Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.10.2008

OLG Düsseldorf: gesellschafter, geschäftsführer, herausgabe, auflage, wirtschaftliches interesse, buchhaltung, darlehen, zustellung, klageänderung, rückzahlung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 5/08
Datum:
14.10.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-23 U 5/08
Leitsätze:
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2008, I-23 U 5/08 (rk.)
(Parallelsache Urteil vom 14.10.2008, I-23 U 36/08 (n.rk., BGH II ZR
254/08)
Leitsätze
1.
Verstößt der Ratenzahlungsplan in einem Bauträgervertrag gegen § 3
Abs. 2 MaBV, ist der Anspruch des Bauherrn gegen den Bauträger aus
§§ 817, 818 BGB auf Herausgabe der Nutzungen der an ihn geleisteten
Abschlagszahlungen auf die Zeit bis zum Eintritt des
Abrechnungsverhältnisses beschränkt.
2.
Mit der Entstehung eines Abrechnungsverhältnisses hat sich auch der
Schutzzweck des § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV erledigt.
3.
Auch eine noch nicht erfolgte Eigentumsübertragung rechtfertigt es nicht,
dem Bauherrn über den Eintritt des Abrechnungsverhältnisses hinaus
Ansprüche aus §§ 817, 818 BGB zuzuerkennen, wenn ihm seit diesem
Zeitpunkt gegen den Bauträger dessen Restwerklohnforderung
übersteigende Schadensersatz- bzw. Minderungsansprüche zustehen,
er demzufolge ein Anspruch auf lastenfreie Eigentumsübertragung hat
und dieser Anspruch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 MaBV hinreichend
gesichert ist.
4.
Der von der MaBV vorrangig bezweckte Schutz des Bauherrn gebietet
es, § 813 Abs. 2 BGB bis zur Fälligkeit der Werklohnforderung des
Bauträgers (im Rahmen des Abrechnungsverhältnisses infolge eines
Schadensersatz-/Minderungsbegehrens) nicht anzuwenden.
5.
Für Ansprüche gegen die Gesellschafter aus dem Gesichtspunkt der
sittenwidrigen Schädigung / Existenzvernichtung fehlt dem Gläubiger die
Aktivlegitimation.
6.
Zu den Voraussetzungen der Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der
Vermögensvermischung analog § 128 HBG
7.
Allein die Einwirkung eines Gesellschafters auf die Geschäftsführung
führt noch nicht zu dessen Haftung als faktischer Geschäftsführer;
erforderlich ist ein eigenes Handeln in einem den Geschäftsführer /
Mitgeschäftsführer kennzeichnenden Umfang.
8.
Zur Berechnung eines Quotenschadens i.S.v. § 64 Abs. 2 GmbHG.
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger und der Beklagten zu 1. wird unter
Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das am 08. August
2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des
Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Kläger 49.141,33 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 4 % aus 14.680,36 EUR und in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 29.715,24 EUR jeweils
ab 18.12.2001 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 9.636,31 Euro vom 18.12.2001 bis 14.10.2007 und
aus 4.745,73 Euro seit dem 15.10.2007 zu zahlen.
II.
Die Beklagten zu 2. und 3. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an
die Beklagte zu 1. 49.141,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus
14.680,36 EUR und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 29.715,24 EUR jeweils ab 18.12.2001 sowie in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.636,31 Euro vom
18.12.2001 bis 14.10.2007 und aus 4.745,73 Euro seit dem 15.10.2007
zu zahlen.
III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
1. Instanz:
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. fallen dieser zu 55 %,
den Klägern zu 45 % zur Last. Die außergerichtlichen Kosten der
Beklagten zu 2. und 3. fallen den Klägern zur Last. Die
außergerichtlichen Kosten der Kläger und die Gerichtskosten fallen den
Klägern zu 75 %, der Beklagten zu 1. zu
25 % zur Last.
2. Instanz:
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. fallen dieser zu 78 %,
den Klägern zu 22 % zur Last. Die außergerichtlichen Kosten der
Beklagten zu 2. und 3. fallen diesen zu 45 %, den Klägern zu 55 % zur
Last. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger und die Gerichtskosten
fallen den Klägern zu 60 %, der Beklagten zu 1. zu 25 %, den Beklagten
zu 2. und 3. zu 15 % zur Last.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils jeweils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
VI.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Kläger nehmen die Beklagte zu 1., die nach Ablehnung der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mangels Masse durch Beschluss vom 30.10.2003 aufgelöst ist, aus
dem Bauträgervertrag vom 04.06.1999 in Anspruch. Sie wurden nach Verkündung des
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angefochtenen Urteils am 15.10.2007 als Eigentümer der Doppelhaushälfte im
Grundbuch eingetragen. Sie haben in 1. Instanz in erster Linie gemäß §§ 817, 818 BGB
Herausgabe derjenigen Nutzungen verlangt, die die Beklagte zu 1. aus einer
verbotswidrigen Entgegennahme geleisteter Abschlagszahlungen gezogen hat,
außerdem Rechtshängigkeitszinsen wegen verschärfter Haftung gemäß §§ 819 Abs. 1,
818 Abs. 4, 291, 288 BGB, hilfsweise Rückerstattung der Abschlagszahlungen,
hilfsweise Schadensersatz wegen fehlender Nutzbarkeit des Dachgeschosses. Die
Beklagten zu 2. und 3. sind von den Klägern in 1. Instanz aus §§ 812 ff. BGB, 823 Abs. 2
BGB in Verbindung mit Verstößen gegen die MaBV und 64 Abs. 1 GmbHG und aus §
826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung, existenzvernichtendem Eingriff und
unzulässiger Vermögensvermischung in Anspruch genommen worden.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf den Tatbestand der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagte zu 1. in Höhe von insgesamt
56.478,91 EUR
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte zu 1. schulde den
Klägern die Herausgabe von Nutzungsvorteilen, die sie durch den Erhalt nicht
geschuldeter Abschlagszahlungen für die Zeit bis zum 30.11.2001 erlangt habe, und
zwar in Höhe von 43.499,96 EUR aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 818 BGB, da die im
Bauträgervertrag enthaltene Regelung zu den Abschlagszahlungen gegen § 3 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 MaBV und § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV verstoße und unwirksam sei. § 813 Abs. 2
BGB trete wegen des Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV in vollem Umfang zurück.
Der von den Klägern mit 7,5 % p.A. bezifferten Höhe der Nutzungsvorteile seien die
Beklagten nicht entgegengetreten. Der von den Klägern gegen die Beklagte zu 1.
hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Abschlagszahlungen sei
nicht gerechtfertigt, da der Werklohnanspruch der Beklagten auf Grund des Eintritts
eines Abrechnungsverhältnisses fällig geworden sei. Der gegen die Beklagte zu 1.
hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe den Klägern in einer Höhe
von mindestens 12.979,25 EUR aus § 635 BGB a.F. zu, da die Kosten für die
Beseitigung des Mangels des Dachgeschosses bzw. für die Herstellung der
Voraussetzungen für eine genehmigte Wohnnutzung des Dachgeschosses sich auf
mindestens 15.768,58 EUR beliefen. Dem stehe nicht entgegen, dass hierfür bestimmte
Änderungen der Bauausführung erforderlich seien. Sollten die Kläger zu diesen
Änderungen nicht bereit sein, stehe ihnen ein Anspruch auf Wertminderung zu. Mit einer
Restkaufpreisforderung von 4.890,58 EUR und einem Anspruch auf Erstattung von
Grundbesitzabgaben von 2.447 EUR könne die Beklagte zu 1. nicht (hilfsweise)
aufrechnen, da diese Forderungen einredebehaftet seien, weil die Beklagte zu 1. noch
die Übertragung des Eigentums schulde. Auf den Teilbetrag von 43.499,96 EUR
schulde die Beklagte zu 1. erst ab Rechtshängigkeit (25.9.2006) Zinsen gemäß § 288
BGB a.F.. Auf den Teilbetrag von 5.571,67 EUR schulde die Beklagte
Rechtshängigkeitszinsen gemäß § 288 BGB n.F.. Gegen die Beklagten zu 2. und 3.
ständen den Klägern keine Ansprüche auf Zinsen bzw. Rückzahlung von
Abschlagszahlungen aus §§ 812 ff. BGB zu, da die Abschlagszahlungen an die
Beklagte zu 1. geleistet worden seien. Ansprüche aus §§ 18 Abs. 1 Nr. 3 MaBV, 9
OWiG, 823 Abs. 2 BGB ständen ihnen nicht zu, da ihnen hinsichtlich der Zinsen kein
Schaden entstanden sei. Auch eine Durchgriffshaftung der Beklagten zu 2. und 3. sei zu
verneinen. Sie folge nicht aus §§ 30, 31, 32 a GmbHG, da sich daraus kein unmittelbarer
Anspruch von Gläubigern der GmbH ergebe. Sie folge auch nicht aus dem
Gesichtspunkt eines "existenzvernichtenden Eingriffs", da die GmbH noch längere Zeit
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nach Abschluss des Kaufvertrages über das unbebaubare Grundstück tätig gewesen
sei. Für eine fernliegende vorsätzlich sittenwidrige Schädigung seien die Kläger
beweisfällig geblieben. Aus einer etwaigen und zudem zweifelhaften "materiellen
Unterkapitalisierung" lasse sich bereits dem Grunde nach keine Haftung ableiten.
