Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.09.2006

OLG Düsseldorf: BGH WuW/E BGH 1527, 1528 – Zeitschriften-Grossisten, OLG Düsseldorf WuW/E OLG 4901, 4905 – Dehnfolien-Verpackungsmaschinen

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 28/05
Datum:
20.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
VI-U (Kart) 28/05
Tenor:
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. August 2005 verkündete
Urteil des Landgerichts Düsseldorf – 12 O 236/03 (Kart) - wird zurück-
gewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Wert des Berufungsverfahrens: 50.000 €.
Gründe
1
I.
2
Die vor einigen Jahren gegründete Klägerin wartet und repariert medizintechnische
Geräte. Sie hat mit etwa 85 Krankenhäusern in der Bundesrepublik Deutschland
Wartungsverträge geschlossen.
3
Die Beklagte ist Herstellerin von medizintechnischen Geräten für Krankenhäuser,
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insbesondere von Anästhesiegeräten und Brutkästen für Neugeborene, sog.
Inkubatoren. Darüber hinaus bietet die Beklagte im Rahmen ihres "D.-Service" die
Wartung und Reparatur der von ihnen hergestellten und gelieferten Geräte an. In
Deutschland sind mehr als 400 Techniker für sie im Einsatz. Für die Abnehmer der
Geräte führt die Beklagte Schulungen durch. Das Bedienungspersonal wird im
Gebrauch der Geräte eingewiesen; die Techniker des Krankenhauses werden
angeleitet, Fehler der Funktionsfähigkeit zu erkennen.
Bisher war die Klägerin in der Lage, die von der Beklagten hergestellten Narkosegeräte
und Inkubatoren zu warten und einer sicherheitstechnischen Kontrolle zu unterziehen.
Das technische know-how vermittelten ihr abgeworbene Mitarbeiter der Beklagten.
5
Die Klägerin hat behauptet:
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Sie sei nicht in der Lage, die neuen, ihr bisher unbekannten Narkosegeräte "Primus"
und "Zeus" und den Inkubator "Caleo" zu warten. Sie benötige hierfür die technischen
Unterlagen der Geräte entsprechend der DIN EN 60601. Die Beklagte verfüge über die
jeweiligen Prüfmittellisten, Prüfsoftware, Prüfanweisungen, Reparaturanleitungen,
Ersatzteillisten und Listen über spezielle Prüfwerkzeuge. Darüber hinaus sei für die
Durchführung der Wartungs- und Servicedienstleistungen zwingend erforderlich, dass
ihre Techniker an Schulungen der Beklagten über den Service und die Wartung der
Geräte "Primus", "Zeus" und "Caleo" teilnähmen. Alle Mitbewerber der Beklagten
würden für selbständige Wartungsunternehmen wie die Klägerin entsprechende
Schulungen anbieten und die technische Gerätedokumentation zur Verfügung stellen.
Zur Wartung des Narkosegerätes "Primus" sei zudem erforderlich, Zugang zum Service-
Mode des Gerätes zu erhalten. Einen direkten Zugriff auf den geräteeigenen Monitor
habe die Beklagte – und dies ist unstreitig – durch ihr Software jedoch gesperrt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. der Klägerin entsprechend DIN EN 60601 – 1 in der derzeit gültigen Fassung für
die von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Narkosegeräte "Primus",
"Zeuss" und den Inkubator "Caleo" die Prüfmittellisten, Prüfsoftware,
Prüfanweisungen, Reparaturanleitungen, Ersatzteillisten und die Liste über
spezielle Prüfwerkzeuge gegen angemessenes Entgelt zur Verfügung zu stellen,
2. die Mitarbeiter der Klägerin gegen angemessenes Entgelt an den Schulungs- und
Wartungskursen für die vorbezeichneten Geräte zu beteiligen,
3. der Beklagten aufzugeben, den Service-Technikern der Klägerin den Zugang zum
Service-Mode hinsichtlich des Medizingeräts des Typs "Primus" durch Aufhebung
der elektronischen Sperre zu ermöglichen.
