Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.03.2006

OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, daten, bekanntgabe, vollziehung, öffentliche bekanntmachung, angemessene frist, unternehmen, härte, rechtsverordnung, erstellung

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 154/06 (V)
Datum:
20.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 154/06 (V)
Tenor:
Die Anträge der Beschwerdeführerin vom 23.01.2006,
1. vorläufig befristet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die
Wirksamkeit der Verfügung Nr. 98/2005 (ABl. der Bundesnetzagentur Nr.
24/2005, S. 197-4) - Az. 82 Fe Zusatzabfrage Gas/601 c 14.12.05 –
festzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht verpflichtet ist, die in
Nummern 1 und 2 der Verfügung angeforderten Daten an die
Beschwerdegegnerin zu übermitteln,
2. hilfsweise der Beschwerdegegnerin vorläufig bis zu einer
Entscheidung über deren Wirksamkeit zu untersagen, die unter Nummer
1 genannte Verfügung zu vollstrecken,
3. höchst hilfsweise die aufschiebende Wirkung der von der
Beschwerdeführerin eingereichten Beschwerde gegen diese Verfügung
anzuordnen,
werden zurückgewiesen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
1
A
2
Die Beschwerdeführerin wurde am 30.12.2003 gegründet und ist seit dem 01.02.2004
operativ tätig; sie bündelt die Erdgastransportaktivitäten des R...-Konzerns im Bereich
der deutschen Fernleitungsnetze und verfügt über Transportkapazitäten in einem
überregionalen Gasfernleitungsnetz mit ca. 6.800 Kilometer Länge. Die
Beschwerdeführerin hat gegenüber der Beschwerdegegnerin die Anzeige nach § 3 Abs.
3 GasNEV abgegeben.
3
Am 21.12.2005 veröffentlichte die Bundesnetzagentur in ihrem Amtsblatt Nr. 24/2005
4
folgende Verfügung zur zusätzlichen Datenerhebung für die Berichterstellung zur
Anreizregulierung Gas:
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1. Allen Betreibern von Gasversorgungsnetzen im Sinne des § 3 Nr. 20 EnWG wird
aufgegeben, die in Kapitel 1 der Datenliste in Anlage 1 angeforderten Angaben unter
Berücksichtigung der Datendefinition in Anlage 2 zu diesem Auskunftsverlangen
spätestens bis zum 6.2.2006 an die Bundesnetzagentur zu übermitteln.
6
2. Betreibern von überregionalen Gasfernleitungsnetzen, die Entgelte nach § 3 Abs. 2
der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (GasNEV)
bilden, wird zudem aufgegeben, die in Kapitel 2 der Datenliste in Anlage 1
angeforderten Angaben unter Berücksichtigung der Datendefinitionen in Anlage 2 zu
diesem Auskunftsverlangen spätestens bis zum 6.2.2006 an die Bundesnetzagentur zu
übermitteln.
7
3. Für die Erteilung der Auskünfte haben die unter Ziffer 1 und Ziffer 2 genannten
Netzbetreiber das Datenerfassungsprogramm zu verwenden, das auf der Internetseite
der Bundesnetzagentur...zum Download bereit gestellt wird.
8
...
9
4. Diese Entscheidung gilt mit dem auf die Veröffentlichung im Amtsblatt der
Bundesnetzagentur folgenden Tag als bekannt gegeben.
10
Gegen diese Verfügung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer am 23.01.2006
bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde.
11
Sie beantragt,
12
1. vorläufig befristet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der
Verfügung Nr. 98/2005 (ABl. der Bundesnetzagentur Nr. 24/2005, S. 197-4) - Az. 82 Fe
Zusatzabfrage Gas/601 c 14.12.05 – festzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht
verpflichtet ist, die in Nummern 1 und 2 der Verfügung angeforderten Daten an die
Beschwerdegegnerin zu übermitteln,
13
2. hilfsweise der Beschwerdegegnerin vorläufig bis zu einer Entscheidung über deren
Wirksamkeit zu untersagen, die unter Nummer 1 genannte Verfügung zu vollstrecken,
14
3. höchst hilfsweise die aufschiebende Wirkung der von der Beschwerdeführerin
eingereichten Beschwerde gegen diese Verfügung anzuordnen.
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Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die angefochtene Verfügung sei ihr nicht
wirksam bekannt gegeben worden. Damit handele es sich um ein rechtliches nullum,
gegen das eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde auf der Grundlage des § 77
Abs. 4 S. 4 EnWG nicht hergestellt werden könne. Vielmehr sei eine vorläufige
Anordnung nach §§ 76 Abs. 3 S. 1, 72 EnWG geboten.
16
Da Rechtsgrundlage des Auskunftsbegehrens § 69 Abs. 1 Nr. 1 EnWG sei, hätte die
Entscheidung der Beschwerdeführerin nach § 73 Abs. 1 S. 1 EnWG zugestellt werden
müssen. Die öffentliche Bekanntmachung sei jedenfalls rechtswidrig. Die Bekanntgabe
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eines Verwaltungsakts erfolge nach § 41 Abs. 1 VwVfG. Die öffentliche Bekanntgabe
sei nur ausnahmsweise statthaft. Selbst wenn es sich um eine Allgemeinverfügung im
Sinne des § 35 S. 2 VwVfG handele, stünde die Bekanntgabe nicht in Einklang mit § 41
Abs. 3 S. 2 VwVfG, da die individuelle Bekanntgabe wegen der begrenzten Anzahl der
Betreiber überregionaler Gasfernleitungsnetze untunlich sei.
Daneben bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Sinne
des § 77 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EnWG.
