Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.07.2005

OLG Düsseldorf: beleihung, rechtskräftiges urteil, steuerberater, unterlassen, wahrscheinlichkeit, vertragsschluss, verfügung, einspruch, kausalität, zahnarzt

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 17/05
Datum:
08.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-23 U 17/05
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 12.1.2005 verkündete Urteil des
Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Klägern zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
A.
2
Die Kläger (Zahnarzt und Ehefrau) verlangen von den Beklagten, die sie von 1981 bis
2000 steuerlich berieten, Schadensersatz wegen pflichtwidriger Beratung bei der
Gestaltung / Ausführung mehrerer Verträge.
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1. Dabei geht es zunächst um den Vertrag vom 18.12.1998 (Anlage 1), der in Ergänzung
des Vertrages vom 7.8.1997 (Anlage B15) geschlossen wurde. Im Jahre 1997 hatte der
klagende Zahnarzt mit 4 weiteren Zahnärzten eine Partnergesellschaft gegründet und
dieser sämtliche in seinem Eigentum und Sonderbetriebsvermögen verbliebenen
Wirtschaftsgüter seiner früheren Einzelpraxis zur Verfügung gestellt. Durch Vertrag vom
18.12.1998 übertrug er aus seinem Sonderbetriebsvermögen medizinische Geräte,
Laboreinrichtung, sonstige Praxisausstattung, geringwertige Wirtschaftsgüter,
Finanzanlagen und EDV-Software sowie seinen ideellen Praxisanteil zu je 1/3 auf 2
seiner Partner. Einen wesentlichen Teil seines Sonderbetriebsvermögens, die
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Praxisimmobilie, blieb in seinem Eigentum. Als Ausgleich für den Beteiligungserwerb
zahlten die 2 Partner an den Kläger jeweils 1.050.000 DM. Im Jahre 2000 übertrug der
Kläger den 2 Partnern zusätzlich in seinem Sonderbetriebsvermögen geführte Darlehn
der A-Bank in Höhe von 250.000 DM und der V (Versorgungskasse für Zahnärzte und
den Dentalmarkt) in Höhe von 440.804 DM zu je 1/3. Zu diesem Zeitpunkt wurde die
Anlage zum Ergänzungsvertrag vom 18.12.1998 mit dem Verzeichnis 1 des von der
Übertragung erfassten Sondervermögens unter Aufführung auch der Darlehn gefertigt
und später mit dem Vertrag vom 18.12.1998 dem Betriebsprüfer vorgelegt.
Die Beklagten erhielten den Entwurf des Ergänzungsvertrages am 4.12.1998 zur
steuerlichen Überprüfung. Mit Schreiben vom 15.12.1998 (Anlage B 1) übersandten sie
dem Kläger ein Inventarverzeichnis über sein Sonderbetriebsvermögen zum
31.12.1998, in dem weder die Darlehn noch die Praxisimmobilie erwähnt sind.
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Die Kläger haben behauptet, die Beklagten hätten den Vertragsentwurf freigegeben. Die
Beklagten haben behauptet, den Kläger nachfolgend am 16.12.1998 telefonisch darüber
aufgeklärt zu haben, dass die Tarifbegünstigung für Veräußerungserlöse bei fehlender
anteiliger Übertragung der Praxisimmobilie unsicher sei, dass hierzu höchstrichterliche
Rspr. fehle, ein für den Kläger günstiges, aber nicht rechtskräftiges Urteil des FG
Münster vorliege und die Meinungen in der Lit. unterschiedlich seien.
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Das Landgericht hat über das Telefongespräch Beweis erhoben.
7
Das Finanzamt wendete in dem Einkommensteuerbescheid vom 19.6.2000 (Anlage 10)
gemäß §§ 16, 34 I EStG den ermäßigten Steuersatz auf den Veräußerungserlös an. In
dem Betriebsprüfungsbericht vom 1.6.2001 (Anlage 11) wurde der Veräußerungserlös
um 2/3 Anteil der Darlehn der A-Bank und der V angehoben und ferner unter Hinweis
auf die neue Rspr. des BFH vom 24.8.2000 entschieden, dass der Veräußerungserlös
nicht nach §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt sei, weil ein wesentlicher Teil des
Sonderbetriebsvermögens, nämlich die Praxisimmobilie, nicht anteilig mitübertragen
worden sei. Dies führte zur Nachveranlagung im ESt-Bescheid vom 24.5.2002 (Anlage
17). Die Kläger beglichen die Nachforderung, legten jedoch Einspruch ein und nehmen
im vorliegenden Prozess im Rahmen einer Feststellungsklage die Beklagten auf Ersatz
der Steuernachzahlung in Anspruch.
8
2.
9
Der 2. Vertragskomplex, auf den die Kläger ihre Schadensersatzansprüche stützen,
betrifft Versorgungszusagen, die der klagende Zahnarzt in den Jahren 1991, 1992, 1993
und 1995 gegenüber mehreren seiner Arbeitnehmer, darunter seine geringfügig
beschäftigte Ehefrau, erteilte, und zu deren Deckung er Verträge mit der V
(Versorgungskasse für Zahnärzte und den Dentalmarkt) schloss, die im Jahre 2000 auf
die U(Unabhängiges Versorgungswerk für mittelständige Unternehmen e.V.)
übergeleitet wurden.
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Die Beklagten hatten den klagenden Zahnarzt und auch andere Mandanten mit
Rundschreiben vom 24.10.1991 auf eine Informationsveranstaltung der VZD
aufmerksam gemacht, auf der u.a. ein Herr S dem Kläger das Konzept einer
steuergünstigen betrieblichen Altersversorgung vorstellte. Der Kläger wurde darauf
Mitglied der V.
