Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.04.2007

OLG Düsseldorf: ausführung, bohrung, anschluss, stand der technik, form, erfindung, besonderer vorteil, fig, einbau, muster

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 2/06
Datum:
26.04.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 2/06
Tenor:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Dezember 2005
verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 500.000,00 € abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten können jeweils auch durch schriftliche, unwiderrufliche,
unbedingte und unbefristete Bürgschaften einer im Inland zum
Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts geleistet werden.
IV.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 500.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Klägerin, die durch Umfirmierung und Rechtsformwechsel aus der A- Electric SA
hervorgegangen ist, ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 xxx (nachfolgend:
Klagepatent, Anlage B K 1), das unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität
3
vom 07. Februar 1992 am 21. Januar 1993 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der
Patenterteilung erfolgte am 18. Juni 1997. Das Klagepatent, dessen deutscher Teil beim
Deutschen Patent- und Markenamt unter der Patentnummer DE 693 11 xxx T 2 (Anlage
B K 2) geführt wird, steht in Kraft.
Das in französischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent betrifft eine
Anschlussvorrichtung für einen Niederspannungsschalter mit Kunststoffgehäuse.
Patentanspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:
4
Elektrisches Schaltgerät mit Isolierstoffgehäuse (10), insbesondere ein
Niederspannungs-Leistungsschalter mit einer Vorrichtung zum Anschluss an die
Anschlussfahne (21) des Schaltgeräts, wobei das genannte Gehäuse (10) an einer
seiner Seitenwände (14; 15) zur Seite der genannten Seitenwand (14; 15) hin
offene und nebeneinander angeordnete Taschen (22) zur Aufnahme von
Anschlussteilen (29, 33; 41, 42; 48, 51) aufweist, jede Tasche (22) einer
Anschlussfahne (21) zugeordnet ist, die im Inneren dieser Tasche mit Spiel
angeordnet ist, um das Einsetzen der genannten Anschlussteile entlang von an
den Seitenwänden (23) der Tasche (22) ausgebildeten Führungsleisten zu
ermöglichen, ohne das Gehäuse (10) öffnen zu müssen, wobei die genannten
Anschlussteile
5
ein gegen die Anschlussfahne (21) geführtes Metallteil (29; 41; 48),
eine Klemmschraube (31; 46; 54) sowie
6
7
- einen Isolierstoffträger (33; 42; 51) zum Halten des genannten Metallteils
(29; 41; 48) in der eingesetzten Stellung in der genannten Tasche (22)
umfassen, dadurch gekennzeichnet, dass die Anschlussfahne (21) eine mit
der Achse der Klemmschraube (31; 46; 54) fluchtende Bohrung (18) aufweist,
dass der genannte Isolierstoffträger (33; 42; 51) zwei Längsnuten (35)
aufweist, die sich in Einsetzrichtung an jeder der Seitenwände des genannten
Isolierstoffträgers (33; 42; 51) erstrecken und mit an den Seitenwänden (23)
der genannten Tasche (22) ausgebildeten, zugeordneten Leisten
zusammenwirken, wobei die genannte Tasche (22) wahlweise irgendeine der
folgenden drei Ausführungen von Anschlussteilen aufnimmt:
8
- eine erste Ausführung eines Anschlussteils (Fig. 3 bis 5) mit einer ersten
Ausführung eines Isolierstoffträgers (33), der einem, in Form einer die
Anschlussfahne (21) umschließenden Käfigklemme (29) zum Anschluss eines
Kabels ausgebildeten Metallteil zugeordnet ist, wobei die genannte
Käfigklemme (29) mit der genannten Klemmschraube (31) sowie einem
Vorsprung (32) versehen ist, der mit der genannten Klemmschraube fluchtet
und dazu dient, in die genannte Bohrung (18) einzugreifen,
9
- eine zweite Ausführung eines Anschlussteils (Fig. 6 bis 8) mit einer zweiten
Ausführung eines Isolierstoffträgers (42), der einen, in Form einer Mutter (41)
10
zur Befestigung eines Kabelschuhs (40) oder einer Anschlussschiene
ausgebildeten Metallteil zugeordnet ist, wobei die genannte Klemmschraube
(46) durch die genannte Bohrung (18) geführt ist und mit der genannten Mutter
(41) zusammenwirkt, oder
- eine dritte Ausführung eines Anschlussteils (Fig. 9 bis 11) mit einer dritten
Ausführung eines Isolierstoffträgers (51), der einem in Form eines mit einer
Gewindebohrung (50) versehenen Stegs (48) zur Herstellung eines
rückseitigen Anschlusses ausgebildeten Metallteil zugeordnet ist, wobei die
genannte Klemmschraube (54) durch die genannte Bohrung (18) geführt ist
und mit der genannten Gewindebohrung (50) zusammenwirkt.
11
Wegen des Wortlauts der weiteren Ansprüche des Klagepatentes wird auf die
Klagepatentschrift verwiesen.
12
Die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen stammen aus der Klagepatentschrift und
verdeutlichen die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Die Figur
1 zeigt ein Schaltgerät mit unterschiedlich besetzten Taschen. Die Figuren 4 und 5
stellen ein Anschlussteil entsprechend der 1. Ausführung, die Figuren 7 und 8 ein
Anschlussteil entsprechend der 2. Ausführung und die Figuren 10 bis 12 ein
Anschlussteil entsprechend der 3. Ausführung dar.
13
Schaltgerät Figur 1
14
Anschlussteil entsprechend der 1. Ausführung
15
Anschlussteil entsprechend der 2. Ausführung
16
Anschlussteil entsprechend der 3. Ausführung
17
Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Marke
"C Plus" elektrische Schaltgeräte, insbesondere unter der Typenbezeichnung FE in
einer Serie, die von 160 bis 250 Ampere ausgelegt ist. Das Schaltgerät (Anlage B K 5)
wird standardmäßig mit Anschlussteilen zur Befestigung von Kabelschuhen oder
Anschlussschienen, wie sie den Anlagen B K 6 und B K 7 zu entnehmen sind
(nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I), vertrieben. Darüber hinaus erfolgt der
Vertrieb mit Anschlussteilen entsprechend dem Muster Anlage B K 8 sowie der
Ablichtungen der Anlage B K 9 (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II) oder mit
Anschlussteilen entsprechend dem Muster Anlage B K 10 sowie der Ablichtungen der
Anlage B K 11 (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform III). Es sind jeweils drei
Anschlussteile miteinander verbunden. Zur Veranschaulichung der angegriffenen
Ausführungsformen werden nachfolgend die erste Ablichtung der Anlage B K 5, die
Anlage B K 7, sowie die jeweiligen ersten Ablichtungen der Anlagen B K 9 und B K 11
eingeblendet. Auf die überreichten Muster wird Bezug genommen.
