Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.03.2006

OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, daten, angemessene frist, erstellung, unternehmen, unterliegen, rechtsverordnung, erfüllung, aufwand, konzept

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 150/06 (V)
Datum:
20.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 150/06 (V)
Normen:
§§ 69 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 3, 112 a Abs. 1 EnWG; § 3 Abs. 2 GasNEV
Leitsätze:
§§ 69 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 3, 112 a Abs. 1 EnWG; § 3 Abs. 2 GasNEV
1. Das Verfahren nach § 77 Abs. 3 EnWG lässt nur eine summarische
Prüfung zu, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Verfügung begründet sind. Sie sind dann zu bejahen,
wenn nach der Einschätzung des Ge-richts die Aufhebung der
angefochtenen Verfügung überwiegend wahrscheinlich ist. Nicht
ausreichend ist es daher, wenn die Rechtslage lediglich offen ist.
2. Auskunftsanordnungen auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 69
Abs. 1 Satz 1, 112 a EnWG unterliegen nur einer eingeschränkten
richterlichen Überprüfung, weil der Regulierungsbehörde naturgemäß
ein weiter Spielraum bei der Beurtei-lung einzuräumen ist, welche
Auskünfte sie zur Vorbereitung und Erstellung des Berichts benötigt. Die
Erarbeitung eines Konzepts zur Durchführung der Anreizre-gulierung ist
eine gestaltende und planerische Aufgabe, für die ihr dementspre-chend
planerische Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsfreiheit
zuzubilli-gen ist. Gegenstand gerichtlicher Überprüfung kann daher
allein die Frage sein, ob der konkrete Berichtsauftrag das
Auskunftsverlangen rechtfertigt. Dies ist – wie bei Auskunftsersuchen
nach dem vergleichbaren § 59 GWB – dann der Fall, wenn die
Regulierungsbehörde die Erforderlichkeit der Auskünfte mit Blick auf
den Berichtsauftrag mit vertretbaren Erwägungen bejaht hat.
3. Die Einbeziehung der überregionalen Gasfernleitungsnetzbetreiber ist
ange-sichts der komplexen Aufgabenstellung unabhängig davon
notwendig, ob diese derzeit für sich die Überprüfung ihrer
Netznutzungsentgelte nach dem Ver-gleichsmarktmodell gem. § 24 S. 2
Nr. 5 EnWG i.V.m. §§ 3 Abs. 2, 3 und 19 ff. GasNEV in Anspruch
nehmen.
4. Die der Beschwerdegegnerin konkret aufgegebene Berichtserstellung
- und damit verbunden auch die Beurteilung, welche Daten sie dafür
benötigt, - ist na-turgemäß ein dynamischer Prozess, so dass sich
Einschätzungen und Bewertun-gen durchaus ändern können.
5. Es ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
Auskunftsverlangens ohne Belang, dass hiermit ein finanzieller und
zeitlicher Aufwand verbunden ist. Die In-dienstnahme Privater für
öffentliche Aufgaben ist grundsätzlich mit dem Grundge-setz vereinbar,
so dass die zahlreichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, die
Gewerbebetrieben im Rahmen der geltenden Wirtschaftsordnung
auferlegt wer-den, weder gegen Art. 12 noch gegen Art. 14 GG
verstoßen und ihnen insbeson-dere zugemutet werden kann, selbst
Ermittlungen vorzunehmen.
Beschl. v. 20.03.06 – VI-3 Kart 150/06 (V)
Tenor:
Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. Januar 2006, die auf-
schiebende Wirkung ihrer Beschwerde vom 18. Januar 2006 gegen die
Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 21. Dezember 2005 - Nr.
98/2005 - anzuordnen, wird zurückgewiesen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
1
A.
