Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.09.2009

OLG Düsseldorf (höhe, miete, treu und glauben, anspruch auf rechtliches gehör, betrag, nebenkosten, zahlung, mietvertrag, minderung, abweisung der klage)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 U 5/09
Datum:
24.09.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-5 U 5/09
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte – unter teilweiser Ab-
änderung des am 13.11.2008 verkündeten Urteil der 17. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf - Az: 17 O 287/08 - in Verbindung mit dem
Ergänzungsurteil vom 26.01.2009 – verurteilt, über die der Kläge-rin
bereits durch das angefochtene Urteil zugesprochenen Ansprüche
weitere 15.032,81 € zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Be-
klagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin zu 12 %
und die Beklagte zu 88 %
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Die den Streithelfern in beiden Instanzen entstandenen
außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht
die Klägerin bzw. die Streithelfer zuvor Sicherheitsleistung in sel-ber
Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Gewerbemietverhältnis. Die Klägerin
ist Eigentümerin eines Grundstückes in der P…straße in W…. Die damals noch in
Gründung befindliche Beklagte mietete mit Mietvertrag vom 28.06.2003, ergänzt durch
die Vereinbarung vom 07.08.2003, die dortige Hallenfläche zum Betrieb eines
Kinderfreizeitparks. Die monatliche Miete für die von der Beklagten angemietete Halle
1
betrug 12.830,00 € netto zuzüglich einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung von
1.200,00 € netto. Des Weiteren enthält der Mietvertrag unter § 5 eine an den Preisindex
des Statistischen Bundesamtes gekoppelte Wertsicherungsklausel, wegen deren
Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Ablichtung des Mietvertrages verwiesen
wird.
Weiter heißt es in § 3 des Mietvertrages:
2
"3.3
3
Die Mieterin leistet bei Abschluss dieses Vertrages eine unverzinsliche Kaution in
Höhe von 100.000,00 EURO incl. Mehrwertsteuer als Mietsicherheit.
4
(…)
5
An Stelle einer Barkaution ist die Mieterin berechtigt, eine selbstschuldnerische
Bürgschaft von einer in Deutschland ansässigen Großbank oder eines öffentlich-
rechtlichen Geldinstituts, in der sich der bürge verpflichtet, auf erste Anforderung zu
zahlen, zu stellen.
6
Die Vermieterin ist berechtigt, sich aus der Kaution wegen ihrer Ansprüche
aufgrund dieses Betrages zu befriedigen, wenn die Mieterin ihren Verpflichtungen
nicht, unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt.
7
(…)
8
Im Übrigen ist die Bürgschaft, sollte sie von der Vermieterin während der Mietzeit in
Anspruch genommen werden, von der Mieterin unverzüglich wieder auf den
ursprünglichen Betrag aufzufüllen.
9
(…)
10
3.4
11
Die Mieterin darf gegenüber dem Mietzins oder sonstigen Forderungen der
Vermieterin aus diesem Vertrag weder ein Minderungs- oder
Zurückbehaltungsrecht ausüben, noch mit einer unbestrittenen oder nicht
rechtskräftig festgestellten Gegenforderung aufrechnen."
12
Die Beklagte stellte der Klägerin bei der V… M… und der S… W… zwei
Mietbürgschaften über einen Gesamtbetrag von 100.000,00 €.
13
Ab Anfang 2007 zahlte die Beklagte die Miete nur noch teilweise oder gar nicht,
wodurch es zu offenen Mietforderungen der Klägerin in Höhe von 84.334,32 € kam.
Wegen dieser Forderungen nahm die Klägerin Zugriff auf die Mietbürgschaften.
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Unter dem 05.07.2007 und dem 01.08.2007 forderte die Klägerin die Beklagte auf, in
Höhe der Inanspruchnahme eine neue Bürgschaft zu stellen.
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Wegen der Zusammensetzung dieser Forderung in Höhe von 84.334,32 € wird auf die
Klageschrift sowie auf die diesbezüglichen Angaben im Tatbestand des
16
landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
In den Monaten September 2007 bis Januar 2008 zahlte die Beklagte die Miete
ebenfalls nur unvollständig, sodass es zu Rückständen mit der Bruttomiete in Höhe von
insgesamt 32.631,27 € kam.
17
Die Klägerin hat behauptet, mit Schreiben vom 27.06.2008 habe sie das Mietverhältnis
fristlos unter Hinweis auf einen Zahlungsrückstand der Beklagten in Höhe von
71.078,71 € mit den Miet- und Nebenkostenzahlungen gegenüber dem ehemaligen
Geschäftsführer der Beklagten, Herrn W…, gekündigt. Dieses Schreiben sei am
17.07.2008 zudem einer Mitarbeiterin der Beklagten übergeben worden.
18
Die Klägerin hat vor dem Landgericht die Verurteilung der Beklagten zur Auffüllung der
gezogenen Bankbürgschaft, Zahlung rückständiger Mieten und Räumung des
Mietobjekts begehrt. Sie hat zuletzt beantragt,
19
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer in
Deutschland ansässigen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Geldinstituts
über einen Bürgschaftsbetrag in Höhe von 84.334,32 € zu stellen, in der der Bürge
sich verpflichtet, auf erste Anforderung zu zahlen.
20
21
Hilfsweise zum Antrag zu 1. beantragte der Klägerin,
22
festzustellen, dass ihr in Höhe der Bürgschaftsinanspruchnahme von
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84.334,32 € fällige Ansprüche aus dem Mietvertrag in Verbindung mit der
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Vereinbarung vom 07.08.2003 gegen die Beklagte zustanden, die sich wie
25
folgt zusammensetzen:
26
Miete Januar 2007 231,78 €
27
Miete Februar 2007 231,78 €
28
Miete März 2007 5.307,41 €
29
Miete April 2007 5.307,41 €
30
Miete Mai 2007 17.149,77 €
31
Miete Juni 2007 17.149,77 €
32
Miete Juli 2007 17.149,77 €
33
Rechnung BLP 2007 12.950,31 €
34
Nebenkostenpauschale
35
Januar 2007 917,50 €
36
Februar 2007 917,50 €
37
März 2007 917,50 €
38
April 2007 917,50 €
39
Mai 2007 917,50 €
40
Juni 2007 1.750,00 €
41
Juli 2007 1.750,00 €
42
Zinsen auf vorstehende Beträge 767,82 €
43
Hilfsweise zu dem Hilfsantrag hat sie beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 84.334,32 € nebst Zinsen von 83.566,50 €
45
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2007
46
zu zahlen.
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Weiter hat die Klägerin beantragt,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 32.631,27 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem
Basiszinssatz von 5.716,60 € seit dem 05.09.2007, von jeweils 8.574,89 € seit
dem 05.10.2007, 05.11.2007 und 05.12.2007 und von 6.000,00 € seit dem
05.01.2008 zu zahlen,
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50
3. die Beklagte zu verurteilen, das von ihr angemietete Mietobjekt P…straße
bestehend aus einer ca. 200 qm Büro-, Küchen- und Sanitärfläche sowie einer ca.
4.000 qm großen Außen- und Freifläche, gelegen im Grundbuch des Amtsgerichts
W…, Grundbuch von N…, Blatt 04378, Flurstück 147, 1.209 qm groß, Flurstück
146, 5.163 qm groß, und Flurstück 132, 53 qm groß, zu räumen und an sie
herauszugeben.
51
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und widerklagend beantragt,
53
die Klägerin zu verurteilen, an sie 78.726,30 € nebst 5 Prozent Zinsen über
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dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
55
Sie hat die Ansicht vertreten, die Wertsicherungsklausel sei unwirksam. Aus diesem
Grund stehe ihr ein Rückzahlungsanspruch wegen zu viel gezahlter Miete in Höhe von
15.573,42 € zu. Die weiter zurückgehaltenen Beträge und die Widerklageforderung hat
die Beklagte mit zahlreichen Mängeln begründet, die sie seit Anfang 2004 immer wieder
gegenüber der Klägerin gerügt habe. Sie ist der Ansicht gewesen, durch § 3.4 des
Mietvertrages sei ihr Minderungsrecht nicht schlechthin ausgeschlossen. Vielmehr
werde sie dadurch auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen. Wegen der Pflicht zur
alsbaldigen Rückgewähr verstoße deshalb auch eine Inanspruchnahme durch die
Klägerin gegen Treu und Glauben. Wegen der gerügten Mängel mache sie eine
Mietminderung in Höhe von 18.090,00 € geltend.