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Die Verfügung sei formell rechtswidrig, weil sie entgegen § 69 Abs. 7 S. 1 EnWG nicht
durch Beschluss, sondern durch Einzelverfügung ergangen sei. Diese Vorschrift sei
gegenüber § 9 EnWG spezieller; abgesehen davon liege einer der in § 59 Abs. 1 S. 2
EnWG genannten Fälle nicht vor, da es sich bei den dort genannten Berichtspflichten
nur um solche Pflichten der Unternehmen handele, nicht solche der
Beschwerdegegnerin.
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Die Verfügung sei auch materiell rechtswidrig. Dies folge für das unter Nr. 1 der
Verfügung ergangene Auskunftsverlangen daraus, dass der Beschwerdegegnerin
Auskunftsbefugnisse in dem von ihr geltend gemachten Umfang nicht zustünden. Für
ein umfassendes Auskunftsverlangen fehle die Ermächtigungsgrundlage. Auf den nach
§ 112 a Abs. 1 S. 3 EnWG zu erstellenden Konzeptbericht könne sich das
Auskunftsbegehren nicht stützen, da die mit der Verfügung abgefragten Daten zur
Erstellung des Berichts nach § 112 a Abs. 1 EnWG nicht erforderlich seien. Das
Auskunftsverlangen verstoße auch gegen den Verordnungsvorbehalt in § 21 a Abs. 6 S.
2 Nr. 10 EnWG. Die Bundesregierung sei nach dieser Vorschrift zu der Entscheidung
ermächtigt, ob und wann Netznutzungsentgelte im Wege einer Anreizregulierung
bestimmt werden. Das System der Anreizregulierung dürfe nur Anwendung finden,
soweit eine kostenorientierte Entgeltbildung erfolge.
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Auch das unter Nr. 2 der Verfügung formulierte Auskunftsverlangen sei rechtswidrig.
Neben den zu Nr. 1 der Verfügung dargestellten Gründen komme hinzu, dass die
Beschwerdegegnerin einen umfassenden Auskunftsanspruch zu der Kosten- und
Erlöslage der Beschwerdeführerin in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr
geltend mache. Eine Ermächtigungsgrundlage bestehe – wie zu Nr. 1 der Verfügung -
auch hierfür nicht. Der von der Beschwerdegegnerin zu erstellende Bericht zur
Anreizregulierung betreffe zudem nur Unternehmen, die der kostenorientierten
Entgeltregulierung unterlägen; hierzu zähle die Beschwerdeführerin, die sich in einem
Leitungswettbewerb befinde, nicht. Im übrigen führe das Auskunftsverlangen zu einer
Umgehung der in der GasNEV zu Gunsten der überregionalen
Gasfernleitungsnetzbetreiber im Sinne des § 3 Abs. 2 GasNEV enthaltenen
Restriktionen bei der Übermittlung von Daten. Auch fehle es an der Erforderlichkeit des
Auskunftsverlangens im Sinne des § 69 Abs. 1 Nr. 1 EnWG.
21
Die Rechtswidrigkeit der Verfügung folge auch daraus, dass der Beschwerdeführerin
nicht eine nach § 69 Abs. 7 S. 2 EnWG angemessene Frist gesetzt worden sei. Der
Beschwerdeführerin sei es nicht möglich, die Daten aus den letzten fünf
Geschäftsjahren binnen knapp eineinhalb Monaten zusammenzustellen, zu ordnen und
in das festgelegte Programm einzupflegen.
22
Die Verfügung verstoße auch gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3
GG, folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Beschwerdegegnerin habe den
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Betreibern von Gasversorgungsnetzen im Sinne des § 3 Nr. 20 EnWG mit der Verfügung
vom 21.09.2005 - Az. E405e-05-001/E 24.08.05 – aufgegeben, bis zum 01.11.2005 die
in der Anlage 1 dieser Verfügung bezeichneten Daten zu übermitteln. Die Betreiber
überregionaler Gasfernleitungsnetze seien nach Nr. 1 S. 2 der Verfügung ausdrücklich
von der Pflicht zur Angabe der in der Rubrik "Kosten des Netzbetriebs" abgefragten
Positionen ausgenommen worden. Dadurch sei deren schutzwürdiges Vertrauen
geschaffen worden, nicht wenige Monate später doch noch zur Erfassung und
Übermittlung dieser Daten herangezogen zu werden.
Der Beschwerdeführerin werde aufgegeben, für die Erteilung der Daten ein von der
Beschwerdegegnerin auf deren Internetseite bereit gestelltes
Datenerfassungsprogramm in Form einer elektronischen Eingabemaske zu verwenden.
Nach Anlage 1 der Verfügung seien eine Vielzahl von Daten des letzten
abgeschlossenen Geschäftsjahres zu übermitteln. Eine Definition, welches das letzte
abgeschlossene Geschäftsjahr sei, fehle jedoch. Nach einem Hinweis der
Beschwerdegegnerin handele es sich zwar um das Jahr 2004. Eine Auslegung ergebe
jedoch, dass es sich um das Jahr 2005 handele, welches bei Fristablauf beendet sei.
Die Aufnahme der Daten aus dem Jahr 2005 werde von dem Eingabeprogramm jedoch
mit dem Hinweis verweigert, dass der 28.07.2005 der letzte mögliche Stichtag sei.
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Schließlich hätte die Vollziehung der Verfügung für die Beschwerdeführerin eine
unbillige Härte zur Folge, da sie unverschuldet nicht zu der fristgerechten Erfüllung in
der Lage sei.
25
Die Bundesnetzagentur beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
26
B
27
I.