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10
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat geltend gemacht, sie stelle ihren Kunden eine Gebrauchsanweisung und auf
Verlangen gegen Entgelt eine sog. technische Dokumentation zur Verfügung. Letztere
gäbe es derzeit nur für die Geräte "Primus" und "Caleo" vor. Für das Gerät "Zeus" gäbe
es nur eine Entwurfsfassung. In der technischen Dokumentation seien Anweisungen für
empfohlene Wartungsmaßnahmen, bestimmte Reparaturanleitungen und eine
Ersatzteilliste enthalten. Eine Liste über spezielle Prüfwerkzeuge gäbe es nicht.
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Durch Urteil vom 31. August 2005 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage in vollem
Umfang abgewiesen. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass sie als selbständiges
Wartungsunternehmen durch das beanstandete Verhalten der Beklagten unbillig
behindert werde (§ 20 GWB). Die Beklagte habe weder hinsichtlich der zur Wartung und
Reparatur erforderlichen technischen Kundendokumentationen noch hinsichtlich der
begehrten Techniker-Schulung über die Wartung der Geräte einen Geschäftsverkehr
eröffnet. Ein Anspruch auf Freischaltung des Service-Mode stehe der Klägerin
gleichfalls nicht zu.
14
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten
und begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel weiter verfolgt. Sie
ist der Ansicht, das Landgericht habe die Voraussetzungen eines gleichartigen
Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs verkannt.
15
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.
16
II.
17
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Sie kann von der Beklagten
weder verlangen, dass sie ihr für die Narkosegeräte "Primus" und "Zeus" sowie für den
Inkubator "Caleo" entsprechend DIN EN 60601-1 Prüfmittellisten, Prüfsoftware,
Prüfanweisungen, Reparaturanleitungen, Ersatzteillisten und die Liste über spezielle
Prüfwerkzeuge gegen angemessenes Entgelt zu Verfügung stellt (Antrag zu 1.), noch
dass sie Mitarbeiter der Klägerin gegen ein angemessenes Entgelt an Schulungs- und
Wartungskursen für die genannten Geräte beteiligt (Antrag zu 2.). Die Klägerin hat ferner
keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Service-Technikern Zugang zum
Service-Mode des Gerätes "Primus" durch Aufhebung der elektronischen Sperre
ermöglicht (Antrag zu 3.).
18
Antrag zu 1 und 2
19
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die verlangten Unterlagen für die Geräte
"Primus", "Zeus" und "Caleo" zur Verfügung zu stellen und Mitarbeiter der Klägerin an
Schulungs- und Wartungskursen für diese Geräte zu beteiligen. Ein hierauf gerichteter
Anspruch der Klägerin folgt nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 GWB i.V.m. § 20 GWB. Die
Weigerung der Beklagten, die in Rede stehenden Unterlagen an die Klägerin
herauszugeben und Mitarbeiter der Klägerin an Schulungs- und Wartungskursen
teilnehmen zu lassen, stellt keinen Verstoß gegen das Behinderungs- und
Diskriminierungsverbot des § 20 GWB dar.
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§ 20 GWB wendet sich u.a. an Unternehmen, die für eine bestimmte Art von Waren oder
gewerblichen Leistungen, also auf dem Markt dieser bestimmten Waren oder
Leistungen, ohne Wettbewerber sind oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt
sind (marktbeherrschende Unternehmen). Ihnen ist verboten, auf diesem Markt ein
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anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen
üblicherweise zugänglich ist, (unmittelbar oder mittelbar) unbillig zu behindern. Sie
dürfen auf diesem Markt auch nicht ein anderes Unternehmen gegenüber gleichartigen
Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund (unmittelbar oder mittelbar)
unterschiedlich behandeln.
1.
22
Die Beklagte ist Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB.