2
Durch am 21. Dezember 2005 veröffentlichte Entscheidung – Vfg. Nr. 98/2005 - hat die
Bundesnetzagentur allen Betreibern von Gasversorgungsnetzen i.S.v. § 3 Nr. 20 EnWG
wie auch den Betreibern von überregionalen Gasfernleitungsnetzen aufgegeben, ihr die
in der Entscheidung nebst Anlagen im einzelnen bezeichneten Angaben, die sie für den
bis zum 1. Juli 2006 vorzulegenden Bericht zur Anreizregulierung Gas benötige, bis
spätestens zum 6. Februar 2006 zu übermitteln. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin,
die ein überregionales Gasfernleitungsnetz betreibt und unter dem 1. Januar 2006 die
Entgeltbildung nach § 3 Abs. 2 GasNEV angezeigt hat, unter dem 18. Januar 2006
Beschwerde eingelegt.
3
Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2006 hat sie beantragt,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung der
Bundesnetzagentur vom 21. Dezember 2005 anzuordnen.
5
Sie meint, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde sei anzuordnen, weil ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestünden. Die
Entscheidung sei bereits formell rechtswidrig, denn sie leide an erheblichen
Begründungsmängeln. Die Begründung lasse nicht erkennen, weshalb die in der
Entscheidung bezeichneten Daten für die Vorbereitung und Erstellung des Berichts
nach § 112 a Abs. 1 EnWG erforderlich sein sollten. Nicht hinreichend sei auch
begründet, weshalb die in der Entscheidung bezeichneten Kosteninformationen
ausnahmslos von allen Gasfernleitungsnetzbetreibern erhoben werden, obwohl
jedenfalls diejenigen, die - wie die Beschwerdeführerin - eine Anzeige nach § 3 Abs. 2
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Satz 1, Abs. 3 GasNEV eingereicht haben, der Anreizregulierung nicht unterliegen und
ihre Entgelte markt-, nicht kostenorientiert bilden. Auch in materieller Hinsicht unterliege
die Entscheidung ernstlichen Zweifeln. Ihre Ausführungen zur Erforderlichkeit der
begehrten Daten ließen schon kein schlüssiges Ermittlungskonzept erkennen. Des
weiteren stehe ihre Argumentation im unauflöslichen Widerspruch zu ihrer eigenen
Festlegung vom 21. September 2005, durch welche sie die Betreiber von
überregionalen Fernleitungsnetzen, die dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2
GasNEV unterfallen, von der Pflicht zur Angabe der in der Rubrik "Kosten des
Netzbetriebes" abgefragten Aufwandspositionen ausdrücklich ausgenommen habe.
Auch werde das von der Beschwerdegegnerin ihrem Auskunftsverlangen zu Grunde
liegende Ermittlungskonzept durch den Zweck des von ihr zu erstellenden Berichts nicht
gedeckt. Darüber hinaus seien ihre Ausführungen zur Begründung des Konzepts
abstrakt, vage und formelhaft und genügten so nicht den Anforderungen an ein
schlüssiges Ermittlungskonzept. Im Übrigen sei auch nicht zu erkennen, warum die
Untersuchungen der Beschwerdegegnerin sich auf die Effizienzvorgaben erstrecken
müssten, wenn der Effizienzvergleich selbst erst im Rahmen der Durchführung der
Anreizregulierung vorzunehmen sei. Des Weiteren stelle § 3 Abs. 2 GasNEV ein
zusätzliches Hindernis für die Erhebung von Kosteninformationen gerade bei
überregionalen Gasversorgungsnetzbetreibern dar. Auch würden die Grenzen der
Auskunftspflicht überschritten, weil sie die Angaben erst nach erheblichem zusätzlichen
Überarbeitungs- und Auswertungsaufwand machen könne. Schließlich belegten diese
Angaben auch, dass die von der Beschwerdegegnerin gesetzte Frist unverhältnismäßig
kurz sei. Den Betreibern von Gasversorgungsnetzen sei für die erstmalige Stellung des
Genehmigungsantrags nach § 23 a Abs. 2 EnWG in § 118 Abs. 1 b Satz 1 EnWG ein
Zeitraum von sechs Monaten eingeräumt worden, um den Notwendigkeiten der
Umstellung des internen Kostenrechnungswesens an die Vorgaben der §§ 4 bis 18
GasNEV Rechnung tragen zu können. Ihr verblieben für die Erfüllung der Forderung
indessen lediglich sechs Wochen und vier Tage.
