Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.05.2003

OLG Düsseldorf: mietsache, angemessene frist, vermieter, rücknahme, rückgabe, abweisung, gerät, grundstück, räumung, nutzungsrecht

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 49/03
Datum:
20.05.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 49/03
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 24 O 40/02
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das am 10. Dezember 2002 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg
teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
an die Klägerin 566,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04. Oktober 2001 zu
zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 90%, die Beklagte
10%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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I. Nach beendetem Mietverhältnis mit Ablauf des 30. September 2001 hatte die Beklagte
(Mieterin) der Klägerin (Vermieterin) mit Schreiben vom 29. September 2001, das bei
der Klägerin am 04. Oktober 2001 eingegangen war, die Rückgabe der Mietsache
(Gewerberäume, in denen die Beklagte eine Kfz-Werkstatt betrieben hatte) angeboten.
Die Klägerin wies das Angebot zurück unter Hinweis darauf, die Mietsache sei nur
unvollständig geräumt. Am 13. Dezember 2001 nahm die Klägerin die Räume zurück
und bestätigte sie als "ordnungsgemäß übergeben", obwohl die Beklagte weitere
Räumungsleistungen nicht erbracht hatte. Das bebaute Grundstück, auf dem mehrere
Gewerbebetriebe Räume gemietet hatten, darunter ein weiterer Kfz-Betrieb, hatte die
Klägerin veräußert. Gegenüber der Erwerberin, die die aufstehenden Gebäude wegen
einer Neubebauung abreißen ließ, hatte sie sich anlässlich der Grundstücksübergabe
am 29. April 2002 verpflichtet, bestimmte näher bezeichnete Sachen auf ihre Kosten
vom Grundstück zu entfernen zu lassen.
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Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß zur Zahlung
einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.306,66 EUR für die Zeit vom 01. Oktober
bis 13. Dezember 2001 (nebst Zinsen) verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der
Beklagten, mit welcher sie weiter die Abweisung der Klage verfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das angefochtene Urteil
verwiesen.
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II. Das zulässige Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg. Die Beklagte schuldet der
Klägerin Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der Mietsache nur in der Zeit
vom 01. bis zum 08. Oktober 2001. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
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1. Die Beklagte schuldet der Klägerin Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1
BGB (§ 557 Abs. 1 BGB a.F.) nur während der Vorenthaltung der Mietsache.
Vorenthalten hat die Beklagte sie der Klägerin aber nur bis zum 8. Oktober 2001.
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a) Ein Vorenthalten im Sinne der vorgenannten Bestimmung liegt nach ganz
herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nur dann vor, wenn der Mieter
die Mietsache nach beendetem Mietverhältnis nicht zurückgibt und das gegen den
Willen des Vermieters geschieht (Senat ZMR 2003, 23 = NZM 2002, 742.). Vorenthalten
der Mietsache bedeutet demnach die Weigerung des Mieters, den nach rechtlich
beendetem Mietverhältnis geltend gemachten Anspruch des Vermieters auf Rückgabe
der Mietsache (§ 546 Abs. 1 BGB) zu erfüllen. Ein Vorenthalten liegt dagegen nicht vor,
wenn sich der Vermieter zu Unrecht weigert, die ihm zur Rückgabe angebotene
Mietsache anzunehmen (Senat aaO).
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b) Von diesem Rechtsverständnis geht auch das Landgericht im Ansatz zutreffend aus.
Es meint jedoch, die Beklagte habe der Klägerin wegen unvollständiger Räumung ein
annahmefähiges Rückgabeangebot nicht unterbreitet, so dass jene nicht in
Annahmeverzug geraten sei. Diese Rechtsauffassung trifft auf der Grundlage des
gewonnenen Beweisergebnisses nicht zu.