23
Allerdings kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die zwischen den Parteien
streitige Frage an, ob die Beklagte auf dem Markt für die Herstellung und den Vertrieb
von medizintechnischen Geräten aus dem Fachbereich Anästhesie und Beatmung
marktbeherrschend im Sinne von § 19 Abs. 2 GWB ist. Auf diesem Markt begegnen sich
die Beklagte als Herstellerin der Geräte und die Krankenhäuser, in denen die Geräte
zum Einsatz kommen sollen, als nachfragende Kunden. Auf diesem Markt ist die
Klägerin weder als Anbieter noch als Nachfrager tätig. Sie stellt keine
medizintechnischen Geräte her; auch fragt sie solche Geräte nicht nach. Sie bietet
vielmehr für die Betreiber dieser Geräte Wartungs- und Serviceleistungen an.
24
Die Beklagte ist aber deshalb Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB, weil sie auf dem
sachlich relevanten (Teil-)Markt für Techniker-Schulungen über die Wartung von D.
Narkosegeräten und Inkubatoren einschließlich der für die Wartung erforderlichen
gerätespezifischen Unterlagen marktbeherrschend ist. Auf diesem Markt begegnen sich
das Angebot der Beklagten als Herstellerin der zu wartenden Geräte und die Nachfrage
selbständiger medizintechnischer Wartungsunternehmen an Schulungen und
Wartungsunterlagen für diese Geräte. Dass die Beklagte in der Vergangenheit bisher in
dem betreffenden Geschäftsverkehr noch nicht tätig geworden ist und auch nicht tätig
werden möchte, steht dem nicht entgegen. Ob ein Unternehmen in der Vergangenheit
an einem bestimmten Geschäftsverkehr teilgenommenen hat, ist keine Frage, die sich
im Rahmen der Marktabgrenzung stellt. Sie kann vielmehr erst im Rahmen des § 20
Abs. 1 GWB von Bedeutung sein (BGH DE-R 1726, 1728 m.w.Nachw. – Stadtwerke
Dachau). Nach dem - von der Beklagten bestrittenen - Vortrag der Klägerin, erfordert die
Durchführung von Inspektions- und Wartungsdienstleistungen an den D.
Narkosegeräten "Primus" und "Zeus" sowie dem Inkubator "Caleo" eine Schulung der
Techniker an diesen Geräten. Darüber hinaus kann die Wartung und Inspektion – so der
Vortrag der Klägerin - nicht ohne die zu jedem Gerät gehörende Prüfmittelliste,
Prüfsoftware, Prüfanweisung, Reparaturanleitung, Ersatzteilliste und die Liste über
spezielle Prüfwerkzeuge vorgenommen werden. Der Bedarf der selbständigen
medizintechnischen Wartungsunternehmen an den Schulungen und
Wartungsunterlagen für die in Rede stehenden D.-Geräte aus dem Fachbereich
Anästhesie und neonatale Wärmetherapie kann nicht durch die Schulung an Geräten
anderer Hersteller und die Übergabe anderer Unterlagen befriedigt werden. Die
Beklagte hat daher eine Alleinstellung und ist marktbeherrschend.
25
2.
26
Das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Beklagten stellt kein Verstoß gegen
das Diskriminierungsverbot dar. Auch wird die Klägerin auf dem relevanten (Teil-)Markt
für Techniker-Schulungen über die Wartung von D. Narkosegeräten und Inkubatoren
einschließlich der für die Wartung erforderlichen gerätespezifischen Unterlagen nicht
27
unbillig behindert.
a.