28
Die Anträge der Beschwerdeführerin, vorläufig befristet bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung über die Wirksamkeit der Verfügung Nr. 98/2005 (ABl. der
Bundesnetzagentur Nr. 24/2005, S. 197-4) - Az. 82 Fe Zusatzabfrage Gas/601 c
14.12.05 – festzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht verpflichtet ist, die in
Nummern 1 und 2 der Verfügung angeforderten Daten an die Beschwerdegegnerin zu
übermitteln, hilfsweise der Beschwerdegegnerin vorläufig bis zu einer Entscheidung
über deren Wirksamkeit zu untersagen, die unter Nummer 1 genannte Verfügung zu
vollstrecken, sind unzulässig.
29
Die Anträge sind nicht statthaft. Für eine Zwischenentscheidung nach §§ 76 Abs. 3 S. 1,
72 EnWG ist im Verfahren nach § 77 Abs. 3 S. 4 EnWG gemäß § 77 Abs. 3 S. 2 EnWG
kein Raum.
30
1.
31
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 23.01.2006 gegen die Entscheidung der
Bundesnetzagentur hat gemäß § 76 Abs. 1 EnWG keine aufschiebende Wirkung, da
einer der enumerativ aufgezählten Fälle nicht vorliegt (entspr. § 64 Abs. 1 GWB).
Gemäß § 77 Abs. 3 S. 2,3 EnWG kann die Bundesnetzagentur selbst die Vollziehung
ihrer Entscheidung aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn die
Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 EnWG vorliegen (entspr. § 65 Abs. 3 S. 2
32
GWB).
Alternativ kann (i.S.v. muss) das Beschwerdegericht auf Antrag die aufschiebende
Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2
oder 3 vorliegen, § 77 Abs. 3 S. 4 EnWG (entspr. § 65 Abs. 3 Nr. 3 GWB). Mit Schriftsatz
vom 23.01.2006 – Antrag zu 3) – hat die Beschwerdeführerin – hilfsweise - die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde beantragt.
33
2.
34
Daneben kommt eine einstweilige Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur
Entscheidung des Senats über den Antrag nach § 77 Abs. 3 S. 4 EnWG nicht in
Betracht. §§ 76 Abs. 3 S. 1, 72 EnWG (entspr. §§ 64 Abs. 3 S. 1, 60 GWB) greifen nicht
ein, denn § 76 Abs. 3 S. 2 EnWG schließt die Möglichkeit zum Erlass einstweiliger
Anordnungen nach § 72 EnWG ausdrücklich aus, wenn – wie hier – ein Fall des § 77
EnWG vorliegt.
35
Zum Verhältnis §§ 64 Abs. 3 S. 1, 60 GWB - § 65 Abs. 3 GWB, denen §§ 76 Abs. 3, 77
EnWG nachgebildet sind, ist anerkannt, dass § 65 GWB als lex specialis § 64 Abs. 3
GWB vorgeht, da andernfalls die besonderen Anforderungen des § 65 Abs. 3 GWB, in
denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit zurücktreten muss,
unterlaufen würden. Vor der 2. GWB-Novelle 1973 lag die Hauptbedeutung des § 63
Abs. 3 GWB (§ 64 Abs. 3 GWB n.F.) bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung und
der Herstellung eines vom Gesetz nicht gewährten Suspensiveffektes. Seit der
Einführung des § 63 a GWB a.F. (§ 65 GWB n.F.) ergibt sich die entsprechende
Befugnis des Beschwerdegerichts allein aus § 65 Abs.3 GWB unter den dort genannten
Voraussetzungen. § 64 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 60 GWB räumt dem Beschwerdegericht
folglich nur noch in den Fällen umfassende Befugnisse ein, in denen bis zur endgültigen
Entscheidung einstweilige Regelungen getroffen werden müssen, die nicht die
Wirksamkeit/Vollziehbarkeit einer angefochtenen Verfügung betreffen (z.B.
Verpflichtungs- oder allg. Leistungsbeschwerden entspr. § 123 VwGO; s. nur: Karsten
Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. A., Rdnr. 28 zu § 64). § 64 Abs. 3 S. 2 GWB
– und ihm folgend § 76 Abs. 3 S. 2 EnWG – stellt dies nunmehr ausdrücklich klar. In der
Begründung zum Regierungsentwurf zur 7. GWB-Novelle heißt es, dass "in Anlehnung
an § 123 Abs. 5 VwGO die Anwendung der allgemeinen Regelung des § 64 Ab. 3 und §
60 künftig ausgeschlossen wird, soweit die spezielle Vorschrift zur Anordnung der
sofortigen Vollziehung in § 65 anzuwenden ist" (BT-Drs. 15/3640, S. 64 f.).
36
3.
37
§ 64 Abs. 3 S. 2 GWB – und damit auch § 76 Abs. 3 S. 2 EnWG – können nach der
Begründung des Regierungsentwurfs auch nicht so verstanden werden, dass
einstweilige Anordnungen nach §§ 64 Abs. 3 S. 1 GWB und §§ 76 Abs. 3 S. 1, 72
EnWG weiterhin in Betracht kommen, wenn es nicht um die Anordnung der sofortigen
Vollziehung, sondern – wie hier – um die der aufschiebenden Wirkung gehe.
Gesetzeswortlaut und Begründung geben – ebenso wie Historie und Systematik –
hierfür nichts her. Ein Verweis auf § 123 Abs. 5 VwGO, der die Regelungen über die
einstweilige Anordnung ausdrücklich für die Fälle des Anfechtungswiderspruchs und
der Anfechtungsklage gemäß §§ 80, 80 a VwGO ausnimmt, würde allein dafür
sprechen, dass die Regelungen der §§ 65 Abs. 3 GWB, 77 Abs. 3 EnWG als
Spezialnormen vorgehen.
38
II.