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Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, die Heizungsrohre seien nicht ausreichend
isoliert, weshalb es zu ständigen Energieverlusten komme. Diese hätten für die Jahre
2004 bis 2007 jeweils 6.680,64 € und für das begonnene Jahr 2008 bereits 3.340,32 €
betragen. Außerdem sei es aufgrund eines Mangels der Tür des Mietobjektes dazu
gekommen, dass diese Tür am 05.09.2007 herausgebrochen sei. Dabei sei ein Kind
verletzt worden, was zu einem erheblichen Imageschaden geführt habe. Insoweit sei der
Beklagten ein Schaden von 15.000,00 € entstanden.
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Die Klägerin ist der Widerklage entgegengetreten. Die von der Beklagten geltend
gemachten Forderungen seien nicht schlüssig dargetan. Soweit die Beklagte
Schadensersatz wegen Energieverlusten aus 2004 verlangt hat, hat sich die Klägerin
auf Verjährung berufen. Soweit die Beklagte Schadensersatz wegen einer beschädigten
Tür geltend gemacht hat, beruhe die Beschädigung der Tür auf einer vertragswidrigen
Nutzung der Tür als Ein- und Ausgangstür.
58
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht wie folgt befunden:
59
1. hat es die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft
einer in Deutschland ansässigen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen
Geldinstituts über einen Bürgschaftsbetrag in Höhe von 58.487,28 € zu stellen, in
der sich der Bürge verpflichtet, auf erste Anforderung zu zahlen. Im Übrigen hat die
Kammer den Antrag zu 1. ebenso wie den Hilfsantrag zum Antrag zu 1.
abgewiesen.
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61
Auf den Hilfsantrag zum Hilfsantrag zum Antrag zu 1. wurde die Beklagte verurteilt,
an die Klägerin 9.873,91 €
jeweiligen Basiszinssatz aus 231,78 € seit dem 03.01.2007, aus weiteren 231,78 €
seit dem 02.02.2007 und aus jeweils weiteren 1.882,07 € seit dem 05.03.2007,
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03.04.2007, 03.05.2007, 04.06.2007 und dem 06.07.2007 zu zahlen. Den
weitergehenden Hilfsantrag zum Hilfsantrag hat die Kammer abgewiesen.
2. Weiterhin hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 32.631,27 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 5.716,60 €
seit dem 05.09.2007, von jeweils 8.574,89 € seit dem 05.10.2007, 05.11.2007 und
dem 05.12.2007 und von 1.190,00 € seit dem 05.01.2008 zu zahlen.
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3. Außerdem hat es die Beklagte antragsgemäß zur Räumung der näher
bezeichneten Mieträumlichkeiten verurteilt.
65
66
4. Die Widerklage hat die Kammer abgewiesen.
67
68
Zur Begründung ihrer Entscheidung zum Klageantrag zu 1. hat die Kammer ausgeführt,
die Klägerin habe in Höhe von 58.487,28 € einen Anspruch auf Auffüllung der
Mietbürgschaft aus §§ 535, 240 BGB. Sie habe auf die Mietbürgschaften in dieser Höhe
zurückgreifen dürfen, da die Forderungen insoweit offensichtlich begründet gewesen
seien. Ursprünglich sei eine Miete von 15.267,70 € brutto vereinbart. Das Bestehen
dieser Forderung sei zwischen den Parteien unstreitig gewesen. Die Möglichkeit der
Minderung sei in dem Mietvertrag wirksam ausgeschlossen worden. Die dortige Klausel
sei aber dahingehend auszulegen, dass dem Mieter lediglich die Ausübung der
Minderung durch Abzug von der Miete verwehrt sei. Ihm stehe es dagegen offen, wegen
der Minderung einen Bereicherungsanspruch gegenüber dem Vermieter geltend zu
machen. Somit habe die Beklagte die Miete nicht einbehalten dürfen. Ob die
Geltendmachung der Mietforderungen durch die Klägerin angesichts eines möglichen
Bereicherungsanspruchs der Beklagten treuwidrig sei, könne dahinstehen, da die
Beklagte jedenfalls die Höhe einer etwaigen Minderung nicht substantiiert dargelegt
habe. Deswegen seien die Mietzinsforderungen in Höhe der ursprünglichen Miete von
15.267,70 € brutto als unstreitig zu behandeln. Hinsichtlich des Differenzbetrages
zwischen ursprünglicher und aufgrund der Wertsicherungsklausel erhöhter Miete sei
dagegen von streitigen Forderungen auszugehen. Zwar sei die Wertsicherungsklausel
nach § 4 der Preisklauselverordnung (PrKV) ohne Genehmigung wirksam. Die
Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel sei jedoch nicht offensichtlich, sodass die
Forderungen in der dadurch entstehenden Höhe nicht offensichtlich begründet seien
und somit nicht für den Kautionsauffüllungsanspruch berücksichtigt werden könnten. Die
Nebenkostennachforderung aus der Rechnung vom 08.05.2007 in Höhe von restlichen
12.950,31 € sei zwischen den Parteien ebenfalls streitig und damit nicht zu
69
berücksichtigen. Zudem sei von der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden, dass
die zu den Nebenkosten gehörenden Abwasserkosten nicht über die Nebenkosten
abgerechnet wurden. Hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlung habe die Klägerin die
Kaution nur in Höhe der ursprünglich vereinbarten 1.200,00 € netto/1.428,00 € brutto in
Anspruch nehmen dürfen. Nach § 4.4 des Mietvertrages könne der Vermieter den
Nebenkostenvorauszahlungsbeitrag nur schriftlich erhöhen. Die Klägerin habe eine
schriftliche Anzeige gegenüber der Beklagten aber gerade nicht vorgetragen, sodass
auch die über die ursprüngliche Nebenkostenvorauszahlung hinausgehende Forderung
streitig ist.
Der Gesamtbetrag von 58.487,28 €, wegen derer die Klägerin auf die Bürgschaft habe
zurückgreifen dürfen, hat das Landgericht wie folgt errechnet:
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Mieten 2007: unstreitige Höhe = 15.267,70 €
71
März und April jeweils 3.425,34 €, da jeweils 11.842,36 € gezahlt wurden
Mai bis Juni jeweils 15.267,70 €, da gar keine Miete gezahlt wurde
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73
Nebenkosten 2007: unstreitige Höhe = 1.428,00 €
74
Januar bis Mai jeweils 595,50 €, da jeweils 832,50 € gezahlt
Juni und Juli jeweils 1.428,00 €, da keine Zahlung erfolgt
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76
Den Hilfsantrag zum Antrag zu 1. hat die Kammer wegen der Subsidiarität der
Feststellungsklage für unzulässig gehalten.
77
Der Hilfsantrag zum Hilfsantrag sei dagegen in Höhe des Differenzbetrages zwischen
der wegen der wirksamen Wertsicherungsklausel eingetretenen Mieterhöhung auf
17.149,77 € und den tatsächlich gezahlten Beträgen in Höhe von 9.873,91 € begründet.
Dieser Betrag errechne sich wie folgt:
78
- Januar und Februar 2007 jeweils 231,78 €, insgesamt 463,56 €;
79
- März bis Juli jeweils 1.882,07 € als Differenz zwischen der ursprünglichen und der
erhöhten Miete, insgesamt 9.410,35 €. Die Abwasserforderung und die Forderung nach
weiteren – erhöhten - Nebenkostenvorauszahlungen hat die Kammer wegen fehlender
schlüssiger Sachdarstellung als unbegründet erachtet.
80
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2. hat die Kammer ausgeführt, der Klägerin stehe ein
Anspruch auf Zahlung der rückständigen Miete für September 2007 bis Januar 2008
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entsprechend ihrer Aufstellung in Höhe von 32.621,27 € zu, da die Beklagte die Miete
nach § 3.4 des Mietvertrages unberechtigt einbehalten habe.