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a. Die von ihm in den folgenden Jahren insgesamt 30 Arbeitnehmern erteilten
Versorgungszusagen sahen Versorgungsleistungen von jeweils 250.000 DM, bei einem
Arbeitnehmer von 100.000 DM, vor, die bei einem erreichten Lebensalter von 65 Jahren
zunächst mit 50.000 DM und in den nächsten 4 Jahren jeweils mit weiteren 50.000 DM
zur Auszahlung kommen sollten. Die vom Kläger als Trägerunternehmen zur Deckung
der Rentenzahlung an die V als Unterstützungskasse erbrachten Zahlungen
(Dotierungen) waren nur bis zum 55. Lebensjahr der Arbeitnehmer vorgesehen und
erfolgten auch nicht in regelmäßig laufenden Jahresprämien. In den vom
Betriebsprüfungsbericht vom 1.6.2001 (Anlage 11) erfassten Veranlagungsjahren 1995
bis 1998 leistete der Kläger nach den Feststellungen des Finanzamts eine Zahlung von
182.778 DM, und zwar in 1995. Die Beklagten tragen hierzu vor, diese Dotierung sei
dem Grunde und der Höhe nicht nachvollziehbar. Für die Erfüllung der zu erbringenden
Versorgungsleistungen schloss die VRückdeckungsversicherungen bei der
ALebensversicherung AG ab. Sie verwendete die Dotierungen des Klägers als
Versicherungsbeiträge. Nach ihrem Konzept leistete der Rückdeckungsversicherer eine
verzinsliche Vorauszahlung (Policendarlehn), die sie, die V, als Darlehn an den Kläger
weiterleitete. In dem vom Betriebsprüfungsbericht erfassten Zeitraum 1995 bis 1998
erhielt der Kläger von der V 2 Darlehnsbeträge ausgezahlt, und zwar am 17.4.1996 DM
41.740,- und am 30.11.1996 DM 80.000,-. Die Dotierungsbeträge wurden in den ersten
Jahren steuerlich als Betriebsausgaben anerkannt. In dem Betriebsprüfungsbericht vom
1.6.2001 wurde der Betriebsausgabenabzug für 1995 beanstandet mit der Begründung,
die Voraussetzungen für einen Abzug gemäß § 4 d EStG seien nicht erfüllt, weil nicht
lebenslänglich laufende Versorgungsleistungen vereinbart, die Beiträge an die V nicht
bis zum 65. Lebensjahr der Arbeitnehmer und auch nicht in laufenden Jahresprämien zu
zahlen seien und außerdem gegen das Beleihungsverbot des § 4 d Nr. 1 c Satz 4 EStG
verstoßen worden sei. Die Kläger haben gegen den darauf geänderten
Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt. Ihrem Einspruch wurde durch
Bescheid vom 17.2.2005 (Anlage KB zum SS vom 19.5.2005) nur in geringem Umfang
stattgegeben.
12
b.
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Im Arbeitsvertrag vom 1.12.1992 erteilte der Kläger zu 1 der Klägerin zu 2, die damals
35 Jahre alt und bei ihm geringfügig beschäftigt war, eine Zusage über eine
lebenslänglich laufende jährliche Rente in Höhe von 15.625 DM mit sofortigem Beginn
der Rentenauszahlung. Das hierzu notwendige Deckungskapital (Dotierung) von
250.000 DM zahlte er an die V, von der er in gleicher Höhe ein Darlehn erhielt. Das
Darlehn wurde 1997 durch ein Darlehn der A-Bank abgelöst. An Darlehnszinsen zahlte
der Kläger jährlich 15.625 DM. Die Ehefrau erhielt in gleicher Höhe jährlich, beginnend
am 30.12.1992 eine Rente ausgezahlt. Steuerlich wurden die Dotierung von 250.000
DM und die Darlehnszinsen als Betriebsausgaben abgesetzt. Zusätzlich wurde im
Veranlagungsjahr 1998 die an die Ehefrau gezahlte Rente ohne Berücksichtigung der
Rentenzahlung der V als Lohnaufwand abgesetzt. Die Steuerbescheide bis 1994
wurden bestandkräftig. Die Steuerbescheide für 1995 bis 1998 waren Gegenstand der
oben erwähnten Betriebsprüfung. Dort wurde der Abzug der Darlehnszinsen als
Betriebsausgaben und der Abzug des Lohnaufwandes beanstandet. Die Kläger haben
die daraufhin erhobenen Einkommensteuernachforderungen gemäß Bescheid vom
24.5.2002 beglichen und gleichzeitig Einspruch eingelegt, der durch den
Einspruchsbescheid vom 17.2.2005 zurückgewiesen wurde mit der Begründung, die
Pensionszusage gegenüber einer Ehefrau im Alter von 35 Jahren, die einen sofortigen
Beginn der Rentenzahlung beinhalte, halte einem Fremdvergleich nicht stand.
14
Zu 2 a. und b.
15
haben die Kläger behaupet: Herr S sei, nachdem er mit dem Kläger die
steuerbegünstigte Altersversorgung besprochen habe, mit den Beklagten
zusammengetroffen und habe mit diesen die steuerlich optimale Dotierung des
individuell steuerlich maßgeschneiderten Altersvorsorgemodells festgelegt. Unabhängig
davon hätten die Beklagten von dem steuerrelevanten Sachverhalt aus den Verträgen
mit der V anlässlich der nachfolgenden steuerlichen Bearbeitung Kenntnis erhalten und
- ohne sie, die Kläger, auf das Risiko hinzuweisen - den Abzug der Betriebsausgaben
beantragt, obwohl sie nicht abzugsfähig waren. Die Beklagten haben behauptet: Der
Kläger sei von Herrn S und der C - Institut für Betriebliche Altersversorgung GmbH
beraten worden. Letztere habe dem Kläger unterschriftsreife Verträge für die
Betriebliche Altersversorgung vorgelegt und vom Kläger hierfür auch eine Vergütung
erhalten. Ansprechpartner des Klägers bei der U sei Herr H gewesen.
16
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf
den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
17
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
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Hinsichtlich der Beratung vor dem Vertragsschluss vom 18.12.1998 hätten die Kläger
eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht bewiesen. Nach der Beweisaufnahme sei
nicht widerlegt, dass die Beklagten den Kläger zu 1. am 16.12.1998 um 12.00 Uhr in
einem 15 minütigem Telefonat auf die bestehenden steuerlichen Risiken ohne anteilige
Übertragung der Praxisimmoblie hingewiesen hätten. Die nicht widerlegten Angaben
der Beklagten hätten zur Risikoaufklärung ausgereicht. Eine Pflichtverletzung sei auch
anzunehmen, wenn die Beklagten die steuerliche Lage für die Kläger als positiv
bewertet haben sollten. Hinsichtlich der Ausgestaltung und Beleihung des
Versorgungsmodells hätten die Kläger eine Verantwortlichkeit der Beklagten nicht
substantiiert dargelegt.