18
Schaltgerät (Anlage B K 5)
19
angegriffene Ausführungsform I (Anlage B K 7)
20
angegriffene Ausführungsform II (Anlage B K 9)
21
angegriffene Ausführungsform III (Anlage B K 11)
22
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen I und II
verwirklichten die Merkmale des Klagepatents wortsinngemäß, die angegriffene
Ausführungsform III mache von der technischen Lehre des Klagepatents mit
äquivalenten Mitteln Gebrauch. Sie nimmt deshalb die Beklagte auf Unterlassung,
Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.
23
Das Landgericht hat mit Urteil vom 1. Dezember 2005 der Klage stattgegeben. Es hat
24
I.
25
die Beklagte verurteilt,
26
1.
27
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
28
elektrische Schaltgeräte mit Isolierstoffgehäuse, insbesondere Niederspannungs-
Leistungsschalter mit einer Vorrichtung zum Anschluss an die Anschlussfahne des
Schaltgeräts, wobei das genannte Gehäuse an einer seiner Seitenwände zur Seite
der genannten Seitenwand hin offene und nebeneinander angeordnete Taschen
zur Aufnahme von Anschlussteilen aufweist, jede Tasche einer Anschlussfahne
zugeordnet ist, die im Inneren dieser Tasche mit Spiel angeordnet ist, um das
Einsetzen der genannten Anschlussteile entlang von an den Seitenwänden der
Tasche ausgebildeten Führungsleisten zu ermöglichen, ohne das Gehäuse öffnen
zu müssen, wobei die genannten Anschlussteile
29
ein gegen die Anschlussfahne geführtes Metallteil,
eine Klemmschraube sowie
einen Isolierstoffträger zum Halten des genannten Metallteils in der eingesetzten
Stellung in der genannten Tasche umfassen,
30
31
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu
gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu
besitzen,
32
bei denen die Anschlussfahne eine mit der Achse der Klemmschraube fluchtende
Bohrung aufweist und der genannte Isolierstoffträger zwei Längsnuten aufweist, die
sich in Einsetzrichtung an jeder der Seitenwände des genannten Isolierstoffträgers
erstrecken und mit an den Seitenwänden der genannten Tasche ausgebildeten,
zugeordneten Leisten zusammenwirken, wobei die genannte Tasche aufnimmt:
33
34
eine Ausführung eines Anschlussteils mit einer Ausführung eines
Isolierstoffträgers, der einem in Form einer die Anschlussfahne umschließenden
Käfigklemme zum Anschluss eines Kabels ausgebildeten Metallteil zugeordnet ist,
wobei die genannte Käfigklemme mit der genannten Klemmschraube versehen ist
und fest mit dem Isolierstoffträger verbunden ist, so dass die Käfigklemme mittels
des Isolierstoffträgers im eingesetzten Zustand in der Tasche in der Einsatz-
Längsrichtung festgelegt wird,
35
und/oder
36
eine Ausführung eines Anschlussteils mit einer Ausführung eines
Isolierstoffträgers, der einem in Form einer Mutter zur Befestigung eines
Kabelschuhs oder einer Anschlussschiene ausgebildeten Metallteil zugeordnet ist,
wobei die genannte Klemmschraube durch die genannte Bohrung geführt ist und
mit der genannten Mutter zusammenwirkt,
37
38
und/oder
39
eine Ausführung eines Anschlussteils mit einer Ausführung eines
Isolierstoffträgers, der einem in Form eines mit einer Gewindebohrung versehenen
Stegs zur Herstellung eines rückseitigen Anschlusses ausgebildeten Metallteil
zugeordnet ist, wobei die genannte Klemmschraube durch die genannte Bohrung
geführt ist und mit der genannten Gewindebohrung zusammenwirkt,
40
41
wobei die Unterlassungsverpflichtung unabhängig davon gilt, ob das elektrische
Schaltgerät zusammen mit dem/den Anschlussteil(en) oder ob das elektrische
Schaltgerät und das/die Anschlussteil(e) gesondert angeboten oder in den Verkehr
gebracht werden;
42
2.
43
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses
vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1.
bezeichneten Handlungen, insbesondere in Form des Vertriebs von
entsprechenden Schaltgeräten (mit oder ohne Anschlussteilen) und von
entsprechenden Anschlussteilen, seit dem 18.07.1997 begangen hat, und zwar
unter Angabe
44
a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach
Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den
Namen und Anschriften der Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der
gewerblichen Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die
Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von
dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten,
vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer
mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden
Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage
mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung
enthalten ist,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und
Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im
Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet
werden,
45
46
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-,
Lieferscheine und Rechnungen vorzulegen hat;
47
3.
48
die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten
befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder
nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden
Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten
herauszugeben.
49
Das Landgericht hat II. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem
18.07.1997 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
50
Gegen das ihr am 12. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz
vom 9. Januar 2006, bei Gericht am 11. Januar 2006 eingegangen, Berufung eingelegt.
Sie ist – wie bereits in der ersten Instanz – der Auffassung, dass die angegriffenen
Ausführungsformen keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents
machen. Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen führt sie aus, das
Klagepatent verlange hinsichtlich der Aufnahme der Anschlussteile in die Taschen eine
51
Variabilität dergestalt, dass in jede Tasche jederzeit ein beliebiges Anschlussteil,
insbesondere bei Reparaturen, eingesetzt werden könne. Bei den angegriffenen
Schaltgeräten sei jedoch nur ein einziges Anschlussteil in Form eines Isolierstoffträgers
vorgesehen, das drei bzw. vier einheitliche Metallteile trage. Dieses einzige
Anschlussteil könne nur gleichzeitig in alle Taschen des Schaltgeräts geschoben
werden. Wenn für die erste Anschlussfahne eine bestimmte Ausführung einer
Anschlussart gewählt worden sei, sei damit auch die Anschlussart für die anderen
Anschlussfahnen vorbestimmt. Eine freie Wahl bestehe dann nicht mehr; alle
Anschlussteile gehörten zur selben Anschlussart. Darüber hinaus fehle es bei der
angegriffenen Ausführungsform III an einem Vorsprung im Sinne des Klagepatents.