39
Der hilfsweise gestellte Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung
ihrer Beschwerde gegen die Verfügung der Bundesnetzagentur vom 21.12.2005
anzuordnen, ist unbegründet. Weder Bestehen an der angefochtenen Verfügung
ernstliche Zweifel im Sinne des § 77 Abs. 3 Nr. 2 EnWG, noch hätte die Vollziehung für
die Beschwerdeführerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte im Sinne des § 77 Abs. 3 Nr. 3 EnWG zur Folge.
40
1.
41
Gemäß § 77 Abs. 3 Satz 4, Satz 1 Nrn. 2, 3 EnWG, der § 65 Abs. 3 GWB nachgebildet
ist und für den daher die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze
gelten, kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung einer nach § 76 Abs. 1
EnWG sofort vollziehbaren Entscheidung der Bundesnetzagentur dann anordnen, wenn
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen
(Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder wenn ihre Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht
durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (Abs. 1 Satz
1 Nr. 3). Dabei steht dem Beschwerdegericht trotz des Wortlauts ein Ermessen nicht zu
(vgl. nur: Quack/Birmanns in: Frankfurter Kommentar zum GWB, Rdnr. 26 zu § 65 GWB
1999; K.Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. A., 2001, Rdnr. 11 zu § 65).
42
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung können
tatsächlicher oder rechtlicher Art sein, wobei das Verfahren nach § 77 Abs. 3 EnWG
allerdings nur eine summarische Prüfung zulässt. Sie sind dann zu bejahen, wenn nach
der Einschätzung des Gerichts die Aufhebung der angefochtenen Verfügung
überwiegend wahrscheinlich ist. Nicht ausreichend ist es daher, wenn die Rechtslage
lediglich offen ist (K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, Rdnr. 13 zu § 65).
43
Eine unbillige Härte i.S.d. § 77 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 EnWG, § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB
stellen nur schwerwiegende Nachteile - in der Regel wirtschaftlicher Natur - dar, die
über den eigentlichen Zweck der Verfügung hinausgehen und nicht oder jedenfalls
kaum wieder gut zu machen sind (K. Schmidt: in Immenga/Mestmäcker, Rdnr. 14 zu §
65; Quack/Birmanns in: FK, Rdnr. 32 zu § 65).
44
2.
45
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze lässt sich bei summarischer Prüfung der
Sach- und Rechtslage nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung nach § 77 Abs. 3 Satz 4, Satz 1 Nrn. 2, 3 EnWG vorliegen.
46
a) Die angefochtene Verfügung ist nicht aus formellen Gründen rechtswidrig.
47
Das Auskunftsverlangen ist der Beschwerdeführerin wirksam bekannt gegeben worden;
die Entscheidung war ihr nicht nach § 73 Abs. 1 S. 1 EnWG zuzustellen. Das
Auskunftsverlangen musste auch nicht von einer Beschlusskammer der
Bundesnetzagentur erlassen werden.
48
Rechtsgrundlage der Auskunftsverfügung sind die §§ 112 a, 68, 69 Abs. 1 Nr. 1 EnWG.
Die Auskünfte dienen zur Vorbereitung des Berichts der Bundesnetzagentur an die
49
Bundesregierung für ein Konzept der Anreizregulierung (§ 112 a Abs. 1 S. 1 und 2, § 21
a EnWG). Gemäß § 112 a Abs. 1 S. 3 EnWG stehen der Bundesnetzagentur dabei die
"Ermittlungsbefugnisse nach diesem Gesetz" zu. Die Bundesnetzagentur kann gemäß §
68 Abs. 1 EnWG alle erforderlichen Ermittlungen führen und Beweise erheben. Zu ihren
Ermittlungsmöglichkeiten gehört auch, Auskünfte von Unternehmen der
Energiewirtschaft über ihre technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzuholen
(vgl. § 69 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnWG). Dabei unterliegt das Auskunftsverlangen nicht den
besonderen formellen Anforderungen des in Abschnitt 1, Teil 8 EnWG geregelten
behördlichen Verfahrens. Abweichend von § 69 Abs. 7 S. 1, § 59 Abs. 1 S. 1 EnWG
bestimmt § 59 Abs. 1 S. 2 EnWG, dass Entscheidungen über die Datenerhebung zur
Erfüllung von Berichtspflichten nicht durch einen Beschluss der Beschlusskammern
getroffen werden müssen. Zu jenen Berichtspflichten gehört auch die Berichtspflicht der
Bundesnetzagentur nach § 112 a EnWG. Dass es dabei um die Erfüllung eigener
Berichtspflichten der Netzagentur geht, steht nicht entgegen. Für ein diesbezüglich
eingeschränktes Verständnis gibt der Wortlaut des § 59 Abs. 1 EnWG nichts her. Mit den
eingeschränkten formellen Anforderungen an das Auskunftsverlangen wollte der
Gesetzgeber ersichtlich den Bedürfnissen der Praxis Rechnung tragen. In diesem Lichte
ist auch § 112 a Abs. 1 S. 3 EnWG zu interpretieren, der der Netzagentur für die Zwecke
des bis zum 1.7.2006 zu erstellenden Berichtes in umfassender Weise alle
Ermittlungsbefugnisse nach dem EnWG einräumt, ohne eine Bindung an die besonders
geregelten Förmlichkeiten des behördlichen Verfahrens nach §§ 65 ff EnWG
auszusprechen. Insbesondere die nach § 73 Abs. 1 S. 1 EnWG vorgeschriebene
Zustellung von Entscheidungen nach den Bestimmungen des
Verwaltungszustellungsgesetzes gilt danach hier nicht. Das ergibt sich auch mit Blick
auf die Gesetzesbegründung, wo es zu § 69 EnWG heißt (Bundestags-Drucks. 15/3917,
Seite 71):
Die Bestimmung entspricht § 59 Abs. 1 GWB-E. Außerhalb konkreter
Verwaltungsverfahren hat die Regulierungsbehörde die Befugnisse nach Absatz
10.
