Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.09.2006

OLG Düsseldorf: markt, verfügung, organisation, anbieter, gestaltungsspielraum, zustellung, unternehmen, handel, beiladung, report

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 13/05 (V)
Datum:
06.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 13/05 (V)
Tenor:
I.
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3 gegen den Beschluss des
Bundeskartellamts vom 27. Juni 2005 (B 4-67110-Fa-09/05) wird als
unzulässig verworfen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Bundes-
kartellamt und der Beteiligten zu 1 in diesem Verfahren entstandenen
notwendigen Auslagen werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV.
Der Beschwerdewert wird auf 100.000 € festgelegt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Beteiligte zu 1 (D.) ist ebenso wie die Beteiligte zu 2 (L.) im Bereich der
Organisation des Wertpapierhandels und damit verbundener Dienstleistungen tätig. Die
Beteiligte zu 1 ist privater Träger der F. W. (F.). Zwischen der Geschäftsführung der F.
und dem Vorstand der Beteiligten zu 1 besteht zum Teil Personenidentität.
3
Anfang des Jahres 2005 meldete die Beteiligte zu 1 beim Bundeskartellamt ihre Absicht
an, sämtliche Anteile an der Beteiligten zu 2 zu erwerben. Nach Eintritt in das
Hauptprüfungsverfahren und Beiladung der weiteren Verfahrensbeteiligten gab das
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Bundeskartellamt mit Beschluss vom 27. Juni 2005 das angemeldete
Zusammenschlussvorhaben frei, weil von ihm weder die Begründung noch die
Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf den sachlich und räumlich
betroffenen sieben Märkten (Börsennotierung, Organisierter Börsenhandel,
Terminmarkt, Börseninformationsprodukte, IT-Lösungen für Wertpapiermärkte, Clearing
und Settlement) zu erwarten sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beigeladene 3, eine in Deutschland
ansässige und an der F. und der L. notierte Aktiengesellschaft, mit der Beschwerde, mit
der sie die Aufhebung der Freigabeentscheidung begehrt. Zur Zulässigkeit ihrer
Beschwerde und insbesondere zum Rechtsschutzbedürfnis macht sie geltend, sie sei
durch die Freigabeentscheidung in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig berührt
und damit materiell beschwert. Dies gelte zunächst für den Markt für die
Börsennotierung. Sie sei als Emittentin von Aktien Teil der Marktgegenseite und auf die
Notierung ihrer Aktien im amtlichen Handel angewiesen. Jedoch sei der Markt für die
Börsennotierung entgegen den Ausführungen des Bundeskartellamts nur für die im
Inland ansässigen Aktiengesellschaften bei einer angestrebten Primärzulassung
national abzugrenzen. Für Aktiengesellschaften, die eine (primäre oder sekundäre)
Börsennotierung im Ausland anstrebten, sei der Markt hingegen europaweit
abzugrenzen. Sie selbst sei ein internationales Unternehmen, weshalb sie dem
europaweit abzugrenzenden Markt zuzurechnen sei. Bei Verwirklichung des
Zusammenschlusses werde der bisher von der Beteiligten zu 2 ausgehende
Wettbewerbsdruck entfallen; dies werde sich negativ auf die Gebühren für das Listing
und die jährlichen Börsennotierungsgebühren auswirken.
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Auch auf dem Markt für die Organisation des Börsenhandels sei sie durch die Freigabe
des angemeldeten Zusammenschlusses nachteilig betroffen. Zwar übe sie nicht die
Funktion eines an der Börse zugelassenen Handelsteilnehmers aus. Dies sei aber auch
nicht erforderlich. Negative Veränderungen der Wettbewerbsstrukturen auf dem Markt
für die Organisation des Börsenhandels wirkten sich unmittelbar auch auf den Markt für
die Börsennotierung aus und umgekehrt. Die Beteiligte zu 1 entscheide über die
Emissions- und Investorenbedingungen und damit zugleich über die Nachfrage des
Börsenhandels und die Kapitalmarktfähigkeit des Emittenten.