Verstöße der Beklagten zu 2. und 3. gegen §§ 64, 84 GmbH infolge verspäteter
Insolvenzantragstellung könnten nur einen Anspruch auf den sog. Quotenschaden
begründen, der nicht ersichtlich sei, da die Kläger die letzte Zahlung am 15.09.1999
geleistet hätten, der Insolvenzgrund aber erst später eingetreten sei. Auch die
Voraussetzungen einer persönlichen Haftung der Beklagten zu 2. und 3. infolge
"Vermögensvermischung" seien nicht ersichtlich, da dafür eine etwaig unterbliebene
Darstellung von persönlichen Sicherheiten in der Bilanz nicht genüge. Auch der
Hinweis der Kläger auf § 4 MaBV könne keine persönliche Haftung der Beklagten zu 2.
und 3. begründen.
Sowohl die Kläger als auch die Beklagte zu 1. haben Berufung eingelegt.
5
Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung unter Bezugnahme auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen vor:
6
Mit der Berufung gegen die Beklagte zu 1. werde das Urteil insoweit angefochten, als
das Landgericht der Klage gegen die Beklagte zu 1.
12.979,25 Euro nur auf ihren Hilfsantrag stattgegeben habe. Die Beklagte zu 1. müsse
statt dessen in vollem Umfang auf ihren Hauptantrag verurteilt werden. Der
Bereicherungsanspruch ergebe sich entgegen der Annahme des Landgerichts nicht aus
§§ 812, 818 BGB, sondern aus §§ 817, 818 BGB, da die Beklagte zu 1. mit der
Entgegennahme der Zahlungen in mehrfacher Hinsicht gegen die gesetzlichen Verbote
des § 3 MaBV verstoßen habe. Diese Verstöße seien im Rahmen von Vorgängen aus
den Kernbereichen der Tätigkeit eines Bauträgers zumindest leichtfertig erfolgt. Das
Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beklagte zu 1. Zinsvorteile
nur bis zum 30.11.2001 herauszugeben habe. Die Voraussetzungen des § 3 MaBV als
Verbotsgesetz im Sinne von § 817 BGB hätten bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung erster Instanz am 16.05.2007 aus mehrfachen Gründen noch nicht
vorgelegen, so dass sich allein bis zu diesem Zeitpunkt weitere Ansprüche auf
Herausgabe von Nutzungen von rund 183.000 DM bzw. 93.400 EUR ergäben: Eine
Baugenehmigung für das vorhandene Gebäude liege nicht vor. Das Landgericht habe
das Gebäude gedanklich fehlerhaft in Geschosse aufgespalten und lediglich das
Dachgeschoss als nicht genehmigt angesehen. Tatsächlich sei das Gebäude insgesamt
formell und materiell baurechtswidrig. Die Baugenehmigung vom 13.08.1998 sei nach
Ablauf der damals noch vorgesehen Zweijahresfrist unwirksam geworden. Die
Voraussetzungen der weiteren Baugenehmigung vom 23.08.2001 lägen in mehrfacher
Hinsicht nicht vor, so dass sie mit Ablauf der darin erklärten Dreijahresfrist unwirksam
geworden sei (§ 77 BauONW). Sie - die Kläger - hätten erst im Laufe des vorliegenden
Verfahrens vom Fehlen einer Baugenehmigung Kenntnis erlangt. Das Landgericht sei
ferner rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass aufgrund der Anwendbarkeit von §
641 BGB auf die MaBV nicht mehr abgestellt werden könne. Die öffentlich-rechtliche
MaBV wirke aber mittelbar über § 134 BGB auf zivilrechtliche Verträge ein; keinesfalls
könne hingegen § 641 BGB den Anwendungsbereich der öffentlich-rechtlichen MaBV
beeinflussen. Das Landgericht habe fehlerhaft und überraschend die Berufung auf
fehlende Unterlagen zur Lastenfreistellung für treuwidrig gehalten. Ihnen, den Klägern,
seien bislang keine Unterlagen zur Lastenfreistellung ausgehändigt worden.
wegen der Nichtigkeit der Abschlagszahlungsvereinbarung erforderliche Abnahme sei
7
bislang nicht erfolgt. Der BGH habe inzwischen dem Verrechnungsverhältnis eine
Absage erteilt; es gebe nur das gesetzliche Aufrechnungsverhältnis. Hier ständen sich
aber nicht ausschließlich auf Geld gerichtete Ansprüche gegenüber; zudem seien
Aufrechnungsverbote und Entgegennahmeverbote und die sonstigen Voraussetzungen
der MaBV zu beachten, da andernfalls deren Schutzzweck konterkariert werde.
Rechtshängigkeitszinsen ständen ihnen gegen die Beklagte zu 1. in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß §§ 819 Abs. 2, 818 Abs. 4,
291, 288 BGB schon ab Klagezustellung (18.12.2001) zu.
Das Landgericht habe unzutreffend eine Durchgriffshaftung gegen die Beklagten zu 2.
und 3. verneint. Die Rechtsfigur der Vermögensvermischung sei vom BGH als
eigenständiger Fall der Durchgriffshaftung anerkannt. Hierfür genüge, dass aufgrund
einer undurchsichtigen Buchführung oder aber auf andere Weise eine Kontrollierbarkeit
der Kapitalerhaltungsvorschriften, zu denen die Eigenkapitalersatzregeln (§§ 30, 31
GmbHG) gehörten, vereitelt werde. Dass diese Voraussetzungen vorlägen, sei von
ihnen bereits in 1. Instanz vorgetragen worden. Die Beklagten zu 2. und 3. hätten
zwingende Buchführungsvorschriften (§ 285 Satz 1 Nr. 1 b HGB), wonach Sicherheiten
im Jahresabschluss anzugeben seien, nicht beachtet. Der vorläufige Insolvenzverwalter
habe die Sicherheiten, die später erst durch umfangreiche Ermittlungen aufgedeckt
worden seien, den Geschäftsbüchern nicht entnehmen können und sei hierauf auch
durch die Beklagten zu 2. und 3. entgegen § 20 Abs. 1 InsO nicht hingewiesen worden.
Im Falle eines Hinweises wären vom Insolvenzverwalter Ansprüche aus §§ 135 InsO
iVm §§ 30, 31, 32 a/b GmbH geprüft worden, die unter Verstoß gegen die
Kapitalerhaltungsregeln erfolgte und nicht in den Büchern vermerkte Auskehrung von
414.146 EUR aus der Rückführung von eigenkapitalersetzend besicherten Darlehen bei
der Stadtsparkasse Wuppertal aus dem Vermögen der Beklagten zu 1. an die Beklagten
zu 2. und 3. unterblieben, das Insolvenzverfahren eröffnet und mit einer vollständigen
Befriedigung aller Gläubiger (Quote 100 %) abgeschlossen worden. Allein mit dem
Klägervorbringen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Rückerstattungsansprüche
gemäß §§ 30, 31 GmbHG analog nicht habe feststellen können, liege ein für den
Tatbestand einer Vermögensvermischung ausreichender Sachvortrag vor. Zudem
hätten die Beklagten zugestanden, die Kosten von rund 52.000 EUR für eine dem
Beklagten zu 3. gehörende Privatstraße aus dem Vermögen der Beklagten zu 1. im
Geschäftsjahr 2002/2003 bestritten zu haben; die sich daraus ergebenden
Erstattungsansprüche tauchten in der Bilanz nicht auf, sondern seien als Baukosten der
Gebäude ausgewiesen. Da es sich bei der Kostentragung um eine Ausschüttung an die
Gesellschafter handele, die zu einer erheblichen Unterbilanz geführt habe, sei durch
diese Verschleierung ebenfalls die Kontrolle über die Einhaltung der
Kapitalerhaltungsvorschriften vereitelt worden. Der erheblich verspätet erst am
01.06.2003 erstellte Jahresabschluss zum 31.05.2002 sei fehlerhaft;
Vermögensgegenstände seien überbewertet, Rückstellungen für ungewisse
Verbindlichkeiten unterlassen worden. Die Buchführung sei nur unordentlich und
undurchsichtig erfolgt. Hätte das Landgericht auf eine angebliche Unschlüssigkeit des
Klägervortrags hingewiesen, wäre folgender ergänzender Vortrag erfolgt: Die Beklagten
zu 2. und 3. hätten bereits seit Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1.
