkleber ausfüllen. Nachnahmebetrag in beiden Feldern
einsetzen. Falls der U.-Zusteller bevollmächtigt ist, auf das Risiko des Absenders den V-
Scheck eines Empfängers anzunehmen, kreuzen Sie bitte das Feld V-Scheck an,
andernfalls das Feld Bargeld oder Euroscheck(s)."
7
Gemäß dieser Anweisung kreuzte die Klägerin das Feld "Bargeld" an und trug einen
Nachnahmebetrag in Höhe von 10.500,31 € ein. Danach übergab sie der Beklagten das
Paket zur Beförderung.
8
Einen Tag später, am 15. August 2002, übergab die Klägerin der Beklagten ein weiteres
mit einem Nachnahmeaufkleber versehenes, für die Firma C. K. bestimmtes Paket zur
Beförderung. Auch bei diesem Aufkleber war das Feld "Bargeld" angekreuzt; der
Nachnahmebetrag belief sich auf 10.195,04 €.
9
Am 19. August 2002 übergab die Klägerin der Beklagten das dritte für die Firma C. K.
bestimmte, mit einem Nachnahmeaufkleber versehene Paket. Die Klägerin hatte
wiederum das Feld "Bargeld" angekreuzt; als Nachnahmebetrag waren 11.104,81 €
eingetragen.
10
Am 20. August 2002 brachte die Klägerin das letzte für die Firma C. K. bestimmte Paket
auf den Weg. Der im Nachnahmeaufkleber eingetragene Nachnahmebetrag belief sich
auf 11.755,71 €; die Klägerin hatte wiederum das Feld "Bargeld" angekreuzt.
11
Diese vier Pakete händigte der Zustellfahrer der Beklagten der Empfängerin am 14., 16.,
20. und 21 August 2002 ausweislich der Übergabequittung im "Geschäft" aus. Eine
Nachnahme in bar zog er im Gegenzug nicht ein. Nach Darstellung der Klägerin
vereinnahmte der Zustellfahrer für ein Paket einen Verrechnungsscheck; nach
Behauptung der Beklagten wurde ihrem Zustellfahrer für jedes Paket ein
Verrechungsscheck übergeben. Jedenfalls waren der Scheck beziehungsweise die
Schecks wertlos. Das Konto, auf das dieser Verrechnungsscheck beziehungsweise
diese Verrechungsschecks ausgestellt waren, existiert nicht. Im Haus auf der B.straße in
A. war im August 2002 auch kein Gewerbebetrieb ansässig. Dieses Haus stand
seinerzeit vielmehr leer.
12
Mit Schreiben vom 26. September 2002 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin
eine Schadensregulierung unter Hinweis auf Ziffer 8.1 und 8.6 ihrer
Beförderungsbedingungen Stand Februar 2002 ab.
13
Ziffer 8.1. dieser Beförderungsbedingungen hat folgenden Wortlaut:
14
"Einziehung von Nachnahmebeträgen in bar: Wird U. in dem Frachtbrief in korrekter und
eindeutiger Weise angewiesen, ausschließlich Bargeld anzunehmen, wird U. den
Nachnahmebetrag in bar in der Währung des Bestimmungslandes einziehen. Bei
Bareinzug von Nachnahmebeträgen beläuft sich der maximal einziehbare
Nachnahmebetrag pro Empfänger und Tag auf den Gegenwert von USD 5.000 in der
jeweiligen Landeswährung….
15
Gibt der Versender einen Betrag an, der über die vorstehenden Höchstbeträge
hinausgeht, ist U. automatisch berechtigt, Schecks anzunehmen."
16
Am 14. April 2003 übergab die Klägerin der Beklagten ein weiteres mit einem
Nachnahmeaufkleber versehenes Paket zur Beförderung, das für Herrn A. Y., Inhaber
der Firma B. in A. bestimmt war. Auch bei diesem Paket kreuzte die Klägerin auf dem
Aufkleber die Rubrik "Bargeld" an und trug einen Nachnahmebetrag in Höhe von
4.930,56 € ein.