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Überdies sei sie durch den Zusammenschluss auf dem Markt für
Börseninformationsprodukte nachteilig betroffen. Es sei eine Vereinheitlichung der
Börsenindizes zu erwarten, die sich wiederum nachteilig auf den Investorenmarkt
auswirke.
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Die Beigeladene zu 3 beantragt,
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den Beschluss des Bundeskartellamts vom 27. Juni 2005 (B 4-67110-Fa-
09/05) aufzuheben.
9
Das Bundeskartellamt und die Beteiligte zu 1 beantragen,
10
die Beschwerde kostenpflichtig zu verwerfen.
11
Das Bundeskartellamt hält die Beschwerde der Beigeladenen zu 3 mangels
Rechtsschutzbedürfnis für unzulässig. Sie sei durch die Entscheidung nicht materiell
beschwert. Im übrigen habe sich die angefochtene Verfügung zwischenzeitlich erledigt,
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weil die Beteiligte zu 1 von dem angemeldeten Vorhaben nach Abschluss des
Kartellverwaltungsverfahrens im Laufe des Jahres 2005 endgültig Abstand genommen
habe, wie sich aus verschiedenen Zeitungsmeldungen ergäbe.
Auch nach Auffassung der Beteiligten zu 1 ist die Beschwerde der Beigeladenen zu 3
unzulässig, weil sie durch die Freigabeentscheidung nicht in ihren wettbewerblichen
Interessen nachteilig betroffen sei. Im übrigen tritt sie dem Vorbringen, die Verfügung
habe sich zwischenzeitlich erledigt, entgegen.
13
II.
14
Die Anfechtungsbeschwerde der Beigeladenen zu 3 gegen die Freigabeverfügung des
Bundeskartellamts vom 27. Juni 2005 hat keinen Erfolg.
15
Die Beschwerde ist nicht zulässig. Der Beschwerdeführerin fehlt das für die Zulässigkeit
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie ist durch die Freigabe des angemeldeten
Zusammenschlussvorhabens nicht materiell beschwert.
16
1.
17
Der Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses der Beigeladenen zu 3 an einer
gerichtlichen Überprüfung der Freigabeentscheidung des Bundeskartellamts steht
jedoch nicht entgegen, dass das angemeldete Vorhaben bisher nicht verwirklicht
worden ist. Die angefochtene Verfügung hat sich – anders als das Bundeskartellamt
meint – nicht zwischenzeitlich erledigt. Weder hat die Beteiligte zu 1 das angemeldete
Vorhaben, sämtliche Anteile an der Beteiligten zu 2 zu erwerben, nach Abschluss des
kartellbehördlichen Verwaltungsverfahrens im weiteren Verlauf des Jahres 2005
endgültig aufgegeben, noch ist die Freigabe des Zusammenschlusses durch Zeitablauf
verbraucht.
18
a.
19
Die Beteiligte zu 1 hat nach Erlass der kartellbehördlichen Verfügung von der
Verwirklichung des angemeldeten Vorhabens nicht durch eine verbindliche Erklärung
Abstand genommen, so wie es nach der vom Bundeskartellamt selbst zitierten
Entscheidung des Kammergerichts (WuW/E OLG 5364, 5369 f. – HaGE Kiel)
Voraussetzung für eine endgültige Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens ist. Die
vom Bundeskartellamt in seiner Beschwerdeerwiderung angeführten Umstände lassen
auch in einer Gesamtschau einen solchen Schluss nicht zu.