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aa) Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt, wonach ein annahmefähiges
und -pflichtiges Rückgabeangebot nur dann vorliegt, wenn der Mieter dem Vermieter die
tatsächliche Gewalt über die Mietsache im Sinne des § 854 Abs. 1 BGB anbietet und
einräumt. Bei Räumen geschieht das regelmäßig dadurch, dass der Mieter sie räumt
und dem Vermieter die Schlüssel anbietet. Ein Mieter, der zwar die Schlüssel übergibt,
aber nicht räumt (oder umgekehrt), erfüllt den Rückgabeanspruch des Vermieters nicht
(BGH NJW 1988, 2665, 2666). Dementsprechend bedeutet das im Vorfeld der
Erfüllungshandlung, dass der Vermieter, der die Rücknahme nicht geräumter
Mietflächen ablehnt, nicht in Annahmeverzug gerät (BGH NJW 1983, 1049, 1050; vgl.
auch Senat aaO). Bis zur Räumung bleibt dem Vermieter die Mietsache vorenthalten
und der Mieter zur Zahlung der Nutzungsentschädigung verpflichtet.
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bb) In Annahmeverzug gerät der Vermieter aber dann, wenn er ein Erfüllungsangebot
zurückweist, welches nur unwesentlich von der vollständigen Erfüllung der
Rückgabeverpflichtung abweicht, insbesondere dann, wenn nur einzelne Sachen
zurückbleiben, die den Vermieter an der Besitzausübung und Nutzung der Mietsache
nicht wesentlich hindern (BGH NJW 1983, 1049, 1050; 1988, 2665, 2666; 1994, 3232,
3233f). Ob das zutrifft, lässt sich nicht generell beantworten, sondern hängt von den
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Umständen des jeweiligen Streitfalls ab (BGH NJW 1983, 1049, 1050).
cc) Die Beklagte hatte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur wenige
Gegenstände zurückgelassen (1 Colaautomat, 1 Stapel Autoscheiben, und Gerümpel in
Gestalt eines defekten Tisches und einiger defekter Stühle). Der Senat folgt insoweit der
Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils, die auch von der Beklagten
hingenommen wird. Die Besitzausübung und Nutzung der insgesamt 960 m² großen
Fläche ist nicht in spürbarer Weise eingeschränkt worden, zumal die Beklagte
ersichtlich keinen Wert mehr auf die weitere Nutzung dieser Gegenstände legte und
deshalb Obhutspflichten der Klägerin mit der Rücknahme nicht entstanden. Das wird
von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Gestützt wird diese Einschätzung
vielmehr noch dadurch, dass die Klägerin am 13. Dezember 2001 die Räume
schließlich als vertragsgemäß zurückgenommen hatte, obwohl die Mietsache nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme auch zu diesem Zeitpunkt nicht (vollständig) geräumt
worden war. Damit hat die Klägerin mittelbar selbst zum Ausdruck gebracht, dass die in
Rede stehenden Sachen ihr Besitz- und Nutzungsrecht nicht wesentlich
beeinträchtigten.
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dd) Daraus folgt, dass die Klägerin schon mit Ablauf des 08. Oktober 2001 mit der
Rücknahme der Mietsache in Annahmeverzug geraten war. Das wörtliche Angebot der
Rücknahme vom 29. September 2001 genügte gemäß § 295 BGB. Räume sind durch
Übergabe der Schlüssel am Belegenheitsort zurück zu geben, wenn wie hier im Vertrag
nichts Abweichendes vereinbart worden ist (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des
gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 1048). Da die Klägerin am
Belegenheitsort nicht ihren Sitz hatte, konnte die Beklagte die Schlüssel dort nicht
einfach zurück lassen. Vielmehr musste die Klägerin bei der Rücknahme mitwirken,
indem sie am Belegenheitsort die Schlüssel an einem zu verabredenden Termin
entgegennahm. Dafür und für die Prüfung eines abnahmefähigen Angebots ist der
Klägerin eine angemessene Frist einzuräumen, die der Senat hier mit vier Tagen
ansetzt. Nachdem der Klägerin das annahmefähige Angebot am 04. Oktober 2001
zugegangen war, geriet sie mit Ablauf des 08. Oktober 2001 in Annahmeverzug. Seit
diesem Zeitpunkt wird ihr die Mietsache nicht mehr vorenthalten.
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Die Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 01. Oktober bis 08. Oktober 2001 beträgt
(8/31 x 4.289,68 DM = 1.107,08 DM) 566,04 EUR. Dieser Betrag ist gemäß §§ 288, 284
Abs. 1, 546a Abs. 1 BGB mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die zur Vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision
zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 5.306,66 EUR
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a. E T
b. ROLG ROLG
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