Auch der Herausgabeanspruch aus § 546 BGB sei begründet. Die Klägerin habe das
Mietverhältnis durch Kündigung vom 27.06.2008 wirksam beendet. Unabhängig davon,
an welchen Geschäftsführer der Beklagten die Kündigung zu richten war, ergebe sich
aus dem Schreiben der Beklagten vom 17.07.2008, dass sie die Kündigung erhalten
habe. Wegen der wirksamen Befristung des Mietverhältnisses auf 10 Jahre sei nur eine
außerordentliche Kündigung nach § 543 möglich gewesen. Kündigungsgrund sei der
andauernde Zahlungsverzug der Beklagten nach § 543 Abs. 2 Nr. 3a und b) BGB
gewesen. Die Beklagte habe für die Monate Mai und Juni 2008 unstreitig keine Miete
gezahlt. Zudem übersteige der Betrag der Mietrückstände den Betrag von zwei
Monatsmieten bei weitem. Die Beklagte sei wegen § 3.4 des Mietvertrages nicht
berechtigt gewesen, die Miete zurückzuhalten. Eine vorherige Abmahnung sei nach §
543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen.
82
Die Widerklage hat die Kammer für unbegründet erachtet. Wegen der Wirksamkeit der
Wertsicherungsklausel stehe der Beklagten kein Rückforderungsanspruch wegen zu
viel gezahlter Miete zu. Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Energieverlustkosten
sei unschlüssig. Auch hinsichtlich der Mietminderung liege kein substantiierter Vortrag
der Beklagten vor. Schließlich sei die pauschale Bezifferung des Imageschadens auf
15.000,00 € ohne weitere Angaben zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs
nicht ausreichend.
83
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit den von ihnen selbständig
eingelegten Berufungen.
84
Die Beklagte begehrt unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung
die Abweisung der Klage, soweit sie verurteilt wurde und verfolgt ihren erstinstanzlichen
Widerklageantrag, gerichtet auf Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 78.726,30 €
nebst gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit weiter. Sie trägt im Wesentlichen wie
folgt vor:
85
Die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen zur Auffüllung der gezogenen
Mietbürgschaft seien entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht unstreitig oder
offensichtlich begründet gewesen. Dies gelte sowohl für die Mietzinsforderungen als
auch für die Nebenkostenvorauszahlungen. Wegen der vielfach gerügten Mängel, die
sie substantiiert dargelegt habe, habe sie einen Bereicherungsanspruch aus
Mietminderung gegen die Klägerin gehabt, so dass die Geltendmachung der
Mietzinsforderungen und Nebenkosten treuwidrig mache. Darauf sei das Landgericht
aber nicht eingegangen. Die Klägerin handele treuwidrig, wenn sie die Mängel trotz
ihres objektiven Bestehens und trotz erfolgter Rügen weiterhin bestreite.
86
Einen Anspruch auf Zahlung der Mietrückstände für September 2007 bis Januar 2008
habe die Klägerin ebenfalls wegen der von ihr – der Beklagten – dargelegten
Mietminderungen nicht. Aus denselben Gründen scheide auch ein Herausgabe-
anspruch der Klägerin hinsichtlich des Mietobjekts aus. Im Übrigen habe die Beklagte –
unstreitig - ihren Geschäftsbetrieb in dem in Rede stehenden Objekt zum 22.02.2009
beendet und das Mietobjekt an die Klägerin herausgegeben.
87
Die Abweisung der Widerklage durch das Landgericht sei rechtsfehlerhaft. Die
88
Wertsicherungsklausel sei unwirksam, so dass der Beklagten
Rückforderungsansprüche in Höhe der aufgrund der Wertsicherungsklausel zu viel
gezahlten Miete zustehen.
Auch stehe ihr der geltend gemachte Zahlungsanspruch hinsichtlich der
Energieverlustkosten zu. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe sie durch das
Gutachten des Sachverständigen S… substantiiert zur Entstehung der Kosten
vorgetragen. Die Beklagte meint, sie habe die Kosten unter Beweis gestellt, sodass das
Landgericht hätte Beweis erheben müssen. Im Übrigen habe sie die Mängel
substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt. Sie ist der Ansicht, eine
ausdrückliche Bezugnahme auf die diversen Schreiben an die Klägerin sei hierfür
ausreichend.
89
Gleiches gelte auch für den geltend gemachten Imageschaden.
90
Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung der Beklagten. Unter Wiederholung
und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie die land-gerichtliche
Entscheidung gegen die Angriffe der Beklagten.
91
Mit ihrer selbstständigen Berufung begehrt sie die Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung weiterer (also über die ihr durch das Landgericht bereits zugesprochenen
Ansprüche hinaus) 15.204,31 €, hilfsweise die Verurteilung der Beklagten, eine
selbstschuldnerische Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen Großbank oder eines
öffentlich-rechtlichen Geldinstituts über einen weiteren Bürgschaftsbetrag in Höhe von €
15.204,31 € zu stellen, in der sich der Bürge verpflichtet, auf erste Anforderung zu
zahlen. Zur Begründung trägt sie vor:
92
Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht die Forderung aus der Nebenkostenabrechnung
vom 08.05.2007 über restliche 12.950,31 € abgelehnt. Sie – die Klägerin - habe die
Beträge aus dem Grundbesitzabgabenbescheid der Stadt W… vom 01.02.2007 1:1 an
die Beklagte weitergegeben. In dem Bescheid seien die Zeiträume von 2004-2006
enthalten, die somit bei den Nebenkostenabrechnungen zu diesen Jahren nicht hätten
berücksichtigt werden können.
93
Im Hinblick auf die rückständigen, auf die Nebenkostenerhöhung entfallenden Beträge
in Höhe von insgesamt 2.254,00 € hätte das Landgericht darauf hinweisen müssen,
dass nach seiner Auffassung ihr diesbezüglicher Vortrag nicht ausreichend gewesen
sei. Ergänzend trägt die Klägerin – insoweit unbestritten - vor, mit Schreiben vom
08.05.2007 habe sie gegenüber der Beklagten die Erhöhung der
Nebenkostenpauschale auf 1.750,00 € angekündigt und begründet. Die Erhöhung
erkläre sich aus dem Ergebnis der Nebenkostenabrechnung für 2006 einschließlich der
Nachforderungen der Stadt W… in Höhe von insgesamt 27.950,31 €. Teile man den
Betrag durch 3, ergebe sich ein Mittelwert für ein Jahr in Höhe von 9.316,77 €. Daraus
lasse sich ein Monatswert von 776,39 € ermitteln, der die Erhöhung der Pauschale auf
1.750,00 € rechtfertige.
94
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
95
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien übereinstimmend
den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit die Beklagte zur Räumung und Herausgabe
der gemieteten Immobilie gemäß Ziffer 3. des Urteilstenors der landgerichtlichen
96
Entscheidung verurteilt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen
Feststellungen in Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils
und auf den Inhalt der zu den Akten gereichen Schriftsätze Bezug genommen.
97
B)
98
Die Berufung der Klägerin ist begründet (§ 513 ZPO), da die Klägerin Rechtsfehler im
Sinne des § 546 ZPO zu ihren Lasten aufgezeigt hat und die zu beachtenden Tatsachen
(§ 529 ZPO) eine vom Landgericht zu Gunsten der Klägerin abweichende Entscheidung
mit der rechtlichen Konsequenz rechtfertigen, mit der Folge, dass das landgerichtliche
Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer 15.032,81 € zu
verurteilen ist. Demgegenüber ist die Berufung der Beklagten unbegründet und deshalb
zurückzuweisen.
99
Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der eingelegten Rechtsmittel bestehen nicht.
100
I. Klageanträge
101
1. Klageantrag zu 1.
102
Hinsichtlich des Klageantrags zu 1. hat das Landgericht den im Hauptantrag geltend
gemachten Anspruch auf Wiederauffüllung der Bürgschaft in Höhe von 58.487,28 € für
begründet erachtet und die Beklagte zur Stellung einer entsprechenden Bürgschaft
verurteilt. Die in diesem Zusammenhang erfolgte teilweise Klageabweisung greift die
Klägerin (zunächst) nicht an, da sie hinsichtlich eines Betrages von 15.204,31 € auf das
reine Zahlungsbegehren gewechselt ist, und den ursprünglich als Hauptantrag geltend
gemachten Antrag auf Bürgschaftsauffüllung nur hilfsweise geltend macht
(Berufungsbegründung Klägerin Seite 3 = GA 406). Soweit sich die Beklagte mit ihrem
Rechtsmittel gegen ihre diesbezügliche Verurteilung wendet, dringt sie hiermit nicht
durch.