Die Beschwerdegegnerin bittet um Zurückweisung der Beschwerde und des Antrags auf
Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung, indem sie das angefochtene
Auskunftsverlangen verteidigt.
7
B.
8
Der Antrag der Beschwerdeführerin hat keinen Erfolg.
9
I.
10
Gem. § 77 Abs. 3 Satz 4, Satz 1 Nr. 2, 3 EnWG, der § 65 Abs. 3 GWB nachgebildet ist
und für den daher die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze gelten,
kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung einer nach § 76 Abs. 1 EnWG
sofort vollziehbaren Entscheidung der Bundesnetzagentur dann anordnen, wenn
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen
(Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder wenn ihre Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht
durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (Abs. 1 Satz
1 Nr. 3). Dabei steht dem Beschwerdegericht trotz des Wortlauts ein Ermessen nicht zu
(vgl. nur Quack/Birmanns in: Frankfurter Kommentar zum GWB, Rdnr. 26 zu § 65 GWB
1999; K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. A., 2001, Rdnr. 11 zu § 65).
11
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung können
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tatsächlicher oder rechtlicher Art sein, wobei das Verfahren nach § 77 Abs. 3 EnWG
allerdings nur eine summarische Prüfung zulässt. Sie sind dann zu bejahen, wenn nach
der Einschätzung des Gerichts die Aufhebung der angefochtenen Verfügung
überwiegend wahrscheinlich ist. Nicht ausreichend ist es daher, wenn die Rechtslage
lediglich offen ist (K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, Rdnr. 13 zu § 65).
II.
13
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze lässt sich bei summarischer Prüfung der
Sach- und Rechtslage nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung nach § 77 Abs. 3 Satz 4, Satz 1 Nr. 2 EnWG vorliegen.
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Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen sind nicht geeignet, ernstliche
Zweifel an der – formellen oder materiellen - Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens
zu begründen.
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1. Das Auskunftsverlangen der Bundesnetzagentur ist gestützt auf § 69 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 i. V. m. § 112 a Abs. 1 Satz 1 EnWG. Danach kann die Regulierungsbehörde, soweit
es zur Erfüllung der ihr nach dem Energiewirtschaftsgesetz übertragenen Aufgaben
erforderlich ist, von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Auskunft über deren
technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Herausgabe von Unterlagen
verlangen. Zu den Aufgaben der Bundesnetzagentur gehört es nach § 112 a Abs. 1
EnWG, der Bundesregierung bis zum 1. Juli 2006 einen Bericht zur Einführung der
Anreizregulierung nach § 21 a EnWG vorzulegen, der ein Konzept zur Durchführung
einer Anreizregulierung enthalten soll, das im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des §
21 a EnWG umsetzbar ist. Zur Vorbereitung und Erstellung des Berichts sind ihr
ausdrücklich die Ermittlungsbefugnisse nach dem Energiewirtschaftsgesetz eingeräumt
worden.
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Auskunftsanordnungen auf dieser gesetzlichen Grundlage unterliegen – was die
Beschwerdeführerin verkennt – von vorneherein nur einer eingeschränkten richterlichen
Überprüfung, weil der Regulierungsbehörde naturgemäß ein weiter Spielraum bei der
Beurteilung einzuräumen ist, welche Auskünfte sie zur Vorbereitung und Erstellung des
Berichts benötigt.