28
Die Beklagte behandelt die Klägerin auf diesem Markt gegenüber gleichartigen
Unternehmen, nämlich solchen, die Wartungs- und Inspektionsdienstleistungen an
medizintechnischen Geräten aus dem Fachbereich Anästhesie und neonatale
Wärmetherapie durchführen, nicht unterschiedlich. Die Beklagte bietet für solche
Unternehmen keine Schulungen an und stellt ihnen auch keine Wartungsunterlagen zur
Verfügung. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, die
Beklagte habe für die V. GmbH B. nach Kauf mehrerer D. Geräte
Servicetechnikerschulungen über Wartungsdienstleistungen durchgeführt (Bl. 74 GA)
und dem St. W. S. E.-R. beim Kauf mehrerer Narkosegeräte des Typs "Primus" eine
kostenlose Technikerschulung zugesagt (Bl. 74, 134, 145 GA). Bezüglich der V. GmbH
B. hat die Klägerin schon nicht ausreichend substantiiert dargetan, dass es sich bei
dieser Firma um ein selbständiges Wartungsunternehmen handelt. Die Klägerin hätte
ihren Vortrag substantiieren müssen, weil Wartungsunternehmen üblicherweise nicht
die von ihnen zu wartenden Geräte beim Hersteller kaufen und die Beklagte
vorgetragen hat, die V. GmbH sei in der Projektentwicklung und Beratung, Planung und
Einrichtung sowie im Facility-Management im Bereich des Gesundheitswesens tätig.
Aber selbst wenn der Vortrag ausreichend substantiiert sein sollte, so ist die Klägerin
beweisfällig geblieben. Sie hat keinen Beweis für ihr von der Beklagten bestrittenes
Vorbringen (Bl. 106 GA) angeboten. Das St. W. S. E.-R. ist als Abnehmer der Geräte
kein der Klägerin gleichartiges Unternehmen. Maßgebend hierfür ist die
unternehmerische Tätigkeit und die wirtschaftliche Funktion der zu vergleichenden
Unternehmen im Verhältnis zum marktbeherrschenden Unternehmen (BGH WuW/E
BGH 1238, 1242 - Registrierkassen; BGH WuW/E BGH 2683, 2686 –
Zuckerrübenanlieferungsrecht - m.w.Nachw.). Im Verhältnis zum Hersteller ist die
wirtschaftliche Funktion des Verbrauchers, d.h. des Gerätebetreibers, eine völlig andere
als die des selbständigen Wartungsunternehmens.
29
b.
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Die Klägerin wird auf dem relevanten (Teil-)Markt für Techniker-Schulungen über die
Wartung von D. Narkosegeräten und Inkubatoren einschließlich der für die Wartung
erforderlichen gerätespezifischen Unterlagen nicht in einem Geschäftsverkehr unbillig
behindert, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Der Klägerin
gleichartig sind andere nicht herstellergebundene Unternehmen, die Wartungs- und
Inspektionsdienstleistungen an medizintechnischen Geräten aus dem Fachbereich
Anästhesie und neonatale Wärmetherapie durchführen. Wie bereits dargestellt, führt die
Beklagte zwar für kein selbständiges Wartungsunternehmen Techniker-Schulungen
über die Wartung ihrer Geräte durch und händigt ihnen auch nicht die für die Wartung
erforderlichen Unterlagen aus. Anders als das Landgericht offenbar meint, kann die
Beklagte mit ihrem Verhalten aber nicht bestimmen, was ein üblicherweise zugänglicher
Geschäftsverkehr ist. Auf ihr Verhalten ist nicht maßgeblich abzustellen, sondern auf
das, was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher und
wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein üblich und als allgemein angemessen
empfunden herausgebildet hat (BGH WuW/E BGH 1238, 1242 – Registrierkassen; BGH
WuW/E BGH 1527, 1528 – Zeitschriften-Grossisten; OLG Düsseldorf WuW/E OLG 4901,
4905 – Dehnfolien-Verpackungsmaschinen; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3.
Aufl., § 20 Rn. 109, 110). Die üblicherweise gegebene Zugänglichkeit eines
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Geschäftsverkehrs setzt nicht notwendig eine größere Verbreitung dieser Art von
Geschäftsverkehr voraus. Es genügt, wenn der betreffende Geschäftsverkehr
gleichartigen Unternehmen in der Regel freisteht, auch wenn davon nicht umfassend
Gebrauch gemacht werden sollte (BGH WuW/E BGH 1238, 1243 – Registrierkassen).