103
a)
104
Zutreffend ist der auch von der Beklagten nicht angegriffene Ansatz des Landgerichts,
dass sich der Anspruch der Klägerin auf Wiederauffüllung der zur Mietkaution
hingegebenen Bürgschaften bzw. Stellung einer solchen neuen Bürgschaft aus den §§
535, 240 BGB in Verbindung mit § 3.3 des Mietvertrages vom 28.06.2003 und der
Ergänzung vom 07.08.2003 herleiten lässt. Nach der mietvertraglichen Regelung unter
§ 3.3 hat die Beklagte als Mieterin die Bürgschaft, sollte sie von der Klägerin als
Vermieterin in Anspruch genommen werden, unverzüglich wieder auf den
ursprünglichen Betrag aufzufüllen. Nach allgemeiner Ansicht setzt jedoch ein solcher
Anspruch auf Wiederauffüllung der Kaution voraus, dass der Vermieter in berechtigter
Weise auf die Kaution zugegriffen hat. Nach 3.3 dritter Absatz des Mietvertrages soll die
Vermieterin berechtigt sein, sich aus der Kaution wegen ihrer Ansprüche aufgrund des
Mietvertrages zu befriedigen, wenn die Mieterin ihren Verpflichtungen nicht,
unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt. In Ermangelung konkreter Abreden
hierzu sind solche Kautionsabreden dahingehend auszulegen, dass sich der Vermieter
während des laufenden Mietverhältnisses zur Befriedigung mietvertraglicher
105
Forderungen nur dann aus der Kaution bedienen darf, wenn diese Forderungen
entweder rechtskräftig festgestellt oder unstreitig oder jedenfalls so offensichtlich
begründet sind, dass ein Bestreiten mutwillig erscheint (vgl. Blank in Schmidt-Futter,
Mietrecht, 9. Aufl. 2007, Rz. 92f m.w.N.). Diese Auslegung folgt aus dem rechtlichen
Charakter der Kaution, die anders als nach früherer Rechtsauffassung nicht mehr in das
Vermögen des Vermieters übergeht, sondern ihm nur treuhänderisch zur Verfügung
steht und der daraus folgenden Bewertung der schützenswerten Interessen beider
Parteien (vgl. Landgericht Mannheim, Urteil vom 20.03.1996, 4 S 123/95, NJWE-
Mietrecht 1996, 219f). Die Kaution soll der materiellen Absicherung des Vermieters
dienen, ihm aber gerade nicht die erleichterte Durchsetzung seiner Forderungen
ermöglichen (vgl. Blank in Schmidt-Futter, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, Rz. 92f m.w.N.).
Hieraus folgt, dass die Klägerin nur insoweit eine Auffüllung der Mietkaution im Sinne
des Klageantrages zu 1. verlangen kann, als die Forderungen, wegen derer sie die
Bürgschaften gezogen hatte, rechtskräftig festgestellt, unstreitig oder offensichtlich
begründet waren. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass nur in Höhe eines
Teilbetrages von 58.487,28 € die Forderungen der Klägerin offensichtlich begründet
sind. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang bestimmte Forderungsteile als
nicht offensichtlich begründet erachtet hat, wird dies – wie bereits erwähnt – von der
Klägerin nicht angegriffen. Demgegenüber meint die Beklagte mit ihrer Berufung, dass
weder die Mietzinsforderungen der Klägerin noch die Nebenkostenforderungen oder die
Zinsforderungen offensichtlich begründet oder unstreitig seien. Mit ihrem hierauf
zielenden Berufungsvorbringen (Seite 2ff ihrer Berufungsbegründung = Ga 377ff) kann
die Beklagte indessen nicht durchdringen.
106
aa)
107
Das Landgericht hat die reinen Mietzinsansprüche für die Zeit von März bis Juni 2007 in
Höhe von insgesamt 52.653,78 € als offensichtlich begründet bewertet, da sie von der
Beklagten nicht in rechtlich erheblichem Umfang in Streit gestellt wurden. Hierbei hat es
die unstreitige monatliche Miethöhe von 15.267,70 €, also den ursprünglich vereinbarten
Nettomietzins von 12.830 € + 19% MwSt ohne Berücksichtigung der Erhöhung durch die
Wertsicherungsklausel in Ansatz gebracht. Da die Beklagte für die Monate März und
April 2007 lediglich 11.842,36 € bezahlt hatte, in diesen Monaten jeweils 3.425,34 € auf
diesen Bruttomietzins in Rückstand war und in den Monaten Mai und Juli 2007 keinerlei
Mietzahlungen erbrachte, hat das Landgericht insoweit zutreffend eine offensichtlich
begründete Forderung auf Zahlung rückständiger Mietzinsen in Höhe von 52.653,78 €
ermittelt (UA 13).
108
Des Weiteren ist es mit Blick auf die Berufung der Beklagten nicht zu beanstanden, dass
die Kammer von offensichtlichen Nebenkostenvorauszahlungen für das Jahr 2007 in
Höhe von insgesamt 5.833,50 € ausgegangen ist. Hierbei hat das Landgericht den
unstreitigen und im Mietvertrag unter 4.4 festgelegten
Nebenkostenvorauszahlungsbetrag von 1.200,-- € netto = 1.428,-- € brutto
herangezogen. Die weitere Berechnung des Landgerichts des unstreitigen und damit
des offensichtlichen Gesamtbetrages der rückständigen Nebenkostenvorauszahlungen
in Höhe von 5.833,50 € wird von der Beklagten nicht beanstandet. Die Summe der –
unstreitigen und damit offensichtlich begründeten - rückständigen
Mietzinsverbindlichkeiten und der Nebenkostenvorauszahlungsschuld für den Zeitraum
von Januar – Juli 2007 beträgt
58.487,26 €.
109
bb)
110
Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die von ihr vorgebrachten Mängel wegen
entsprechender Mietzinsminderungen und diesbezüglicher Einbehalte meint, die
Voraussetzungen für die Annahme einer offensichtlich begründeten Forderung der
Klägerin seien nicht (mehr) gegeben, kann dies dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg
verhelfen.
111
Zu Recht hat das Landgericht mit näherer Begründung ausgeführt, dass bei der Frage,
ob und in welchem Umfang die Mietzinsforderungen der Klägerin offensichtlich
begründet sind, die mängelbegründeten Einbehalte der Beklagten und das
diesbezügliche Vorbringen der Beklagten keine Berücksichtigung finden können. Es hat
(UA 10 unten / 11 oben) darauf abgestellt, dass durch die Regelung in § 3.4 des
Mietvertrages das Mietminderungsrecht der Beklagten gemäß § 536 BGB ausdrücklich
ausgeschlossen wurde. Zweifel an der Wirksamkeit dieser klauselmäßig durch die
Klägerin in den Mietvertrag eingeführten Regelung bestehen, da es sich hier um einen
gewerblichen Mietvertrag und nicht um Wohnraummiete handelt, bei der eine das
Minderungsrecht ausschließende Regelung nach § 536 Abs. 4 BGB unwirksam ist, nicht
(vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.02.1998, 30 U 70/97, NJW-RR 1998, 1020f; OLG
Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2006, 10 U 159/05, NJOZ 2006, 2981f). Diese Klausel ist
aber, wie die Kammer des Landgerichts zutreffend ausgeführt hat, einschränkend
dahingehend auszulegen, dass dem Mieter nicht gänzlich das Minderungsrecht
genommen wird, sondern nur die Verwirklichung dieses Rechts zum Abzug von der
geschuldeten Miete verwehrt ist. Der Mieter wird insoweit auf einen eigenständigen
Bereicherungsanspruch gegen den Vermieter verwiesen. Hieraus folgt, dass der Mieter
zunächst die volle Miete zahlen muss und dann in Höhe des Minderungsbetrages die
zuviel gezahlte Miete vom Vermieter zurückverlangen kann (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.