17
§ 21 a EnWG sieht vor, dass anstelle der kostenbasierten Entgeltkalkulation eine
Anreizregulierung durchgeführt werden kann. Die Regierung wird durch § 21 a Abs. 1
und Abs. 6 S. 1 EnWG ermächtigt, mit der Zustimmung des Bundesrates eine
Rechtsverordnung zu erlassen, die regelt, ob und wann eine Anreizregulierung
überhaupt in den deutschen Energiemärkten Anwendung finden soll (Nr. 1). Durch die
Verordnung soll weiter die nähere Ausgestaltung der Methode und ihre Durchführung
geregelt (Nr. 2) sowie festgeschrieben werden, in welchen Fällen und unter welchen
Voraussetzungen die Bundesnetzagentur im Rahmen der Durchführung der Methoden
Festlegungen treffen und Maßnahmen des Netzbetreibers genehmigen kann (Nr. 3).
Soweit es die Ausgestaltung der Methode der Anreizregulierung angeht, trifft § 21 a
EnWG in Abs. 2 - Abs. 5 bereits weitgehende Festlegungen. § 21 a Abs. 2 bestimmt,
dass unter einer Anreizregulierung für eine Regulierungsperiode (zwei bis fünf Jahre)
Obergrenzen entweder für die Höhe der Netzzugangsentgelte oder aber für die
Gesamterlöse aus Netzzugangsentgelten unter Berücksichtigung von Effizienzvorgaben
vorgegeben werden. Diese Obergrenzen und Effizienzvorgaben sollen sich auf einzelne
Netzbetreiber oder Gruppen von Netzbetreibern, und zwar entweder auf das gesamte
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Netz oder auf Netzteile beziehen. Nach § 21 a Abs. 4 EnWG soll bei der Ermittlung der
Regulierungsvorgaben zwischen vom Netzbetreiber beeinflussbaren und von ihm nicht
beeinflussbaren Kostenanteilen differenziert werden. Auf der Grundlage eines
Effizienzvergleichs (Benchmarking) sollen für eine Regulierungsperiode
unternehmensindividuelle Effizienzvorgaben oder gruppenspezifische Effizienzziele
abgeleitet werden (§ 21 a Abs. 5). Weitere dabei zu berücksichtigende
Regelungsgegenstände enthält § 21 a Abs. 6 Satz 2 EnWG. Im Rahmen all dieser
Vorgaben muss die Bundesnetzagentur ein Konzept entwickeln, das die
Bundesregierung in die Rechtsverordnung nach § 21 a Abs. 6 EnWG umsetzen kann.
Die Erarbeitung eines Konzepts zur Durchführung der Anreizregulierung ist somit eine
gestaltende und planerische Aufgabe, für die ihr dementsprechend planerische
Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsfreiheit zuzubilligen ist. Es sind zunächst
auf einer breiten Grundlage höchst komplexe wirtschaftliche und technische Umstände
zu ermitteln und zu bewerten und darauf aufbauend geeignete rechtliche Verfahren und
Instrumente zur Implementierung der Anreizregulierung zu entwickeln. Die Vertrautheit
der Regulierungsbehörde mit dieser Materie, ihre Wertungen und Einschätzungen
künftiger Entwicklungen können ebenso wenig wie die Beurteilung, welche Daten sie
dabei benötigt, durch die des Gerichts ersetzt werden. Die eigenverantwortliche und
umfassende planerische Freiheit bei der Konzepterstellung bringt es daher mit sich,
dass Gegenstand gerichtlicher Überprüfung allein die Frage sein kann, ob der konkrete
Berichtsauftrag das Auskunftsverlangen rechtfertigt. Dies ist – wie bei
Auskunftsersuchen nach dem vergleichbaren § 59 GWB – dann der Fall, wenn die
Regulierungsbehörde die Erforderlichkeit der Auskünfte mit Blick auf den
Berichtsauftrag mit vertretbaren Erwägungen bejaht hat (s. zu § 59 GWB nur: OLG
Düsseldorf WuW/E DE-R 1179, 1180; 677, 678).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist das Auskunftsverlangen der
Beschwerdegegnerin nicht zu beanstanden.