durch Manipulationen der Geschäftsbücher entgegen den Kapitalerhaltungsvorschriften
erfolgte Auszahlungen an die Gesellschafter verschleiert und damit die objektiv bereits
eingetretene Unterbilanz und Überschuldung verheimlicht, die damit selbst
herbeigeführte Krise in die folgenden Geschäftsjahre verschleppt und durch weitere
Auszahlungen vertieft. Dies folge aus der Auswertung der Unterlagen für die
Geschäftsjahre 1998/1999 bis 2002/2003. Zudem hätten die Beklagten zu 2. und 3. für
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die Bauvorhaben höhere Kosten ausgewiesen als tatsächlich angefallen und durch die
Abrechnung privater Kosten über die Bauvorhaben der Bauabschnitte 1 bis 3 nochmals
rund 368.924 DM an sich selbst ausgeschüttet, obwohl bei ordnungsgemäßer
Buchführung die Jahresabschlüsse der Beklagten zu 1. bereits eine Überschuldung
hätten ausweisen müssen. Dass die Bilanzen offensichtlich verfälscht worden seien,
ergebe sich daraus, dass sich im Zeitraum vom 31.05.1999 bis 31.05.2002 unter
Berücksichtigung von Baukosten, Einnahmen und sonstigen Kosten laufend nicht durch
Einnahmen gedeckte Kosten zwischen rund 759.000 DM und 1.106.000 DM
errechneten, wobei insbesondere die von durchschnittlich 4,42 % auf 14,34 %
steigenden Zinsleistungen an den Beklagten zu 3. auf das Gesellschafterdarlehen und
den entsprechend von 1,46 % auf 7,79 % steigenden Anteil dieser Zinsleistungen an
den jeweiligen Gesamtausgaben der Beklagten zu 1. auffällig seien. Dabei sei die
fehlende Kostendeckung aufgrund der ungerechtfertigten Überbewertungen der
Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens unentdeckt geblieben. Bis zum
Abschluss des Geschäftsjahres 2001/2002 seien nur noch zwei Gegenstände des
Umlaufvermögens verblieben, die auch bei Überbewertung für die Kompensation von
Verlusten dann nicht mehr ausgereicht hätten. Das Landgericht habe im Rahmen von §§
823 Abs. 2 BGB, 64, 68 GmbHG unzutreffend einen Quotenschaden abgelehnt. Sie, die
Kläger, hätten bereits in 1. Instanz vorgetragen, dass bei rechtzeitigem Insolvenzantrag
zumindest im Juni 2002 und ohne die im März bzw. Mai 2003 unzulässig erfolgte
Rückzahlung der eigenkapitalersetzend besicherten Gesellschafterdarlehen sämtliche
Gläubiger der Beklagten zu 1. vollständig hätten bedient werden können. Bei einem
pflichtgemäßen Hinweis des Landgericht hätten sie schon in erster Instanz die
Urkunden über die Bestellung der Gesellschaftersicherheiten vorgelegt. Der Beklagte zu
3. sei auch faktischer Geschäftsführer, da es nicht erforderlich sei, dass dieser die
formell bestellte Geschäftsführerin vollständig verdränge, sondern es genüge, dass er
die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich bestimme, wie hier unstreitig geblieben sei
und ggf. auch durch Zeugenbeweis zu belegen sei. Die Beklagten zu 2. und 3. hafteten
zudem aus vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Das Landgericht habe
ihren erstinstanzlichen Vortrag unberücksichtigt gelassen, sich fehlerhaft auf einen
anderen Sachverhalt gestützt und eine Haftung verneint. Es stelle eine sittenwidrige
Gläubigerschädigung dar, dass die Beklagten unter Ausnutzung ihrer Möglichkeiten zur
Beeinflussung der Gemeinschuldnerin am 28.03.2003 (rund 1.235.000 EUR) und
20.05.2003 (rund 113.000 EUR) vorrangig Zahlungen an solche Gläubiger auf Schulden
der Gemeinschuldnerin geleistet hätten, für deren Ausgleich sie sicherungshalber
(durch Bürgschaft bzw. Grundschuld) eine persönliche Haftung übernommen hätten,
und ihnen bekannt gewesen sei, dass danach kein Vermögen der Gemeinschuldnerin
mehr verblieben sei. Damit hätten sie einen Ausfall der Gesellschaftsgläubiger nicht nur
billigend in Kauf genommen, sondern seien dabei planmäßig vorgegangen. Diese zeige
auch die im Februar 2003 unter Vorlage eines Scheinmietvertrages beantragte
Sitzverlegung der Gesellschaft nach B, die der heimlichen Beseitigung der GmbH und
der Gläubigerbenachteiligung gedient habe. Bei einem pflichtgemäßen Hinweis hätten
sie ergänzend vorgetragen, dass die Beklagten zu 2. und 3. durch planvolles Vorgehen
im Ergebnis Vermögen in einem Gesamtwert von mehr als 1.438.000 DM aus der
Gesellschaft unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungs- und
Gläubigerschutzvorschriften gezogen hätten, obwohl diesem Vorteil kein
entsprechender Gewinn gegenübergestanden habe. Der Niedergang der GmbH habe
auch nicht auf der Realisierung branchenspezifischer Gefahren beruht, da erhebliche
Überschüsse erzielt worden seien und die vermeintlichen Verluste einzig aus dem
ständigen Vermögensentzug durch die Beklagten zu 2. und 3. beruhten. Zudem hätten
die Beklagten zu 2. und 3. im Rahmen des Amtslöschungsverfahrens pflichtwidrig nicht
mitgeteilt, dass die Beklagte zu 1. noch Vermögen (u.a. verschiedene Immobilien,
darunter die streitgegenständliche) besitze und zahlreiche Prozesse gegen sie
anhängig seien. Zur beabsichtigten Sitzverlegung hätten sie zudem widersprüchliche
Angaben gemacht.
Mit Schriftsatz vom 27.6.2008 haben die Kläger gegenüber den Beklagten zu 2. und 3.
im Rahmen einer Klageerweiterung / Anschlussberufung hilfsweise Ansprüche der
Beklagten zu 1. gegen die Beklagten zu 2. und 3. gemäß §§ 30, 31 GmbHG, § 823 BGB
bzw. wegen Verletzung ihrer Pflichten als Geschäftsführer oder Gesellschafter der
Beklagten zu 1. geltend gemacht. Sie verweisen auf den Pfändungsbeschluss gemäß §
720 a ZPO vom 09.06.2008 (H 4, 811 ff. GA) und ihre Vereinbarung mit dem
Nachtragsliquidator vom 20.5.2008 (H 3, 808 ff. GA). Zur Begründung beziehen sie sich
auf ihren bisherigen Vortrag zur Durchgriffshaftung und die Ausführungen des OLG
Hamm im Rechtsstreit 19 O 146/05 LG Essen = 8 U 116/07 OLG Hamm zur Haftung der
Beklagten zu 2. und 3. gegenüber der Beklagten zu 1. aus §§ 31, 30 GmbHG analog.
Ergänzend tragen sie vor:
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Die bilanzielle Überschuldung der Beklagten habe gemäß den Feststellungen im Urteil
des OLG Hamm mindestens 85.207,33 Euro betragen. Dieser Betrag sei auf mindestens
174.478,61 Euro anzuheben, weil in der vom OLG Hamm zu Grunde gelegte
Handelsbilanz zum 31.5.2002 Grundstücke überbewertet worden seien, und zwar eine
mit 49.801,78 Euro angesetzte Eigentumswohnung um 9.801,78 Euro, das mit
20.707,32 Euro angesetzte "Felsengrundstück" um 10.707,32 Euro, und weil
Aufwendungen von 68.762,18 Euro nicht berücksichtigt worden seien, die für unter den
Pos. "fertige Erzeugnisse und Waren" angegebenen zwei Einfamilienhäuser noch
notwendig gewesen seien. Ferner hätten in der Handelsbilanz für die
streitgegenständlichen Forderungen der Kläger, sowie die Forderungen der Frau
Schwarzer aus dem Prozess 19 O 146/05 LG Essen = 8 U 116/07 OLG Hamm und die
Forderungen der Eheleute G aus dem Verfahren 23 U 36/08 OLG Düsseldorf
Rückstellungen ausgewiesen werden müssen. Nach Abzug der vorrangigen
Pfändungen der Frau S und der Eheleute G verbliebe damit eine Verbindlichkeit der
Beklagten zu 2. und 3 gegenüber der Beklagten zu 1., die die Klageforderung
übersteige. Der Hilfsantrag beinhalte keine Klageänderung i.S.v. § 533 ZPO. Es
handele sich vielmehr um einen Fall des § 264 Nr. 2 ZPO. Im übrigen wäre eine
Klageänderung sachdienlich, weil sie auf Tatsachen gestützt werden könnte, die das
Berufungsgericht ohnehin zu Grunde zu legen habe und ein weiterer Prozess
vermieden werden könne. Die von den Beklagten zu 2. und 3 erhobene Rüge des
Mangels der örtlichen Zuständigkeit sei nicht berechtigt. Dieser Rüge stehe schon
10
§ 513 Abs. 2 ZPO entgegen. Im übrigen ergebe sich die Zuständigkeit des LG und OLG
Düsseldorf aus § 22 ZPO. Die Vereinbarung mit dem Nachtragsliquidator vom
20.5.2008 sei gemäß § 185 I BGB wirksam.