Die für dieses Tatbestandmerkmal darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nicht
darzulegen vermocht, dass Hersteller von medizinischtechnischen Geräten aus dem
Bereich der Anästhesie und der neonatalen Wärmetherapie aus einer natürlichen
wirtschaftlichen Entwicklung heraus nicht herstellergebundene Wartungsunternehmen
in der Wartung und Inspektion ihrer Geräte schulen und ihnen die für die Wartung
erforderlichen Unterlagen aushändigen, und diese Entwicklung von den beteiligten
Wirtschaftskreisen als allgemein üblich und als angemessen empfunden wird. Zwar
behauptet die Klägerin, sämtliche fünf Marktwettbewerber der Beklagten würden
Schulungen für externe Service-Techniker anbieten und die entsprechenden
technischen Dokumentationen der Geräte zur Verfügung stellen (Bl. 72 f. GA). Dieser
Vortrag ist aber zum Teil unschlüssig und zum Teil nicht ausreichend substantiiert, so
dass es einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des bei der Klägerin angestellten
Servicetechnikers R. J. (Bl. 73 GA) nicht bedarf. Bei den Firmen F. & P. H. GmbH & Co.
KG, W. und H. M. GmbH, D., handelt es sich nicht um Mitbewerber der Beklagten. Sie
sind unstreitig keine Hersteller von Anästhesiegeräten und Inkubatoren. Ausweislich der
von der Klägerin vorgelegten Unterlagen veranstaltet die F. & P. H. GmbH & Co. KG
lediglich Technikerschulungen für Atemgasbefeuchter. Hierbei handelt es sich nach
dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten um ein Peripheriegerät im
Bereich Beatmung. Es zählt nicht zu den Anästhesiegeräten oder Inkubatoren. Auch der
von der Firma H. M. GmbH angebotene Service-Kurs betrifft lediglich Beatmungsgeräte
(Bl. 79-81 GA). Die D.-O. GmbH ist hingegen unstreitig ein wesentlicher Wettbewerber
der Beklagten als Herstellerin von Anästhesiegeräten. Jedoch ist dem Vortrag der
Klägerin nicht zu entnehmen, dass die D. O. GmbH generell für selbständige
Wartungsunternehmen Technikerschulungen über die Wartung der von ihr hergestellten
Anästhesiegeräte veranstaltet und ihnen technische Wartungsunterlagen zur Verfügung
stellt. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Prospekt der D. O. (Bl. 114 GA) bietet
sie lediglich technische Schulungen für ihre
Kunden
ermöglichen sollen, kleine Reparaturen selbst durchzuführen und qualifizierte
Fehlermeldungen zur schnellen Eingrenzung des Problems zu geben. Nichts anderes
ergibt sich aus dem an die Klägerin gerichteten Schulungsangebot der D. O. GmbH vom
11. September 2003 (Bl. 87 f. GA), das u.a. ein Professional Training für
Anästhesiegeräte und Monitoring beinhaltet. Auch wenn das Schreiben direkt an die
Klägerin gerichtet ist handelt es sich dennoch um eine technische
Kunden
und nicht um eine Technikerschulung für selbständige Wartungsunternehmen. Auf Seite
2 des Schreibens heißt es: "Nach Abschluss dieser Schulungen erhalten die
Teilnehmer ein Zertifikat, dessen Gültigkeit in ihrem Fall auf das St. V.-H. in D.
beschränkt ist." Das St. V. H. ist offenbar ein Kunde der D. O. GmbH, für den
entsprechend dem Firmenprospekt technische Kundenschulungen angeboten werden.
Als Schulungsteilnehmer kommt der Techniker vor Ort in Betracht, bei dem es sich
entweder um einen fest angestellten Mitarbeiter des Kunden oder – wie im Fall der
Klägerin - um ein Wartungsunternehmen handeln kann, das von dem Kunden dauerhaft
mit der Wartung der Geräte beauftragt worden ist.