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Den vorgelegten Zeitungsartikeln lässt sich nicht entnehmen, dass der Vorstand oder
Aufsichtsrat der Beteiligten zu 1 eine abschließende Entscheidung des Inhalts getroffen
hat, von einer Übernahme der Beteiligten zu 2 endgültig Abstand zu nehmen. Zwar
haben sich der Vorstandsvorsitzende F. der Beteiligte zu 1 und auch der Vorsitzende
des Aufsichtsrats V. laut einem Artikel in der F. T. D. vom 17.01.2006 zur Konsolidierung
der europäischen Börsen in dem Sinne geäußert, dass eine solche eher in Form von
Kooperationen und Partnerschaften läge als in sog. feindlichen Übernahmen. Diese
Äußerungen bedeuten aber nicht, dass die Beteiligte zu 1 keinesfalls mehr von ihrer
Option, ein mögliches Barangebot für die Beteiligte zu 2 für den Fall abzugeben, dass
Euronext oder eine andere dritte Partei ein Angebot für die Beteiligte zu 2 abgibt, wie es
in der Ad-hoc-Mitteilung vom 14. März 2005 heißt, Gebrauch machen will. Dies gilt um
21
so mehr, als die Beteiligte zu 1 offenbar in einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung vom 15.
März 2006 an dieser Option weiter festgehalten hat, wie sich aus dem Schriftsatz der
Beteiligten zu 1 vom 20. März 2006 ergibt. Aus diesem Grund kann auch das Interesse
der Beteiligten zu 1 an einer – inzwischen wohl gescheiterten - Fusion mit der
Vierländerbörse E. nicht dahingehend verstanden werden, dass von einer Übernahme
der Beteiligten zu 2 endgültig Abstand genommen worden ist. Dass die Beteiligte zu 1
die Übernahme der Beteiligten zu 2 derzeit nicht aktiv betreibt, lässt allenfalls auf eine
vorübergehende Abstandnahme nicht aber auf eine endgültige Aufgabe des Vorhabens
schliessen.
b.
22
Die Wirksamkeit der Freigabeentscheidung ist auch nicht durch Zeitablauf
zwischenzeitlich entfallen, so dass bereits aus diesem Grund keine belastenden
Wirkungen mehr von der Freigabe des bisher nicht vollzogenen Vorhabens ausgehen
können.
23
Der Freigabe eines Zusammenschlussvorhabens liegt in der Regel ein
Prognosezeitraum des Amtes von etwa drei bis fünf Jahren zu Grunde, wenn nicht die
Besonderheiten der betroffenen Märkte eine kürzere Zeitspanne nahelegen (KG Berlin
WuW/E OLG 5495, 5496 – Vorratsanmeldung). Für die Dauer dieses Zeitraums ist die
Freigabe des angemeldeten Vorhabens wirksam, es sei denn, die der Verfügung zu
Grund gelegten Rahmenbedingungen haben sich insbesondere im Hinblick auf die
Struktur der von der Fusion betroffenen Märkte während dieser Zeitspanne
entscheidend geändert. In diesem Fall verliert die Freigabe ihre Wirksamkeit und der
bisher nicht vollzogene Zusammenschluss muss erneut beim Bundeskartellamt
angemeldet werden.
24
Eine solche Situation liegt hier aber nicht vor. Seit der Freigabeentscheidung am 27.
Juni 2005 sind keine wesentlichen Strukturveränderungen auf den betroffenen Märkten
eingetreten, worauf die Beteiligte zu 1 vom Bundeskartellamt unwidersprochen
hingewiesen hat.
25
2.
26
Der Beigeladenen zu 3 fehlt jedoch das für die Zulässigkeit ihrer Beschwerde
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil sie durch die angefochtene Freigabe nicht
materiell beschwert ist.
27
a.
28
Ohne Erfolg macht die Beschwerdeführerin geltend, für die Zulässigkeit der Beschwerde
komme es nicht auf eine materielle Beschwer des Beschwerdeführers an, solange er
nach §§ 63 Abs. 2, 54 Abs. 2 GWB am Verwaltungsverfahren beteiligt war.