11
Die Kläger beantragen,
12
das Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an sie 56.478,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2001 zu zahlen, die Berufung
der Beklagten zurückzuweisen,
13
hilfsweise im Wege der Anschlussberufung / Klageerweiterung
14
1.
15
die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an sie 56.478,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2001 zu
zahlen,
16
2.
17
die Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte zu
1., vertreten durch den Nachtragsliquidator, Herrn Steuerberater C S, F. 51, W,
56.478,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 18.12.2001 zu zahlen,
18
Die Beklagte zu 1. beantragt,
19
das Urteil teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie zu einem
Betrag von mehr als 5.641,67 EUR verurteilt worden sei.
20
Die Beklagten zu 1. bis 3 beantragen,
21
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
22
Die Beklagte zu 1. trägt zur Begründung ihrer Berufung und zur Erwiderung auf die
gegen sie gerichtete Berufung der Kläger unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen vor: Ein Verstoß gegen die MaBV liege nicht vor. Die in Abweichung von § 3
Abs. 2 MaBV getroffene Abschlagszahlungsvereinbarung benachteilige die Kläger nicht
im Sinne von § 12 MaBV, da die erste und letzte Rate vollständig der MaBV
entsprächen und die restlichen Raten nach Baufortschritt flexibel gestaltet seien. Die
sechste Rate (Bezugsfertigkeitsrate) sei geringer als von der MaBV vorgesehen. Die
Fassadenarbeiten seien bereits in die vierte Rate eingearbeitet. Es seien auch keine
Arbeiten in einer Rate doppelt berücksichtigt worden, Fensterbänke und Rollläden
gehörten - schon wegen der üblichen Bauabläufe - nicht automatisch zum
Fenstereinbau. Selbst wenn hinsichtlich der fünften Rate ein Verstoß gegen §§ 3, 12
MaBV vorliegen sollte, stehe über 6 % der Gesamtsumme hinausgehenden Ansprüchen
der Kläger aus §§ 812 ff. BGB die Ausschlussvorschrift des § 813 Abs. 2 BGB entgegen,
da es eines Rückforderungsanspruches nicht bedürfe, weil der von der MaBV
bezweckte Schutz des Erwerbers im Einzelfall bereits verwirklicht sei. Das Landgericht
habe fehlerhaft angenommen, § 813 Abs. 2 BGB trete in vollem Umfang zurück, weil
sich ein Bereicherungsanspruch im Hinblick auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MaBV aus der
fehlenden Baugenehmigung für das Dachgeschoss ergebe. Im Kaufvertrag sei indes
nicht geregelt, dass den Klägerin ein ausgebautes Dachgeschoss zustehe oder sie - die
Beklagte zu 1. - insoweit eine Baugenehmigung schulde oder die Nutzbarkeit des
Dachgeschosses zu Wohnzwecken zugesichert habe. Die von ihr allein geschuldete
Ausbaureserve sei nicht einmal im Kaufvertrag geregelt; man könne sie nur als Zugabe
bezeichnen, für welche die MaBV nicht gelte und für die eine Baugenehmigung bereits
im Zeitpunkt der Übergabe des Hauses bzw. der Entgegennahme von Geldern nicht von
ihr geschuldet sei. Die Formulierung "Reserve" impliziere, dass ein Aubau erst später
stattfinden solle und demgemäß eine Baugenehmigung "zur Not" auch nachgereicht
werden könne. Entscheidend sei nur die Genehmigungsfähigkeit. Sie, die Beklagte zu
1., bzw. ihre Geschäftsführerin hätten keine positive Kenntnis von einem
23
Gesetzesverstoß gehabt, zumal sie hier zum ersten und einzigen Mal eine
Bauträgermaßnahme durchgeführt und sich auf den Notar verlassen habe. Da die
Kläger ihre Gründe haben würden, das Dachgeschoss nicht auszubauen, scheide auch
eine verschärfte Haftung aus. Da die Kläger am 04.06.1999 ein nahezu fertiges und am
18.08.1999 an sie übergebenes Haus gekauft hätten, seien sie hinsichtlich eines
Ratenplanes gemäß MaBV nicht schutzwürdig gewesen. Ziehe man von dem vom
Landgericht zuerkannten Schadensersatzanspruch von 12.979,25 Euro den
Restkaufpreis von 4.890,58 Euro und den unstreitig für die Kläger verauslagten
Grundbesitzabgaben von 2.447 EUR, die im übrigen von der Eigentumsübertragung
unabhängig seien, ab, schuldeten sie den Klägern nur noch 5.641,67 EUR.
Die Beklagten zu 2. und 3. tragen zur Erwiderung auf die Berufung der Kläger vor: Die
Voraussetzungen einer Haftung unter dem Gesichtspunkt der Vermögensvermischung
lägen nicht vor, da damit - kurz und plakativ gesagt - nur Fälle gemeint seien, in denen
allenfalls eine "Schuhkarton-" bzw. "Waschkorblagen-" Buchhaltung geführt werde,
wovon hier nicht auszugehen sei. Zu dieser streitigen Frage sei beiderseits bereits in 1.
Instanz ausführlich vorgetragen worden. Das Landgericht habe - ohne Anlass zu
Hinweisen - zutreffend darauf abgestellt, dass aus dem klägerischen Vorbringen nicht
folge, dass das Vermögen der Beklagten zu 2./3. bzw. der Beklagten zu 1. schlechthin
nicht mehr unterscheidbar gewesen sei. Der weitergehende Vortrag der Kläger sei
verspätet und gemäß § 531 Abs. 2, 529 ZPO nicht zuzulassen. Selbst wenn er
zuzulassen sei, sei unstreitig, dass die Beklagte zu 1. über eine kontrollierte
Buchhaltung verfügt habe, auf deren Zahlenwerk die Kläger auch selbst umfangreich
Bezug nähmen. Zudem seien die Jahresabschlüsse im Rahmen durchgehender
steuerlicher Beratung durch den Steuerberater Drescher aufgestellt worden. Es sei auch
nicht Sinn und Zweck der Rechtsfigur der Vermögensvermischung, eine etwaige
Verletzung einzelner Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung mit einer
Haftungserstreckung auf die Gesellschafter zu sanktionieren; andernfalls werde § 13
Abs. 2 GmbHG ausgehöhlt, da ein Streit über Bewertungsspielräume oder die Höhe
zulässiger Entnahmen ansonsten zu einer unbeschränkten Außenhaftung der
Gesellschafter führe. Aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters ergebe
sich, dass diesem die Sicherheiten bekannt gewesen seien, er aber Ansprüche aus
Eigenkapitalersatzrecht deshalb nicht weiterverfolgt habe, weil es an dem zusätzlichen
insolvenzrechtlichen Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung bzw. Inkongruenz und
mithin Anfechtungsansprüchen offensichtlich gefehlt habe. Da die Buchhaltung der
Beklagten zu 1. geeignet sei, die Voraussetzungen von Eigenkapitalersatzansprüchen
prüfen und (wie das Urteil des OLG Hamm vom 09.01.2008, 8 U 116/07, im Parallelfall
der Erwerber S zeige) ggf. erfolgreich geltend machen zu können, sei der Schutzzweck
der Rechtsfigur der Vermögensvermischung hier nicht erfüllt, so dass es ihrer
Anwendung nicht bedürfe; andernfalls werde um einen Hinweis des Senats gebeten.
Zudem könne ihre Haftung aus dem Gesichtspunkt der Vermögensvermischung nicht
weitergehen als die Haftung der Beklagten zu 1., da diese Rechtsfigur allenfalls zu einer
Haftung analog §§ 128, 129 HGB führe. Der BGH habe im übrigen mit dem Urteil vom
16.07.2007 (II ZR 3/04, dort Rn 17) jegliche Form der Außenhaftung oder
Haftungserstreckung auf die Gesellschafter - insbesondere aus § 826 BGB
(einschließlich Rechtsformmissbrauch als Unterfall der Existenzvernichtungshaftung) -
mit Ausnahme der o.a. Vermögensvermischung eine Absage erteilt. Als Gesellschafter
hafteten sie aus §§ 823 Abs. 2 BGB, §§ 64, 84 GmbHG ohnehin nicht; der Beklagte zu 3.
sei auch nicht faktischer Geschäftsführer gewesen. Ein vermeintlicher Quotenschaden
im Rahmen von §§ 823 Abs. 2 BGB, §§ 64, 84 GmbHG sei von den Klägern nicht
hinreichend begründet worden. Hierfür hätten sie zumindest eine hypothetische Ist-
24
Masse bei rechtzeitigem Insolvenzantrag abzüglich Soll-Ab- bzw. Aussonderungsrechte
sowie abzüglich hypothetische Kosten und Massenverbindlichkeiten des Sollverfahrens
ermitteln und die so ermittelte Teilungsmasse ins Verhältnis zu den damaligen
Gesamtverbindlichkeiten setzen müssen. Der Hilfsantrag aus dem Schriftsatz der Kläger
vom 27.6.2008 beinhalte eine Klageänderung, deren Zulassung nicht sachdienlich sei.