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Die Beschwerdegegnerin hat in der eingehenden Begründung ihres
Auskunftsverlangens für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass für die von ihr
geforderte Erstellung eines operablen Konzepts der Anreizregulierung eine
Untersuchung des Gesamtsystems und damit eine umfassende und aussagekräftige
Datenbasis erforderlich ist, weil es ihr nur auf dieser Grundlage möglich ist, die
Parameter einer künftigen Anreizregulierung sachgerecht zu entwickeln. Der Bericht soll
es der Bundesregierung ermöglichen, über das "ob" und "wie" der Anreizregulierung für
die gesamte Gaswirtschaft zu entscheiden, so dass er sich naturgemäß zunächst über
das Effizienzsteigerungspotenzial und sodann ggfs. über die Methoden zur Setzung der
Obergrenzen wie auch die Kriterien zur Festlegung der Effizienzvorgaben verhalten
muss. Damit ist es plausibel, dass die Beschwerdegegnerin im Rahmen der
Vorbereitung dieses Berichts die kostenerhöhende Wirkung technischer und
struktureller Gegebenheiten und die potentielle Wirkung zu setzender Anreize
deutschlandweit für das Gesamtnetzsystem – bestehend aus rd. 780 Gasnetzbetreibern
- untersuchen will. Die Aufgabenstellung ist daher in ihrer Komplexität nicht mit der bei
der Einführung der Anreizregulierung im Telekommunikationsrecht vergleichbar, denn
der ex ante-Regulierung nach § 34 TKG unterliegt lediglich ein Unternehmen (...).
21
Fehl geht daher auch der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin
erhobene Einwand, § 69 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 112 a Abs. 1 EnWG ermächtige die
Beschwerdegegnerin schon dem Grunde nach nicht dazu, Auskünfte von den
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überregionalen Ferngasnetzbetreibern zu verlangen, die gem. § 3 Abs. 2 GasNEV nicht
der kostenorientierten Entgeltregulierung unterliegen. Die Einbeziehung der
überregionalen Gasfernleitungsnetzbetreiber ist angesichts der komplexen
Aufgabenstellung unabhängig davon notwendig, ob diese derzeit für sich die
Überprüfung ihrer Netznutzungsentgelte nach dem Vergleichsmarktmodell gem. § 24 S.
2 Nr. 5 EnWG i.V.m. §§ 3 Abs. 2, 3 und 19 ff. GasNEV in Anspruch nehmen. Im übrigen
lässt die Beschwerdeführerin insoweit aber auch völlig außer Acht, dass sich der von
der Beschwerdegegnerin zu erstellende Bericht nach dem gesetzlichen Auftrag ganz
grundsätzlich auch auf die Frage zu erstrecken hat, ob – und mit welchen Vorgaben -
die Anreizregulierung für Gasfernleitungsnetzbetreiber eingeführt werden soll. Diese
sind nach dem gesetzgeberischen Willen grundsätzlich in das System der
Anreizregulierung einbezogen worden, so dass das alternative Vergleichsmarktmodell
nur eine Ausnahme hierzu darstellt. Letzteres kann der einzelne überregionale
Ferngasnetzbetreiber - nur dann - in Anspruch nehmen, wenn er für sein Netzgebiet
gem. § 3 Abs. 2 GasNEV den Nachweis erbringt, dass tatsächlich oder potenziell
Wettbewerb herrscht. Erfüllt ein Ferngasnetzbetreiber hingegen diese Voraussetzungen
nicht oder will er das reine Vergleichsmarktmodell nicht in Anspruch nehmen, unterliegt
er der kostenorientierten Preisbildung und damit gem. § 21 a Abs. 1 Satz 1 EnWG auch
einer etwaigen künftigen Anreizregulierung. Eine valide Datenbasis gebietet es daher,
die als erforderlich angesehenen Daten von sämtlichen potentiell der Anreizregulierung
unterliegenden Unternehmen zu erheben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die
fünf größten derjenigen Netzbetreiber, die für sich eine Entgeltbildung nach § 3 Abs. 2
GasNEV in Anspruch nehmen, knapp 71 % der Gesamtleitungslänge aller
Hochdruckleitungen besitzen.
