Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.11.2005
OLG Düsseldorf: besitz, kaufvertrag, leasinggeber, amortisation, eigentum, vertragsschluss, kaufpreis, zugang, leasingnehmer, leasingvertrag
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 30/05
Datum:
08.11.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 30/05
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 17 O 147/04
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten werden das am 17. Januar 2005
verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal -
Einzelrichter- abgeän-dert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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Das Rechtsmittel der Beklagten, mit welchem sie ihre gesamtschuldnerische
Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz (10.364,96 EUR nebst gesetzlicher
Verzugszinsen) bekämpfen, hat vollen Erfolg. Sie schulden der klagenden
Leasinggesellschaft nach beendetem Leasingvertrag nichts mehr.
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I.
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Allerdings haben die Beklagten als (gewerblich tätige) Leasingnehmer der Klägerin
grundsätzlich und leasingtypisch für die volle Amortisation des Finanzierungsaufwands
einschließlich des kalkulierten Gewinns einzustehen, wenn, wie es hier geschehen ist,
für das Vertragsende ein Restwertausgleich vereinbart worden ist. Die Klägerin hat
indes den Anspruch auf volle Amortisation verloren.
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1. Bei dem hier umstrittenen Leasingverhältnis handelt es sich um einen Teilamortisa-
tionsvertrag mit vereinbarter Restwertabrechnung bei fakultativem Andienungsrecht der
Leasinggeberin (Klägerin) im Sinne des Teilamortisationserlasses des Bundesministers
der Finanzen vom 22. Dezember 1975 (vgl. BB 1976, 72). Daraus folgt, dass sich die
Amortisation des Finanzierungsaufwands einschließlich des Gewinns zusammensetzt
aus den Leasingraten während der vereinbarten Vertragslaufzeit einerseits und dem im
Vertrag ausgewiesenen kalkulierten Restwert andererseits. Erfüllt wird der Anspruch
durch die Bezahlung der vereinbarten Leasingraten (hier bereits geschehen) sowie bei
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Vertragsende durch eine Schlusszahlung in Höhe des kalkulierten Restwerts. Der
Klägerin standen zur Verwirklichung der Schlusszahlung grundsätzlich zwei Wege zur
Verfügung. Sie konnte zum einen die Restwertabrechnung gemäß Nr. XIV.2 der
Leasingbedingungen wählen, also für die bestmögliche Verwertung des Kraftfahrzeugs
auf dem Gebrauchtwagenmarkt sorgen und die möglicherweise verbleibende Differenz
zwischen dem erzielten Veräußerungserlös und dem kalkulierten Restwert als
Schlusszahlung einfordern. Sie konnte zum andern aber auch das bei Vertragsschluss
mit den Beklagten vereinbarte Andienungsrecht ausüben und die Schlusszahlung in
Gestalt des Kaufpreises in Höhe des kalkulierten Restwerts verwirklichen.
2.
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Die Klägerin ist den zweiten Weg gegangen, wobei sie allerdings die ihr daraus
erwachsenen Rechte durch fehlerhaftes Vorgehen verloren hat.
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a)
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Wird bei Vertragsende das vereinbarte Andienungsrecht durch den Leasinggeber
ausgeübt, kommt schon mit dem Zugang der Ausübungserklärung zwischen
Leasinggeber und Leasingnehmer der bereits bei Vertragsschluss unter dem Vorbehalt
der Ausübung des Andienungsrechts vereinbarte Kaufvertrag zustande (vgl. BGH NJW
1996, 923 und NJW 1997, 452, 453 sub Nr. II.1; MünchKomm/Habersack, BGB, 4. Aufl.,
Leasing Rn. 110; Staudinger/Stoffels, BGB [2004], Leasing Rn. 297; Wolf/Eckert/Ball,
Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl. Rn. 1992; Graf v.
Westphalen, Der Leasingvertrag, 5. Aufl., Rn. 99ff; vgl. zur Ausübung des
rechtsähnlichen Wiederverkaufsrechts auch BGHZ 110, 183, 189 sub Nr. II.3 = NJW
1990, 2546).
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b)
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Im Streitfall ist bereits mit dem Zugang der Ausübungserklärung vom 05. November
2003 ein Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Dazu bedurfte es
nicht noch eines erneuten Angebots und einer Annahmeerklärung der Beklagten
(insoweit wohl unrichtig OLG Düsseldorf - 10. ZS - NJW-RR 1994, 1337). Das
gleichzeitig mit der Ausübung des Andienungsrechts erneut unterbreitete
Verkaufsangebot vom 05. November 2003 ist im Übrigen ohne rechtliche Wirkung
geblieben, weil die Beklagten es nicht angenommen haben und es auch nicht
annehmen mussten. Gebunden waren sie nur an das vereinbarte Andienungsrecht.
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Auf der Grundlage des ausgeübten Andienungsrechts ist der Kaufvertrag zu den bei
Vertragsschluss vereinbarten Bedingungen zustande gekommen. Nach denen hat sich
die Klägerin verpflichtet, den Beklagten Eigentum und Besitz am geleasten
Kraftfahrzeug gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe des kalkulierten Restwerts
(garantierter Kaufpreis) von 24.009,18 DM (12.275,70 EUR) zu verschaffen.