mit einer Vielzahl von Nachweisen aus der Rechtsprechung). Das Landgericht hat
erwogen, ob diese das Minderungsrecht ausschließende Formularklausel
einschränkend in dem Sinne auszulegen ist, dass bei unstreitigen, entscheidungsreifen
oder rechtskräftig festgestellten Bereicherungsansprüchen des Mieters wegen
mängelbedingter Mietzinsüberzahlung eine Berufung des Vermieters auf diese
Minderungsausschlussklausel sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen
könnte. Dieser richtige Ansatz des Landgerichts hätte zur Folge, dass sich die Klägerin
gegenüber dem Einwand mängelbedingter Minderungen des (ansonsten offenbar
begründeten) Mietzinses nicht auf den Ausschluss des Minderungsrecht nach Ziffer 3.3
des Mietvertrages berufen dürfte, wenn der Minderungsanspruch unbestritten,
rechtskräftig entschieden oder entscheidungsreif wäre. Diese Voraussetzung für eine
Berücksichtigung der behaupteten Mängel(minderungen) hat das Landgericht
rechtsfehlerfrei verneint. In diesem Zusammenhang hat es zu Recht darauf abgestellt,
dass an dieser Stelle offen bleiben könne, ob die Voraussetzungen für eine Minderung
dem Grunde nach vorlägen, da die Höhe einer etwaigen Minderung auf der Grundlage
des unsubstantiierten Vortrages der Beklagten nicht bestimmt werden könne.
112
Rechtlich Erhebliches hiergegen bringt die Berufung nicht vor. Soweit sich die Beklagte
auf ein erstinstanzlich mit der Klageerwiderung vom 12.11.2007 zu den Akten
gereichtes "Schreiben" vom 19.02.2007 stützt, ist zum einen anzumerken, dass es sich
nicht um eine Mängelauflistung oder –rüge der Beklagten gegenüber der Klägerin
handelt, sondern ersichtlich nur um eine Aufstellung des seinerzeitigen
Geschäftsführers der Beklagten. Unabhängig hiervon bleibt es auch unter
Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten in der Berufungsbegründung bei
113
der richtigen Bewertung des Landgerichts, dass zumindest die Höhe einer etwaigen
Minderung wegen völlig fehlendem substanziellem Sachvortrag der Beklagten nicht
bestimmt ist und auch nicht bestimmbar ist. So bleibt bis zuletzt unklar, wegen welchen
Mangels, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe die Beklagte die Miete gemindert
hat bzw. mindern will. Diese Schlüssigkeits- bzw. Substantiierungsdefizite hat die
Beklagte auch nicht durch den Verweis auf die Aufstellung vom 19.02.2007
(Anlagenhefter) behoben. Weder das Landgericht noch der Senat sind gehalten,
fehlendes schriftsätzliches tatsächliches Vorbringen durch etwaige in dieser Anlage
enthaltene Tatsachen aufzufüllen. Grundsätzlich können Anlagen lediglich zur
Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrages dienen; sie können jedoch nicht das
schriftsätzliche Vorbringen ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2007, II ZR 111/05,
NJW 2008, 69, 70 Tz. 25; Beschluss vom 27.09.2001, V ZB 29/01, BeckRsS 2001
30208659; KG , Urteil vom 05.09.2005, 8 U 177/04, NJW-RR 2006, 301; OLG Rostock,
Beschluss vom 22.07.2005, 6 U 132/04, NJOZ 2005, 3389, 3390; OLG Düsseldorf, Urteil
vom 19.06.1998, 22 U 218/97, NJW-RR 1999, 1466, 1467). Etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus dem grundgesetzlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör nach
Art 103 GG. Dieses gebietet es nicht, dass der erkennende Richter sich die geltend
gemachte Forderung nach Grund und Höhe aus den zu Gericht gereichten Schriftsätzen
nebst Anlagen zusammensucht (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss
vom 30.06.1994, 1 BvR 2112/93, NJW 1994, 1683). Unabhängig davon ist der Inhalt der
Aufstellung auch nicht geeignet, die fehlende konkrete Darlegung der Umstände die das
Gericht befähigen würden, einen Minderungsbetrag zu ermitteln, zu ersetzen.
Nach alledem verbleibt es bei der unstreitigen und offensichtlich begründeten
Mietzinsforderung der Klägerin in Höhe der ursprünglich vereinbarten Bruttomiete
einschließlich der rückständigen Nebenkostenvorauszahlungen von 15.267,70 €, da die
auf die Minderung entfallenden Beträge nicht von der Miete abgezogen werden konnten.
114
cc)
115
Soweit das Landgericht die von der Klägerin geltend gemachte Mietzinsforderung in
Hinblick auf den Differenzbetrag zwischen der ursprünglichen und der aufgrund der
Wertsicherungsklausel erhöhten Miete als zwischen den Parteien streitig und damit
nicht als offensichtlich begründet im Sinne der oben dargelegten Grundsätze behandelt
hat (UA 11 untern/12 oben), wird dies von der Klägerin nicht beanstandet. Dasselbe gilt
hinsichtlich der mit Rechnung vom 08.05.2007 von der Klägerin geltend gemachten
Abwasserkostennachzahlung in Höhe restlicher 12.950,31 € (UA 12 Mitte) sowie in
Hinblick auf die Nebenkostenvorauszahlungen für das Jahr 2007, soweit ein erhöhter
Vorauszahlungsbetrag geltend gemacht wurde.
116
b) Hilfsantrag
117
Das Landgericht hat den Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 1. (Feststellungsbegehren) als
unzulässig abgewiesen. Die insoweit allein beschwerte Klägerin erhebt hiergegen in
ihrer Berufung keine Einwendungen. Insoweit hat sie die Klageabweisung akzeptiert.
118
c) Hilfsantrag zum Hilfsantrag
119
aa)
120
Das Landgericht hat die Beklagte auf den Hilfsantrag zum Hilfsantrag zur Zahlung von
9.873,91 € nebst Zinsen verurteilt. Dieser Betrag setzt sich nach Auffassung des
Landgerichts ausweislich der Entscheidungsgründe (UA 14) zusammen aus den
Differenzbeträgen zwischen der wegen der Wertsicherungsklausel eingetretenen
Mieterhöhung auf 17.149,77 € und den tatsächlich gezahlten Beträgen.
121
Januar und Februar jeweils 231,78 € insgesamt also 463,56 €,
März bis Juli 2007 jeweils 1.882,07 als Differenz zwischen der ursprünglichen
Miete von 15.267,70 € und der erhöhten Miete von 17.149,77 €, also 9.410,35 €,
insgesamt mithin 9.873,91 € .
122
123
Rechtlich erhebliche Einwände gegen die sie insoweit beschwerende Entscheidung hat
die Beklagte in der Berufung nicht vorgebracht. Soweit sich die Beklagte erstinstanzlich
neben den oben behandelten Minderungsansprüchen auch noch weiteren eigenen
Ansprüchen im Hinblick auf Energieverlustkosten und im Hinblick auf den
Imageschaden wegen des Vorfalls mit der Tür in Höhe von 15.000,-- € berühmt hat,
stehen diese Forderungen dem vom Landgericht zugesprochenen klägerischen
Anspruch nicht entgegen. Zu Recht hat das Landgericht darauf verwiesen, dass die
Beklagte eine Aufrechnung mit diesen Gegenforderungen die Beklagte nicht erklärt hat,
zumal eine dahingehende Aufrechnungserklärung wegen des wirksamen
Aufrechnungsausschlusses gemäß § 3.4 des Mietvertrages ohne Folge geblieben wäre
(UA 11).
124
bb)
125
Seiner diesbezüglichen Berechnung hat das Landgericht die Annahme zugrunde
gelegt, dass die Wertsicherungsklausel aus § 5.1 des Mietvertrages die oben
angeführten Erhöhungen gegenüber dem ursprünglichen vereinbarten Mietzins von
15.167,70 € brutto rechtfertige (UA 12 oben).
126
Die Beklagte hat insoweit bereits erstinstanzlich eingewendet, die
Wertsicherungsklausel hätte vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
genehmigt werden müssen. Da dieses nicht geschehen ist, sei die Klausel unwirksam.