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Die Kläger haben Berufung eingelegt. Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen begründen sie diese wie folgt:
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Das Landgericht habe einen Teil ihres entscheidungserheblichen Vortrags übergangen,
und zwar, dass die Beklagten den Entwurf des Vertrages vom 18.12.1998 bereits vor
dem 16.12.1998 freigegeben hätten, dass die Übergabe der Anlage "Verzeichnis 1" zum
Vertrag vom 18.12.1998 an das Finanzamt erst während der Betriebsprüfung erfolgt sei,
in der Rechnung der Beklagten vom 19.1.1999 das umstrittene Telefonat vom
16.12.1998 nicht erwähnt sei und die Beklagten die Verarbeitung der Zahlen aus dem
Versorgungsmodell und der Beleihung der Dotationen übernommen hätten. Die
Entscheidung des Landgerichts beruhe auch auf fehlerhafter Rechtsanwendung. Nicht
sie, die Kläger, sondern die Beklagten müssten die Existenz eines Telefonats am
16.12.1998 beweisen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei außerdem falsch
gewürdigt. Bei richtiger Würdigung hätte das Landgericht feststellen müssen, dass das
streitige Telefonat nicht stattgefunden habe. Das werde auch durch die Kostenrechnung
der Beklagten vom 19.1.1999 bestätigt. Im übrigen seien die von den Beklagten
behaupteten telefonischen Hinweise unzureichend gewesen. Die Beklagten hätten dem
Kläger pflichtgemäß empfehlen müssen, die Anteilsübertragung zu unterlassen. Wegen
der steuerlichen Fehlberatung der Beklagten im Hinblick auf das Versorgungsmodell
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und die Beleihung der Dotationen komme es nicht auf den Zeitpunkt der
Vertragsunterzeichnung an, sondern auf die anschließende steuerlich begleitende
Betreuung der Kläger. Die Beklagten hätten spätestens bei der steuerlichen
Verarbeitung der sich aus dem Modell ergebenden Zahlen sie, die Kläger, darauf
hinweisen müssen, dass Betriebskostenabzüge nicht anerkannt werden würden. Das
Versorgungsmodell hätte noch nach Vertragsschluss steuerkonform angepasst, die
Beleihung der Dotationen rückgängig gemacht werden können. Schließlich sei die am
14.3.2005 durch das Landgericht erfolgte handschriftliche Ergänzung des
Terminprotokolls verfahrensfehlerhaft.
Auf die Hinweise der Vorsitzenden vom 7.4.2005 tragen die Kläger ergänzend vor.
Unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.3.2004 nebst Anlage
23 tragen sie zur Berechnung ihres Schadens aus dem Vertrag vom 18.12.2004 vor.
Zum Versorgungsmodell und zur Beleihung der Dotationen wiederholen sie unter
Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26.5.2004, dass die Beklagten
bereits im Vorfeld der Wahl des Versorgungsmodells intensiv eingebunden gewesen
seien, und rügen, dass das Landgericht den Zeugen S nicht vernommen hat. Sie tragen
vor: Wenn die Beklagten bereits vor Vertragsschluss ihrer Beratungspflicht
nachgekommen wären, wäre es nicht zum völligen Unterlassen des
Versorgungsmodells gekommen, sondern schlicht zu einem Modell, welches den
steuerlichen Vorschriften entsprochen hätte. Dann hätten auch die Dotierungen, wie
geschehen, erfolgen können. Aus dem "Glücksfall" der Altjahre könnten die Beklagten
keinen gegenläufigen Bonus herleiten. Wären die steuergesetzlichen Vorgaben
eingehalten worden, wäre unter sonst gleichen Bedingungen auch die steuerliche
Anerkennung der Beleihung nicht versagt worden.
22
Sie beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Beklagten
verpflichtet sind, ihnen, den Klägern, alle bereits eingetretenen oder noch nicht
eingetretenen Schäden zu ersetzen, die ihnen, so weit noch noch verjährt, aus der
durch die Beklagten für die Besteuerungszeiträume 1995- 1998 durchgeführten
fehlerhaften Steuerberatung, nämlich
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a. die fehlende Berücksichtigung des Sonderbetriebsvermögens bei der Beratung
zum Teilanteilsverkauf des Klägers an seine Mitgesellschafter Dr. A und Dr. H vom
18.12.1998,
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b. die fehlerhafte Beratung bei der Wahl und der Durchführung des
Versorgungsmodells V D, bzw. U H und
26
c. die fehlerhafte Beratung im Hinblick auf die Beleihung der Dotationen im
Zusammenhang mit den Versorgungsmodellen V D, bzw. U H
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entstanden sind.
28
hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG Düsseldorf
zurückzuverweisen.
29
Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
31
Sie nehmen Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen ergänzend vor:
32
Die Rügen der Kläger zur Sachverhaltsfeststellung seien überwiegend nicht
entscheidungserheblich, im übrigen nicht gerechtfertigt. Das Landgericht habe die
Beweisregeln richtig angewendet und die erhobenen Beweise zutreffend gewürdigt. Ihre
telefonische Beratung am 16.12.1998 sei pflichtgemäß und ausreichend gewesen. Im
übrigen fehle hinsichtlich des Vertrages vom 18.12.1998 ein schlüssiger Vortrag zur
Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Die Schadensberechnung im
Schriftsatz vom 4.5.2005 sei gemäß § 531 II ZPO nicht relevant und auch falsch. Der
erstinstanzliche Schriftsatz der Kläger vom 12.3.2004 sei ihnen erst am 3.6.2005
übermittelt worden. Hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung seien die Kläger
durch Herrn S, die C GmbH, später Herrn H beraten worden. Sie, die Beklagten, seien
nicht in die konkrete Ausgestaltung der Versorgungszusagen eingebunden gewesen;
sie hätten keine Vorgespräche mit Herrn S geführt. Auch die Beleihung der Dotationen
und die spätere Umschuldung von Darlehen auf die A-Bank seien nicht mit ihnen
abgesprochen worden. Im übrigen fehle auch insoweit ein verständiger Vortrag zur
Kausalität und zum Schaden. Außerdem müssten sich die Kläger ein Mitverschulden
anrechnen lassen.