29
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senates reicht die
Beteiligteneigenschaft allein nicht aus, um die Beschwerdebefugnis zu begründen. Es
müssen darüber hinaus auch die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt
sein, zu denen insbesondere die notwendige Beschwer des Rechtsmittelführers in
formeller und materieller Hinsicht gehört (BGH WuW DE-R 1163, 1165 –
HABET/Lekkerland; BGH WuW/E BGH 1562, 1564 – Air-Conditioning-Anlagen; BGH
30
WuW/E BGH 2077, 2078 f. – Coop Supermagazin; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 759,
762 – Net Cologne; Beschluss vom 16. November 2005, Az.: VI – Kart 11/05 (V),
Beschlussumdruck Seite 6).
b.
31
Eine materielle Beschwer der Beigeladenen zu 3 kann auch nicht deshalb ohne weitere
Prüfung bejaht werden, weil das Bundeskartellamt in seinem Beiladungsbeschluss vom
16. Februar 2005 eine erhebliche Interessenberührung der Beigeladenen zu 3 durch
einen Zusammenschluss der Beteiligten zu 1 und 2 bejaht hat.
32
Die für die Beiladung nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB erforderliche erhebliche
Interessenberührung des Antragstellers ist mit dem Erfordernis der materiellen
Beschwer nicht inhaltsgleich. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass nach der oben
zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB
Beigeladene nur dann zulässigerweise Beschwerde einlegen kann, wenn er durch die
angefochtene Verfügung formell und materiell beschwert ist. Wäre die erhebliche
Interessenberührung aber mit der materiellen Beschwer gleichzusetzen, wäre es nicht
erforderlich, die Zulässigkeit der Beschwerde auch von einer materiellen Beschwer
abhängig zu machen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 10. April
1984 (BGH WuW/E BGH 2077, 2081 – Coop-Supermagazin) überdies ausdrücklich den
Unterschied zwischen den Beiladungsvoraussetzungen und dem Erfordernis der
materiellen Beschwer herausgestellt und ausgeführt, für die Beiladung sei ausreichend,
dass lediglich wirtschaftliche Interessen berührt werden, während die materielle
Beschwer darüber hinaus erfordere, dass "dem materiellen Anliegen des Dritten durch
den rechtskräftigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung nicht entsprochen worden
sei, der Entscheidungsinhalt also nachteilige Wirkungen für ihn habe". Nach ständiger
Rechtsprechung des Senates folgt hieraus, dass die für die materielle Beschwer
erforderliche Betroffenheit des Dritten aus der drohenden Verschlechterung der
Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt resultieren und der Dritte daher
durch die Freigabe in seinem eigenen unternehmerischen und wettbewerblichen
Betätigungsfeld und Gestaltungsspielraum auf dem relevanten Markt – durch drohende
negative Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen - nachteilig betroffen sein muss
(OLG Düsseldorf WuW DE-R 759, 764 – Net Cologne; Beschluss vom 16. November
2005, Az.: VI – Kart 11/05 (V), Beschlussumdruck Seite 6). Ob die Beigeladene zu 3
durch die Freigabe in ihren wettbewerblichen Interessen nachteilig betroffen ist, ergibt
sich aus dem Beiladungsbeschluss vom 16. Februar 2005 nicht. Er trifft hierüber keine
Aussage.
33
c.
34
Die Beigeladene zu 3 ist durch die angefochtene Freigabeentscheidung nicht nachteilig
in ihrem eigenen unternehmerischen und wettbewerblichen Betätigungsfeld und
Gestaltungsspielraum auf den relevanten Märkten betroffen.
