Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.06.2008

OLG Düsseldorf: vermieter, mietsache, ertragswert, besitz, verzug, eigentümer, betriebskosten, kündigungsfrist, risikoverteilung, erlass

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 159/07
Datum:
09.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 159/07
Vorinstanz:
Landgericht Kleve, 2 O 116/06
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Be-
schlussverfahren zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu
den Gründen binnen einer Frist von z w e i W o c h e n schriftsätzlich
Stellung zu nehmen
G r ü n d e
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I. Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das
Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von insgesamt 17.511,92 EUR
(nebst Zinsen), nämlich Miete und Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 01. Juni
2005 bis 10. April 2006 (12.845,25 EUR) sowie Schadensersatz (4.666,67 EUR)
verurteilt. Die vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere
Entscheidung.
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1. Die Beklagte kann gegenüber der Miete/Nutzungsentschädigung weder mit einem
Betriebskostenguthaben noch mit jetzt zurückgeforderten
Betriebskostenvorauszahlungen aufrechnen noch hat sie ein Zurückbehaltungsrecht an
der eingeklagten Miete/Nutzungsentschädigung.
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a) Das Landgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht den Beweis erbracht
hat, dass in dem monatlich unstreitig geschuldeten Betrag (1.773,67 EUR) eine
Betriebskostenvorauszahlung enthalten ist. Dafür spricht auch nicht die (einmalig
gebliebene) Betriebskostenabrechnung vom 24. März 2001 für das Jahr 2000 (GA 87),
und zwar selbst dann nicht, wenn noch zu jener Zeit Vorauszahlungen von monatlich
440 DM (224,97 €) geschuldet wurden. Maßgeblich ist jetzt, dass es die Beklagte
erstinstanzlich vermieden hat, die eine mündlich vereinbarte Vertragsabänderung
aufzeigende Behauptung der Klägerin zu bestreiten, sie (die Klägerin) und vor ihr schon
die Voreigentümerin hätten neben den Aufwendungen für Grundsteuer und
Gebäudeversicherung keine sonstigen Betriebskosten für das von der Beklagten allein
bewirtschaftete Grundstück (die Wohnung wurde von Mietern der Beklagten als
Untermietern bewohnt) verauslagt, vielmehr seien alle variablen (in der Abrechnung
vom 24. März 2001 noch als vom Vermieter verauslagt dargestellten) Betriebskosten
neben der Miete von der Beklagten selbst bezahlt worden.
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b) Diesem Vortrag ist die Beklagte weder ausdrücklich noch sinngemäß im Sinne des §
138 Abs. 3 ZPO entgegen getreten. Das wäre aber in substanziierter Weise erforderlich
gewesen.
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aa) Denn einerseits beruhte das Vertragsverhältnis auf mündlichen Vereinbarungen, an
denen (im Gegensatz zur Klägerin) der Geschäftsführer der komplementär haftenden
Gesellschaft der Beklagten persönlich beteiligt gewesen ist. Andererseits indiziert die
von der Beklagten zugestandene und mehrjährig unbeanstandet hingenommene
Vertragspraxis, dass sie eben nicht auf einem Versehen beruht. Dies wäre bei der nach
kaufmännischen Grundsätzen betriebenen Handelsgesellschaft der Beklagten auch
nicht verständlich. Demgemäß entspricht dieses Verhalten der Parteien dem aktuellen
Vertragsstatus (vgl. dazu BGH NJW-RR 1998, 259 m.w.N.; NJW 2003, 2748 sub II.2b).
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bb) Um diesbezüglich die Darlegungs- und Beweislast wieder auf die Klägerin
zurückzuverlagern (vgl. BGH NJW 1962, 1354 = JZ 1963, 32 , 33 m. Anm. Scheuerle;
BGH NJW 2000, 3286, 3287 sub Nr. II.1. m.w.N.; WM 2001, 1517, 1518 und jüngst NJW
2003, 3564, 3565; Senat OLGR Düsseldorf 2006, 741; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., §
138 Rn 8 m.w.N.), hätte es detaillierten Vortrags der Beklagten zur dargestellten
Vertragspraxis bedurft und welche Bedeutung sie für die Absprachen der
Mietvertragsparteien haben soll. Statt dessen ist die Beklagte ausdrücklich nur dem
weiteren Vortrag der Klägerin entgegengetreten, sie habe die geänderte
Vertragshandhabung von der Voreigentümerin erfahren. Darüber indes brauchte das
Landgericht keinen Beweis zu erheben; denn woher die Klägerin diese Information und
unter welchen Umständen sie sie erhalten hatte, ist für die Entscheidung des
Rechtsstreits ohne jede Bedeutung.