33
Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird Bezug
genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
34
B.
35
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
36
Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546
ZPO), die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine
andere Entscheidung.
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Bei der Entscheidung ist die Protokollberichtigung des Landgerichts vom 14.3.2005 zu
berücksichtigen. Diese Berichtigung entspricht den Anforderungen des § 164 ZPO. Sie
erfolgte auf Antrag der Kläger (Seite 23 ihres SS vom 15.12.2005) nach Anhörung der
Zeugin N-W und der Beklagten. Gemäß § 164 ZPO können Unrichtigkeiten des
Protokolls jederzeit berichtigt werden. Der Berichtigung steht nicht entgegen der
Vermerk des Landgerichts "Laut diktiert und genehmigt" unter der am 1.12.2004
protokollierten Aussage der Zeugin N-W. Sollte die nachträglich handschriftlich
eingefügte weiter gehende Aussage der Zeugin auf dem Tonaufnahmegerät mit
aufgezeichnet gewesen sein, wäre sie von der Genehmigung der Zeugin mitumfasst; die
Protokollberichtigung hätte dann sogar ohne Anhörung erfolgen können. Sollte die
nachträglich eingefügte Aussage nicht auf dem Tonaufnahmegerät aufgezeichnet
gewesen sein, wäre sie von der Genehmigung nicht umfasst und die Berichtigung
deshalb zulässig, weil mit dem Vermerk "Laut diktiert und genehmigt" die Zeugin nicht
bestätigt hat, dass ihre
gesamte
aufgezeichnet wurde; sie hat vielmehr nur den aufgezeichneten Teil genehmigt.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall, den die Kläger im
Schriftsatz vom 4.5.2005 unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Hamm (MDR
1983, 410) erwähnen, in dem nachträglich ein Vergleichsprotokoll berichtigt wurde, bei
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dem mit dem abschließenden Vermerk "vorgelesen und genehmigt" auch die
Vollständigkeit bestätigt wurde.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001
geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
39
Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht gegen die Beklagten kein Anspruch aus
positiver Vertragsverletzung wegen fehlerhafter Steuerberatung zu.
40
I. Zum Vertrag vom 18.12.1998 (Klageantrag a):
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1. Insoweit hat das Landgericht rechtsfehlerfrei einen Anspruch wegen fehlerhafter
Beratung über die steuerlichen Auswirkungen der Nichtberücksichtigung der
Praxisimmobilie schon deshalb verneint, weil die Kläger eine Pflichtverletzung der
Beklagten nicht bewiesen haben.
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Dabei kann unterstellt werden, dass die Beklagten vor dem 16.12.1998 den ihnen
vorgelegten Vertragsentwurf ohne Äußerung steuerlicher Bedenken in Anwesenheit des
von den Klägern benannten Zeugen Dr. B freigegeben und auch in Gegenwart der von
den Klägern benannten weiteren Zeugen H, A, S und O nie erwähnt hatten, dass die
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß §§ 16, 34 I EStG problematisch sei.
43
Durch die vom Beklagten zu 1 und der Zeugin N-W nach dem korrigierten
Beweisaufnahmeprotokoll des Landgerichts geschilderten telefonischen Hinweise
gegenüber dem Kläger zu 1. am 16.12.1998 ist eine etwaige vorangegangene
Freigabeerklärung der Beklagten ausreichend korrigiert worden. Eines ausdrücklichen
Widerrufs einer etwaigen Freigabeerklärung bedurfte es nicht. Die telefonischen
Hinweise entsprechen den Anforderungen des BGH und des Senats an die
Belehrungspflichten des Steuerberaters und sind von den Klägern nicht widerlegt
worden.
44
a.
45
Im Rahmen seines Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten umfassend zu
beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren
Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss der Steuerberater den sichersten Weg zu
dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen
Verwirklichung unterbreiten. Er hat den Mandanten in die Lage zu versetzen,
eigenverantwortlich seine Rechte und Interesssen wahren und eine Fehlentscheidung
vermeiden zu können (BGH NJW 1995, 2108). Welche konkreten Pflichten aus diesen
allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und
den Umständen des Falles. Die Hinweise und Belehrungen des Beraters haben sich an
der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten, dies sogar
dann, wenn er selbst deren Ansicht nicht teilt (BGH NJW 1993, 2799).
46
Nach der im Jahre 2000 entwickelten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile
vom 12.4.2000, NJW 2001, 534; 24.8.2000, DStR 2000, 1768) ist, wenn ein
Mitunternehmeranteil auch Sonderbetriebsvermögen umfasst, das zu den wesentlichen
Betriebsgrundlagen zu rechnen ist, bei der Veräußerung eines Teilanteils der dabei
entstehende Gewinn nur dann gemäß § 34 I EStG ermäßigt zu besteuern, wenn auch
ein entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens veräußert wird. Die
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Praxisimmobilie des Klägers stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage im Sinne dieser
Rspr. dar.
Fehlt, wie es hier im Beratungszeitraum Dezember 1998 der Fall war, eine
höchstrichterliche Rspr., so ist ein Steuerberater verpflichtet, weitere Quellen für die
Rechtsprüfung auszuschöpfen, wie vor allem die Rechtsprechung der Untergerichte und
das einschlägige Schrifttum (Senat, Urteil vom 20.1.2004 - 23 U 28/03 -veröffentlicht in
NJOZ 2004, 2806 und in GI 2005, 92; Zugehör, DStR 2001, 1613, 1615). Darüber
hinaus hat der Steuerberater auch eine feste Verwaltungsübung der zuständigen
Finanzbehörden zu berücksichtigen (BGH NJW 1995, 3248; Senat a.a.O.). Die Intensität
der gebotenen Prüfung der Rechtslage und der Beratung wird einerseits durch die
Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten, andererseits aber auch durch die
Zeit, die für die Prüfung und Belehrung zur Verfügung steht, bestimmt. Für den
vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes:
48
Anders als in dem Fall, den der Senat durch Urteil vom 20.1.2004 (a.a.O.) entschieden
hat, blieb hier den beklagten Steuerberatern nicht viel Zeit zur Überprüfung und
Belehrung. Sie hatten erst am 4.12.1998 den Vertragsentwurf erhalten und für die
Überprüfung / Beratung nur rund 2 Wochen Zeit, da der Vertrag wegen der nach dem
31.12.1998 bevorstehenden Änderung des § 34 EStG und Einschränkung der
Steuervergünstigung für Veräußerungserlöse noch im Dezember abgewickelt und damit
schon vor Weihnachten abgeschlossen werden sollte. Aus diesem Grunde schied von
vornherein der vom Senat im vorgenannten Urteil geforderte Weg der Einholung einer
verbindlichen Auskunft des Finanzamtes aus.