Aus dem Umstand, dass die Beschwerdegegnerin die überregionalen
Gasfernleitungsnetzbetreiber, die ihre Entgelte nach § 3 Abs. 2 GasNEV bilden, im
September 2005 zunächst von der Angabe der Kostendaten ausgenommen hatte, kann
die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Die der Beschwerdegegnerin
konkret aufgegebene Berichtserstellung - und damit verbunden auch die Beurteilung,
welche Daten sie dafür benötigt, - ist naturgemäß ein dynamischer Prozess, so dass
sich Einschätzungen und Bewertungen durchaus ändern können. Aus welchen
Erwägungen die Beschwerdegegnerin die Datenabfrage im Nachhinein doch auf die
überregionalen Gasfernleitungsnetzbetreiber erstreckt hat, hat sie – wie bereits
ausgeführt – in ihrem Auskunftsverlangen vom 21. Dezember 2005 eingehend und
nachvollziehbar begründet.
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Ohne Erfolg greift die Beschwerdeführerin die abverlangten Kosten- und Strukturdaten
weiter mit dem Einwand an, der in § 21 a Abs. 5 Satz 1 EnWG vorgeschriebene
Effizienzvergleich sei erst im Rahmen des förmlichen Verwaltungsverfahrens
durchzuführen, so dass er für die Erstellung des Berichts nach § 112 a Abs. 1 Satz 1
EnWG und des Konzepts nach § 112 a Abs. 1 Satz 2 EnWG nicht erforderlich sein
könne. Sie verkennt dabei, dass schon der von der Beschwerdegegnerin erbetene
Bericht sich angesichts seiner breiten Aufgabenstellung mit den – alternativ - möglichen
Regelungen dieser Rechtsverordnung auseinandersetzen muss, wenn er für deren
Erarbeitung eine tragfähige Grundlage sein will. Von daher ist es geboten, dass die
Beschwerdegegnerin diese Daten bereits bei der Erstellung des Berichts und der
Erarbeitung des Konzepts erfragt. Damit ist zugleich eine Datenerhebung auf wesentlich
umfassenderer Basis verbunden als sie später nach Erlass der Rechtsverordnung mit
konkreten Vorgaben der Fall sein wird.
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Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin überschreitet es auch nicht die
Grenzen der Auskunftspflicht nach § 69 Abs. 1 Satz 1 EnWG, dass die in Anlage 1
Kapitel 2 verlangten Kostendaten bei ihr mit Blick auf die Anzeige nach § 3 Abs. 2
GasNEV derzeit nicht vorhanden sind, sondern erst aus der vorhandenen
Kostenrechnung generiert werden müssen. Die Beschwerdegegnerin hat
nachvollziehbar dargelegt, dass es angesichts der ihr gestellten Aufgabe unerlässlich
ist, von sämtlichen regionalen und überregionalen Ferngasnetzbetreibern einheitliche
Kostendaten zu erheben, um anhand dieser einen Effizienzvergleich durchführen und
so genannte Kostentreiber ermitteln zu können. Der ihr gesetzten Aufgabe würde es
zuwiderlaufen, wenn man die Ermittlungsbefugnisse auf die bei den
Ferngasnetzbetreibern jeweils vorhandenen Kostendaten beschränken würde. Ein
umsetzbares, nämlich auf einer verlässlichen und aussagekräftigen Datenbasis
entwickeltes Konzept zur Durchführung der Anreizregulierung lässt sich nach den
plausiblen Ausführungen der Beschwerdegegnerin nur entwickeln, wenn alle potentiell
der Anreizregulierung unterliegenden Unternehmen einheitlich die nach §§ 4 -10
GasNEV zu ermittelnden Netzkosten nach den Grundsätzen der Kostenstellenrechnung
auf die nach § 12 GasNEV und Anlage 2 zur GasNEV zu bildenden Haupt- und
Nebenkostenstellen verteilen. Aus der Entscheidung des Kartellsenats vom 22. April