Es fehle an der örtlichen Zuständigkeit des LG Wuppertal / OLG Düsseldorf. Außerdem
sei die Frage der freien Spitze, d.h. die Frage, in welchem Umfang sie der Beklagten zu
1. gegenüber wegen Befreiung von eigenkapitalersetzenden Sicherheiten betragsmäßig
hafteten, streitig. Schließlich berechtige die Forderungspfändung gemäß § 720 a ZPO
nicht zur Einziehung der Forderung; die Vereinbarung der Kläger mit dem
Nachtragsliquidato sei gemäß §§ 135, 136, 185 BGB unwirksam.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
25
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26
A.
27
Die Berufung der Kläger und der Beklagten zu 1. ist zulässig.
28
I.
29
Der Zulässigkeit der Berufung der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1. steht nicht
entgegen, dass sie keinen über die vom Landgericht zuerkannten 56.478,91 EUR
hinausgehenden Hauptsachebetrag, sondern lediglich geltend machen, dass ihnen ein
darin enthaltener Teilbetrag von 12.979,25 EUR nicht (wie vom Landgericht
angenommen) als Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB a.F., sondern als (über den
vom Landgericht insoweit zuerkannten Teilbetrag von 43.499,96 EUR hinausgehender)
Anspruch aus §§ 817, 818 BGB auf Herausgabe der Nutzungsvorteile auf die von ihnen
geleisteten Kaufpreiszahlungen zuerkannt wird. Dadurch, dass das Landgericht die
Haupt-/Hilfsanträge in anderer Reihenfolge als von den Klägern formuliert zuerkannt
hat, sind die Kläger durch Teilabweisung ihres Hauptantrages in Höhe von 12.978,95
EUR beschwert.
30
II.
31
Die in 2. Instanz gegenüber den Beklagten zu 2. und 3. hilfsweise vorgenommene
Klageerweiterung ist zulässig. Der Hilfsantrag beinhaltet zwar entgegen der Annahme
der Kläger eine Klageänderung, da mit der Inanspruchnahme der Beklagten aus
gepfändetem Recht der Beklagten zu 1. gegenüber den hauptsächlich geltend
gemachten Ansprüchen aus eigenem Recht der Kläger ein anderer Streitgegenstand
eingeführt wird (BGH Urteil vom 25.02.1999, III ZR 53/98, NJW 1999, 1407). Die
Klageänderung ist jedoch gemäß § 533 ZPO als sachdienlich zuzulassen.
32
Die in diesem Zusammenhang erhobene Zuständigkeitsrüge der Beklagten zu 2. und 3.
ist nicht gerechtfertigt. Abgesehen davon, dass § 513 Abs. 2 ZPO dieser Rüge
entgegensteht, fiele auch eine Klage der Beklagten zu 1. bzw. ihres Insolvenzverwalters
gegen die Beklagten zu 2. und 3. auf Rückgewähr kapitalersetzender Leistungen in den
Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Wuppertal, und zwar gemäß § 22 ZPO (vgl.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.1.1998, 4 W 169/97, BB 1998, 389; OLG München,
33
Urteil vom 27.7.2006,
7 U 2287/06, ZIP 2006, 2402).
34
Die Zulassung des Hilfsantrags ist sachdienlich i.S.v. § 533 Nr. 1 ZPO, weil hiermit ein
weiterer Prozess vermieden werden kann. Der Hilfsantrag kann gemäß § 533 Nr. 2 ZPO
auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung
über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat. Dabei kann offen
bleiben, ob der Hilfsantrag auch mit neuen Tatsachen begründet ist. Neue unstreitige
Tatsachen sind im Berufungsrechtszug gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO stets
zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 6.12.2004,
35
II ZR 394/02, MDR 2005, 588 zur Zulassung einer Widerklage im 2. Rechtszug). Hier
können die Kläger ihren Hilfsantrag gegenüber den Beklagten zu 2. und 3. mit
Tatsachen begründen, die gemäß § 138 ZPO als unstreitig zu behandeln sind, weil sie
von den Beklagten nicht substantiiert bestritten worden sind (dazu unter B. IV.). 1.).
36
Die Kläger sind in Bezug auf ihren gegen die Beklagten zu 2. und 3. gerichteten
Hilfsantrag aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft prozessführungsbefugt. Das dazu
notwendige schutzwürdige Eigeninteresse der Kläger (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26.
Auflage 2007, Vor § 50, Rn 44 mwN) folgt daraus, dass sie ein wirtschaftliches Interesse
daran haben, dass die Beklagte zu 1. (bzw. deren Nachtragsliquidator) im
Innenverhältnis Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG gegen die Beklagten zu 2. und 3. als
ihre ehemaligen Gesellschafter durchsetzt, da es sich dabei um den letzten und
alleinigen Vermögenswert der Beklagten zu 1. handelt, aus dem die Kläger ihre
Ansprüche realisieren können. Im Zeitpunkt der Vereinbarung/Ermächtigung zur
Prozessführung durch den Nachtragsliquidator der Beklagten zu 1. vom 20.05.2008
bestand für die Beklagte zu 1. zwar durch den am 06.05.2008 zugestellten Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss im Rahmen einer Sicherungsvollstreckung gemäß § 720 a
ZPO ein Verfügungsverbot (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO), das ihr indes nur Verfügungen
zum Nachteil des Vollstreckungsgläubigers im Sinne eines relativen Verfügungsverbots
gemäß §§ 135, 136 BGB untersagte (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 26. Auflage 2007, § 829,
Rn 18 mwN); die Vereinbarung/Ermächtigung zur Prozessführung vom 20.05.2008 ist
hingegen für die Kläger vorteilhaft. Der Einwand der Beklagten, die Beschränkung der
Sicherungsvollstreckung gemäß § 720 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, die ohne
Sicherheitsleistung gemäß § 930 Abs. 2 ZPO nur zur Hinterlegung ermächtigt, werde
durch die gewillkürte Prozessstandschaft gemäß Vereinbarung vom 20.05.2008
umgangen, ist nicht gerechtfertigt, da eine Einziehung der Forderung aus §§ 30, 31
GmbHG im Sinne einer Befriedigung der Kläger damit insoweit nicht verbunden ist, als
die Kläger Zahlung der Beklagten zu 2. und 3. nicht an sich selbst sondern an die
Beklagte zu 1. (bzw. deren Nachtragsliquidator) verlangen.
37
B
.
38
Die Berufungen der Kläger und der Beklagten zu 1. haben in der Sache jeweils
teilweise Erfolg. In dem Umfang der Abänderung beruht die Entscheidung des
Landgerichts auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO); die nach § 529 ZPO zu Grunde
zu legenden Tatsachen rechtfertigen insoweit eine andere Entscheidung.
39
Auf das Vertragsverhältnis der Parteien ist gemäß Art. 229 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB
das bis zum 31.12.2001 geltende Schuldrecht anzuwenden.
40
Den Klägern steht gegen die Beklagte zu 1. ein Anspruch auf Herausgabe von
Nutzungsvorteilen/Zinsen auf von der Beklagten zu 1. zu Unrecht vereinnahmte
Abschlagszahlungen (nur) für die Zeit bis zur Zustellung ihrer Klageschrift (18.12.2001),
mit der sie Kaufpreisminderung und Schadensersatz begehrt haben, in Höhe von
44.395,60 Euro zu. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 817, 818 BG; hierauf stehen den
Klägern Zinsen zu.