49
Der nach Aussage des Beklagten zu 1 und der Zeugin N-W von den Beklagten am
16.12.1998 herangezogene Aufsatz von Fichtelmann (NJ 3/98, Seite 76 f / Anlage B 2)
gab einen hinreichend genauen Überblick über den damaligen Stand der
Rechtsprechung und Literatur zu den Anforderungen an die Gewährung der
Tarifbegünstigung im Falle der Veräußerung einer Beteiligung bei vorhandenem
Sondervermögen. Nicht zitiert war darin nur das Urteil des FG Münster vom 20.5.1998,
veröffentlicht in EFG 1998, 1319. Auf dieses Urteil will der Beklagte zu 1 anlässlich
eines Telefonats am 16.12.1998 von dem Steuerberater J hingewiesen worden sein.
50
Die telefonischen Hinweise des Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger, wie sie vom
Beklagten zu 1 und der Zeugin N-W vor dem Landgericht geschildert worden sind,
waren ausreichend und geeignet, den Kläger in die Lage zu versetzen, bei der
Entscheidung über den beabsichtigten Vertrag seine Rechte und Interesssen zu
wahren. Die Zeugin N-W hat bekundet, der Beklagte zu 1 habe auf die Risiken, die sie
und die Beklagten vorher dem Aufsatz von Fichtelmann entnommen hätten,
hingewiesen, wobei seine Prognose zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei
der Veräußerung ohne die Praxisimmobilie eher positiv bzw. positiv bis neutral
gewesen sei. Hiermit im Einklang stehen die Angaben des Beklagten, der bekundet hat,
den Kläger darauf hingewiesen zu haben, dass nach der überwiegenden
Literaturmeinung der Einbehalt der Praxisimmobilie steuerunschädlich sei und das FG
Münster in einer nicht rechtkräftigen Entscheidung ebenfalls auf dieser Linie gelegen
habe. Der Kläger musste diesen Hinweisen entnehmen, dass die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes auf seinen Veräußerungserlös nicht sicher war. Auch ohne
besondere Erläuterung des Beklagten zu 1, musste er erkennen, dass die nicht
rechtskräftige Entscheidung des FG Münster im Rechtsmittelverfahren bis zum BFH in
den nächsten Jahren abgeändert werden und die Abänderung seinen
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Veräußerungserlös noch erfassen konnte.
Dass der Beklagte zu 1 eine für den Kläger eher positive Prognose abgab, stellt ebenso
wenig eine Pflichtverletzung dar, wie das Unterlassen einer Empfehlung, das geplante
Geschäft zu unterlassen.
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Die positive Prognose war angesichts der im Aufsatz von Fichtelmann dargestellten
herrschenden Meinung in der Literatur (darunter der Standardkommentar Schmidt, EStG
, 16. Aufl., 1997, § 16 Rdn. 410) und der Entscheidung des FG Münster gerechtfertigt.
Dem Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, er habe den Gegenmeinungen in der
Literatur von Wollnig, FR 1989, 713; Weber, DB 1991, 2560 und Althans, BB 1993,
1060) und auch der Entscheidung des BFH vom 19.3.1991 (BStBl II 1991, 635 -aus
dieser Entscheidung leitete der BFH im Jahre 2000 seine Rspr. zur Veräußerung eines
Mitunternehmeranteils ab-) zu wenig Bedeutung beigemessen. Die Anforderungen an
einen in der Praxis tätigen Steuerberater dürfen nicht überspannt werden. Insbesondere
können von ihm nicht schwierige Analysen erwartet werden. Seit der Entscheidung des
BFH vom 19.3.1991, auf die sich die Gegenmeinung der Lit. stützte, waren immerhin
schon 7 Jahre vergangen, ohne dass sich der Meinungsstand in der Literatur geändert
oder Untergerichte die Entscheidung zum Anlass genommen hätten, gegen die damals
herrschende Meinung zu entscheiden. Aus dem zitierten Fall 23 U 28/03 ist dem Senat
bekannt, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Erlöse aus
Veräußerung von Gesellschaftsanteilen auch ohne Mitübertragung des
Sonderbetriebsvermögens im OFD-Bezirk Düsseldorf bis jedenfalls Ende 1996
einheitlich ständige Verwaltungsübung war. Auch wenn sich aus einer
Einkommensteuer-Gruppenbesprechung bei der OFD Düsseldorf im Dezember 1996,
bei der auch das Urteil des BFH vom 19.3.1991 besprochen wurde, ergibt, dass
Überlegungen zur Änderung der ständigen Verwaltungsübung angestellt wurden, ist für
Dezember 1998 eine klare Änderung oder sogar eine gegenteilige Verwaltungsübung
beim Finanzamt Mülheim / Ruhr oder bei der OFD Düsseldorf nicht feststellbar. Die
insoweit darlegungspflichtigen Kläger haben hierzu nichts vorgetragen, obwohl ihnen
die Erheblichkeit der Verwaltungsübung für die Frage der Pflichtverletzung auf Grund
des Hinweises vom 7.4.2005 auf das oben zitierte Senatsurteil bekannt war. Wie die
Obergerichte auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung des FG Münster vom 20.5.1998
entscheiden würden, konnten die Beklagten nicht vorhersehen.
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Unschädlich ist, ob der Beklagte zu 1 dem Kläger den Rat von Fichtelmann, wegen der
bestehenden Unsicherheiten Vorkehrungen zu treffen, weitergegeben hat. Abgesehen
davon, dass die Kläger nicht dargelegt haben, durch welche Vorkehrungen ihnen hätte
geholfen werden können, hätte hierfür im Dezember 1998 nicht genügend Zeit zur
Verfügung gestanden.