Entgegen den Feststellungen im Urteil des Landgerichts könne (auch) nicht von einer
Verwirklichung mit äquivalenten Mitteln ausgegangen werden. Die bei der
angegriffenen Ausführungsform III an dem Isolierstoffgehäuse angeordnete "Raste", die
in eine Aussparung im Gehäuse des Leistungsschalters eingreifen könne, diene der
groben Fixierung des Isolierstoffträgers gegenüber dem Gehäuse. Dem Vorsprung im
Sinne des Klagepatents komme demgegenüber die Funktion zu, die Käfigklemme
gegenüber der Anschlussfahne festzulegen und die unerwünschte Krafteinwirkung auf
das Gehäuse zu vermeiden. Es mangele mithin an der erforderlichen Gleichwirkung;
jedenfalls aber fehle die Gleichwertigkeit.
Die Beklagte beantragt,
52
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Januar
2006 – gemeint ist der 1. Dezember 2005 – , Aktenzeichen 4b O 238/05, die
Klage abzuweisen.
53
Die Klägerin beantragt,
54
die Berufung zurückzuweisen.
55
Die Klägerin verteidigt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und
Vertiefung desselben das Urteil des Landgerichts.
56
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
57
II.
58
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen
Ausführungsformen I und II machen wortsinngemäß, die angegriffene Ausführungsform
III mit äquivalenten Mitteln von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.
Infolge der widerrechtlichen Benutzung des Klagepatents hat das Landgericht mit dem
angefochtenen Urteil vom 1. Dezember 2005 die Beklagte zu Recht im zuerkannten
Umfang zur Unterlassung, zur Auskunft und Rechnungslegung, zur Vernichtung und
zum Schadenersatz verpflichtet.
59
1.
60
Das Klagepatent betrifft ein elektrisches Schaltgerät mit Isolierstoffgehäuse,
insbesondere einen Niederspannungs-Leistungsschalter mit einer Vorrichtung zum
Anschluss an die Anschlussfahne des Schaltgeräts.
61
Eine Vorrichtung der beschriebenen Art erlaubt den Anschluss eines Kabels an die
Anschlussfahne des Leistungsschalters mit Hilfe einer auf der Anschlussfahne
angebrachten Klemme. Sie ermöglicht ebenfalls den Anschluss einer Schiene oder
eines Kabelschuhs mit Hilfe einer durch die durchbohrte Anschlussfahne geführten
Schraube oder die Ausrüstung der Anschlussfahne mit einem Steg zur Herstellung
eines rückseitigen Anschlusses. Die Anpassung des Leistungsschalters an die Art des
anzuschließenden Leiters erfordert das Anbringen einer Klemme oder einer Mutter auf
der Anschlussfahne, häufig mit Hilfe einer Schraube an der Anschlussfahne oder am
Gehäuse. Das Anbringen erfolgt in jedem Fall vor der Installation des
Leistungsschalters und normalerweise in einer Werkstatt, wobei ein Werkzeug und eine
nicht zu vernachlässigende Montagezeit erforderlich sind. Dies erachtet das
Klagepatent als nachteilig.
62
Als wünschenswert bezeichnet das Klagepatent demgegenüber die Möglichkeit, die
Anschlussvorbereitungen durch Auswahl der an die jeweilige Leiterart angepassten
Anschlussteile und deren Montage auf den Anschlussfahnen ohne Einsatz von
Werkzeugen oder Fachpersonal zu einem möglichst späten Zeitpunkt, d.h. während
oder gegebenenfalls auch nach dem Einbau in den Schaltschrank vorzunehmen. Die
Schaffung einer dem entsprechenden Vorrichtung, die insbesondere andere
Anschlussarten mit einfachen Mitteln zulässt, sieht das Klagepatent deshalb als seine
Aufgabe an.
63
Zur Lösung dieser Aufgabe bestimmt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 die
Kombination folgender Merkmale:
64
Elektrische Schaltgeräte mit einem Isolierstoffgehäuse 10 und einer Vorrichtung
zum Anschluss an die Anschlussfahne 21 des Schaltgeräts:
65
1. Das genannte Gehäuse 10 weist an einer seiner Seitenwände 14, 15 zur
Seite der genannten Seitenwand 14, 15 hin offene und nebeneinander
angeordnete Taschen 22 zur Aufnahme von Anschlussteilen 29, 33, 41, 42,
48, 51, auf.
66
1.1 Jede Tasche 22 ist einer Anschlussfahne 21 zugeordnet.
67
1.2 An den Seitenwänden 23 der Taschen 22 sind Führungsleisten
vorgesehen.
68
2.1 Die Anschlussfahnen 21 sind im Inneren der Taschen 22 mit Spiel
angeordnet,
69
2.2 um das Einsetzen der genannten Anschlussteile 29, 33, 41, 42, 48, 51
entlang der Führungsleisten zu ermöglichen, ohne das Gehäuse 10 öffnen zu
müssen.
70
3. Die genannten Anschlussteile 29, 33, 41, 42, 48, 51 umfassen
71
3.1 ein gegen die Anschlussfahne 21 geführtes Metallteil 29, 41, 48,
72
3.2 eine Klemmschraube 31, 46, 54 sowie
73
3.3 einen Isolierstoffträger 33, 42, 51 zum Halten des genannten Metallteils
29, 41, 48 in der eingesetzten Stellung in der genannten Tasche 22.
74
3.3.1 Der Isolierstoffträger 33, 42, 51 weist zwei Längsnuten 35 auf, die sich in
Einsetzrichtung an jeder der Seitenwände des genannten Isolierstoffträgers
33, 42, 51 erstrecken und mit den an den Seitenwänden 23 der genannten
Tasche 22 ausgebildeten, zugeordneten Führungsleisten zusammenwirken.