2002 – OLG Düsseldorf – VI-Kart 2/02 (V) (ZNER 2002, 229, 232) – kann die
Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nichts zu ihren Gunsten herleiten. In
dieser ging es allein darum, dass Bearbeitungs- und Auswertungsarbeiten, die zum
Verständnis der offenzulegenden Kostenkalkulation nicht erforderlich sind, von der
Auskunftsverpflichtung nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht umfasst werden. Ohne Belang
ist es auch, dass mit der Auskunftserteilung ein finanzieller und zeitlicher Aufwand
verbunden ist. Die Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben ist grundsätzlich mit
dem Grundgesetz vereinbar, so dass die zahlreichen Auskunfts- und
Mitwirkungspflichten, die Gewerbebetrieben im Rahmen der geltenden
Wirtschaftsordnung auferlegt werden, weder gegen Art. 12 noch gegen Art. 14 GG
verstoßen und ihnen insbesondere zugemutet werden kann, selbst Ermittlungen
vorzunehmen (KG WuW/E OLG 2165, 2166 f. m.w.N.; 3821, 3822). Dass hier die
Grenzen der für ein Unternehmen zumutbaren Belastungen überschritten werden, kann
die Beschwerdeführerin nicht konkret aufzeigen.
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Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass auch der weiterhin erhobene Einwand,
das Auskunftsverlangen leide an erheblichen Begründungsmängeln und sei daher
bereits formell rechtswidrig, ins Leere gehen muss. Die Beschwerdegegnerin hat ihr
Auskunftsverlangen über fünf Spalten begründet und sich dabei eingehend mit der
Frage auseinandergesetzt, ob und von wem sie aus welchen Gründen die konkreten
Auskünfte mit Blick auf ihren Berichtsauftrag verlangt. Insbesondere hat sie über
mehrere Abschnitte erläutert, warum sie die überregionalen
Gasfernleitungsnetzbetreiber in die Datenabfrage mit einbezogen hat. Dem
Begründungserfordernis des § 39 Abs. 1 VwVfG ist damit zweifelsfrei genüge getan,
denn damit hat sie nicht nur die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe
angegeben, die für ihre Ermessensentscheidung maßgeblich waren. Damit kommt es
nicht weiter darauf an, dass eine Behörde bei einer öffentlich bekannt gegebenen
Allgemeinverfügung – wie die der Beschwerdegegnerin (§§ 35 Satz 2, 41 Abs. 3
VwVfG, § 74 EnWG) – nach § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG auch von einer Begründung
absehen kann.
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Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass – wie die Beschwerdeführerin lediglich
hilfsweise geltend macht – die ihr gesetzte Frist für die Erfüllung des
27
Auskunftsverlangens unverhältnismäßig kurz ist. Gem. § 69 Abs. 7 Satz 2 EnWG, der §
59 Abs. 6 GWB nachgebildet ist, ist in dem Auskunftsverlangen – als Ausprägung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - eine angemessene Frist zur Erteilung der Auskunft
zu bestimmen. Soweit es die Angemessenheit der Frist angeht, ist es für den
gleichlautenden § 59 Abs. 6 GWB anerkannt, dass diese unter Berücksichtigung des
öffentlichen Interesses an der zügigen Durchführung des Verfahrens und der
Arbeitsbelastung des Adressaten durch die Beantwortung zu bestimmen ist. Dabei sind
sowohl objektive Kriterien wie etwa der Umfang der Nachforschungen und die Menge
des Materials wie auch subjektive Umstände beim Adressaten wie Arbeitsanfall in
Spitzenzeiten, Urlaubszeit und Krankheitsausfall zu berücksichtigen (Klaue in:
Immenga/ Mestmäcker, Rdnr. 34 zu § 59).