50
In § 69 Abs. 10 S. 3 EnWG ist wiederum (nur) geregelt, dass die §§ 68, 71 und 69
entsprechend gelten; § 73 Abs. 1 S. 1 EnWG wird hingegen nicht für anwendbar erklärt.
Danach soll also außerhalb konkreter Verwaltungsverfahren das Zustellungserfordernis
nicht eingreifen. Dass für das Auskunftsverlangen im Zusammenhang mit dem
Berichtsauftrag nach § 112 a EnWG – einer allgemeinen Verwaltungsaufgabe – etwas
anderes zu gelten hätte, ist nicht anzunehmen. Vielmehr gelten insoweit (lückenfüllend)
die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG).
51
Bei dem angefochtenen Auskunftsverlangen handelt es sich um eine
(personenbezogene) Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2, 1. Fall VwVfG. Nach §
41 Abs. 3 S. 1, 2 VwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt
gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Letzteres war
hier der Fall. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe an eine große Zahl
Beteiligter bzw. Betroffener wegen der Natur des in Frage stehenden Verwaltungsaktes
nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre (vgl.
VGH Mannheim NVwZ 1989, 978, 980; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. § 41 Rn. 48).
Im Streitfall war das Auskunftsverlangen rund 750 Betreibern von Gasnetzen
bekanntzugeben. Zwar soll allein der Umstand, dass die Bekanntgabe an eine große
Zahl Beteiligter bzw. Betroffener einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursachen
würde, die öffentliche Bekanntgabe nicht rechtfertigen (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer
52
a.a.O.). Vorliegend kommen jedoch die Fristgebundenheit des gesetzlichen
Berichtsauftrags nach § 112 a EnWG und die damit zusammenhängende
Eilbedürftigkeit des Auskunftsverlangens sowie der Umstand hinzu, dass die
Netzagentur bei Erlass der Auskunftsverfügung nicht wissen konnte, wie weit die nach
dem EnWG zeitgleiche Entflechtung der vertikal integrierten
Gasversorgungsunternehmen gemäß §§ 6 EnWG im Einzelfall vorangeschritten war.
Der Rückgriff auf das Mittel der Allgemeinverfügung, die die Bestimmbarkeit der
Adressaten genügen lässt und eine öffentliche Bekanntgabe erlaubt, war daher
naheliegend, wenn nicht sogar geboten.
Gemäß § 41 Abs. 4 VwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder
elektronischen Verwaltungsaktes dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich
bekannt gemacht wird. Zum verfügenden Teil gehören der Entscheidungssatz, die
Angabe der Behörde, die entschieden hat, und die Bezeichnung der Adressaten bzw.
der sonst Betroffenen. Sämtliche Elemente enthielt die Verfügung vom 21.12.2005 in
ausreichendem Maße. Das gilt auch für den Entscheidungssatz, der zum Gegenstand
hatte, die in Kapitel 1 bzw. 2 der Datenliste in Anlage 1 angeforderten Angaben unter
Berücksichtigung der Datendefinitionen in Anlage 2 zu dem Auskunftsverlangen bis
zum 6.2.2006 an die Bundesnetzagentur zu übermitteln. Damit waren der Kern des
Gebots ausgesprochen und die nach der Rechtsprechung geforderte Anstoßfunktion
erfüllt, um jedem Netzbetreiber die Möglichkeit seiner Betroffenheit vor Augen zu führen
(vgl. hierzu BVerwGE 67, 206 f), so dass im Übrigen auf die auf der Internetseite der
Netzagentur veröffentlichten Anlagen verwiesen werden konnte (§ 41 Abs. 4 S. 2
VwVfG). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Energiewirtschaftsrecht sowohl für die
Regulierungsbehörde als auch für die Netzbetreiber von einem umfassenden Einsatz
des Internets ausgeht und dementsprechend die Existenz eigener Internetseiten als
selbstverständlich voraussetzt (vgl. nur § 74 EnWG; § 20 Abs. 1, 2, § 21 Abs. 1, § 22
Abs. 1, 3 S. 4, § 43 Abs. 4 GasNZV; § 17, § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1 und 2 GasNEV; § 17
Abs. 1 StromNZV; § 27 Abs. 1 StromNEV). Im Hinblick hierauf dürfte die
Veröffentlichung des vollständigen Auskunftsverlangens auf der Internetseite der
Bundesnetzagentur eine (zusätzliche) ortsübliche Bekanntmachung i.S.d. § 41 Abs. 4
VwVfG darstellen. Die Zulässigkeit dieser Form der Bekanntgabe wird bestätigt durch §
22 Abs. 3 S. 4 GasNZV, wonach für die dort geregelte Festlegung eine Bekanntgabe der
Allgemeinverfügung auf der Internetseite der Bundesnetzagentur ausdrücklich
vorgesehen ist.
53
b) Die angefochtene Verfügung ist auch nicht aus materiellen Gründen rechtswidrig.
54
aa) Die Beschwerdeführerin rügt, für das unter Nr. 1 der Verfügung formulierte
umfassende Auskunftsverlangen fehle eine Ermächtigungsgrundlage. Auf den nach §
112 a Abs. 1 S. 3 EnWG zu erstellenden Konzeptbericht könne sich das
Auskunftsbegehren nicht stützen, da die mit der Verfügung abgefragten Daten zur
Erstellung des Berichts nach § 112 a Abs. 1 EnWG nicht erforderlich im Sinne des § 69
Abs. 1 Nr. 1 EnWG seien. Da die Anreizregulierung nur zulässig sei, soweit eine
kostenorientierte Entgeltbildung im Sinne des § 21 a Abs. 1 S.1 EnWG erfolge, sei eine
Anreizregulierung unzulässig, soweit keine kostenorientierte Entgeltbildung erfolge.