17
Am 17. April 2003 versuchte der Zustellfahrer, dieses Paket zuzustellen. Herr Y. erklärte
jedoch, den Nachnahmebetrag nicht zahlen zu können, woraufhin der Zustellfahrer das
Paket wieder mitnahm.
18
Am gleichen Tag übergab die Klägerin der Beklagten ein weiteres für Herrn Y.
bestimmtes Paket zur Beförderung. Auf dem Nachnahmeaufkleber dieses Pakets war
wiederum die Rubrik "Bargeld" angekreuzt; der Nachnahmebetrag belief sich auf
4.823,63 €.
19
Als der Zustellfahrer der Beklagten am 22. April 2003 mit beiden Paketen bei Herrn Y.
erschien, weigerte sich Herr Y. die Nachnahme in bar zu entrichten. Stattdessen legte er
dem Fahrer ein auf den 17. April 2003 datiertes Schreiben (Anlage K9, Bl. 85 GA) vor,
das nach seinem äußeren Erscheinungsbild den Eindruck erweckt, als stamme es von
der Klägerin. Dieses Scheiben hat folgenden Inhalt:
20
"Sehr geehrter Zusteller,
21
hiermit ermächtigen wir Sie, die durch uns aufgegebenen Sendungen vom 14.04.2003
und vom 17.04.2003 an die Firma B. in A., geführt durch Herrn Y., per
Verrechungsscheck auszuhändigen. Leider wurden die Sendungen mit falschen
Versandoptionen verschickt, so das Sie die Information Bar-Nachnahme haben. Wir
bitten um entschuldigung für diesen fehler und den Umständen die Sie hierdurch haben.
Danke im voraus für ihre mithilfe."
22
Dieses Schreiben trägt den Namenszug "D. S." als Unterschrift; eine Frau dieses
Namens ist tatsächlich bei der Klägerin beschäftigt.
23
Der Zustellfahrer übergab Herrn Y. daraufhin die beiden Pakete und erhielt im
Gegenzug einen Verrechnungsscheck. Diesen wies die Klägerin als nicht vereinbarte
Form der Nachnahme zurück und sandte den Scheck an die Beklagte zurück.
24
Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund des Inhalts der Nachnahmeaufkleber sei die
Beklagte trotz Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen verpflichtet gewesen, die
eingetragenen Nachnahmebeträge in bar einzuziehen. Jedenfalls sei Ziffer 8.1. der
Beförderungsbedingungen gemäß §§ 305c Abs. 1 und 307 BGB unwirksam.
25
Die Klägerin hat behauptet:
26
In den vier für die Firma C. K. bestimmten Paketen hätten sich Mobiltelefone befunden;
diese hätten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einen Handelswert in Höhe von
37.548,16 € gehabt.
27
In den beiden an Herrn Y. ausgelieferten Paketen seien ebenfalls Mobiltelefone
gewesen; diese hätten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einen Handelswert in Höhe
28
von 8.408,78 € gehabt. Der bei der Ablieferung ausgehändigte Verrechnungsscheck sei
nicht gedeckt gewesen.
Das von Herrn Y. vorgelegte Schreiben vom 17. April 2003 sei eine Fälschung. Dieses
Schreiben sei nicht auf einem von ihr verwendeten Briefpapier gefertigt; die Unterschrift
der Frau S. sei gefälscht.
29
Herr Y. sei auf der Flucht vor der Polizei; deswegen sei es nicht möglich, ihn auf
Zahlung des Kaufpreises in Anspruch zu nehmen.
30
Die Klägerin hat beantragt,
31
1.