75
4. Die Anschlussfahne 21 weist eine mit der Achse der Klemmschraube 31,
46, 54 fluchtende Bohrung 18 auf.
76
5. Die Tasche 22 nimmt wahlweise irgendeine der 3 Ausführungen von
Anschlussteilen 29, 33, 41, 42, 48, 51 auf:
77
1. Ausführung:
78
5.1 Das Metallteil weist die Form einer die Anschlussfahne 21
umschließenden Käfigklemme 29 zum Anschluss eines Kabels auf,
79
5.2 wobei die Käfigklemme 29 mit der Klemmschraube 31 sowie einem
Vorsprung 32 versehen ist, der mit der Klemmschraube 31 fluchtet und dazu
dient, in die genannte Bohrung 18 einzugreifen.
80
5.3 Der Isolierstoffträger 33 ist dem Metallteil zugeordnet.
81
2. Ausführung:
82
5.1 Das Metallteil weist die Form einer Mutter 41 zur Befestigung eines
Kabelschuhs 40 oder einer Anschlussschiene auf,
83
5.2 wobei die genannte Klemmschraube 46 durch die genannte Bohrung 18
geführt ist und mit der genannten Mutter 41 zusammenwirkt.
84
5.3 Der Isolierstoffträger 42 ist dem Metallteil zugeordnet.
85
3. Ausführung:
86
5.1 Das Metallteil weist die Form eines mit einer Gewindebohrung 50
versehenen Stegs 48 zur Herstellung eines rückseitigen Anschlusses auf,
87
5.2 wobei die genannte Klemmschraube 54 durch die genannte Bohrung 18
geführt ist und mit der genannten Gewindebohrung 50 zusammenwirkt.
88
5.3 Der Isolierstoffträger 51 ist dem Metallteil zugeordnet.
89
2.
90
Die angegriffenen Ausführungsformen I, II und III weisen allesamt – was zwischen den
Parteien zutreffender Weise außer Streit steht – die Merkmale 1 bis 4 des Klagepatents
auf. Es handelt sich um elektrische Schaltgeräte mit einem Isolierstoffgehäuse und einer
91
Vorrichtung zum Anschluss an die Anschlussfahnen des Schaltgehäuses in der in
diesen Merkmalen näher umschriebenen Art. Die angegriffenen Ausführungsformen I
(Anlagen B K 6 und B K 7) und II (Anlagen B K 8 und B K 9) beinhalten darüber hinaus
ebenso unstreitig die Merkmale 5.1 bis 5.3 der 2. Ausführung (Fig. 6 – 8) bzw. der 3.
Ausführung (Fig. 9 - 12).
3.
92
Die drei angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen zudem, wie das Landgericht
zutreffend festgestellt hat, das Merkmal 5 des Klagepatents. Ihre Taschen nehmen
wahlweise irgendeine der drei Ausführungen von Anschlussteilen entsprechend
Anspruch 1 des Klagepatents auf.
93
Das Klagepatent verlangt insoweit nicht, dass in jede vorhandene Tasche des
Schaltgeräts jederzeit ein beliebiges Anschlussteil eingesetzt werden können muss, so
dass die Taschen zeitgleich mit unterschiedlichen Anschlussteilen bestückt sind bzw.
werden können. Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, genügt es der Erfindung
auch, wenn – wie bei den angegriffenen Ausführungsformen – die vorhandenen
Taschen grundsätzlich die Aufnahme aller unterschiedlichen Arten der Anschlussteile
gestatten, infolge der Verbindung mehrerer Anschlussteile miteinander durch Auswahl
des ersten Anschlussteils jedoch auch die weiteren aufzunehmenden Arten von
Anschlussteilen vorbestimmt werden.
94
a)
95
Zwar könnte der Wortlaut des Merkmals 5, wonach die Tasche 22 wahlweise irgendeine
der genannten drei Ausführungen von Anschlussteilen 29, 33, 41, 42, 45, 51 aufnimmt,
oder die permanente Verwendung des Plurals bei der Bezeichnung der Anschlussteile
im Anspruch für die von der Beklagten geforderte umfassende Variabilität sprechen. Der
Wortlaut besagt jedoch letztlich nicht mehr, als dass für jede einzelne Tasche
grundsätzlich die beschriebene Wahlmöglichkeit – deshalb auch notwendigerweise die
Verwendung des Plurals hinsichtlich der Anschlussteile – vorhanden sein muss. Dass
die Auswahl zwischen den verschiedenen Anschlussteilen stets für jede Tasche und
ohne Rücksicht auf die vorherige Bestückung einer anderen Tasche gegeben sein
muss, ist dem Wortlaut hingegen nicht zu entnehmen. Insbesondere zum Zeitpunkt oder
zum Zeitraum der erforderlichen Wahlmöglichkeit verhält sich der Anspruchswortlaut
nicht. Ebenso wenig erfolgt die zwingende Vorgabe, dass von jeder Tasche eine andere
Ausführung eines Anschlussteils aufzunehmen ist.
96
b)
97
Eine Beschränkung des Anspruchs in diesem Sinne wird der Fachmann auch nicht
infolge des in Figur 1 der Klagepatentschrift dargestellten vierpoligen Schaltgeräts, bei
dem jede Anschlussfahne mit einer Anschlussvorrichtung entsprechend den vier
erfindungsgemäßen Anschlussvarianten versehen ist, annehmen. Hierbei handelt es
sich – wenn nicht gar nur um ein Demonstrationsbild – allein um die figürliche
Darstellung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Dass das Klagepatent daneben
auch eine Ausgestaltung als erfindungsgemäß ansieht, bei der die vorhandenen Pole
des elektrischen Schaltgeräts mit gleichen Anschlussteilen bestückt sind, erschließt sich
ihm bei der Lektüre des ersten Satzes im zweiten Absatz der Seite 6 der
Klagepatentschrift (Anlage B K 2). Die von Anspruch 1 vorgegebene Wahlmöglichkeit
98
Klagepatentschrift (Anlage B K 2). Die von Anspruch 1 vorgegebene Wahlmöglichkeit
zwischen den Anschlussteilen ist, wie der Fachmann unschwer erkennt, demzufolge
auch bei der "selbstverständlichen" gleichen Bestückung einzelner Taschen im Sinne
der Erfindung gewährleistet. Hinzu tritt, dass darüber hinaus auch ein solches
Schaltgerät "selbstverständlich" als erfindungsgemäß beschrieben wird, das "drei- oder
einpolig ausgeführt" ist (Anlage B K 2, Seite 5, 5. Absatz, letzter Satz). Bei einem
einpoligen Schaltgerät ist lediglich eine Tasche – was im Übrigen die mehrfache
Verwendung des Singulars "Tasche" in der Beschreibung erklärt – vorhanden. Für das
Klagepatent ist es demnach mit Blick auf die Wahlmöglichkeit nicht zwingend, dass
mehrere Taschen mit verschiedenen Anschlussteilen bestückt werden.