In der Berufung wiederholt die Beklagte diesen Einwand. Sie dringt hiermit jedoch aus
den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen, auf die zunächst zur Vermeidung
von unnötigen Wiederholungen verwiesen wird, nicht durch. Ergänzend weist der Senat
nur noch auf folgende Punkte hin:
127
Die Wirksamkeit von Wertsicherungsklauseln richtete sich zum Zeitpunkt des
Vertragsschluss nach der Preisklauselverordnung (PrKV). Dort ist in § 2 PrKV
grundsätzlich ein Genehmigungsvorbehalt für Wertsicherungsklauseln geregelt. Nach §
4 PrKV greift aber in bestimmten Fällen, u.a. bei Mietverträgen über nicht zu
Wohnzwecken genutzte Gebäude, die über mindestens 10 Jahre abgeschlossen sind,
eine Genehmigungsfiktion ein, so dass es zur Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel
deren Genehmigung durch das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und
128
Ausfuhrkontrolle (BAFA) nicht bedurfte. § 4 PrKV ist dabei lex specialis gegenüber dem
Genehmigungsvorbehalt aus § 2 PrKV.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auf den in Rede stehenden
Mietvertrag und der darin enthaltenen Wertsicherungsklausel die Genehmigungsfiktion
des § 4 PrKV Anwendung findet. Nach § 2.1 des Mietvertrages vom 28.06.2003 und der
Ergänzung vom 07.08.2003 besteht die früheste Kündigungsmöglichkeit zum
31.12.2013. Damit ist der Mietvertrag auf mindestens 10 Jahre abgeschlossen. Die
Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit des Mietvertrags wäre aber unwirksam, wenn
bei Abschluss des Mietvertrags die Schriftform nicht eingehalten worden ist (§§ 550, 578
BGB n.F.). Die Genehmigungsfiktion nach § 4 PrKV würde dann nicht eingreifen. Für die
Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragsparteien die
Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den
Mietvertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis
anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (vgl. BGH, Urteil vom
15. 1. 2003 - XII ZR 300/99 - NJW 2003, 1143 = NZM 2003, 235; Urteil vom 16. 7. 2003 -
XII ZR 65/02 – NJW 2003, 3053).
129
Dieses solcherart bei der Unterzeichnung durch einen Vertreter einer Vertragspartei
konkretisierte Schriftformgebot ist im Mietvertrag vom 28.06.2003 in Verbindung mit der
Ergänzung vom 07.08.2003 eingehalten. Zwar findet sich in dem Mietvertrag vom
28.06.2003, der nur von dem Gesellschafter B… unterschrieben wurde, kein die
Vertretung kennzeichnender Zusatz. In der ergänzenden Vereinbarung vom 07.08.2003,
die ebenfalls nur von dem Gesellschafter B… unterschrieben wurde, findet sich aber in
der Fußzeile der Hinweis darauf, dass die Geschäftsführung dem Gesellschafter B...
obliegt. Dies stellt einen ausreichend die Vertretung kennzeichnender Zusatz dar.
Jedenfalls lässt sich unter Berücksichtigung des auf die Geschäftsführerstellung des
Gesellschafters B... hinweisenden Zusatzes hinreichend klar der Vertragsurkunde
entnehmen, dass dieser alleinvertretungsberechtigt ist, und dementsprechend mit seiner
Unterschrift für die GbR eine wirksame Rechtshandlung erfolgen soll und es einer
weiteren Unterschrift eines anderen Gesellschafters der GbR nicht bedarf. Die
Ergänzungsvereinbarung ist Teil des Mietvertrages und sollte diesem beigeheftet
werden, sodass ein entsprechender Zusammenhang erkennbar ist. Damit war es für die
Schriftform nach §§ 550, 126 BGB ausreichend, dass lediglich in der
Ergänzungsvereinbarung ein die Vertretung kennzeichnender Zusatz enthalten war.
Folglich gelangt die Genehmigungsfiktion des § 4 PrKV zur Anwendung, so dass die
Wertsicherungsklausel auch ohne behördliche Genehmigung wirksam gewesen ist.
130
cc)
131
Hinsichtlich der auf die Abwasserrechnung entfallenden Forderung von 12.950,31 € hat
das Landgericht Wuppertal einen entsprechenden Zahlungsanspruch der Klägerin
verneint (UA 12 Mitte). Dies greift die Klägerin mit ihrer Berufung mit Erfolg an.
132
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Abwassergebühren in Höhe von
12.950,31 € aus § 535 BGB in Verbindung mit § 4.1 des Mietvertrages vom 28.06.2003
spätestens in der Berufungsinstanz schlüssig dargetan. Gemäß § 4.1 des Mietvertrages
hatte die Beklagte alle Kosten für die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstückes
zu tragen. Ausdrücklich genannt waren dort auch die Kosten für das Abwasser. Als
Nebenkosten waren die Abwasserkosten grundsätzlich nach § 4.4 des Mietvertrages
von der Nebenkostenvorauszahlung gedeckt. Das Landgericht hat die Auffassung
133
vertreten, die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, dass die mit Schreiben vom
08.05.2007 geltend gemachten Abwasserbeseitigungsgebühren für den Zeitraum 2004
– 2006 nicht bereits über die jährlichen Nebenkostenabrechnungen abgerechnet
worden waren.
Aus den mit der Berufungsschrift erstmalig vorgelegten Nebenkostenabrechnungen
(Anlage K 39 = GA 410ff) ergibt sich, dass die Abwassergebühren von der Klägerin
gerade nicht über die jährlichen Nebenkosten abgerechnet worden waren. Für das Jahr
2004 hat die Klägerin sowohl die Abrechnung als auch die Ermittlung der Nebenkosten
vorgelegt. Aus der Ermittlung der Nebenkosten (GA 411) ergibt sich eindeutig, dass die
in Rede stehenden Abwassergebühren nicht in die Abrechnung eingeflossen sind. Der
dort angegebene Gesamtbetrag stimmt mit dem auf der Rechnung vom 14.10.2005 (GA
410) angegebenen Betrag von 8.964,99 € überein. Für den Abrechnungszeitraum 2006
liegt das Abrechnungsschreiben der Klägerin vom 08.03.2007 (GA 414) mit der
Ermittlung der Nebenkosten vor. Aus diesem ist ersichtlich, dass auch für 2006 keine
Abrechnung der Abwassergebühren über die Nebenkosten erfolgt ist. Hinsichtlich der
Nebenkosten für 2005 liegt lediglich die Rechnung vom 07.05.2006 (GA 413) vor. Diese
ist aber ebenfalls ausreichend. Zwar zeigt sich nicht auf den ersten Blick, dass die
Klägerin die Abwasserkosten nicht über die Nebenkosten abgerechnet hat. Ein
Vergleich mit den Rechnungsbeträgen aus den Abrechnungen bezüglich der Jahre
2004 und 2006 und den dazugehörigen Nebenkostenermittlungen bestätigt aber, dass
allein betragsmäßig eine Abrechnung der Abwassergebühren, die für das Jahr 2005
insgesamt 12.417,39 € betragen haben, unter Berücksichtigung der jährlichen fixen
Nebenkosten, wie sie sich aus den Ermittlungen der Nebenkosten für 2004 und 2006
ergeben, nicht möglich ist.
134
Im Übrigen ist die Beklagte dem schlüssigen und substantiierten Vorbringen der
Klägerin in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten, so dass dies als unstreitig
anzusehen ist, was auch zur Folge hat, dass dieses neue Vorbringen der Klägerin in
jedem Fall, also abseits eines möglichen Zulassungsgrundes nach § 531 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 ZPO (Verfahrensfehler des Landgerichts durch unterlassenen Hinweis an die
Klägerin) zuzulassen ist.
135
Die Klägerin war auch nicht dazu verpflichtet, die Abwassergebühren erst in der
Nebenkostenabrechnung für 2007 abzurechnen. In § 4.4 Abs. 3 des Mietvertrages ist
zwar geregelt, dass nachträglich entstehende Forderungen in der nächsten
Abrechnungsperiode rückwirkend berechnet werden. Das bedeutet aber lediglich, dass
nachträglich entstehende Forderungen in der nächsten Abrechnungsperiode geltend
gemacht werden können. Dies zeigt auch die Formulierung "Die jährliche Abrechnung
ist keine Schlussrechnung; …". Eine frühere Abrechnung war der Klägerin auch gar
nicht möglich, da die Stadt W... erst mit Bescheid vom 01.02.2007 (Anlage K 13) eine
endgültige (von der Klägerin akzeptierte) Berechnung der Abwassergebühren
vorgenommen hatte.