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Der Vortrag der Klägerin zur H. + L. GmbH, einem in B. E. ansässigen
Medizingerätehändler, und zur E. E. GmbH, L. ist nicht ausreichend substantiiert. Der
Grad der Substantiierung richtet sich nach der Einlassung des Gegners (Greger in
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Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rn. 8a). Der Darlegungspflichtige muss bei Bestreiten des
Gegners seinen Vortrag substantiieren und konkrete Umstände vortragen, die seinen
Sachvortrag stützen. Diesen Anforderung genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Zwar
soll die H. + L. GmbH Schulungen für externe Servicetechniker an Inkubatoren
durchführen. Jedoch ist dieser pauschale von der Beklagten bestrittene Vortrag durch
keine konkreten Umstände belegt. Die Klägerin hat keine greifbaren Anhaltpunkte dafür
vorgetragen, dass die H. + L. GmbH überhaupt Schulungen irgendeiner Art anbietet.
Gleiches gilt für ihr Vorbringen bezüglich der E. E. GmbH. Irgendwelche
Schulungsunterlagen oder –angebote hat sie nicht vorgelegt. Woher die Klägerin also
Kenntnis von den behaupteten Schulungen hat, bleibt unklar.
Die Klägerin kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie von G. E.
sämtliche für die Wartung und Reparatur ihrer Anästhesiegeräte erforderlichen
Prüfunterlagen, Prüfmittel, Informationen, Softwarekenntnisse und Schulungen sowie
den Zugang zur Prüfsoftware erhält (Bl. 245 GA). Hierdurch ist kein allgemein
zugänglicher Geschäftsverkehr eröffnet worden. Grundlage für das Verhalten von G. E.
ist der zwischenzeitlich mit der Klägerin geschlossene Servicepartnervertrag (Bl. 248-
256 GA), wonach die Klägerin im Namen und im Auftrag von G. E. tätig wird und
gegenüber den Kunden nicht als selbständiges Wartungsunternehmen auftritt.
Vorliegend geht es der Klägerin aber nicht darum, für die Beklagte als
herstellerabhängiges Serviceunternehmen auf der Grundlage eines
Servicepartnervertrages tätig zu werden und die in Rede stehenden Schulungen und
Unterlagen zu erhalten. Sie möchte als selbständiges Wartungsunternehmen von der
Beklagten in die Lage versetzt werden, die Narkosegeräte "Primus" und "Zeus" und den
Inkubator "Caleo" zu warten, um dann anschließend in Wettbewerb zum Hersteller-
Service der Beklagten zu treten. Aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 28.08.2006 ergibt
sich nicht anderes. Die Klägerin behauptet nicht, dass G. E. unabhängig vom Abschluss
eines Servicepartnervertrag Schulungen für selbständige Wartungsunternehmen
veranstaltet und ihnen auf Verlangen gegen Entgelt sämtliche Informationen und
Materialien für die Serviceleistungen an ihren Geräten zur Verfügung stellt. Sie macht
lediglich geltend, sie habe auch schon vor Abschluss des Servicepartnervertrages
Nutzer von G. E. Geräten betreut
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Ist somit – wie hier – in einem Wirtschaftbereich ein Geschäftsverkehr mit gleichartigen
Unternehmen überhaupt noch nicht oder nicht mehr eröffnet, kann sich die Frage stellen,
ob im Einzelfall die Zugänglichkeit des Geschäftsverkehrs dennoch zu bejahen ist, weil
der fehlende Zugang nicht von allen in Betracht kommenden Kreisen als angemessen
empfunden wird (so Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO. § 20 Rn. 112). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Einführung eines Systems, das zu
einem Ausschluss des Geschäftsverkehrs für gleichartige Unternehmen führt, nicht als
natürliche wirtschaftliche Entwicklung und als eine übliche, von den beteiligten
Wirtschaftskreisen gebilligte Vertriebsregelung angesehen werden, wenn sie durch eine
rechtswidrige Maßnahmen z.B. ein verbotene Kartellabsprache herbeigeführt worden ist
(BGH WuW/E BGH 1527, 1529 – Zeitschriften-Grossisten). Ein tatsächlich noch nicht
eröffneter Geschäftsverkehr ist ferner als üblicherweise zugänglich zu betrachten, wenn
die Öffnung durch Gesetz vorgeschrieben ist oder einer gesetzlichen Wertung entspricht
(so Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO. § 20 Rn. 112).