35
Das pauschale Vorbringen der Beigeladenen zu 3, die bei einer Verwirklichung des
Zusammenschlussvorhabens eintretende Strukturveränderung auf dem "Markt für
Börsenplatzbetreiber" berühre zwingend ihre wirtschaftlichen Interessen als Emmittentin
von Aktien, weil die Beteiligte zu 1 über die Emmissions- und Investorenbedingungen
entscheide und ein Zusammenschluss der Beteiligten zu 1 und 2 nachteilige
Auswirkungen auf die Gebühren für das Listing, die jährlichen
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Börsennotierungsgebühren und die Aufnahme eines Unternehmens in bestimmte
Handelssegmente und Indizes habe, rechtfertigt die Annahme einer materiellen
Beschwer nicht. Wie bereits ausgeführt ist Voraussetzung einer materiellen Beschwer,
dass der Beschwerdeführer durch die Freigabe in seinem eigenen unternehmerischen
und wettbewerblichen Betätigungsfeld und Gestaltungsspielraum auf dem relevanten
Markt – durch drohende negative Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen -
nachteilig betroffen wird. Dies erfordert aber, dass sich die Beigeladene zu 3 und die
Zusammenschlussbeteiligten auf zumindest einem der vom
Zusammenschlussvorhaben betroffenen sachlichen und räumlichen Märkte, sei es als
Wettbewerber oder als Teil der Marktgegenseite, begegnen, da die Beigeladene zu 3
durch den Zusammenschluss ansonsten nicht nachteilig in ihren wettbewerblichen
Interessen betroffen sein kann. Die Beeinträchtigung allein wirtschaftlicher Interessen
reicht nicht aus.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend indes nicht erfüllt. Weder auf dem Markt für die
Börsennotierung von Aktien noch auf dem Markt für den organisierten Börsenhandel
sowie dem Markt für Börseninformationsprodukte ist die Beigeladene zu 3 durch
drohende negative Veränderung der Wettbewerbsbedingungen in ihren
wettbewerblichen Interessen nachteilig betroffen.
37
aa.
38
Die Beigeladene zu 3 ist durch den Zusammenschluss selbst dann nicht in ihren
wettbewerblichen Interessen nachteilig betroffen, wenn der Markt für die
Börsennotierung von Aktien abweichend von den Feststellungen des Bundeskartellamts
abzugrenzen ist. Das Bundeskartellamt hat einen eigenständigen auf das Bundesgebiet
beschränkten Markt für die Börsennotierung von Wertpapieren (mit Ausnahme von
Schuldverschreibungen (Bonds)) angenommen, auf dem sich die um Zulassung zum
Handel nachsuchenden Emittenten der Wertpapiere als Nachfrager und die Börsen als
Anbieter der Zulassungsverfahren gegenüberstehen. Die Beigeladene zu 3 macht unter
Hinweis auf den Report der C. C. (Anlage 36, Ziffer 4.14) geltend, dieser Markt sei in
sachlicher Hinsicht weiter danach zu unterteilen, ob es um die Notierung inländischer
Aktien oder Aktien ausländischer Aktiengesellschaften gehe (vgl. Seite 12 des SS v.
29.11.2005). Nur im zuerst genannten Fall sei der Markt national abzugrenzen, während
der Markt für die Notierung von Aktien ausländischer Aktiengesellschaften, die entweder
eine hauptsächliche (primäre) oder eine zusätzliche (sekundäre) Notierung außerhalb
ihres Sitzlandes suchen, europaweit abzugrenzen sei. Soweit die Beigeladene zu 3 in
ihrem Schriftsatz vom 29. Mai 2006 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
abweichend zu ihrem bisherigen Vorbringen vorgetragen hat, für "internationale
Unternehmen" wie die Beigeladene zu 3 sei der Markt für die Börsennotierung von
Aktien für die Primär- und Sekundärnotierung europaweit abzugrenzen, vermag der
Senat sich diesen Ausführungen schon deshalb nicht anzuschließen, weil eine solche
Marktabgrenzung im Report der C. C. (Anlage 36, Ziffer 4.14) nicht vorgenommen
worden ist. Dort wird nicht zwischen internationalen und nicht internationalen
Unternehmen unterschieden. Vielmehr wird dort, wie die Beigeladene zu 3 in ihrem
Schriftsatz vom 29.11.2005 zutreffend ausgeführt hat, zwischen Aktiengesellschaften,
die eine Erstzulassung in dem Land anstreben, in dem sie ihren Sitz haben
(Heimatmarktprinzip), und jenen unterschieden, die um eine Erst- oder Zweitzulassung
außerhalb ihres Sitzlandes nachsuchen. Es bedarf vorliegend jedoch keiner
Entscheidung, ob der Markt für Börsennotierung so zu unterteilen ist, wie in dem Report
der C. C. (Anlage 36, Ziffer 4.14) ausgeführt. Selbst wenn man diese Marktabgrenzung
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zu Grunde legt, hat der in Rede stehende Zusammenschluss keine nachteiligen
Auswirkungen auf die wettbewerblichen Interessen der Beigeladenen zu.