c)
99
Gestärkt in seinem Verständnis wird der Fachmann, wenn er sich den Sinn und Zweck
des Merkmals 5 in der Gesamtschau mit dem technischen Sinngehalt sämtlicher
Merkmale des Anspruchs vor Augen führt.
100
Die Kombination der Merkmale dient der Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung bereit
zu stellen, bei der die Anschlussvorbereitungen für das Schaltgerät durch Auswahl der
an die jeweilige Leiterart angepassten Anschlussteile und deren Montage auf den
Anschlussfahnen ohne Einsatz von Werkzeugen oder Fachpersonal zu einem möglichst
späten Zeitpunkt, d. h. während oder gegebenenfalls auch nach dem Einbau in den
Schaltschrank vorzunehmen (Anlage B K 2, Seite 2, 2. Absatz; im Anschluss daran so
auch die Beschreibung auf Seite 3, 3. Abschnitt, Seite 7, 1. Abschnitt, Seite 9, 1.
Abschnitt). Bei Herstellung und/oder vor Einbau des erfindungsgemäßen Schaltgeräts
muss keine Entscheidung darüber getroffen werden, welche Leiterart die Anschlussteile
aufweisen, da das beanspruchte Gehäuse und die in den einzelnen Merkmalen näher
beschriebenen Anschlussfahnen, Taschen, Klemmschrauben und Isolierstoffträger so
ausgestaltet und aufeinander abgestimmt sind, dass jede der drei genannten
Ausführungsarten eines Anschlussteils in eine Tasche aufgenommen werden kann. Die
Auswahl des konkret aufzunehmenden Anschlussteils kann deshalb zu einem späteren
Zeitpunkt erfolgen, auch erst vor Ort und erst nach Einbau des Schaltgeräts von dem
Anwender getroffen und realisiert werden. Die genannten Bestandteile sind ferner
aufgabengemäß so beschaffen, dass zur Aufnahme der Anschlussteile keine
Werkzeuge erforderlich sind und insbesondere das Gehäuse des Schaltgeräts nicht
geöffnet werden muss. Keines der erfindungsgemäßen Anschlussteile ist direkt in das
Gehäuse integriert; sie können vielmehr entlang der Führungsleisten in die Taschen
eingesetzt oder aus den Taschen herausgezogen werden. Ihre Montage und
Demontage ist somit einfach und ohne großen Zeitaufwand vorzunehmen.
101
Um dem gerecht zu werden, sind nicht ausschließlich solche Ausführungsformen
vonnöten, bei denen jede Tasche stets frei wählbar mit einem anderen Anschlussteil
bestückt werden kann. Erzielt wird die Funktion vielmehr auch dann, wenn
entsprechend der Merkmale ausgestaltete Anschlussteile verwendet werden, die
miteinander verbunden sind, so dass in nebeneinanderliegenden Taschen des
Gehäuses die gleiche Art von Anschlussteil aufgenommen wird. Solange und soweit
(zunächst) jede Art von Anschlussteil infolge der merkmalsentsprechenden
Ausgestaltung in jede Tasche eingesetzt werden kann, hindert die Verbindung mehrerer
Anschlussteile miteinander die Erfüllung der technischen Lehre des Klagepatents nicht.
Unstreitig muss nämlich auch dann die Auswahl der konkret aufzunehmenden Art von
Anschlussteil nicht vorab getroffen werden, sondern kann bis auf einen Zeitpunkt nach
Einbau des Schaltgeräts, gegebenenfalls auch erst bei Reparaturarbeiten verschoben
102
werden. Auch dann bedarf es ebenso unstreitig bei der Realisierung der getroffenen
Auswahl – vor Ort und nach Einbau des Schaltgerätes – nicht des Einsatzes eines
Werkzeuges oder der Öffnung des Gehäuses. Montage und Demontage gestalten sich
ebenso einfach wie bei einzelnen Anschlussteilen.
Dem Klagepatent kann überdies kein etwaiger besonderer Vorteil oder ein
weitergehender technischer Sinngehalt entnommen werden, der nur mit einer
umfassenden Variabilität gewährleistet wäre. Ein solcher folgt zunächst nicht aus dem
bereits erwähnten Zweck, eine Montage der Anschlussteile erst vor Ort zu ermöglichen
und damit dem Monteur die Wahlfreiheit zu überlassen; auch dann nicht, wenn
besonderes Augenmerk auf die Beschreibung Seite 9, 1. Absatz der deutschen Fassung
des Klagepatents (Anlage B K 2) gelegt wird, in der eine Wahlfreiheit bei "Änderung
einer Anschlussvorrichtung" beschrieben wird. Zum einen befindet sich diese Textstelle
im Zusammenhang mit der Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, zum
anderen lässt sich aus ihr nicht die Notwendigkeit ableiten, dass der Monteur auch in
dieser Situation ohne Rücksicht auf etwaige bereits vorhandene Leitungsarten eine
einzelne Änderung durchführen können muss. Ein besonderer mit einer umfassenden
Variabilität verbundener Vorteil versteht sich auch nicht von selbst. Es bietet sich
insbesondere kein Anhalt dafür – und insoweit kann die Frage, ob in der Praxis
gleichartige oder unterschiedliche Anschlussarten bei einem Leistungsschalter
verwendet werden, durchaus Bedeutung erlangen –, dass der Fachmann aufgrund
praktischer Gegebenheiten und Notwendigkeiten die in Rede stehende umfassende
Variabilität als dem Klagepatent selbstverständlich innewohnend ansieht. Sie ist in der
Praxis unstreitig nicht zwingend erforderlich; die Verwendung gleicher Leitungsarten ist
gebräuchlich.