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Entgegen der Ansicht der Kläger brauchten die Beklagten ihnen keine bestimmte
Empfehlung zu geben. Insoweit hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass es
nicht zu den Aufgaben eines Steuerberaters gehöre, eine Bewertung der Priorität der
verschiedenen Ziele seines Mandanten (hier: Profitieren von der Steuerbegünstigung
der §§ 16, 34 EStG in der Fassung bis 31.12.1998 und Behalten des Alleineigentums an
der Praxisimmobilie) vorzunehmen und eine bestimmte Empfehlung auszusprechen.
Diese Entscheidung obliegt allein dem Mandanten. Der Kläger zu 1 hatte durch die vom
Beklagten zu 1 und der Zeugin Niebuhr-Weiler geschilderten Hinweise eine
ausreichende Grundlage für seine Entscheidung erhalten. Den Umfang der Mehrsteuern
für den Fall, dass die Tarifbegünstigung nicht gewährt würde, konnte er auch ohne
55
genaue Berechnungen der Beklagten schätzen, da ihm bekannt war, dass sein
Spitzensteuersatz über 50 % lag. Die erwartete hohe Steuerersparnis hatte ihn ja
gerade veranlasst, die anteilige Übertragung seiner Wirtschaftsgüter aus seiner früheren
Einzelpraxis noch vor dem 31.12.1998 vorzunehmen. Er (und die Klägerin zu 2)
mussten entscheiden, was ihnen wichtiger war: die Steuerersparnis oder die
Veräußerung der Wirtschaftsgüter aus der Einzelpraxis mit oder ohne Praxisimmobilie.
b.
56
Die Aussagen des vom Landgericht informatorisch angehörten Beklagten zu 1 und der
Zeugin N-W sind weder durch die Aussagen des informatorisch angehörten Klägers zu
1 und des Zeugen K noch durch sonstige Umstände widerlegt.
57
aa.
58
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Mandant die
Pflichtverletzung des steuerlichen Beraters auch dann uneingeschränkt beweisen muss,
wenn er behauptet, das gebotene Beratungsgespräch habe nicht stattgefunden. Diese
Annahme steht im Einklang mit der Rspr. des BGH (NJW 1996, 2571 f; NJW 1994,
3295/3299; NJW 1987, 1322), wonach die Beweisschwierigkeiten des Mandanten
dadurch ausgeglichen werden, dass der Steuerberater zunächst im einzelnen
darzulegen hat, in welcher Weise er die Belehrung vorgenommen haben will, was hier
geschehen ist (siehe aa.). Der im Schriftsatz vom 4.5.2005 von den Klägern aufgezeigte
Unterschied der vorliegenden Fallgestaltung von dem Fall, über den der BGH
entschieden hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es kommt nicht darauf an, ob ein
einzelnes Beratungsgespräch an einem bestimmten Tag oder Beratungen über einen
längeren Zeitraum zu einer konkreten Frage streitig sind.
59
bb.
60
Rechtsfehlerfrei ist auch die Beweiswürdigung des Landgerichts, der sich der Senat
anschließt. Die mit der Berufung vorgebrachten Einwände rechtfertigen auch insoweit
keine andere Beurteilung.
61
Selbst wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen sollten, dass der Zeuge Knepper
unglaubwürdig oder sein Erinnerungsvermögen schwach ist, verhilft das allein der
Klage / Berufung noch nicht zum Erfolg. Die Aussage des Zeugen K ist jedenfalls nicht
überzeugender als die gegenteilige Aussage der Zeugin N-W. Das gilt auch für die von
den Angaben des Beklagten zu 1 abweichenden Angaben des Klägers zu 1 anlässlich
der informatorischen Anhörung. Die Einlassung des Beklagten zu 1, er habe am Morgen
des 16.12.1998 "plötzlich" eine Art "Impuls" verspürt, den einschlägigen
steuerrechtlichen Fragen nachzugehen, ist nachvollziehbar. Dem Senat ist aus eigenen
Erfahrungen bestens bekannt, dass sich Rechtsprobleme oft nicht stellen, weil das
Problembewusstsein fehlt, und erst nach Abschluss einer Fallbearbeitung plötzlich
Zweifel aufkommen, die Anlass zur erneuten Überprüfung geben. Dass der Aufsatz von
Fichtelmann am 16.12.1998 per Fax übersandt wurde, ergibt sich aus der oberen
Faxleiste. Es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass die Beklagten diese Faxleiste
manipuliert haben. Plausibel ist auch, dass die Beklagten an Hand dieses Aufsatzes
das Steuerproblem des Klägers untersucht und anschließend den Kläger hierüber
unterrichtet haben. Der Inhalt des Aufsatzes, das Fax-Datum und auch der
handschriftliche Vermerk des Beklagten auf der Rückseite des Aufsatzes (Anlage B3)
62
"tel. am 16.12.98 12.00 mit Dr. W Problematik besprochen Anwesend Herr T und Frau
N" erklären schließlich das Erinnerungsvermögen der Zeugin N-W und des Beklagten
zu 1. Ein weiteres Indiz dafür, dass die telefonische Beratung entsprechend der
Schilderung des Beklagten zu 1 und der Zeugin N-W stattgefunden hat, sind die
Erläuterungen auf Seite 2 des Schreibens der Beklagten vom 29.1.1999 zur Rechnung
vom 13.1.1999 (Anlage B 7), denen der Kläger nicht widersprochen hat. Nach diesen
Erläuterungen haben die Beklagten zur Begründung von 44 Stunden Zeitaufwand u.a.
erwähnt ihre Stellungnahme zu möglichen Risiken und Problemen bei der
steuerbegünstigten Anteilsveräußerung unter Berücksichtigung von Rspr. und
Literaturmeinung. Dieses Indiz wird zwar dadurch abgeschwächt, dass auf der Seite 1
unter "persönliche Besprechungen und Besuche" das Telefonat vom 16.12.1998 nicht
erwähnt ist. Es wird aber nicht ganz bedeutungslos und allein das Nichtaufführen des
Telefonats verhilft der Klage / Berufung noch nicht zum Erfolg.
2.
63
Auch wenn es nach den Ausführungen zu a. nicht mehr darauf ankommt: Selbst wenn
man von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausginge, könnte nicht mit der gemäß §
287 ZPO erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass
die Pflichtverletzung für den von den Klägern geltend gemachten Schaden kausal ist.