Folglich könne sich ein Bericht zur Einführung der Anreizregulierung nur auf
Unternehmen beziehen, die einer kostenorientierten Entgeltbildung unterliegen. Der von
der Beschwerdegegnerin zu erstellende Beicht solle nicht die zur Durchführung der
Anreizregulierung erforderlichen Details enthalten, sondern lediglich ein Konzept im
Sinne eins Plans oder Programms, auf dessen Grundlage eine Anreizregulierung
55
entwickelt werden solle.
Auch das unter Nr. 2 der Verfügung formulierte Auskunftsverlangen sei rechtswidrig.
Neben den zu Nr. 1 der Verfügung dargestellten Gründen komme hinzu, dass eine
Ermächtigungsgrundlage für einen umfassenden Auskunftsanspruch zu der Kosten- und
Erlöslage der Beschwerdeführerin in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr fehle.
Der von der Beschwerdegegnerin zu erstellende Bericht zur Anreizregulierung betreffe
zudem nur Unternehmen, die einer kostenorientierten Entgeltbildung unterworfen seien.
Die Beschwerdeführerin sei als Betreiberin eines überregionalen Gasfernleitungsnetzes
bestehendem oder potentiellem Leitungswettbewerb ausgesetzt, deshalb von der
kostenorientierten Entgeltbildung ausgenommen und berechtigt, ihre Preise
marktorientiert zu bilden. Der Bericht nach § 112 a Abs. 1 S.1 EnWG beziehe sich nicht
auf solche Gasfernleitungsnetzbetreiber.
56
Die von der Beschwerdegegnerin angeforderten netz- und kostenbezogenen Daten
gingen über die der Beschwerdeführerin nach § 26 GasNEV obliegenden
Informationspflichten hinaus.
57
Die unter Nr. 2 der Verfügung vorgesehene Erhebung der Kostenangaben bei
überregionalen Gasfernleitungsnetzbetreibern sei unverhältnismäßig, da diese Daten
für den Bericht nicht relevant seien. Die Beschwerdegegnerin verfüge bereits über eine
breite Datenbasis.
58
Die der Beschwerdeführerin gesetzte Frist sei nicht nach § 69 Abs. 7 S. 2 EnWG
angemessen. Der Beschwerdeführerin sei es nicht möglich, die Daten aus den letzten
fünf Geschäftsjahren binnen knapp eineinhalb Monaten zusammenzustellen, zu ordnen
und in das festgelegte Programm einzupflegen.
59
Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Verfügung verstoße gegen den Grundsatz
des Vertrauensschutzes, da die Betreiber überregionaler Gasfernleitungsnetze im
Rahmen der Verfügung vom 21.09.2005 ausdrücklich von der Pflicht zur Angabe der in
der Rubrik "Kosten des Netzbetriebs" abgefragten Positionen ausgenommen worden
seien. Die Aufnahme der Daten für das Geschäftsjahr 2005 werde von dem
Eingabeprogramm zudem verweigert.
60
Schließlich würde die Vollziehung der Verfügung für die Beschwerdeführerin, die
unverschuldet nicht zu der fristgerechten Erfüllung in der Lage sei, eine unbillige Härte
bedeuten.
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bb) Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände sind nicht geeignet,
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens zu begründen. Die
Beschwerdeführerin verkennt mit ihrem Vortrag die Reichweite der gesetzlichen
Ermächtigung.
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Das Auskunftsverlangen der Bundesnetzagentur ist gestützt auf § 69 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
i. V. m. § 112 a Abs. 1 Satz 1 EnWG. Danach kann die Regulierungsbehörde, soweit es
zur Erfüllung der ihr nach dem Energiewirtschaftsgesetz übertragenen Aufgaben
erforderlich ist, von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Auskunft über deren
technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Herausgabe von Unterlagen
verlangen. Zu den Aufgaben der Bundesnetzagentur gehört es nach § 112 a Abs. 1
EnWG, der Bundesregierung bis zum 1. Juli 2006 einen Bericht zur Einführung der
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Anreizregulierung nach § 21 a EnWG vorzulegen, der ein Konzept zur Durchführung
einer Anreizregulierung enthalten soll, das im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des §
21 a EnWG umsetzbar ist. Zur Vorbereitung und Erstellung des Berichts sind ihr
ausdrücklich die Ermittlungsbefugnisse nach dem Energiewirtschaftsgesetz eingeräumt
worden.
Auskunftsanordnungen auf dieser gesetzlichen Grundlage unterliegen – was die
Beschwerdeführerin verkennt – von vorneherein nur einer eingeschränkten richterlichen
Überprüfung, weil der Regulierungsbehörde naturgemäß ein weiter Spielraum bei der
Beurteilung einzuräumen ist, welche Auskünfte sie zur Vorbereitung und Erstellung des
Berichts benötigt.
64
§ 21 a EnWG sieht vor, dass anstelle der kostenbasierten Entgeltkalkulation eine
Anreizregulierung durchgeführt werden kann. Die Regierung wird durch § 21 a Abs. 1
und Abs. 6 S. 1 EnWG ermächtigt, mit der Zustimmung des Bundesrates eine
Rechtsverordnung zu erlassen, die regelt, ob und wann eine Anreizregulierung
überhaupt in den deutschen Energiemärkten Anwendung finden soll (Nr. 1). Durch die
Verordnung soll weiter die nähere Ausgestaltung der Methode und ihre Durchführung
geregelt (Nr. 2) sowie festgeschrieben werden, in welchen Fällen und unter welchen
Voraussetzungen die Bundesnetzagentur im Rahmen der Durchführung der Methoden
Festlegungen treffen und Maßnahmen des Netzbetreiber genehmigen kann (Nr. 3).