103
Als Beleg für eine umfassende Variabilität kann das in der Klagepatentschrift
gewürdigte US-Patent 4,609,132 (Anlage B K 3a) bzw. die DE 38 34 980 (Anlage B K
3b) nicht herangezogen werden. Zwar ist zuzugeben, dass bereits in diesen
Druckschriften ein elektrischer Schalter mit Anschlusskammern gezeigt ist, in welche
Leitungs- und Lastanschlussklemmen ohne Werkzeug mittels einer Nut-Feder-
Verbindung eingeführt werden können. Dies kritisiert das Klagepatent jedoch nicht, so
dass nichts gegen eine insoweit gleiche (Teil-)Aufgabenstellung spricht. Als nachteilig
erachtet das Klagepatent vielmehr, dass die dort gezeigte Anordnung kompliziert sei,
sowie den Umstand, dass sie andere Anschlussarten nicht mit einfachen Mittel zulasse.
Unabhängig von der Frage weiterer Unterschiede zwischen der Erfindung nach dem
Klagepatent und diesem Stand der Technik grenzt sich das erfindungsgemäße
Schaltgerät jedenfalls durch die geforderte Wahlmöglichkeit hinsichtlich der vor Ort
einsetzbaren Anschlussteile ab. Da die in den genannten Druckschriften offenbarte
Erfindung (überhaupt) kein mit einfachen Mitteln zu realisierendes Anbringen einer
anderen Art von Anschlussteil zulässt, erkennt der Fachmann unter Berücksichtigung
der bereits ausgeführten Überlegungen zwar, dass es dem Klagepatent auf eine
Flexibilität und Wahlmöglichkeit insoweit ankommt, nicht aber, dass diese
notwendigerweise mehr als nur die Möglichkeit, in jede Tasche grundsätzlich je nach
Leiterart jedes Anschlussteil einsetzen zu können, gewährleisten muss.
104
Dieser Sichtweise steht letztlich auch nicht die Nennung der verschiedenen
Anschlussteile als 1., 2. und 3. Ausführung im Anspruch 1 entgegen. Die Erwähnung der
einzelnen Anschlussteile bleibt auch dann sinnvoll, wenn der Anspruch nicht auf eine
umfassende Variabilität beschränkt ist. Durch die ausdrückliche Aufzählung wird die
Auswahlmöglichkeit dem Grunde nach beschrieben, nur bestimmte Ausführungen von
105
Anschlussteilen als erfindungsgemäß beschrieben sowie (allein) die Kombination
dieser Anschlussteile mit dem ebenfalls beschriebenen elektrischen Schaltgerät unter
Schutz gestellt.
4.
106
Die angegriffene Ausführungsform III verwirklicht schließlich ebenso das Merkmal 5.2
der 1. Ausführung des Klagepatents.
107
Eine wortsinngemäße Verletzung dieses Merkmals, welches vorsieht, dass die
Käfigklemme 29 mit der Klemmschraube 31 sowie einem Vorsprung 32 versehen ist, der
mit der Klemmschraube 31 fluchtet und dazu dient, in die genannte Bohrung 18
einzugreifen, scheidet allerdings aus. Die angegriffene Ausführungsform III (Anlagen B
K 10 und B K 11) verfügt unstreitig nicht über einen derartigen Vorsprung.
108
Bei einer vom Sinngehalt der Ansprüche eines Patents abweichenden Ausführung kann
eine äquivalente Benutzung der patentgemäßen Lehre dann vorliegen, wenn der
Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen
des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen
Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als
für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrundeliegenden Problems
gleichwirkend auffinden konnte. Dabei erfordert es das gleichgewichtig neben dem
Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende
Gebot der Rechtssicherheit, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der
Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für
die Bestimmung des Schutzbereiches bildet, welche sich an den Patentansprüchen
auszurichten hat.
109
Danach ist es, um eine Benutzung der Lehre eines Patents unter dem Gesichtspunkt der
Äquivalenz bejahen zu können, nicht nur erforderlich, dass die vom Wortsinn des
Patentanspruchs abweichende Ausführungsform das der Erfindung zugrundeliegende
Problem zwar mit abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und dass
der Durchschnittsfachmann mit den Fachkenntnissen des Prioritätstages des Patents
ohne erfinderische Bemühungen in der Lage war, die abgewandelten Mittel als
gleichwirkend aufzufinden, sondern darüber hinaus auch, dass die vom Fachmann dafür
anzustellenden Überlegungen derart am Sinngehalt der in den Patentansprüchen unter
Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende
Ausführungsform mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen
gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH, Urteil vom 13.02.2007, X ZR 74/05 –
Kettenradanordnung; BGH GRUR 2006, 313 – Stapeltrockner; BGH, GRUR 2002, 511 –
Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 –
Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 – Custodiol I; BGH GRUR 2002, 527 –
Custodiol II; OLG Düsseldorf Mitt. 2005, 449 (452) – Monoklonaler Maus-Antikörper).
110
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht von
einer äquivalenten Verwirklichung des Klagepatents durch die angegriffene
Ausführungsform III ausgegangen.
111
a)
112
Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die Feststellung des Landgerichts, als
113
abgewandeltes Mittel sei die an dem Isolierstoffträger der Käfigklemme angebrachte
Raste anzusehen, die in eine im oberen Bereich der Tasche befindliche Aussparung
des Schaltgehäuses eingreift. Wie in der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2007
erörtert, ist das Austauschmittel vielmehr die vor Einsatz des Anschlussteils hergestellte
feste Verbindung der Käfigklemme mit dem Isolierstoffträger, wobei dieser auf der
Innenseite zwei Vorsprünge bzw. Rastnasen aufweist, die in Richtung der metallenen
Klemme ragen, und wobei der Isolierstoffträger samt eingepasster Klemme
entsprechend der aufnehmenden Tasche dimensioniert ist, so dass er im eingesetzten
Zustand in dieser festgelegt wird. Einer Abänderung des landgerichtlichen Tenors I. 1
bedurfte es insoweit nicht; er erfasst (auch) dieses Austauschmittel.
b)
114
Das Austauschmittel ist gleichwirkend.