32
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 37.548,16 € nebst 5
33
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2003 Zug
34
Um Zug gegen die Abtretung ihrer, der Klägerin, Ansprüche gegen
35
Herrn M. R., Inhaber der Firma C. K. aus
36
der Lieferung von 31 Mobiltelefonen gemäß Rechnung vom 15.08.2002
37
(Rechnungs-Nr.: 285566), aus der Lieferung von 23 Mobilfunktelefonen
38
gemäß Rechnung vom 15.08.2002 (Rechnungs-Nr.: 285936), aus der
39
Lieferung von 25 Mobilfunktelefonen gemäß Rechnung vom 14.08.2002
40
(Rechnungs-Nr.: 287336), aus der Lieferung von 26 Mobilfunktelefonen
41
gemäß Rechnung vom 14.08.2002 (Rechnungs-Nr. 287336), aus der
42
Lieferung von 26 Mobilfunktelefonen gemäß Rechnung vom 20. August
43
2002 (Rechnungs-Nr.: 287589) zu zahlen.
44
2.
45
Die Beklagte des Weitern zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 8.408,78 €
46
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
47
dem 30.10.2003 Zug um Zug gegen die Abtretung der Ansprüche der
48
Klägerin gegen Herrn A. Y., Inhaber der Firma B.
49
aus der Lieferung von 14 Mobilfunktelefonen gemäß Rechnung
50
vom 14.04.2003 (Rechnungs-Nr.: 340566) sowie aus der Lieferung von
51
10 Mobilfunktelefonen gemäß Rechnung vom 17.04.2003 (Rechnungs-Nr.:
52
341546) zu zahlen.
53
Die Beklagte hat beantragt,
54
die Klage abzuweisen.
55
Die Beklagte ist der Auffassung, aufgrund ihrer Beförderungsbedingungen sei sie
berechtigt gewesen, die für C. K. bestimmten Pakete gegen Übergabe von
Verrechnungsschecks auszuliefern. Für die für Herrn Y. bestimmten Pakete gelte das
gleiche, da die Nachnahmebeträge nach dem Mitte April 2003 gültigen
Dollarumrechnungskurs ebenfalls über 5.000,- $ gelegen hätten.
56
Zumindest müsse sich die Klägerin hinsichtlich der von Y. in Empfang genommenen
Pakete ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil der Klägerin aufgrund ihres, der
Beklagten, Schreiben vom 26. September 2002 bekannt gewesen sei, dass sie bei
Nachnahmebeträgen über 5.000,- $ Pakete gegen Übergabe von Verrechnungsschecks
ausliefere.
57
Die Beklagte hat behauptet:
58
Das von Herrn Y. präsentierte Schreiben vom 17. April 2003 stamme aus dem Haus der
Klägerin. Zumindest habe die Klägerin einen ihr zurechenbaren Rechtsschein dahin
gesetzt, dass das Schreiben von ihr stamme. Denn das Schreiben sei auf dem
Briefpapier der Klägerin verfasst worden. Mithin handele es sich bei diesem Schreiben
um eine nachträgliche Weisung der Klägerin. Jedenfalls hätte ihr Zustellfahrer auch bei
Anwendung der äußerst zumutbaren Sorgfalt die Unwirksamkeit dieser Anweisung nicht
erkennen können.
59
Im Übrigen könne die Klägerin Herrn Y. auf Zahlung des Kaufpreises oder auf
Rückgabe der Warensendungen in Anspruch nehmen.
60
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der
Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
61
Die Beklagte vertieft ihre Rechtsauffassung, wonach sie aufgrund Ziffer 8.1 ihrer
Beförderungsbedingungen nur verpflichtet gewesen sei, Verrechnungsschecks in Höhe
der Nachnahmebeträge einzuziehen. Sie wiederholt den Vorwurf des Mitverschuldens
der Klägerin hinsichtlich der beiden an Y. ausgelieferten Pakete.
62
Sie behauptet weiterhin, das Schreiben vom 17.4.2003 sei auf einem Briefkopf der
Klägerin erstellt und von der Mitarbeiterin der Klägerin S. unterschrieben.
63
Ferner beanstandet die Klägerin, dass das Landgericht nicht beachtet habe, dass sie
Inhalt und Wert der Sendungen bestritten habe.
64
Schließlich wendet die Beklagte ein, die Klägerin habe sich nicht hinreichend bemüht,
ihre Kaufpreisansprüche gegen R. und Y. durchzusetzen.
65
Die Beklagte beantragt,
66
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die
67
Klage abzuweisen.