Soweit es die Ausgestaltung der Methode der Anreizregulierung angeht, trifft § 21 a
EnWG in Abs. 2 - Abs. 5 bereits weitgehende Festlegungen. § 21 a Abs. 2 bestimmt,
dass unter einer Anreizregulierung für eine Regulierungsperiode (zwei bis fünf Jahre)
Obergrenzen entweder für die Höhe der Netzzugangsentgelte oder aber für die
Gesamterlöse aus Netzzugangsentgelten unter Berücksichtigung von Effizienzvorgaben
vorgegeben werden. Diese Obergrenzen und Effizienzvorgaben sollen sich auf einzelne
Netzbetreiber oder Gruppen von Netzbetreibern, und zwar entweder auf das gesamte
Netz oder auf Netzteile beziehen. Nach § 21 a Abs. 4 EnWG soll bei der Ermittlung der
Regulierungsvorgaben zwischen vom Netzbetreiber beeinflussbaren und von ihm nicht
beeinflussbaren Kostenanteilen differenziert werden. Auf der Grundlage eines
Effizienzvergleichs (Benchmarking) sollen für eine Regulierungsperiode
unternehmensindividuelle Effizienzvorgaben oder gruppenspezifische Effizienzziele
abgeleitet werden (§ 21 a Abs. 5). Weitere dabei zu berücksichtigende
Regelungsgegenstände enthält § 21 a Abs. 6 Satz 2 EnWG. Im Rahmen all dieser
Vorgaben muss die Bundesnetzagentur ein Konzept entwickeln, das die
Bundesregierung in die Rechtsverordnung nach § 21 a Abs. 6 EnWG umsetzen kann.
65
Die Erarbeitung eines Konzepts zur Durchführung der Anreizregulierung ist somit eine
planerische Aufgabe, für die ihr dementsprechend planerische Gestaltungsfreiheit
zuzubilligen ist. Es sind zunächst auf einer breiten Grundlage höchst komplexe
wirtschaftliche und technische Umstände zu ermitteln und zu bewerten und darauf
aufbauend geeignete rechtliche Verfahren und Instrumente zur Implementierung der
Anreizregulierung zu entwickeln. Die Vertrautheit der Regulierungsbehörde mit dieser
Materie, ihre Wertungen und Einschätzungen künftiger Entwicklungen können ebenso
wenig wie die Beurteilung, welche Daten sie dabei benötigt, durch die des Gerichts
ersetzt werden. Die eigenverantwortliche und umfassende planerische Freiheit bei der
Konzepterstellung bringt es daher mit sich, dass Gegenstand gerichtlicher Überprüfung
allein die Frage sein kann, ob der konkrete Berichtsauftrag das Auskunftsverlangen
rechtfertigt. Dies ist – wie bei Auskunftsersuchen nach dem vergleichbaren § 59 GWB –
dann der Fall, wenn die Regulierungsbehörde die Erforderlichkeit der Auskünfte mit
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Blick auf den Berichtsauftrag mit vertretbaren Erwägungen bejaht hat (s.nur: OLG
Düsseldorf WuW/E DE-R 1179, 1180; 677, 678).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist das Auskunftsverlangen der
Beschwerdegegnerin nicht zu beanstanden.
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Fehl geht der Einwand der Beschwerdeführerin, §§ 69 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 112 a Abs. 1
EnWG ermächtige sie schon dem Grunde nach nicht dazu, Auskünfte von den
überregionalen Ferngasnetzbetreibern zu verlangen, die gem. § 3 Abs. 2 GasNEV nicht
der kostenorientierten Entgeltregulierung unterliegen.
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Die Beschwerdegegnerin hat in der eingehenden Begründung ihres
Auskunftsverlangens für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass für die von ihr
geforderte Erstellung eines operablen Konzepts der Anreizregulierung eine
Untersuchung des Gesamtsystems und damit eine umfassende und aussagekräftige
Datenbasis erforderlich ist, weil es ihr nur auf dieser Grundlage möglich ist, die
Parameter einer künftigen Anreizregulierung sachgerecht zu entwickeln. Der Bericht soll
es der Bundesregierung ermöglichen, über das "ob" und "wie" der Anreizregulierung für
die gesamte Gaswirtschaft zu entscheiden, so dass er sich naturgemäß zunächst über
das Effizienzsteigerungspotenzial und sodann ggfs. über die Methoden zur Setzung der
Obergrenzen wie auch die Kriterien zur Festlegung der Effizienzvorgaben verhalten
muss. Damit ist es plausibel, dass die Beschwerdegegnerin im Rahmen der
Vorbereitung dieses Berichts die kostenerhöhende Wirkung technischer und
struktureller Gegebenheiten und die potentielle Wirkung zu setzender Anreize
deutschlandweit für das Gesamtnetzsystem – bestehend aus rd. 780 Gasnetzbetreibern
- untersuchen will. Schon von daher ist die Einbeziehung der überregionalen
Gasfernleitungsnetzbetreiber unabhängig davon notwendig, ob diese derzeit für sich die
Überprüfung ihrer Netznutzungsentgelte nach dem Vergleichsmarktmodell gem. § 24 S.