41
Die Differenz zwischen dem Hauptantrag von 56.478,91 Euro und dem vorgenannten
Anspruch von 44.395,60 Euro, also 12.083,31 Euro, steht den Klägern (nebst Zinsen)
gemäß § 635 BGB a.F. wegen Mängeln des Dachgeschosses zu. Das Landgericht hat
diesen in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten Anspruch in etwas höherem
Umfang den Klägern zuerkannt. Diese von der Beklagte zu 1. nur mit ihrer bereits
erstinstanzlich erklärten, vom Landgericht aber nicht anerkannten Aufrechnung
angegriffene Entscheidung des Landgericht bleibt also in der Höhe unberührt, in der die
Kläger ihren Hauptantrag nicht bis zur Höhe von 56.478,91 Euro erfolgreich durchsetzen
können. Der Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 635 BGB a.F. ist auf Grund
der berechtigen Aufrechnung der Beklagten mit einer restlichen Kaufpreisforderung von
4.890,58 Euro und einem Anspruch auf Erstattung verauslagter Grundbesitzabgaben
von 2.447 Euro bis auf einen Restbetrag von 4.745,73 Euro gemäß § 389 BGB
erloschen. Gegenüber den Beklagten zu 2. und 3. steht den Klägern nach ihrem
Hilfsantrag aus abgeleitetem Recht der Beklagten zu 1. ein Schadensersatzanspruch
analog §§ 30, 31 GmbHG zu; eigene Ansprüche der Kläger gegen die Beklagten zu 2.
und 3. sind dagegen nicht gerechtfertigt.
42
I.
43
Anspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 1. aus §§ 817, 818 BGB auf Herausgabe
der Nutzungen der von den Klägern geleisteten Abschlagszahlungen
44
Dieser Anspruch ist grundsätzlich gerechtfertigt, weil der Bauträgervertrag gegen die
MaBV verstößt. Der Höhe nach ist der Anspruch für die Zeit bis zum 18.12.2001, dem
Tag der Zustellung der Klageschrift (18.12.2001), beschränkt, weil an diesem Tag auf
Grund der von den Klägern mit der Klageschrift verfolgten Schadensersatz- und
Minderungsansprüchen zwischen den Vertragsparteien ein Abrechnungsverhältnis
entstand. Die restliche Kaufpreisforderung der Beklagten wurde hiermit fällig, ohne dass
es der Abnahme ihres Werkes bedurfte.
45
1.
46
Ist der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die
Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, so ist der Empfänger zur Herausgabe
verpflichtet (§ 817 Satz 1 BGB). Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auch
auf die gezogenen Nutzungen (§ 818 Abs. 1 BGB). Zu den aus Abschlagszahlungen als
Bereicherungsgegenstand gezogenen Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB
gehören auch die Zinsersparnisse, die der Bauträger dadurch hatte, dass er mit dem
verbotswidrig (entgegen MaBV) erhaltenen Geld seine Bankverbindlichkeiten
zurückgezahlt hat (BGH, Urteil vom 06.03.1998, V ZR 244/96, BGHZ 138, 160; OLG
München, Urteil vom 17.06.1999, 19 U 6498/98, NJW-RR 2001, 13 mit Anm. Kniffka
NZBau 2000, 552; OLG Koblenz, Urteil vom 18.12.1988, 10 U 362/98, NJW-RR 1999,
671; vgl. auch Senat, Urteil vom 04.06.2004,
47
23 U 29/04, BeckRS 2004, 07533, dort zu Rn 8; Basty, Bauträgervertrag, 5. Auflage
2005, Rn 81). Deren Höhe ist hier mit 7,5 % p.A. in beiden Instanzen unstreitig. Die
MaBV ist ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 817 BGB (BGH, Urteil vom
22.12.2000, VII ZR 310/99, BGHZ 146, 257; BGH, Urteil vom 22.03.2007,
48
VII ZR 268/05, BauR 2007, 1235). Der streitgegenständliche Bauträgervertrag unterfällt
der MaBV. Die Beklagte zu 1. war zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Bauträgervertrages Eigentümerin des zu bebauenden Grundstücks. Der
Berufungseinwand der Beklagten zu 1., die Kläger seien hinsichtlich eines Ratenplanes
gemäß MaBV nicht schutzwürdig gewesen, da sie am 04.06.1999 ein nahezu fertiges
und am 18.08.1999 an sie übergebenes Haus gekauft hätten, ist nicht gerechtfertigt.
Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Kläger bedurfte es im
Vertragszeitpunkt noch erheblicher Fertigstellungsmaßnahmen. Zudem weisen die
Kläger zutreffend darauf hin, dass sich der Schutzzweck der MaBV nicht nur auf die
Herstellung des Bauwerks, sondern auch auf die Sicherung einer lastenfreien
Eigentumsverschaffung an einem genehmigten Vertragsobjekt bezieht.
49
2. Der Bauträgervertrag enthält einen gegen § 3 Abs. 2 MaBV verstoßenden
Zahlungsplan. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 2 MaBV (in der seit 01.06.1997
geltenden Fassung) dürfen Gewerbetreibende, zu denen die Beklagte zu 1. gehörte, die
Vermögenswerte in bis zu sieben Teilbeträgen entsprechend dem Bauablauf
entgegennehmen oder sich zu deren Verwendung ermächtigen lassen. Die Teilbeträge
können aus den aus der nachfolgenden Tabelle, dort linke Spalte, ersichtlichen
Teilbeträgen zusammengesetzt werden. Der Bauträgervertrag sieht demgegenüber vor,
dass die Beklagte die Vermögenswerte in sechs Teilbeträgen/Raten entsprechend der
nachfolgenden Tabelle, dort rechte Spalte, fordern konnte .
50
Teilb. MaBV Rate Bauträgervertrag
51
1 30 % Beginn Erdarbeiten 1 30 % Beginn Erdarbeiten
52
2 40 % Rohbaufertigstellung 2 28 % Rohbaufertigstellung
53
incl. Zimmererarbeiten incl. Zimmerarbeiten
54
3 8 % Dachflächen/Dachrinnen 3 18,9 % Dachflächen und
55
Rinnen, Rohinst. Heizung +
56
Sanitär + Elektro, Fenstereinb.
57
ohne Verglasung
58
4 3 % Rohinst. Heizung
59
5 3 % Rohinst. Sanitär
60
6 3 % Rohinst. Elektro
61
7 10 % Fenstereinbau/Verglasung
62
8 6 % Innenputz excl. Beiputz 4 8,4 % Innenputz excl. Beiputz
63
Fassadenarbeiten/Estrich
64
9 3 % Estrich
65
10 4 % Fliesenarb. Sanitärbereich 5 8,8 % Fliesenarb. Sanitärber.
66
Einbau Rolläden, Haustüre,
67
Fensterbänke, Treppen
68
11 12 % Bezugsfert. Zug um Zug gegen 6 2,4 % nach Ausführung der
69
Besitzübergabe restlichen noch verbleibenden
70
Arbeiten, um die Bezugsfertig-
71
keit herzustellen und Zug um Zug gegen
Besitzübergabe
72
12 3 % Fassadenarbeiten
73
13 5 % vollst. Fertigstellung 7. 3,5 % nach vollst. Fertigstellung
74
Zu beachten ist dabei, dass die MaBV ab dem 2. Teilbetrag die Prozentsätze von der
"restlichen Vertragsumme" (d.h. hier 70 %) bildet, der Bauträgervertrag hingegen vom
Gesamtkaufpreis (d.h. von 100 %). Aus § 3 Abs. 2 MaBV ergibt sich die maximal
zulässige Teilzahlung zum jeweiligen Baustadium. Die Vorschrift benennt nur den
Rahmen des gewerberechtlichen "Dürfens" und "Könnens". Sie ist nur insofern
zwingend, als sich aus ihr die Höchstsätze ergeben, die der Bauträger beim jeweiligen
Bautenstand entgegennehmen darf. Beliebige/flexible Zusammenstellungen von Raten
aus den insgesamt vorgesehen 13 Bauabschnitten - auch in anderer zeitlicher
Reihenfolge - sind zulässig, solange nur die Höchstsätze nicht überschritten werden, die
der Bauträger unter Berücksichtigung des Bautenstandes nach den Prozentsätzen von §
3 Abs. 2 MaBV (oder entsprechenden Teilsummen dieser Prozentsätze)
entgegennehmen darf (vgl. Basty, a.a.O., Rn 435-437, 441 ff. mwN).