68
Die Klägerin beantragt,
69
die Berufung zurückzuweisen.
70
Die Klägerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und macht sich den Inhalt
des landgerichtlichen Urteils zu eigen. Ergänzend trägt sie vor, sie habe ein
Inkassobüro mit der Beitreibung ihrer Kaufpreisansprüche gegen R. und Y. beauftragt.
Dem Inkassobüro sei es indessen nicht gelungen, den Aufenthaltsort dieser Personen
zu ermitteln.
71
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen
Urteils verwiesen.
72
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
73
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache erfolglos. Das Landgericht hat
der Klägerin zu Recht die von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus §
422 Abs. 3 HGB zuerkannt. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine
vom landgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung.
74
A.
75
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in allen
Beförderungsfällen verpflichtet war, bei Ablieferung den jeweils eingetragenen
Nachnahmebetrag in bar zu kassieren.
76
Aus dem Wortlaut der Erläuterungen zum Ausfüllen des Aufklebervordruckes ergibt sich
eindeutig, dass ein Kreuz in der Rubrik "Bargeld" klar und unmissverständlich bedeutet,
dass der Absender den Zusteller nicht bevollmächtigt hat, für den Absender einen
Verrechungsscheck anzunehmen.
77
Sieht man in dem Nachnahmeauftrag "Bargeld" eine individuelle Weisung des
Absenders, lautet diese daher eindeutig dahin, dass der eingetragene
Nachnahmebetrag in bar zu kassieren ist. Damit ist der Versandauftrag mit diesem Inhalt
zustande gekommen.
78
Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen der Beklagten vermag diese individuell erteilte
Anweisung nicht dahin umzudeuten, dass statt Bargeld doch nur ein
Verrechnungsscheck eingezogen werden kann, weil der Nachnahmebetrag über 5.000.-
$ liegt. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz, dass Individualvereinbarungen dem Inhalt
allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgehen, soweit diese der Individualvereinbarung
widersprechen, § 305b BGB.
79
Sieht man in dem Nachnahmeauftrag "Bargeld" ebenfalls eine allgemeine
80
Geschäftsbedingung der Beklagten, weil sie durch ihre Erläuterungen auf dem
Aufkleber dieser Willenserklärung der Klägerin den eingangs dargelegten eindeutigen
Sinn gegeben hat, dann widerspricht diese Allgemeine Geschäftsbedingung auf dem
Aufkleber Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen, sobald der Nachnahmebetrag – wie
hier – über 5.000,- $ liegt. Dann ist ein Fall einander widersprechender allgemeiner
Geschäftsbedingungen gegeben, so dass zugunsten der Klägerin der Grundsatz
anzuwenden ist, dass Unklarheiten zu Lasten des Verwenders gehen, § 305c Abs. 2
BGB. Mithin bleibt es auch in diesem Fall dabei, dass die Beklagte verpflichtet gewesen
ist, Bargeld einzuziehen.
Auf die Frage, ob Ziffer 8.1. der Beförderungsbedingungen unwirksam ist, soweit sie
einen auf Bargeldeinzug gerichteten Nachnahmeauftrag in einen Auftrag auf Einziehung
eines Verrechungsschecks umdeutet, kommt es mithin nicht an.
81
Der Senat teilt allerdings auch die Auffassung des Landgerichts, dass diese
Bestimmung die Kunden der Beklagten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligt, so dass sich die Unwirksamkeit dieser AGB-Klausel auch
aus § 307 BGB ergibt. Ein Kunde, der einen Nachnahmeauftrag mit der Anweisung,
Bargeld einzuziehen, erteilt, hat unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er die
Warensendung keinesfalls aus der Hand geben will, wenn er nicht im Gegenzug den
Kaufpreis erhält. Er hat daher gerade kein Interesse daran, lediglich einen
Verrechungsscheck zu erhalten. Ein Verrechungsscheck hat – im Gegensatz zu Bargeld
– nur dann einen Wert, wenn der Scheck auch gedeckt ist. Ob der Scheck gedeckt ist,
kann aber bei Empfangnahme des Schecks nicht überprüft werden. Wird die
Warensendung daher gegen Übergabe eines Verrechungsschecks ausgehändigt, gibt
der Versender somit die Warensendung entgegen seinem mit der Bargeldnachnahme
erklärten Willen aus der Hand, bevor die Bezahlung des Kaufpreises gesichert ist.