136
dd)
137
Das Landgericht hat einen Zahlungsanspruch entsprechend dem Hilfsantrag zum
Hilfsantrag auch insoweit verneint, als die Klägerin für den Zeitraum von Januar bis Juli
2007 bei den geltend gemachten Nebenkostenvorauszahlungen einen gegenüber den
ursprünglich vereinbarten – unstreitigen – Betrag von 1.200,00 € netto/1.428,00 € brutto
erhöhten Betrag von 1.750,50 € berechnet hat. Es hat beanstandet, die Klägerin habe
138
nicht zu der nach dem Mietvertrag notwendigen schriftlichen Anzeige vorgetragen, so
dass der Mehrbetrag nicht zu berücksichtigen sei. Die Berufung der Klägerin wendet
sich auch hiergegen mit Erfolg. Die Forderung des Klägers auf
Nebenkostenvorauszahlungen für Januar bis Juli 2007 ist in Höhe von insgesamt
2.082,50
Die von der Klägerin geltend gemachten Beträge in Höhe von jeweils 322,00 €
monatlich resultieren aus einer Erhöhung der Nebenkostenforderung von monatlich
brutto 1.428,00 € auf monatlich 1.750,00 € brutto (siehe Aufstellung in der Anlage K 11).
In § 4.4 Abs. 3 des Mietvertrages ist die Möglichkeit der Erhöhung der monatlichen
Nebenkostenvorauszahlung ausdrücklich vorgesehen. Aus dem letzten Satz dieser
Klausel folgt, dass die Erhöhung vor deren Wirksamwerden schriftlich angezeigt werden
muss. Eine schriftliche Anzeige hat die Klägerin erstinstanzlich aber nicht vorgetragen,
was das Landgericht – wie bereits erwähnt – beanstandet hat. Erst im
Berufungsverfahren hat die Klägerin die schriftliche Anzeige der Nebenkostenerhöhung
gegenüber der Beklagten vom 08.05.2007 (GA 415) vorgelegt. Da das diesbezügliche
"neue" Vorbringen in der Berufungsinstanz unbestritten geblieben ist, bedarf es keines
näheren Eingehens auf die Frage, ob der Zulassungstatbestand des § 531 Abs. 2 Nr. 2
ZPO wegen des in einem Unterlassen eines gebotenen Hinweises nach § 139 ZPO
liegenden Verfahrensfehlers erfüllt ist.
139
In dem genannten Schreiben der Klägerin vom 08.05.2007 ist die schriftliche Anzeige
der Erhöhung der Nebenkosten enthalten. Dort ist von einer Erhöhung um 750,00 €
monatlich auf 1.450,00 € netto = 1.725,50 € brutto die Rede. Soweit hier eine
Erhöhungsbetrag von 750,-- € genannt wird, handelt es sich ersichtlich um einen
Schreibfehler, weil ausgehend von den vertraglich vereinbarten Nebenkosten von
1.200,00 € die zu einem neuen Nettobetrag von 1.450,00 € führende Erhöhung lediglich
250,-- € ausmacht. Tatsächlich hat der Kläger für die Nebenkostenvorauszahlungen ab
Januar 2007 einen erhöhten Betrag von brutto 322,-- € in seine Aufstellung K 11
eingestellt. Die Bruttoerhöhung auf der Grundlage des Erhöhungsschreibens beläuft
sich jedoch auf lediglich 297,50 €. Bezogen auf den hier in Rede stehenden
Berechnungszeitraum von Januar bis Juli 2007 folgt hieraus ein wegen der zulässigen
Nebenkostenerhöhung zusätzlich geschuldeter Betrag von (7x 297,50 € =) 2.082,50 €
(und nicht von 2.254,-- € wie von der Berufung geltend gemacht). Dass die Erhöhung
zumindest in dieser Höhe materiell auch wegen der bis zu diesem Zeitpunkt nicht
berücksichtigten erhöhten Grundabgaben, insbesondere der
Abwasserbeseitigungsgebühren wie sie der Klägerin durch den Bescheid der Stadt W…
vom 01.02.2007 (Anlage K 13) auferlegt wurden, berechtigt ist, hat die Klägerin in ihrer
Berufungsschrift, dort Seite 5 = GA 408, plausibel erläutert, ohne dass die Beklagte dem
substanziell entgegengetreten ist.
140
Aus den obigen Erwägungen zu cc) und dd) ist ersichtlich, dass der Klägerin ein über
den ihr von Landgericht zuerkannten Betrag hinausgehender Zahlungsanspruch in
Höhe von (12.950,31 € + 2.082,50 =)
15.032,81 €
Verurteilung der Beklagten in dieser Höhe gerichtete Berufung des Klägerin damit in
überwiegendem Umfang begründet ist.
141
2. Klageantrag zu 2.
142
Der Klageantrag zu 2. ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der
rückständigen Miete für die Monate September 2007 bis Januar 2008 in Höhe von
143
rückständigen Miete für die Monate September 2007 bis Januar 2008 in Höhe von
32.631,27 € aus § 535 BGB. Die Miete wurde für diesen Zeitraum unstreitig von der
Beklagten nicht gezahlt. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen diesem
Anspruch keine Einwendungen oder Einreden entgegen. Die Minderung bzw.
Zurückbehaltung der Miete war nach § 3.4 des Mietvertrages ausdrücklich und wirksam
ausgeschlossen. Einen eigenen Bereicherungsanspruch hat die Beklagte mangels
Substantiierung der Minderungshöhe nicht schlüssig vorgetragen (s.o.).
3. Klageantrag zu 3.
144
Die Parteien haben den vom Landgericht zuerkannten Anspruch der Klägerin auf
Herausgabe und Räumung des Mietgegenstandes aus § 546 BGB in der mündlichen
Verhandlung vom 03.09.2009 vor dem Senat übereinstimmend für erledigt erklärt,
nachdem die Beklagte nach Erlass des angefochtenen Urteils ihren Geschäftsbetrieb
zum 22.02.2009 eingestellt und das Mietobjekt an die Klägerin herausgegeben hat.
145
II) Widerklage
146
Das Landgericht hat die von der Beklagten erhobene Widerklage zu Recht abgewiesen.
Die diesbezüglichen Berufungsangriffe der Beklagten gehen ins Leere.
147
1.
Anspruch auf Zahlung von insgesamt 78.726,30 € zu.
148
a)
149
Ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 15.573,42 € wegen zu viel gezahlter Miete
besteht nicht. Die Klägerin war wegen der Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel
berechtigt, die Miete zu erhöhen (s.o.).
150
b)
151
Die Beklagte hat auch keinen Anspruch auf Ausgleich der Energieverlustkosten für die
Jahre 2004 bis 2008 in Höhe von insgesamt 30.062,88 €.
152
Der Senat hat bereits durchgreifende Zweifel daran, dass die Beklagte mit ihrem
Hinweis auf eine fehlende Isolierung und daraus resultierenden "Energieverlustkosten"
einen Schadensersatzanspruch nach § 536a BGB oder eine Minderung gemäß § 536
BGB substantiiert dargetan hat. Sowohl ein Schadensersatzanspruch gemäß § 536a
BGB als auch eine Minderung des Mietzinses über § 536 BGB und damit ein Anspruch
auf Rückzahlung überbezahlten Mietzinses setzen voraus, dass die Mietsache einen
Mangel hat, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch in einem nicht
unerheblichen Umfang aufhebt. Unabhängig davon, dass die "fehlende Isolierung" der
Heizungsrohre bereits wenig substantiiert erscheint, hat die Beklagte nicht dargelegt,
inwieweit dieser "Mangel", sollte er denn vorliegen, die Tauglichkeit der Mietsache zum
vertragsgemäßen Gebrauch in einem nicht unerheblichen Umfang aufhebt. Unstreitig ist
die Heizungsanlage nämlich in der Lage, die Mieträume ausreichend mit Wärme zu
versorgen.