2 Nr. 5 EnWG i.V.m. §§ 3 Abs. 2, 3 und 19 ff. GasNEV in Anspruch nehmen. Im übrigen
lässt die Beschwerdeführerin außer Acht, dass der von der Beschwerdegegnerin zu
erstellende Bericht sich nach dem gesetzlichen Auftrag auch auf die Frage zu
erstrecken hat, ob – und mit welchen Vorgaben - die Anreizregulierung für
Gasfernleitungsnetzbetreiber eingeführt werden soll. Diese sind nach dem
gesetzgeberischen Willen grundsätzlich in das System der Anreizregulierung
einbezogen worden, so dass das alternative Vergleichsmarktmodell nur eine Ausnahme
hierzu darstellt. Letzteres kann der einzelne überregionale Ferngasnetzbetreiber - nur
dann - in Anspruch nehmen, wenn er für sein Netzgebiet gem. § 3 Abs. 2 GasNEV den
Nachweis erbringt, dass tatsächlich oder potenziell Wettbewerb herrscht. Erfüllt ein
Ferngasnetzbetreiber hingegen diese Voraussetzungen nicht oder will er das reine
Vergleichsmarktmodell nicht in Anspruch nehmen, unterliegt er der kostenorientierten
Preisbildung und damit gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 EnWG auch einer etwaigen
künftigen Anreizregulierung. Eine valide Datenbasis gebietet es daher, die als
erforderlich angesehenen Daten von sämtlichen potentiell der Anreizregulierung
unterliegenden Unternehmen zu erheben.
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Ohne Erfolg greift die Beschwerdeführerin auch die abverlangten Kosten- und
Strukturdaten mit dem Einwand an, eine solche Detailtiefe könne erst auf der Grundlage
der zu erstellenden zukünftigen Rechtsverordnung im Rahmen der Durchführung der
Anreizregulierung verlangt werden, so dass durch die Datenabfrage der
Verordnungsvorbehalt des § 21 a Abs. 6 EnWG umgangen werde. Sie verkennt dabei,
dass schon der von der Beschwerdegegnerin zu erstattende Bericht sich angesichts
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seiner breiten Aufgabenstellung mit den – alternativ - möglichen Regelungen dieser
Rechtsverordnung auseinandersetzen muss, wenn er für deren Erarbeitung eine
tragfähige Grundlage darstellen soll. Von daher müssen auf wesentlich umfassenderer
Basis Daten erfragt werden, als dies später nach Erlass der Rechtsverordnung mit
konkreten Vorgaben der Fall sein wird.
Der konkreten Datenabfrage kann auch nicht die mangelnde Vergleichbarkeit der Netze
regionaler Fernleitungsnetzbetreiber mit denen überregionaler
Fernleitungsnetzbetreiber entgegengehalten werden. Die zu erlassende
Rechtsverordnung kann auch "Regelungen zur Festlegung der für eine Gruppenbildung
relevanten Strukturkriterien und über deren Bedeutung für die Ausgestaltung von
Effizienzvorgaben" sowie die "Anforderungen an eine Gruppenbildung" enthalten (§ 21
a Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, 2 EnWG), so dass die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer
Aufgabenstellung handelt, wenn sie mit ihrer Datenerhebung die insoweit
maßgeblichen strukturellen Unterschiede mit Blick auf die verschiedenen Parameter der
Anreizregulierung erforscht.
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Die Rüge der Beschwerdeführerin, es sei nicht möglich, die Daten aus den letzten fünf
Geschäftsjahren binnen knapp eineinhalb Monaten zusammenzustellen, zu ordnen und
in das festgelegte Programm einzupflegen, lässt ebenfalls nicht die Feststellung der
Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung zu.
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Die von der Netzagentur gesetzte Erledigungsfrist begründet für sich gesehen keine
Unzumutbarkeit. Die Beschwerdeführerin verweist darauf, die Netzagentur habe in ihrer
ersten Auskunftsverfügung vom 21.9.2005 von einer Datenabfrage bei Betreibern
überregionaler Fernleitungsnetze, die im Wettbewerb stehen und keiner
kostenorientierte Entgeltregulierung unterliegen, abgesehen. Abgesehen davon, dass
hiermit kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen wurde, dass solche
Datenabfragen auch in Zukunft unterbleiben, ist entscheidend ist, ob die Frist des
angefochtenen Auskunftsverlangens für die Beschwerdeführerin nach objektiven
Maßstäben unangemessen gewesen ist, nicht aber, ob die Netzagentur das Verfahren
hätte effizienter durchführen können. Die Beschwerdeführerin legt schon nicht im
Einzelnen und in sich geschlossen und damit überprüfbar dar, aus welchen Gründen ihr
eine Einhaltung der Frist unzumutbar gewesen ist und auf welche Weise sie die schon
verstrichene Zeit unter Anspannung ihrer personellen und finanziellen Kräfte genutzt
hat. Dabei ist auch ein erheblicher Aufwand von der auskunftspflichtigen
Beschwerdeführerin grundsätzlich hinzunehmen (vgl. KG WuW/E OLG 2607 - "Haribo";
WuW/E OLG 3721, 3722 – "Coop-Wandmaker"; Klaue in Immenga/Mestmäcker, GWB ,
3. Aufl., § 59 GWB Rn. 21). Etwaige unverzichtbare Erleichterungen können ihr noch im
Zuge der Auskunftserteilung auf ihre Eingabe hin bewilligt werden.
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Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb es der Beschwerdeführerin nicht möglich
sein sollte, auf eine Meldung des Datenerfassungsprogramms, das einen Eintrag nach
dem "28.07.2005" als Ende des Geschäftsjahres als Fehler ausweist, entsprechend zu
reagieren.
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Nach alldem kann auch nicht festgestellt werden, dass mit der Vollziehung der
Auskunftsverfügung für die Beschwerdeführerin eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 77 Abs. 3 S. 4
i.V.m. Satz 1 Nr. 3 EnWG verbunden wäre.
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L. v. R. W.
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