So ist bereits zweifelhaft, ob sich die Beigeladene zu 3 als inländisches
Aktienunternehmen und die Beteiligte zu 1 auf dem deutschlandweit abzugrenzenden
Markt für die Börsennotierung inländischer Aktien überhaupt als Anbieter und
Nachfrager von Notierungsdienstleistungen gegenüberstehen. Nicht die Beteiligte zu 1
als privater Träger der Börse sondern die Geschäftsführung der F. W. (F.) entscheidet in
eigener Verantwortung über die amtliche Notierung von Wertpapieren (Listing-
Entscheidung) und über die Festlegung der Gebühren für die Zulassung und Notierung
(vgl. Beschluss des Amtes, Seite 32). Die Beteiligte zu 1 und auch der Börsenrat haben
bei diesen Entscheidungen kein Mitspracherecht. Aber selbst wenn man aufgrund der
personellen Verflechtung zwischen dem Vorstand der Beteiligten zu 1 und der
Geschäftsführung der F. die Beteiligte zu 1 als Anbieter von
Börsennotierungsdienstleistungen ansehen wollte, führt ein Zusammenschluss der
Beteiligten zu 1 und 2 dennoch nicht zu einer negativen Veränderung der
Wettbewerbsstrukturen auf dem deutschlandweiten Markt für die Börsennotierung
inländischer Aktien. Die Beteiligte zu 2 ist auf diesem Markt nicht als Anbieter tätig. Der
Zusammenschluss führt daher nicht zum Wegfall eines weiteren Anbieters und damit zu
einer Verschlechterung der Wettbewerbsstrukturen. Geht aber von der Beteiligten zu 2
auf dem relevanten nationalen Markt kein Wettbewerbsdruck aus, kann ein solcher
durch den Zusammenschluss auch nicht entfallen und die von der Beigeladenen zu 3
prognostizierten Gebührenerhöhungen nicht nach sich ziehen.
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Auf einem europaweiten Markt für die Notierung von Aktien ausländischer
Aktiengesellschaften werden die wettbewerblichen Interessen der Beigeladene zu 3
gleichfalls durch den Zusammenschluss nicht nachteilig betroffen. Es ist nicht
erkennbar, dass der Zusammenschluss für die Beigeladene zu 3 als Nachfragerin von
Börsennotierungen an ausländischen Börsen zu einer negativen Veränderung der
Wettbewerbsstruktur auf diesem Markt führen wird. Die Beteiligte zu 1 steht insoweit
nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zur Beteiligten zu 2, denn sie nimmt an diesem
Markt für im Inland ansässige Aktiengesellschaften nicht als Anbieter von
Notierungsdienstleistungen teil. Der Zusammenschluss führt daher nicht zum Wegfall
eines Wettbewerbers. Dass sich die Listingbedingungen in London nach dem
Zusammenschluss verschlechtern werden, so wie die Beigeladene zu 3 befürchtet,
vermag der Senat nicht zu erkennen, da die Beteiligte zu 2 nach Maßgabe der in
Großbritannien geltenden Vorschriften in eigener Verantwortung über die Bedingungen
zu entscheiden hat. Im übrigen führt eine Verschlechterung der Listingbedingungen
nicht zu einer Beeinträchtigung der Beigeladenen zu 3 in ihrem eigenen
unternehmerischen und wetttbewerblichen Betätigungsfeld und Gestaltungsspielraum
als Aktienemittentin, die außerhalb von Deutschland um eine Börsenzulassung
nachsucht. Sie wäre insoweit lediglich in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig
betroffen.