115
Der mit der Klemmschraube 31 fluchtende Vorsprung 32 der 1. Ausführung eines
Anschlussteils dient nach Merkmal 5.2 dazu, in die Bohrung 18 der Anschlussfahne 21
einzugreifen, welche von der Käfigklemme 29 umschlossen wird. Dieser Eingriff verfolgt
nach der technischen Lehre des Klagepatents – wie der Fachmann aufgrund unschwer
erkennt – den Zweck, die Festsetzung der Käfigklemme in der Einsetzposition im
Verhältnis zur Anschlussfahne zu bewirken. In der Beschreibung des Klagepatents wird
dieser Zweck zweimal ausdrücklich hervorgehoben (Anlage B K 2, Seite 2 3. Absatz,
Seite 6, 2. Absatz). Die dazugehörige Darstellung findet sich in Figur 3, aus der die
Nichtverschiebbarkeit und somit die Sicherung der Käfigklemme in Einsatzrichtung
aufgrund des Eingriffs des Vorsprungs in die Bohrung ersichtlich ist. Dem Klagepatent
genügt demnach die beim Einschieben der Käfigklemme in die Tasche entstehende
Verbindung der Käfigklemme mit der Anschlussfahne augenscheinlich nicht; gefordert
wird vielmehr eine zuverlässige Positionssicherung in Einsetzrichtung. Unabhängig von
dem darüber hinaus vorgesehenen Halten der Käfigklemme durch den entsprechend
dem Merkmal 3.3.1 mit Längsnuten ausgestatteten Isolierstoffträger (Anlage B K 2, Seite
2, 3. Absatz) soll durch ein Sicherungsmittel das Herausrutschen der (erst)
eingeschobenen Käfigklemme aus der Tasche und eine Verschiebung der Käfigklemme
im Verhältnis zur Anschlussfahne verhindert werden, um so einen ordnungsgemäßen
Anschluss eines Leiters zu gewährleisten.
116
Dieses Problem wird in objektiv gleichwirkender Weise bei der angegriffenen
Ausführungsform III mittels des Austauschmittels gelöst. Die Festsetzung der
Käfigklemme in der Einsetzposition im Verhältnis zur Anschlussfahne wird durch den
vorab fest mit einer eingepassten metallenen Käfigklemme verbundenen
Isolierstoffträger, der auf der Innenseite in Richtung der Käfigklemme hineinragende
Rastnasen aufweist und entsprechend der Tasche dimensioniert ist, bewirkt. Wie die
Inaugenscheinnahme der Muster erhellt, erfolgt beim Einsetzen dieses Verbundes von
Isolierstoffträger und Käfigklemme nicht nur die Positionierung des Isolierstoffträgers im
Verhältnis zum Gehäuse, sonder auch die Festlegung der Käfigklemme in
Einsatzrichtung. Der geforderte Schutz vor einem Verschieben oder einem
Herausgleiten der metallenen Klemme entgegen der Einsetzrichtung wird geboten. Und
zwar nicht nur für den Isolierstoffträger, sondern aufgrund der festen Verbindung
zwangsläufig auch für den metallenen Teil der Käfigklemme. Es ist nur eine einheitliche
Beweglichkeit gegeben. Das Halten des Isolierstoffträgers in der Tasche in der
Einsetzstellung ist in Anbetracht der miteinander verbundenen Ausgestaltung der
angegriffenen Ausführungsform III gleichbedeutend mit dem Halten der metallenen
117
Klemme. Die auf der Innenseite befindlichen Rastnasen unterstützen dies. Die
Käfigklemme kann sich innerhalb des Isolierstoffträgers nicht verschieben. Mangels
entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass diese
Positionssicherung in ordnungsgemäßer und voll funktionsfähiger Weise geschieht, so
dass der hinter der Feststellung stehende Sinn, die Aufnahme und die Befestigung des
anzuschließenden Kabels in der Käfigklemme, problemlos erfüllt wird.
Der erfindungsgemäße Vorsprung 32 dient demgegenüber nicht dem Zweck, eine
Kraftwirkung auf das Gehäuse während des Anschlusses der metallenen Käfigklemme
mit der metallenen Anschlussfahne zu vermeiden. Dem Anspruch selbst ist hierzu nichts
zu entnehmen. Soweit das Klagepatent die Vermeidung einer entsprechenden
Krafteinwirkung aufgreift und als Folge der erfindungsgemäßen Ausgestaltung
beschreibt, wird dies nicht dem Vorsprung 32 der 1. Ausführung eines Anschlussteils
zugeschrieben. Dieses Erfordernis wird vielmehr für sämtliche unter Schutz gestellten
Anschlussarten aufgestellt. Wie die Beschreibung des Klagepatents zu Anfang im
Hinblick auf die Erfindung ausführt, soll bei allen Anschlussarten während des
Anschlusses des Metallteils der Klemmschraube mit der metallischen Anschlussfahne
keinerlei Krafteinwirkung auf das Gehäuse ausgeübt werden (Anlage B K 2, Seite 2 2.
Absatz). Verwirklicht wird dieser Ansatz, wie der Fachmann ohne weiteres erkennt,
erfindungsgemäß dadurch, dass die Anschlussteile nicht direkt in das Gehäuse 10
integriert sind, sondern dass es entsprechend den Merkmalen 3 bis 3.3.1
Isolierstoffträger 33, 42, 31 gibt, die als eigenständige Einheit lediglich in die Taschen
eingesetzt werden. Die beim Festziehen der Klemmschraube auf das metallene
Gegenstück über das Schraubgewinde wirkende Kraft wird so nur auf den
Isolierstoffträger des Anschlussteils übertragen; eine direkte und unverminderte
Kraftübertragung auf das Gehäuse 10 wird dadurch verhindert. Die dies
bewerkstelligenden Merkmale 3 bis 3.3.1 müssen unstreitig sämtliche Anschlussarten
aufweisen. Dem entsprechend findet sich in der Beschreibung auch die Erläuterung,
dass "keine der erfindungsgemäßen Anschlussvorrichtungen" direkt in das Gehäuse 10
integriert ist, so dass jegliche Gefahr einer Zerstörung dieses Gehäuses beim Einbau
oder beim Festziehen der Klemmschraube ausgeschlossen ist (Anlage B K 2, Seite 9, 2.