Dass Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung diesen Anforderungen nicht Rechnung trägt,
zeigt die Beschwerdeführerin nicht mit Substanz auf. Dabei verkennt der Senat nicht,
dass das Auskunftsverlangen für die Beschwerdeführerin mit Aufwand verbunden ist,
weil sie – wie sie glaubhaft gemacht hat - über die von ihr nach Kapitel 2 der Anlage 1
abverlangten Daten derzeit nicht verfügt. Um diese von ihr abverlangten Daten liefern zu
können, muss die bestehende Kostenrechnung der Beschwerdeführerin umgestellt und
an die Anforderungen der §§ 4 - 18 GasNEV angepasst werden, insbesondere müssen
die für die kostenorientierte Entgeltbildung vorgegebenen Haupt- und
Nebenkostenstellen in ihrem Kostenrechnungssystem erst gebildet und diesen sodann
die entsprechenden Netzkostenanteile zugeordnet werden. Allein aus dem Umstand,
dass der Verordnungsgeber den Gasfernleitungsnetzbetreibern, die der
kostenorientierten Entgeltbildung unterliegen, eine Frist von rund drei Monaten für die
erstmalige Übermittlung der Haupt- und Nebenstellenkosten (§§ 12, 23 Abs. 4, 32 Abs. 1
GasNEV) eingeräumt hat, lässt sich die Unangemessenheit der mit dem
Auskunftsverlangen vom 21. Dezember 2005 gesetzten Sechswochenfrist indessen
noch nicht herleiten. Die Beschwerdeführerin hätte vielmehr näher darlegen müssen,
warum es ihr, einem Unternehmen mit rd. 70.000 Mitarbeitern im Kerngeschäft Strom-
und Gasversorgung, nicht zuzumuten sein soll, die nachgefragten Daten in der
konkreten Frist zu liefern. Dazu hätte auch die Darlegung gehört, welchen Zeitaufwand
die Datenermittlung konkret erfordert und welche Anstrengungen sie bislang
unternommen hat, um dem – bereits Ende November 2005 angekündigten -
Auskunftsverlangen nachzukommen. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass
sie das Auskunftsverlangen nicht unvorbereitet traf. Die Beschwerdegegnerin hatte den
Betreibern der überregionalen Ferngasleitungsnetzen i.S.v. § 3 Abs. 2 GasNEV die
konkrete Datenerhebung bereits mit Verfügung vom 30. November 2005 angekündigt
und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dem Umstand, dass
verschiedentlich Einwände gegen die Bemessung der Frist erhoben wurden, hat sie im
Übrigen mit einer Fristverlängerung um eine Woche Rechnung getragen. Insoweit kann
die Beschwerdeführerin es sich auch nicht zunutze machen, dass die
Beschwerdegegnerin sich im Rahmen der bei dem Senat anhängigen elf
Beschwerdeverfahren bereit erklärt hat, gegenüber diesen Antragstellern und
Beschwerdeführern von der Vollziehung ihrer Verfügung zunächst abzusehen. Auch
daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die Beschwerdegegnerin ihr Ermessen
bei der Fristsetzung auf den 6. Februar 2006 fehlerhaft ausgeübt hat. Unabhängig
davon, dass für die Bemessung der Frist auch der Arbeitsaufwand maßgeblich war, der
für die Beschwerdegegnerin mit der Auswertung der Daten der insgesamt rd. 780
Unternehmen verbunden ist, hat sie ihr Stillhalten nur zugesagt, um dem Gebot
effektiven einstweiligen Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
28
C.
29
Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum
Bundesgerichtshof kommt nur gegen in der Hauptsache erlassene Beschlüsse des
Oberlandesgerichts in Betracht (§ 86 Abs. 1 EnWG).
30
L. v.R. W.
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