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c) Der Senat folgt daher der vom Landgericht in verfahrensrechtlich nicht zu
beanstandener Weise gezogenen Schlussfolgerung (§§ 138 Abs. 3, 286 ZPO), dass die
von der Beklagten zuletzt gezahlte Miete (1.773,67 €) keine
Betriebskostenvorauszahlung enthält.
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2. Die Beklagte hat auch nicht den von ihr gemäß § 362 Abs. 1 BGB zu führenden
Beweis erbracht, dass die von der Klägerin geforderte Nutzungsentschädigung für den
Monat Dezember 2005 in Höhe eines Teilbetrags von 485 EUR durch Zahlung der
Untermieter erloschen ist. Die Berufungsbegründung bringt dazu keine neuen
Gesichtspunkte.
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3. Die Beklagte kann schließlich auch nicht mit angeblich vorgenommenen Investitionen
in behaupteter Höhe von 15.000 EUR gegen die Miete/Nutzungsentschädigung
aufrechnen.
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Dem Grunde nach scheitert eine solche Aufrechnung bereits an §§ 539, 536, 536a Abs.
2 BGB (§§ 547, 537, 538 Abs. 2 BGB a.F.). Die Beklagte übersieht, dass vom Mieter
veranlasste bauliche Maßnahmen nur dann zu einem Aufwendungsersatzanspruch
gegen den Vermieter führen, wenn sie der Beseitigung eines Mietmangels dienen und
der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hatte. Sodann müsste dieser entweder
mit der Beseitigung eines Mangels im Verzug gewesen sein oder eine umgehende
Beseitigung ohne Benachrichtigung des Vermieters erforderlich gewesen sein.
Schließlich kann bedeutsam sein, ob der Vermieter durch diese Maßnahme
ungerechtfertigt bereichert worden ist. Keine der genannten rechtlichen
Voraussetzungen liegt im Streitfall vor.
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a) Die Beklagte trägt nicht vor, dass die von ihr behaupteten Investitionen (Erneuerung
der Elektroinstallation, TV-SAT-Empfang, Fußbodenerneuerung, Rolltoreinbau,
Baderneuerung etc.) der Beseitigung von Mängeln der Mietsache im Sinne des § 536
BGB gedient haben. Regelmäßig fehlt nämlich derartigen Modernisierungsdefiziten der
Charakter von Mangelbeseitigungsmaßnahmen (vgl. BGH NJW 2005, 218, 219 m.w.N.).
Auch hatte sich die (damals) vermietende Vertragspartei weder mit der Beseitigung von
ihr angezeigten Mängeln in Verzug befunden, bevor die baulichen Maßnahmen
ausgeführt worden sind (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch ist dargelegt, dass die
umgehende Beseitigung von Mängeln im Sinne des § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB
erforderlich war, um die Mietsache zu erhalten oder wiederherzustellen (vgl. BGH NJW
2008, 1216).
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b) Da nicht feststeht, dass die Beklagte durch die behaupteten Investitionen Mängel im
Sinne der §§ 536, 536a Abs. 2 BGB beseitigt hat, steht ihr auch kein
Aufwendungsersatz gemäß §§ 539, 677 BGB zu (vgl. BGH aaO S. 1216f).
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Im Übrigen übersieht die Beklagte, dass der hier in Rede stehende
Aufwendungsersatzanspruch bereits im Zeitpunkt der Verwendungen entsteht (vgl.