Absatz).
118
Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der erfindungsgemäße in der
Käfigklemme vorgesehene Vorsprung eine beim Festziehen der Klemmschraube etwaig
auftretende Krafteinwirkung auf das Schaltergehäuse verhindern können sollte.
119
c)
120
Die Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden
Abwandlung zu gelangen, sind auch an der Lehre des Klagepatents orientiert. Der
Fachmann zieht die abgewandelte Ausführung als der gegenständlichen Lehre
gleichwertig in Betracht. Sie ist auch naheliegend.
121
Mit Blick auf die feste Verbindung der metallenen Käfigklemme und dem
Isolierstoffträger ist zunächst festzuhalten, dass Anspruch 1 zu der Art und Weise der
Verbindung dieser Teile keine einschränkenden Vorgaben enthält, deretwegen der
Fachmann von einer derartigen Verbindung von vornherein Abstand nehmen würde.
Merkmal 5. 3 sieht insoweit nur vor, dass der Isolierstoffträger 33 dem Metallteil
"zugeordnet" ist. Eine Zuordnung ist auch bei einer unmittelbar vorab erzeugten
Verbindung von Käfigklemme und Isolierstoffträger gegeben.
122
Anhaltspunkte in der Beschreibung des Klagepatents, die den Fachmann entgegen dem
offenen Anspruchswortlaut zu der Annahme verleiten könnten, es komme dem
Klagepatent gleichwohl gerade auf solche Anschlussteile an, die aus zwei separaten,
nacheinander einzusetzenden Bauteile bestehen, so dass er deshalb die Lösung der
angegriffenen Ausführungsform III nicht in Betracht ziehen würde, finden sich nicht. Zwar
ist die gesamte – und insbesondere auch die vermeintlich allgemeine – Beschreibung
des Klagepatents geprägt von einer zweiteiligen Ausgestaltung der Anschlussteile, der
Fachmann erkennt jedoch in Anbetracht des Sinngehalts des Anspruchs und
insbesondere aufgrund der in der 2. und 3. Ausführung vorgesehenen
Vorabpositionierung durch den Isolierstoffträger, dass es sich insoweit nur um die
Beschreibung besonders bevorzugter Ausführungsbeispiele handelt. In den Anspruch
selbst hat die Zweiteiligkeit gerade keinen Eingang gefunden. Der Fachmann nimmt des
weiteren zur Kenntnis, dass in Anspruch 1 eine Vorrichtung und kein Verfahren unter
Schutz gestellt ist. Ein Einsetzvorgang von Käfigklemme und Isolierstoffträger ist nicht
Gegenstand des Anspruchs. Auf die Einhaltung eines solchen, wie er in der
Beschreibung des Klagepatents dargelegt ist, kommt es demnach nicht an.
123
Ebenso wenig steht der sich in der Merkmalsgruppe 3 widerspiegelnde Ansatz des
Klagepatents, beim Festziehen der Klemmschraube keinerlei Kraftwirkung auf das
Gehäuse auszuüben, entgegen. Insoweit kann zunächst auf die Ausführung unter b)
verwiesen werden. Hinzu tritt, dass eine patentwidrige Krafteinwirkung auf das Gehäuse
beim Festziehen der Klemmschraube der angegriffenen Ausführungsform III infolge
deren festen Verbindung von Käfigklemme und Isolierstoffträger und der an dem
Isolierstoffträger angebrachten Raste, die in eine im oberen Bereich der Tasche
befindliche Aussparung des Schaltgehäuses eingreift, nicht festzustellen ist.
124
Die angegriffene Ausführungsform III verwirklicht unstreitig die Merkmale 3 bis 3.3.1..
Sie verfügt über gesonderte Anschlussteile, die nur in die Taschen eingesetzt werden.
Eine direkte Verbindung der Käfigklemme mit dem Gehäuse des elektrischen Schalters
besteht hingegen nicht, es erfolgt keine Integration in das Gehäuse. Aufgrund des
sichtbaren Spiels zwischen Isolierstoffträger und Gehäuse werden etwaige auf den
Isolierstoffträger wirkende Kräfte beim Festziehen der Klemmschraube auch nicht
automatisch auf das Gehäuse übertragen. Darüber hinaus unterscheidet sich die
Situation beim Festziehen der Klemmschraube bei der angegriffenen Ausführungsform
III insoweit nicht von der Situation bei den beiden anderen angegriffenen
Ausführungsformen. Auch dort sind die jeweiligen metallenen Anschlussteile von dem
jeweiligen Isolierstoffträger umschlossen, wenn die Klemmschrauben festgezogen
werden. In diesem Zeitpunkt ist auch bei den angegriffenen Ausführungsformen I und II
eine unmittelbare Verbindung gegeben. Gleichwohl hat die Beklagte für diese
Ausführungsformen eine – nach dem Klagepatent zu vermeidende – Kraftübertragung
auf das Gehäuse gerade nicht behauptet.
125
Überdies ist zu beachten, dass die erfindungsgemäße Käfigklemme und der
Isolierstoffträger nach dem Einsetzen in die Tasche miteinander in engem Kontakt
stehen. Der Isolierstoffträger muss die Klemme halten, d. h. er muss sie haltend
umschließen. Eine etwaige Kraftübertragung auf das Gehäuse, die (allein) auf diesem
Kontakt der Bauteile zueinander beruht, sieht das Klagepatent folglich nicht als
schädlich an. Selbst dann nicht, wenn mittels einer Einschnappwulst ein Halten des
Trägers am Gehäuse erfolgt.
126
Die feste Verbindung eines Isolierstoffträgers mit einer metallenen Käfigklemme
entspricht schließlich dem durchschnittlichen Können eines Fachmanns und bedarf
keiner erfinderischen Tätigkeit.
127
III.
128
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
129
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage in §§ 709
Nr. 10, 711 ZPO i. V. m. § 108 Abs. 1 ZPO.
130
Zur Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Die Rechtssache hat als
reine Einzelfallentscheidung weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs.
2 Nr. 1 ZPO noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr.
2 ZPO erforderlich.
131