64
a.
65
Zur Beantwortung der sich gemäß § 249 Satz 1 BGB zunächst stellenden Frage, ob
zwischen der Verletzung der Vertragspflicht des Steuerberaters und dem vom
Mandanten geltend gemachten Schaden der notwendige adäquate
Ursachenzusammenhang (haftungsausfüllende Kausalität) besteht, ist zu prüfen,
welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters genommen
hätten; insbesondere wie der Auftraggeber darauf reagiert hätte, und wie dessen
Vermögenslage dann wäre (BGH NJW 2000, 1572/1573; NJW 2002, 593/594). Der
hypothetische Zusammenhang ist vom Mandanten als Anspruchsteller darzulegen und
zu beweisen und im Regressprozess vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu beurteilen.
Das Beweismaß des § 287 ZPO ist geringer als das des § 286 ZPO, es genügt eine
deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit (BGH
NJW 1996, 2501). Die Regeln des Beweises des 1. Anscheins sind nur dann
anwendbar, wenn bei verständiger Betrachtung nur eine Entscheidung des Mandanten
sinnvoll gewesen wäre, etwa weil diese ihm den größten Vorteil gebracht hätte. Der
Anscheinsbeweis entfällt, wenn bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters
verschiedene vernünftige Handlungsweisen in Betracht gekommen wären (BGH NJW
2002, 593, 594).
66
b.
67
Hier kamen bei Kenntnis der unsicheren steuerrechtlichen Beurteilung gem. §§ 16 / 34
EStG 4 Handlungsalternativen des Klägers zu 1 in Betracht, und zwar die anteilige
Mitübertragung der Praxisimmoblie, ein Nachverhandeln über den Kaufpreis, der
Abschluss des ausgehandelten Vertrages mit der Hoffnung auf Gewährung des
ermäßigten Steuersatzes auf den Veräußerungserlös oder das Abstandnehmen vom
Vertrag. Nach dem Vortrag der Kläger kann lediglich die Wahl der ersten beiden
Alternativen ausgeschlossen werden, nicht dagegen die Wahl der 3. Alternative. Die
Kläger haben nicht überzeugend dargelegt, dass der Kläger zu 1 nach der zuletzt
68
genannten Alternative seinen Zielvorstellungen näher gekommen wäre als auf dem
tatsächlich eingeschlagenen Weg der 3. Alternative. Es mag zwar stimmen, dass die bis
31.12.1998 geltende Steuervergünstigung für die Entscheidung des Klägers, sein
Praxisvermögen anteilig auf 2 Partner zu übertragen, ausschlaggebend war. Das
schließt jedoch nicht aus, dass es auch andere Gründe für das Geschäft gab, die ihn
neben der verbleibenden Hoffnung, die Steuerermäßigung noch zu bekommen, doch
veranlasst hätten, den ausgehandelten Vertrag durchzuführen. Zu den anderen Gründen
zählen der zu erwartende hohe Kaufpreis, die bevorstehende Gesundheitsreform, von
der die Ärzte Einnahmeeinbußen erwarteten, das Interesse an der Bindung wenigstens
einiger Partner und schließlich der Umstand, dass in einigen Jahren der idelle
Praxisanteil des Klägers in Folge der Wertaufbauregelung für die Partner gemäß § 5
des Vertrages vom 7.8.1994 nicht mehr so viel wert gewesen wäre und bei einem
Verkauf nach dem 31.12.1998 die Steuervorteile des alten § 34 I EStG mit Sicherheit
nicht mehr zu erhalten waren.
II. Wahl und Durchführung des Versorgungsmodells der VZD (Klageanträge zu b
und c)
69
Insoweit wird unterstellt, dass die Beklagten in den Abschluss der Verträge zur
betrieblichen Altersversorgung von vornherein eingebunden waren oder anlässlich der
Erstellung der Steuererklärungen für die Veranlagungsjahre ab 1991 Kenntnis von
diesen Verträgen erhalten haben und es außerdem pflichtwidrig unterlassen haben, den
Kläger darauf hinzuweisen, dass die von ihm gewählten Vertragsgestaltungen nicht die
von ihm gewünschten Steuervorteile bieten würden.
70
Schadensersatzansprüche können die Kläger hieraus nicht herleiten, weil sie nicht
schlüssig dargelegt haben, dass ihnen in Folge der Pflichtverletzung der Beklagten ein
Schaden entstanden ist.
71
1.
72
Unschlüssig ist bereits der Vortrag der Kläger zur haftungsausfüllenden Kausalität. Sie
haben nicht mit hinreichender Klarheit dargelegt, was der Kläger getan hätte, wenn er
vor Abschluss der Verträge mit der V von den Beklagten den Hinweis erhalten hätte,
dass die zwischen ihm und der C GmbH ausgehandelten Verträge nicht den
Anforderungen entspächen, die § 4 d EStG an den Betriebskostenabzug stellt, und die
Darlehnszinsen bei dem für seine Ehefrau vorgesehenen Versorgungsmodell ebenfalls
nicht als Betriebskosten abgezogen werden könnten.
73
So weit sie geltend machen, der Kläger hätte unabhängig von dem Versorgungsvertrag
für seine Ehefrau ein Darlehen aufgenommen, übergehen sie, dass die Beleihung der
1992 erbrachten Dotation ein fester Bestandteil des für die Ehefrau gewählten
Versorgungsmodells war. Die an die V jährlich gezahlten Darlehnszinsen von 15.625
DM wurden von dieser zur Auszahlung der jährlichen Rente von 15.625 DM an die
Klägerin zu 2 verwandt. Der untrennbare Zusammenhang zwischen der Dotation und
dem Darlehn ergibt sich auch aus Tz. 11 des Betriebsprüfungsberichts vom 1.6.2001
und aus den Ausführungen auf Seite 5 der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes
vom 17.2.2005, wonach in dem Schreiben der Agrippina vom 14.11.1996 der
ausdrückliche Hinweis enthalten sein soll, dass nur bei rechtzeitiger Zinszahlung die
Rente an die Ehefrau ausbezahlt werden könne. Dieser Hinweis erfolgte offenbar im
Zusammenhang mit den Plänen der Umschuldung des Darlehns auf die A-Bank. Im
74
übrigen wäre jedes Fremddarlehn zur Finanzierung der Rentenauszahlung der noch
nicht im Rentenalter befindlichen Ehefrau ein privat veranlasstes Darlehn gewesen,
dessen Zinsen nicht als Betriebsausgaben hätten abgesetzt werden können. Aus
denselben Gründen ist auch der Vortrag auf Seite 38 der Berufungsbegründung, die
Beleihung der Dotationen hätte noch nach Vertragsschluss rückgängig gemacht werden
können, unschlüssig.