BGHZ 5, 197, 199) und sich deshalb bei einem Eigentumswechsel, wie er sich hier im
Jahre 2004 vollzogen hat, gemäß §§ 578 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB gegen denjenigen
Vermieter richtet, der im Zeitpunkt der Vornahme der Verwendungen Eigentümer der
Mietsache gewesen ist und nicht gegen den (neuen) Vermieter, der erst nach deren
Vornahme in das Mietverhältnis eingetreten ist (vgl. BGH NJW-RR 2006, 294, 295 sub
I.3a = MDR 2006, 505). Die Beklagte behauptet nicht, die in Rede stehenden
Verwendungen erst nach dem Eigentumswechsel vorgenommen zu haben; dem
Zusammenhang ihres Vortrags kann vielmehr entnommen werden, dass sie vollständig
vor dem Eigentumswechsel gemacht worden sind, so dass die Klägerin nicht passiv
legitimiert ist.
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c) Schließlich hat die Beklagte gegen die Klägerin auch keinen Anspruch auf
Bereicherungsausgleich gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB. Ein solcher
Bereicherungsausgleich kommt in Betracht, wenn durch Investitionen des Mieters in die
Mietsache deren Ertragswert gesteigert ist, eine Kompensation – wie hier festgestellt –
weder als Mangelbeseitigung noch als Verwendungsersatz rechtlich in Betracht kommt
und der Vermieter durch Auflösung des Mietvertrags imstande ist, die im Ertragswert
gesteigerte Mietsache (etwa durch anderweitige Vermietung oder Eigennutzung)
vorzeitig zu verwerten (vgl. BGH NJW 1985, 313, 315 sub IIc; Urt. v. 25.10.2000, Az. XII
ZR 136/98 sub 4b zit. nach juris, red. LS in NJW-RR 2001 727; BGH NJW-RR 2006,
294, 295 sub I.3c m. w. N. = MDR 2006, 505).
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aa) Zwar ist richtig, dass sich Ansprüche des Mieters wegen Investitionen in die
Mietsache, soweit sie in der rechtlichen Gestalt von Bereicherungsansprüchen in
Betracht kommen, erst im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstehen. Denn der
jetzige, nicht der frühere Eigentümer kommt ggf. in den Genuss der im Ertragswert
gesteigerten Mietsache, so dass die Klägerin wegen solcher Ansprüche durchaus
passiv legitimiert ist (BGH NJW-RR 2006, 294, 295 sub I.3a m. w. N. = MDR 2006, 505).
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bb) Aber ganz abgesehen davon, dass die Beklagte nur zum angeblichen
Investitionsaufwand, jedoch nichts zur allein maßgeblichen Ertragswertsteigerung
vorträgt (BGH aaO), ist die Klägerin nach der fristlosen Kündigung des Mietvertrags
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durch Erklärung vom 27. August 2005 in feststellbarer Weise auch nicht "vorzeitig"
wieder in den Besitz der Mietsache gelangt. Vielmehr hat sie deren Besitz mangels
unverzüglicher Räumung erst nach Ablauf des 10. April 2006 wieder erlangt. Zu diesem
Zeitpunkt wäre das Mietverhältnis aber schon durch eine am 27. August 2005 ordentlich
erklärte Kündigung beendet gewesen, nämlich gemäß § 580a Abs. 2 BGB bereits mit
Ablauf des 31. März 2006. Damit bedarf es nicht mehr der Erörterung der Frage, ob die
hier referierte höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin nur auf befristete
Mietverhältnisse anwendbar ist, für die sie entwickelt worden ist. Bei unbefristeten
Mietverträgen kann der Vermieter den Besitz "vorzeitig" nur vor Ablauf der gesetzlichen
Kündigungsfrist erlangen (vgl. BGH aaO.). Unerheblich ist auch, ob der Mieter bei einem
unbefristeten Mietverhältnis, wie es hier vorliegt, bereicherungsrechtlich nur für die
Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist, gerechnet ab Mietbeginn, geschützt ist. Dafür
spricht allerdings mit Blick auf die vertragliche Risikoverteilung bei unbefristeten
Mietverhältnissen einiges.
II. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren
liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder eine grundsätzliche Bedeutung (§ 522
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren
(§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
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III. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich
privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.
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