41
bb.
42
Auch auf dem Markt für die Organisation des börslichen Handels mit Wertpapieren
(organisierter Börsenhandel) ist die Beigeladene zu 3 durch die Freigabe des
Zusammenschlusses nicht nachteilig in ihren wettbewerblichen Interessen betroffen.
Die Organisation des börslichen Handels mit Wertpapieren wird von den
Handelsteilnehmern nachgefragt. Hierbei handelt es sich um Kreditinstitute,
43
Finanzunternehmen und Finanzdienstleistungsinstitute. Die Beigeladene zu 3 gehört
als Aktienemittentin selbst nicht zu den Handelsteilnehmern. Sie macht auch nicht
geltend, dass sie eine Zulassung zum Handel anstrebt. Es sind vielmehr Dritte die ihre
Aktien dort handeln. Die Beigeladene zu 3 kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine
mittelbare Beeinträchtigung ihrer wettbewerblichen Interessen durch den in Rede
stehenden Zusammenschluss berufen. Sie macht insoweit geltend, der
Zusammenschluss führe zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsstrukturen auf dem
– ihrer Meinung nach europaweit abzugrenzenden - Markt für die Organisation des
börslichen Handels. Dies habe negative Auswirkungen auf die Nachfrage des
Börsenhandels und damit auf die Kapitalmarktfähigkeit des Emittenten. Dies bedeutet
aber, dass sie hierdurch allein in ihren wirtschaftlichen Belangen beeinträchtigt wird; ihr
wettbewerblicher Gestaltungsspielraum auf dem Markt für die Börsennotierung ist nicht
betroffen.
cc.
44
Die Beigeladene zu 3 ist durch den Zusammenschluss ferner nicht auf dem Markt für
Börseninformationsprodukte – hier: die Erstellung und Vertrieb von Börsenindizes –
materiell beschwert. Die Beigeladene zu 3 ist nicht Marktteilnehmer. Sie selbst erstellt
und vertreibt keine Börsenindizes. Auch fragt sie solche als Aktienemittentin nicht nach.
Nachfrager sind die Anleger und Handelsteilnehmer. Soweit die Beigeladene zu 3
geltend macht, der Zusammenschluss der Beteiligten zu 1 und 2 lasse eine negative
Vereinheitlichung der Börseninformationsprodukte erwarten, die sich nachteilig auf den
Markt für Investoren und damit auf den Wert ihrer Aktie auswirke, wird die Beteiligte zu 3
allenfalls in ihren wirtschaftlichen nicht aber in ihren wettbewerblichen Interessen
nachteilig betroffen.
45
III.
46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB. Die Beigeladene zu 3 hat als im
Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen. Es hat darüber
hinaus aus Gründen der Billigkeit dem obsiegenden Bundeskartellamt und der
Beteiligten zu 1 die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu erstatten.
47
Gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO bemisst sich im Verfahren über
Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden der Gegenstandswert nach dem
wirtschaftlichen Interesse, welches die beschwerdeführenden Parteien mit ihrem
Rechtsmittel verfolgen. Dieses Interesse hat der Senat nach Befragung der Beteiligten
in der mündlichen Verhandlung mit 100.000 € beziffert.
48
IV.
49
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass. Der Streitfall wirft keine
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur
Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB).
50
Rechtsmittelbelehrung:
51
Die Hauptsacheentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten
52
absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht
(Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen.
Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf
Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die
Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde
gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim
Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden
Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung
der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und
ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann
nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei
einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
53
B. K. Dr. M.
54