Soweit die Kläger auf Seite 38 der Berufungsbegründung außerdem vorgetragen haben,
das Versorgungsmodell hätte noch nach Vertragsschluss inhaltlich steuerkonform
angepasst werden können, ist ihr Vortrag unschlüssig, weil sie nicht mitteilen, welche
den Anforderungen des § 4 d EStG entsprechende Änderungen sie mit der Z hätten
aushandeln können und wollen.
75
Auf die Unschlüssigkeit des Vorbringens auf Seite 38 der Berufungsbegründung sind
die Kläger mit der prozessleitenden Verfügung vom 7.4.2005 hingewiesen worden.
Nachfolgend haben sie hierzu nicht weiter vorgetragen, sondern statt dessen mit den
Schriftsätzen vom 19.5.2005 und 20.6.2005 ihren erstinstanzlichen Vortrag aus dem
Schriftsatz vom 26.5.2004 wiederaufgegriffen und darauf abgestellt, dass die Beklagten
bei ihren Vorgesprächen mit dem Zeugen S ein steuerschädliches Versorgungsmodell
erst gar nicht hätten vorbereiten und absegnen dürfen. Auf Seite 17 des Schriftsatzes
vom 20.6.2005 stellen sie dann klar, dass es bei pflichtgemäßer Beratung nicht zum
völligen Unterlassen des Versorgungsmodells gekommen wäre, sondern schlicht zu
einem Modell, welches den steuerlichen Vorschriften entsprach. Auch an dieser Stelle
wird nicht mitgeteilt, wie genau das den steuerlichen Vorschriften entsprechende
Steuermodell ausgesehen hätte. Ohne die Mitteilung des hypothetischen genauen
Vertragsinhalts kann nicht beurteilt werden, ob dieser Vertrag den damaligen
Zielvorstellungen des Klägers entsprach, die Z sich hierauf eingelassen hätte und ob
der Vertrag zu den gewünschten Steuerersparnissen geführt hätte. Dies gilt
insbesondere für das Versorgungsmodell, das der Kläger für seine Ehefrau ausgewählt
hätte. Der jetzige Vertrag, der eine sofortige Rentenauszahlung ab dem 35. Lebensjahr
der Ehefrau vorsieht, hat nichts mit betrieblicher Altersvorsorge zu tun. Er hätte durch
einen ganz anderen Vertrag ersetzt werden müssen.
76
2.
77
Schließlich scheitert das Schadensersatzfestellungsbegehren daran, dass die Kläger
die Wahrscheinlichkeit eines Schadens nicht ausreichend dargelegt haben.
78
a.
79
Ob und in welchem Umfang ein nach § 249 BGB zu ersetzender Schaden vorliegt,
beurteilt sich nach einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis
bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne diesen Umstand eingetreten wäre;
der haftpflichtige Berater hat den Mandanten vermögensmäßig so zu stellen, wie dieser
bei pflichtgemäßem Verhalten stünde. Die hierzu erforderliche Differenzrechnung setzt
einen Gesamtvermögensvergleich voraus, bei der alle Folgen des schädigenden
Ereignisses zu berücksichtigen sind, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung eingetreten oder mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Der
Auftraggeber genügt seiner Obliegenheit zur Darlegung eines Schadens deshalb nicht
bereits dadurch, dass er einen einzelnen ihm entstandenen Vermögensnachteil
herausgreift und hieraus seinen Schaden ableitet; er hat vielmehr in die von ihm
80
vorzunehmende Vergleichsrechnung alle -auch ihm günstige - Umstände einzustellen,
die auf der Pflichtverletzung des Beraters beruhen (BGH NJW 1998, 982, 983; OLG
Köln OLGR 1999, 265/267; Senat, Urteil vom 28.11.2002 (23 U 259/01 = GI 2003, 86).
Im Rahmen einer Feststellungsklage genügt eine summarische Darstellung, der mit der
für ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Schadensersatzpflicht
(§ 256 ZPO) erforderlichen Wahrscheinlichkeit der Eintritt wenigstens eines ersten
Teilschadens entnommen werden kann (Senat, Urteil vom 29.1.2002, 23 U 78/01 = GI
2002, 277).
81
b.
82
Eine solche summarische Darstellung, der entnommen werden kann, dass die Kläger
durch den Abschluss der Versorgungsverträge wahrscheinlich einen Schaden erlitten
haben, fehlt. Auch die nach dem Hinweis vom 7.4.2005 in den Schriftsätzen vom
19.5.2005 und 20.6.2005 vorgenommene Schadensberechnung ist nicht schlüssig. Die
Kläger haben lediglich die gewünschten, aber nicht erreichten Steuervorteile als
Schaden angesetzt, ohne mitzuteilen, aus welcher konkreten hypothetischen
Handlungsalternative sie diese Steuervorteile hätten erzielen können. Entgegen ihrer
Auffassung müssen in einer Differenzrechnung bei der Beurteilung ihrer tatsächlichen
Vermögenslage auch sämtliche seit 1991 erzielten Steuervorteile berücksichtigt werden.
Es muss die gesamte Vermögenslage, wie sie sich seit 1991 auf Grund der Verträge mit
der Z entwickelt hat, mit der Vermögenslage verglichen werden, wie sie sich seit 1991
bei Abschluss anderer Verträge (deren Inhalt die Kläger nicht substantiiert dargelegt
haben) entwickelt hätte. Auszunehmen sind nur die tatsächlichen
Vermögensentwicklungen, die nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallen.
83
C.
84
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
85
Es besteht keine Anlass, die Revision zuzulassen.
86
Streitwert für die 2. Instanz: 432.985,98 Euro
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