153
Allein aus dem – von der Beklagten behaupteten - Umstand, dass es wegen der
angeblich fehlenden oder unzureichenden Isolierung zu Leitungs- bzw. Wärmeverlusten
154
und damit zu erhöhten Heiz- und Energiekosten gekommen sei, kann nicht auf einen
Mangel in der Mietsache geschlossen werden. Nicht zu folgen ist der Auffassung der
Beklagten, eine verlustreich arbeitende Heizung stelle regelmäßig einen Mangel der
Mietsache dar, der zur Minderung nach § 536 BGB berechtigen könnte oder der
Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nach § 536a BGB sein könnte. Der
Kostenaspekt ist für den Begriff des Sachmangels irrelevant (vgl. Kammergericht, Urteil
vom 28.04.2008, 12 U 6/07, NJOZ 2008, 4557, 4558 m.w.N.; LG Hamburg, NJW-RR
1988, 907). Selbst in außergewöhnlich hohen Heizkosten als solchen kann regelmäßig
kein Fehler der Mietsache gesehen werden. Nur wenn diese hohen Heizkosten auf
einem Fehler der Heizungsanlage beruhen, kann ein Mangel der Mietsache vorliegen.
Ob ein Fehler der Heizungsanlage vorliegt, ist aber nach dem Stand der Technik zur
Zeit des Einbaus der Heizungsanlage bzw. der Gebäudeerrichtung zu beurteilen (vgl.
KG, a.a.O.; Bub/Treier, III Rdnr. 1305). Dass die Heizungsanlage diesem Stand nicht
entspricht, ist dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten
aber nicht zu entnehmen. Auch ist der Vermieter nicht verpflichtet, die Anlage ständig
auf dem neuesten technischen Stand zu halten und muss daher auch nicht eine dem
technischen Entwicklungsstand zur Zeit ihres Einbaus entsprechende Heizungsanlage
deshalb erneuern, weil sie nach heutigen Maßstäben unwirtschaftlich arbeitet; ebenso
wenig schuldet er eine Verbesserung der dem technischen Stand zur Zeit der
Gebäudeerrichtung entsprechenden Wärmedämmung (vgl. Bub/Treier, III Rdnr. 1282
m.w. Nachw.). Dem Vorbringen der Beklagten kann bereits im Ansatz nicht entnommen
werden, dass die Heizungsanlage nicht dem Mindeststandard (vgl. zu diesem Begriff
BGH, Urteil vom 26. 7. 2004 - VIII ZR 281/03 NJW 2004, 3174 = NZM 2004, 736)
entspricht, den die Beklagte bei Vertragsschluss im Jahr 2003 erwarten durfte.
Im Übrigen lehnt der Senat im Hinblick auf die Frage, inwieweit hohe oder erhöhte
Heizkosten einen Mangel der Mietsache begründen können, eine erweiternde
Auslegung des mietrechtlichen Sachmangelbegriffs, wie er in § 536 BGB oder auch §
536a BGB zur Anwendung kommt, ab. Er schließt sich in diesem Zusammenhang den
überzeugenden Ausführungen des KG in dem o.a. Urteil vom 28.04.2008. a.a.O. Seite
4559 unter bb) an.
155
Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats davon ausgehen wollte, dass
die Beklagte einen Mangel als solchen schlüssig und hinreichend substantiiert dargetan
haben sollte, fehlte es im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch nach § 536a Abs.
2 BGB an dem erforderlichen fristgebundenen Abhilfebegehren, durch das der
Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug gekommen wäre.
156
c)
157
Auch hinsichtlich des von der Beklagten geltend gemachten Bereicherungsanspruchs
wegen Mietminderung liegt kein schlüssiger Vortrag der Beklagten vor. Dabei kam es
nicht darauf an, ob die Mängel von der Klägerin zugestanden waren oder diese gar
versprochen habe, die Mängel zu beseitigen. Die Beklagte hat vielmehr schon die
Minderungshöhe nicht schlüssig vorgetragen. So hat sich schlicht einen Betrag
angegeben, bei dem nicht klar ist, woraus dieser resultiert. Auch darauf wurde die
Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach seitens der Klägerin hingewiesen.
158
d)
159
Gleiches gilt für den geltend gemachten Imageschaden in Höhe von 15.000,00 €. Die
160
Beklagte legt zwar die Einzelheiten des dem zu Grunde liegenden Unfalls dar. Wie
schließlich aber ein Imageschaden in Höhe von 15.000,00 € zustande gekommen sein
soll, bleibt aber – trotz des entsprechenden landgerichtlichen Hinweises auf das
Schlüssigkeitsdefizit – auch in der Berufungsinstanz unklar.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Berufung der Klägerin aus den oben
dargestellten Gründen in vollem Umfang begründet ist, und dieserhalb die
landgerichtliche Entscheidung teilweise abzuändern und die Beklagte zur Zahlung
weiterer
15.032,81 €
Erledigung eingetreten.
161
C)
162
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 91a Abs. 1
ZPO.
163
Soweit die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2009 das Verfahren in
der Hauptsache übereinstimmend in dem Umfang erledigt erklärt haben, als es um den
– vom Landgericht im angefochtenen Urteil zugesprochenen – Herausgabeanspruch
hinsichtlich des Mietobjektes geht, folgt die Kostenentscheidung aus den Grundsätzen
des § 91a Abs. 1 ZPO. Auf Grund der Räumung der angemieteten
Gewerbemieträumlichkeiten durch die Beklagte ist Erfüllung des vom Landgericht zu
Recht in Anwendung des § 546 BGB zuerkannten Anspruchs der Klägerin auf
Herausgabe und Räumung des Mietgegenstandes eingetreten. Die Klägerin hat das
Mietverhältnis mit Kündigung vom 27.06.2008 wirksam beendet. Wegen der Befristung
des Mietverhältnisses auf 10 Jahre kam nur eine außerordentliche Kündigung nach §
543 BGB in Betracht. Kündigungsgrund war dabei der Zahlungsverzug mit der Miete
nach §543 Abs. 2 Nr. 3 a und b) BGB. Die Beklagte hat die Miete seit September 2007
nicht oder nur teilweise gezahlt, sodass es zu Zahlungsrückständen in Höhe von
insgesamt 71.078,72 € kam. Dieser Betrag übersteigt den Betrag für zwei Monatsmieten
erheblich. Zudem wurde für die Monate Mai und Juni 2008 keinerlei Miete gezahlt. Der
Einbehalt der Miete seitens der Beklagten war unberechtigt, da ein Einbehalt gemäß §
3.4 des Mietvertrages wirksam ausgeschlossen war. Nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB
war eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Aus alledem folgt, dass der mit dem
Klageantrag zu 3) geltend gemachte Herausgabe- und Räumungsanspruch bis zum
Eintritt des erledigenden Ereignisses bestanden hat, die Verurteilung der Beklagten
durch das Landgericht insoweit mithin rechtsfehlerfrei war und in rechtlicher
Konsequenz nach § 91a ZPO die Kosten der hiergegen eingelegten Berufung die
Beklagte zu tragen hat.
164
Soweit die Klägerin mit ihrem Berufungsziel der weitergehenden Verurteilung der
Beklagten zur Zahlung von (weiteren) 15.204,31 € nicht in vollem Umfang
durchgedrungen ist, waren der Beklagten, deren Berufung in vollem Umfang erfolglos
blieb, insoweit gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog die vollen Kosten des
Berufungsverfahrens aufzuerlegen, da die Zuvielforderung der Klägerin in der
Rechtsmittelinstanz verhältnismäßig geringfügig war und keine höhere Kosten
veranlasst hat.
165
Wegen der Kostentragungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Kosten der Streithelfer
verbleibt es bei den zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Landgerichts im am
26.01.2009 verkündeten Ergänzungsurteil, die auch auf die Pflicht der Beklagten, die
166
den Streithelfern in der Berufungsinstanz entstandenen Kosten zu tragen, übertragen
werden können.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711,
709 Satz 2 ZPO.
167
Anlass, aus den Gründen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen,
besteht nicht, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die
Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
168
In Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung wird der Streitwert des
landgerichtlichen Verfahrens auf bis 470.000,- € festgesetzt.
169
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt:
170
bis 02.09.2009: bis 410.000,-- €;:
171
ab 03.09.2009: bis 185.000,-- €.
172
Die Parteien sind durch das Berufungsurteil wie folgt beschwert:
173
Beschwer der Beklagten: über 20.000,-- €
174
Beschwer der Klägerin: bis 20.000,-- €
175
J…
B…
P…
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