82
Für die Umdeutung des Nachnahmeauftrages "Bargeld" in einen Nachnahmeauftrag
"Verrechungsscheck" bei Nachnahmebeträgen über 5.000,- $ gibt es auch kein
legitimes Interesse der Beklagten. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass
sie ein Interesse daran hat, dass ihre Zustellfahrer nicht mit sehr großen Summen
Bargeldes unterwegs sind. Um dieses Ziel zu erreichen, würde es jedoch genügen,
wenn die Beklagte einfach keine Nachnahmeaufträge annehmen würde, wenn der
Nachnahmebetrag 5.000,- $ überschreitet. Demgegenüber besteht kein
anerkennenswertes schützenswertes Interesse der Beklagten daran, einen auf den
Einzug von Bargeld gerichteten Nachnahmeauftrag in einen Nachnahmeauftrag
gerichtet auf Einzug eines Verrechungsschecks umdeuten zu dürfen.
83
B.
84
In den beiden Schadensfällen "Y." mag im Ausgangspunkt die Auffassung der
Beklagten zutreffen, wonach die Klägerin sich als Mitverschulden entgegen halten
lassen muss, dass sie einen Bareinzugsauftrag über 5.000,- $ in Kenntnis des
Umstandes erteilt hat, dass der Geschäftsbetrieb der Beklagten darauf ausgerichtet ist,
derartige Aufträge als Nachnahmeauftrag gerichtet auf Einzug eines
Verrechungsschecks auszuführen.
85
Im vorliegenden Fall steht jedoch fest, dass dieser Umstand nicht kausal für den
eingetretenen Schaden geworden ist. Denn der Zustellfahrer hat nicht gemäß der
Geschäftsgepflogenheit der Beklagten von Y. nur einen Verrechungsscheck gefordert.
86
Vielmehr war er gewillt, die Pakete nur gegen Zahlung von Bargeld abzuliefern, was
bereits der Umstand belegt, dass er das erste Paket nicht zugestellt hat, nachdem Y.
nicht bereit beziehungsweise in der Lage war, den Nachnahmebetrag in bar zu
entrichten.
Dass er sich bei der zweiten Zustellung mit einem Verrechnungsscheck zufrieden
gegeben hat, beruht allein darauf, dass er wegen des ihm präsentierten Schreibens vom
17. April 2003 geglaubt hat, die Klägerin habe ihren Nachnahmeauftrag dahin
abgeändert, dass nur ein Verrechnungsscheck eingezogen werden solle.
87
Da die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, aus der
sich ergibt, dass es sich bei dem Schreiben vom 17. April 2003 tatsächlich um eine von
der Klägerin erteilten Anweisung gehandelt hat, muss der Senat davon ausgehen, dass
die Klägerin ihre Anweisung, eine Barnachnahme zu erheben, nicht nachträglich
abgeändert hat.
88
Ob die Befolgung der Anweisung aus dem Schreiben vom 17. April 2003 die Beklagte
haftungsrechtlich entlasten würde, wenn der Zustellfahrer auch bei Anwendung
äußerster Sorgfalt nicht hätte erkennen können, dass dieses Schreiben nicht von der
Klägerin verfasst worden ist, kann dahinstehen, weil er die äußerst ihm mögliche
Sorgfalt nicht hat walten lassen.
89
Bereits aus dem Umstand, dass Y. beim ersten Zustellversuch nicht in der Lage war, die
Nachnahme zu zahlen, hätte den Fahrer misstrauisch machen müssen, ob die Klägerin
tatsächlich ihren Auftrag abgeändert hat. Wenn die Klägerin ihre erteilte Weisung
tatsächlich abgeändert hätte, hätte sie dies nicht durch eine Erklärung gegenüber ihm,
dem Zustellfahrer, getan, sondern gegenüber der Geschäftsführung der Beklagten.