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c)
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Gegenstand der Klage ist aber nicht der in Rede stehende Erfüllungsanspruch
(Kaufpreis), sondern ein von der Klägerin beanspruchter Schadensersatz statt der
Leistung wegen der Nichterfüllung des Kaufvertrags. Ein solcher
Schadensersatzanspruch steht der Klägerin indes nur unter den Voraussetzungen des §
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281 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, der gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auf das hier
umstrittene Vertragsverhältnis seit dem 01. Januar 2003 anzuwenden ist.
aa)
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Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB
unter anderem, dass sich die Beklagten mit ihrer Leistung (Zahlung) in Verzug befunden
hatten. Das war hier nicht der Fall. Denn dem Zahlungsverlangen der Klägerin stand
seitens der Beklagten die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 Abs. 1 BGB
entgegen, ohne dass es einer ausdrücklichen Erhebung dieser Einrede bedurfte hätte
(vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 323 Rn. 11; Staudinger/Otto, BGB [2004], §
320 Rn. 46 jew. m.w.N.). Die Beklagten waren zur Zahlung des von ihnen garantierten
Kaufpreises nämlich nur Zug-um-Zug gegen Verschaffung von Besitz und Eigentum am
Kraftfahrzeug verpflichtet. Da sich das Kraftfahrzeug seit dem 03. November 2003
wieder im Besitz der Klägerin befunden hatte, musste sie ihr Erfüllungsverlangen
(Zahlung) verbinden mit dem an die Beklagten gerichteten Angebot, ihnen Zug-um-Zug
den Besitz und das Eigentum am Kraftfahrzeug zu verschaffen (vgl. BGH NJW 1996,
923 sub Nr. II vgl. BGH NJW 1996, 923 sub Nr. II ). Ohne rechtlichen Belang ist in
diesem Zusammenhang, dass die Beklagten (im Unterschied zur zitierten Entscheidung
des Bundesgerichtshofes aaO) den Besitz am Kraftfahrzeug freiwillig, nämlich in
Befolgung der vereinbarten Rückgabepflicht nach Beendigung des Leasingvertrags (vgl.
Nr. XIV.1a Leasingbedingungen) auf die Klägerin übertragen hatten. Maßgeblich ist nur,
dass sie bei Ausübung des Andienungsrechts durch die Klägerin keinen Besitz mehr
am Kraftfahrzeug hatten. Ein (ausdrückliches) Angebot zur Eigentums- und
Besitzverschaffung wäre nur dann überflüssig gewesen, wenn das Kraftfahrzeug im
Besitz der Beklagten geblieben wäre.
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Die bloße Zahlungsaufforderung vom 05. November 2005 vermochte keinen
Annahmeverzug bei den Beklagten auszulösen. Denn nur nach Eintritt des
Annahmeverzugs auf Seiten der Beklagten (und nach Ablauf der am 08. Dezember
2003 gesetzten Nachfrist zur Erfüllung des Zahlungsbegehrens) konnte unter Erlöschen
des primären Erfüllungsanspruchs der sekundäre Schadensersatzanspruch entstehen
(vgl. BGH NJW 1996, 923 sub Nr. II). Da die Klägerin ein wirksames, den
Annahmeverzug begründendes Angebot den Beklagten zu keinem Zeitpunkt
unterbreitet hat, war die Rücktrittserklärung der Klägerin vom 08. Januar 2004 nicht
wirksam. Ein Schadensersatzanspruch ist deshalb nicht entstanden (vgl. BGH aaO).
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bb)
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Die Klägerin kann auch nicht mehr auf den Erfüllungsanspruch zurückgreifen. Offen
bleiben kann, ob dies mit Blick auf die getroffene Wahl (Schadensersatz statt Leistung)
gemäß § 281 Abs. 4 BGB schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist (vgl.
Palandt/Heinrichs, aaO, § 281 Rn. 50 a, 51), weil die Klägerin die Beklagten zur
Ersatzleistung aufgefordert hat. Ob das Verlangen wirksam sein musste oder - wie hier -
auch ein Schadensersatzbegehren ohne gesetzliche Grundlage ausreicht, kann auf sich
beruhen.
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Jedenfalls kann die Klägerin aus tatsächlichen Gründen nicht mehr Erfüllung verlangen,
nachdem sie das Kraftfahrzeug anderweitig verwertet hat (vgl. BGH NJW 1996, 923 sub
Nr. II). Auch ist es ihr mit Blick auf das ausgeübte Andienungsrecht verwehrt, auf die in
Nr. XIV.2 der Leasingbedingungen vereinbarte allgemeine Restwertabrechnung
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zurückzugreifen (vgl. BGH aaO und OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1337). Darin liegt
kein Verstoß gegen das leasingtypische Vollamortisationsprinzip. Denn
Vollamortisation kann der Leasinggeber nur innerhalb der vertraglichen und
gesetzlichen Grenzen erlangen (vgl. BGH NJW 1997, 4552, 453 und 2001, 2165, 2166
sub Nr. II.1). Die Klägerin hat ihr Wahlrecht (vgl. oben sub Nr. 1) ausgeübt. Daran ist sie
endgültig gebunden (vgl. § 263 Abs. 1 und 2 BGB).
II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die
Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
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a. T H
b. ROLG RinOLG
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