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Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Weder ist ein bisher für gleichartige
Unternehmen zugänglicher Geschäftsverkehr nachträglich durch eine
kartellrechtswidrige Maßnahme unterbunden worden, noch sieht das Gesetz eine
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Öffnung des Geschäftsverkehrs vor. Soweit die Entscheidung des Senates (WuW/E
OLG 4901, 4905 - Dehnfolien-Verpackungsmaschinen) so verstanden werden könnte,
dass es bei der Frage, ob ein Geschäftsverkehr für gleichartige Unternehmen überhaupt
eröffnet ist, nicht auf die allgemeine Marktsituation und damit auf das Verhalten der
unmittelbar betroffenen Wirtschaftskreis ankommt, sondern (allein) auf die Vorstellungen
der nachgelagerten Wirtschaftsstufen, im konkreten Fall auf die Erwartung der Besitzer
der Geräte, die die Wartungs- oder Reparaturdienstleistungen in Anspruch nehmen
möchten, hält der Senat hieran nicht fest. Der Senat nimmt in der genannten
Entscheidung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs Bezug (BHG WuW/E
BGH 1238, 1242 f. – Registrierkassen), der eine solche Aussage jedoch nicht
entnommen werden kann. Vielmehr war es in dem vom Bundesgerichtshof zu
entscheidenden Fall so, dass alle Hersteller von Registrierkassen außer der in
Anspruch genommenen Beklagten selbständige Wartungs- und Reparaturunternehmen
mit Ersatzteilen für die von ihnen hergestellten Registrierkassen belieferten. Ein
üblicherweise gleichartigen Unternehmen zugänglicher Geschäftsverkehr war damit
eröffnet. Nur ergänzend hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass in diesem
Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass "es sich im Zuge des
zunehmenden Gebrauchs von technischen Geräten, die einer laufenden fachkundigen
Wartung bedürfen, um einen Geschäftsverkehr handele, der noch in der Entwicklung
begriffen sei, und dass die Erwartung der wettbewerblichen Belange auch die
Einbeziehung der Vorstellungen der Besitzer solcher Geräte gebiete, die die
Dienstleistung in Anspruch nehmen und auf sie angewiesen sind".
Antrag zu 3
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass sie den Service-
Technikern der Klägerin Zugang zum Service-Mode des Anästhesiergerätes "Primus"
durch Aufhebung der elektronischen Sperre ermöglicht.
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Ist die Beklagte – wie oben ausgeführt – schon nicht verpflichtet, die Klägerin durch
Teilnahme an Techniker-Schulungen und durch Aushändigung technischer
Wartungsunterlagen in die Lage zu versetzen, das von ihr hergestellte Narkosegerät
"Primus" warten zu können, braucht sie den Wartungstechnikern der Klägerin auch nicht
Zugang zum Service-Mode des Gerätes zu verschaffen. Die Klägerin trägt selbst vor,
dass sie ohne Teilnahme an entsprechenden Schulungen und ohne die technische
Gerätedokumentation sowieso keine Wartungs- und Inspektionsarbeiten durchführen
kann. Schon allein deshalb liegt in dem gesperrten Zugang zum Service-Mode des
Gerätes keine unbillige Behinderung im Sinne von § 20 GWB.
39
III.
40
Die Kostenentscheidung folgt auch § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).
43
B. K. Dr. M.
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