Mithin hätte der Zustellfahrer auch aus dem Umstand, dass die Änderung der Weisung
im besagten Schreiben ihm gegenüber erklärt wurde, stutzig werden müssen. Bei dieser
Sachlage hätte jeder sorgfältig arbeitende Zusteller bei der Klägerin Rückfrage
gehalten, ob das ihm vorgelegte Schreiben tatsächlich von der Klägerin stammt.
Stattdessen hat er trotz deutlichster Hinweise darauf, dass mit diesem Schreiben etwas
nicht stimmen könnte, einfach darauf vertraut, dass das Schreiben tatsächlich ein an ihn
gerichtetes Schreiben der Klägerin ist. Dieses gleichsam blinde Vertrauen rechtfertigt
nach Auffassung des Senats sogar den Vorwurf der Leichtfertigkeit.
90
C.
91
Die Gesamtumstände des Falles zwingen zu dem Schluss, dass sowohl der Besteller R.
als auch der Besteller Y. Betrüger sind, die es darauf angelegt hatten, die hier in Rede
stehenden Warensendungen der Klägerin zu erhalten, ohne sie zu bezahlen. Die
Beklagte hat keine konkreten Möglichkeiten aufgezeigt, dass die Klägerin mit Aussicht
auf Erfolg einen Weg einschlagen könnte, von diesen Betrügern den Kaufpreis doch
noch zu erhalten. Mithin ist es der Klägerin nicht als Mitverschulden anzulasten, dass
sie keine hinreichenden Anstrengungen unternommen hat, ihre Kaufpreisansprüche zu
realisieren.
92
D.
93
Hätte die Beklagte sich an den erteilten Nachnahmeauftrag gehalten, wären die Pakete
nicht ausgeliefert worden, sondern wären an die Klägerin zurückgelangt. Mithin ist die
94
Pflichtverletzung der Beklagten kausal dafür, dass die Klägerin den Besitz an den
Waren verloren hat.
Da diese Waren den in den Rechnungen ausgewiesenen Handelswert hatten (§ 429
Abs. 3 Satz 2 HGB), muss die Beklagte die Klägerin in Höhe der Nettokaufpreise
entschädigen.
95
Es steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die Pakete die in den
Rechnungen aufgelisteten Waren enthielten. Denn hierfür streitet im vorliegenden Fall
ein Beweis des ersten Anscheins.
96
Der Senat vertritt in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des
BGH die Auffassung, dass im kaufmännischen Verkehr Rechnung und Lieferschein
einen Anscheinsbeweis dafür begründen, dass die in diesen Dokumenten
ausgewiesenen Waren sich in den zur Beförderung übergebenen Paketen befunden
haben.
97
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar keine Lieferscheine vorgelegt, jedoch haben
die von ihr vorgelegten und von jeweils einem ihrer Mitarbeiter abgezeichneten
Packlisten entgegen der Auffassung der Beklagten denselben indiziellen Beweiswert
wie Lieferscheine. Im kaufmännischen Verkehr erbringt der Lieferschein indiziell Beweis
dafür, dass die in ihm (und in der korrespondierenden Rechnung) aufgeführten Waren
tatsächlich die Versandabteilung des Verkäufers durchlaufen haben. Denselben
indiziellen Beweis erbringen auch die abgezeichneten Packlisten. Aus den in den
Packlisten ausgewiesenen Kunden- und Auftragsnummern ist eindeutig zu erkennen,
dass sie den jeweiligen Rechnungen zuordnen sind, in denen ebenfalls diese Nummern
ausgewiesen sind. Die Abzeichnung der Packlisten lässt eindeutig erkennen, dass die
Warensendung tatsächlich die Versandabteilung der Klägerin durchlaufen hat.
98
E.
99
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
100
Ein Anlass, zugunsten der Beklagten die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs.
2 ZPO.
101
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 45.956,94 €.
102