75
Nach den Regelungen im Bauträgervertrag der Parteien werden die Höchstsätze, die
der Bauträger nach der MaBV beim jeweiligen Bautenstand entgegennehmen darf,
überschritten. Danach sind in den ersten fünf Raten die in § 3 Abs. 2 MaBV im einzelnen
umschriebenen Leistungsteile mit einem Prozentsatz von insgesamt 94,1 % (nämlich
100 % ./. 3,5 % ./. 2,4 %) erfasst. Nach der MaBV ist aber für die Summe der
Leistungsteile gemäß o.a. Teilbeträgen 1 bis 10 und 12 nur ein Prozentsatz von
maximal 88,1 % der Gesamtvergütung (nämlich 100 ./. <70 x 5 % => 3,5 % ./. <70 x 12 %
=> 8,4 %) maximal zulässig. Der Berufungseinwand der Beklagten zu 1., die hier
vereinbarte flexible Fälligkeitsregelung orientiere sich am Bauablauf und gehe nicht
zum Nachteil des Erwerbers, da die erste Rate (30 %) und letzte Rate (3,5 %)
vollständig und die restlichen Raten - nach Baufortschritt - insoweit flexibel gestaltet
worden seien, als die 6. Rate (bei Bezugsfertigkeit/Besitzübergabe) mit 2,4 %
76
wesentlich geringer sei, als von der MaBV vorgesehen, und die Fassadenarbeiten
bereits in die vierte Rate eingearbeitet sei, ist dementsprechend unbegründet. Auch auf
eine etwaige doppelte Berücksichtigung von Arbeiten in der Beschreibung der im
Bauträgervertrag vereinbarten Raten kommt es nicht an, da sich aus § 3 Abs. 2 MaBV
die maximal zulässige Teilzahlung zum jeweiligen Baustadium ergibt. Eine
Unterschreitung der Höchstsätze ist zwar zulässig (Basty, a.a.O., Rn 435 mwN); eine
Unterschreitung der Höchstsätze der MaBV bei der Rate nach Bezugsfertigkeit
(Teilbetrag 11 gemäß § 3 Abs. 2 MaBV bzw. hier 5. Rate des Bauträgervertrages)
und/oder bei der Rate nach vollständiger Fertigstellung (Teilbetrag 13 gemäß § 3 Abs. 2
MaBV bzw. hier 6. Rate des Bauträgervertrages) impliziert aber, dass bei den
vorherigen Teilbeträgen bzw. deren Zusammenfassung zu Raten die Höchstsätze von §
3 Abs. 2 MaBV zwangsläufig überschritten worden sind und der Erwerber in seinen
Sicherungsrechten/Zurückbehaltungsrechten und im Schutz gegen eine dem
tatsächlichen Bautenstand nicht entsprechende Vorleistung benachteiligt ist.
Rechtsfolge einer Abweichung vom § 3 Abs. 2 MaBV zu Lasten des Erwerbers ist, dass
die gesamte Zahlungsvereinbarung nach § 12 MaBV i.V.m. § 134 BGB nichtig ist (BGH,
Urteil vom 22.12.2000, VII ZR 310/99, BGHZ 146, 257; BGH, Urteil vom 22.03.2007, VII
ZR 268/05, BauR 2007, 1235). Die infolge der Nichtigkeit der Zahlungsvereinbarung
entstandene Lücke kann nicht durch Rückgriff auf § 3 Abs. 2 MaBV geschlossen
werden. An die Stelle der nichtigen Vereinbarung tritt vielmehr
77
§ 641 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 22.12.2000, VII ZR 310/99, BGHZ 146, 257; BGH,
Urteil vom 22.03.2007, VII ZR 268/05, BauR 2007, 1235); der übrige Vertragsinhalt
bleibt aber von der Nichtigkeit der Abschlagszahlungsvereinbarung unberührt (BGH,
a.a.O.). In diesem Fall gilt das Werkvertragsrecht des BGB in der hier maßgeblichen
Fassung, das bis zum 01.05.2000 (d.h. der Einführung des § 632 a BGB durch das
Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12.
Auflage 2008, Rn 1218/1337) keine Vorschrift über Abschlagszahlungen enthielt, so
dass die Forderungen des Unternehmers/Bauträgers grundsätzlich erst gemäß § 641
Abs. 1 BGB nach Abnahme des Objekts fällig werden.
78
3.
79
Die subjektiven Voraussetzungen des § 817 BGB (dazu Palandt-Sprau, BGB, 67.
Auflage 2008, § 817 Rdn.8) sind ebenfalls erfüllt. Bewusst handelt bereits derjenige, der
leichtfertig vor dem Verbotensein seines Handelns die Augen verschließt (BGH Urteil
vom 15.6.1989, III ZR 9/88, NJW 1989, 3217). Die Kenntnis der MaBV gehört zum
Kernbereich des Fachwissens eines Bauträgers; zudem ist die MaBV im Notarvertrag
mehrfach erwähnt. Die Beklagte zu 1. kann sich dem Vorwurf der Leichtfertigkeit nicht
mit der Behauptung entziehen, sie habe hier zum ersten und einzigen Mal eine
Bauträgermaßnahme durchgeführt und sich auf den Notar verlassen. Im Hinblick auf die
diversen Parallelverfahren betraf diese Bauträgermaßnahme mehrere Häuser und hatte
somit einen erheblichen Umfang. Die Beklagte zu 1. muss sich das Wissen der
Beklagten zu 2., ihrer ehemaligen Geschäftsführerin, als Abschlussvertreterin zurechnen
zu lassen (§ 166 BGB, vgl. OLG München, Urteil vom 17.06.1999, 19 U 6498/98, NJW-
RR 2001, 13 mit Anm. Kniffka NZBau 2000, 552).
80
4. Die Vorschrift des § 813 Abs. 2 BGB steht dem zuerkannten Anspruch nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist für den Fall, dass eine "betagte" Verbindlichkeit (d.h. eine
entstandene Verbindlichkeit, die aber ganz oder teilweise nicht fällig oder nicht
81
durchsetzbar ist, vgl. Palandt-Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 813, Rn 5) vorzeitig
erfüllt wird, die Rückforderung ausgeschlossen und die Erstattung von Zwischenzinsen
kann nicht verlangt werden. Die Kläger haben sämtliche Zahlungen auf eine Forderung
geleistet, die im Zahlungszeitpunkt mangels eines wirksam vereinbarten Zahlungsplans
noch nicht fällig waren. Ginge es in einem solchen Fall nur um eine vorzeitige Leistung
auf eine betagte Forderung, so würde einem bereicherungsrechtlichen
Rückforderungsanspruch grundsätzlich § 813 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Bei den
Zahlungen, die der MaBV widersprechen, ist jedoch zu berücksichtigen, dass der
Bauträger durch Entgegennahme dieser Vermögenswerte gegen ein gesetzliches
Verbot im Sinne von § 134 BGB verstoßen hat und daher einem
bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch aus § 817 Abs. 1 BGB ausgesetzt
ist. Da das Verbotsgesetz gerade die Entgegennahme von Zahlungen auf eine betagte
Forderung verbietet, solange die Fälligkeitsvoraussetzungen noch nicht vorliegen, findet
die Regelung des § 813 Abs. 2 BGB keine Anwendung, soweit sie den vom
Verbotsgesetz bezweckten Schutz des Erwerbers ausschalten würde (BGH, Urteil vom
22.03.2007, VII ZR 268/05, BauR 2007, 1235 unter Bezugnahme auf Kniffka NZBau
2000, 552, 553). Die Regelung in § 813 Abs. 2 BGB kann jedoch nur insoweit
zurücktreten, als dies im Hinblick auf Sinn und Zweck des genannten Verbotsgesetzes
gerechtfertigt ist. Soweit der vorrangige Schutz des Erwerbers die Rückzahlung der vor
Fälligkeit geleisteten Zahlungen nicht gebietet, verbleibt es beim gesetzlichen
Ausschluss des Kondiktionsanspruchs (BGH, Urteil vom 22.03.2007, VII ZR 268/05,
BauR 2007, 1235; vgl. auch OLG Stuttgart, n. rk. Urteil vom 13.06.2006, 5 U 198/05,
BauR 2007, 406 mit abl. Anm. Weise, NJW-Spezial 2006, 309).
Nach den vorstehenden Ausführungen gebietet der von der MaBV bezweckte Schutz
der Kläger, § 813 Abs. 2 BGB bis zur Fälligkeit der Werklohnforderung der Beklagten zu
1. nicht anzuwenden. Die Werklohnforderung ist mit der Zustellung der Klageschrift am
18.12.2001 fällig geworden, weil die Kläger mit der Klageschrift die weitere Erfüllung
des Vertrages abgelehnt und Schadensersatz bzw. Minderung verlangt haben. Mit der
Wahl von Minderung oder Schadensersatz und Mitteilung davon an den Unternehmer
wird der Werklohn ohne Abnahme fällig (BGH, Urteil vom 23.11.1978, VII ZR 29/78,
NJW 1979, 549; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.11.1998, 5 U 84/98, BauR 1999, 494;
BGH, Urteil vom 10.10.2002, VII ZR 315/01, BauR 2003, 88; BGH, Urteil vom
23.06.2005, VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274). Es wird ein Abrechnungsverhältnis
begründet, in das der (restliche) Vergütungsanspruch des Auftragnehmers und etwaige
Schadensersatz- und / oder Minderungsansprüche des Auftragnehmers einzusetzen
und bei dem etwaige Zurückbehaltungsrechte des Auftragnehmers wegen noch
fehlender lastenfreier Eigentumübertragung zu berücksichtigen sind. Mit dem Begriff
"Abrechnungsverhältnis" ist nicht zum Ausdruck gebracht, dass Forderung und
Gegenforderung nicht den Regeln zur Aufrechnung unterliegen und
Aufrechnungsverbote keine Bedeutung haben (BGH, Urteil vom 23.06.2005, a.a.O.; vgl.
auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Auflage 2008, Rn 1337 mwN; Kuffer/Wirth-
Bearb., Handbuch des Fachwanwalts für Bau- und Architektenrecht, 2. Auflage 2008,
3.Kap., Teil A, Rn 77 mwN). Die Kläger hätten das Abrechnungsverhältnis nur
vermeiden können, wenn sie die weitere Erfüllung des Vertrages oder das
Rückgängigmachen des Vertrages durch Rücktrittserklärung oder die Geltendmachung
des großen Schadensersatzanspruches gewählt hätten, was sie jedoch offenbar
deshalb nicht getan haben, weil über das Vermögen der Beklagte zu 1. das
Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Seit der Entstehung des Abrechnungsverhältnisses
bedürfen die Kläger nicht mehr des Schutzes der MaBV. Es hat sich hiermit der
Schutzzweck von § 3 Abs. 2 MaBV hinsichtlich eines unzulässigen
82
Ratenzahlungsplanes erledigt, weil nach Entstehung des Abrechnungsverhältnisses
Raten nicht mehr geschuldet werden. Mit der Entstehung eines
Abrechnungsverhältnisses hat sich auch der Schutzzweck des § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV,
gegen den die Beklagte zu 1. nach Auffassung der Kläger verstoßen hat, erledigt. Es
kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1. auch gegen § 3 Abs. 1 Nr. 4 MaBV
verstoßen hat. Die Kläger sind ausreichend dadurch geschützt, dass sie im Rahmen des
mit der Zustellung der Klageschrift entstandenen Abrechnungsverhältnisses wegen der
von ihnen gerügten Abweichungen des Hauses von den vertraglichen Vereinbarungen
Schadensersatz- und Minderungsansprüche geltend machen können. Auch der
Umstand, dass die Kläger erst am 15.10.2007 als Eigentümer ins Grundbuch
eingetragen wurden, rechtfertigt es nicht, ihnen über den 18.12.2001 hinaus Ansprüche
aus § 817, 818 BGB zuzuerkennen. Ihnen stehen seit dem 18.12.2001 gegen die
Beklagte zu 1. deren Restwerklohnforderung übersteigende Schadensersatz- bzw.
Minderungsansprüche zu, so dass sie ab diesem Zeitpunkt auch Anspruch auf
lastenfreie Eigentumsübertragung haben. Dieser Anspruch war vor und ist auch nach
Eintritt des Abrechnungsverhältnisses unter Beachtung der Anforderungen von § 3 Abs.
1 Nr. 2 und 3 MaBV hinreichend gesichert. Die Eigentumsübertragung ist gemäß § 3
Abs. 1 Nr. 2 MaBV durch die Regelung unter Ziffer XIII.2 des Bauträgervertrages durch
Eintragung einer Vormerkung gesichert worden. Auch die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3
MaBV über die Sicherung der Lastenfreistellung ist in dem Bauträgervertrag beachtet
worden. Die Vertragsparteien haben hierzu unter II.5.d. i.V.m. II.6 des
Bauträgervertrages u.a. vereinbart, dass Zahlungen auf den Kaufpreis gemäß der
nachstehenden Ziff. 6 (= Ratenplan) erst zu erfolgen haben, wenn dem beurkundenden
Notar die Unterlagen zur Sicherung der Freistellung des verkauften Grundbesitzes von
allen Belastungen vorliegen, die der Auflassungsvormerkung des Käufers im Range
vorgehen oder gleichstehen und nicht ausdrücklich übernommen werden. Weiter haben
die Parteien vereinbart, dass hinsichtlich der eingetragenen Grundschuld (über 2 Mio.
DM, vgl. zu I.1.) sowie der voraussichtlich noch einzutragenden Grundschulden
zugunsten der S W diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn dem Notar eine
Freistellungserklärung der Gläubigerin gemäß § 3 MaBV vorliegt, die auch den Fall
berücksichtigt, dass das Bauvorhaben nicht vollendet wird. Diese Regelungen genügen
den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaBV. Die Lastenfreistellung ist damit
dergestalt sichergestellt, dass es einer Mitwirkung des Bauträgers bzw. Liquidators nicht
mehr bedarf, vielmehr der Notar im Rahmen der Vertragsabwicklung und
Lastenfreistellung treuhänderische Funktionen ausübt.
5.
83
Der zuerkannte Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen errechnet sich wie folgt:
84
7,5 % Zinsvorteil aus 438.787 DM vom 06.07.1999 bis 30.04.2000:
85
299 Zinstage x 32.909,03 DM Jahreszins : 365 x 299 = 26.958,36 DM bzw. 13.783,59
EUR
86
7,5 % Zinsvorteil aus 438.787 DM vom 01.05.2000 bis 18.12.2001:
87
597 Zinstage x 32.909,03 DM Jahreszins : 365 x 597 = 53.826,55 DM bzw. 27.521,07
EUR
88
7,5 % Zinsvorteil aus 34.983 DM vom 30.08.1999 bis 30.04.2000:
89
244 Zinstage x 2.623,73 DM Jahreszins : 365 x 244 = 1.753,95 DM bzw. 896,77 EUR
90
7,5 % Zinsvorteil aus 34.983 DM vom 01.05.2000 bis 18.12.2001:
91
597 Zinstage x 2.623,73 DM Jahreszins : 365 x 597 = 4.291,42 DM bzw. 2.194,17 EUR
92
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------
93
Zwischensumme bis 30.04.2000 (13.783,59 + 896,77 EUR) 14.680,36 EUR
94
Zwischensumme ab 01.05.2000 (27.521,07 + 2.194,17 EUR) 29.715,24 EUR
95
Gesamtsumme 06.07.1999 bis 18.12.2001 44.395,60 EUR
96
(statt vom Landgericht auf den Hauptantrag zuerkannter 43.499,66 EUR)
97
II.
98
Aufrechnung der Beklagten zu 1. mit Gegenansprüchen in Höhe von 4.890,58 Euro und
2.447 Euro gegenüber dem nach dem Hilfsbegehren verbleibenden
Schadensersatzanspruch der Kläger von 12.083,31 Euro
99
Die Aufrechnung ist in vollem Umfang begründet.
100
Hinsichtlich der verauslagten Grundbesitzabgaben von 2.447 EUR hat die Beklagte zu
1. einen Erstattungsanspruch aus § 670 BGB, der nie einredebehaftet war.
101
Auf Grund des am 18.12.2001 entstandenen Abrechnungsverhältnisses steht der
Beklagten zu 1. auch der Restkaufpreisanspruch von 4.890,58 Euro zu. Dieser
Anspruch war nur bis zur Eintragung der Kläger als Eigentümer ins Grundbuch
(15.10.2007) gemäß § 320 BGB einredebehaftet. Dieses Zurückbehaltungsrecht ist am
15.102007 entfallen.
102
III.
103
Zinsen (als Nebenforderung)
104
Die mit der Berufung weiterverfolgten Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von
105
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.12.2001 (Zustellung der Klageschrift)
sind gem. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 2, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, Art. 229 § 1 Abs. 1
Satz 2 EGBGB in Bezug auf ihren Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen (§§ 817,
818 BGB) in dem Umfang gerechtfertigt, in dem dieser Anspruch nach Inkrafttreten des
Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 (01.05.2000) fällig
geworden ist. Hiervon wird ein Betrag von 29.715,24 EUR (zur Berechnung s.o.) erfasst.
Der Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen ist sukzessive mit der jeweiligen
Ersparnis von Kreditaufwendungen in der Zeit vom 06.07.1999 bis 18.12.2001 fällig
geworden. Wegen der Restforderung aus §§ 817, 818 BGB in Höhe von 14.680,36 EUR
(zur Berechnung s.o.), die vor dem 1.5.2000 fällig geworden ist, können die Kläger ab
18.12.2001 nur den damals noch geltenden Zinssatz von 4 % verlangen.
106
IV.
107
Ansprüche der Kläger gegen die Beklagten zu 2. und 3.
108
1.
109
Den Klägern steht auf Grund ihres in 2. Instanz gestellten Hilfsantrags gegen die
Beklagten zu 2. und 3. aus abgeleitetem Recht der Beklagten zu 1. analog §§ 31, 30
GmbHG ein Anspruch in Höhe von 49.141,33 Euro zu.
110
Die Beklagten stellen ihre grundsätzliche Haftung aus §§ 31, 30 GmbHG, wie sie vom
OLG Hamm im Urteil vom 9.1.2008 dargelegt ist, nicht in Abrede. Ihr einziger Einwand,
den sie auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 19.8.2008 gegen die Begründetheit der
Ansprüche der Kläger aus abgeleitetem Recht der Beklagten zu 1. zu den §§ 31.30
GmbHG erhoben haben, ist, dass die Frage der freien Spitze, d.h. die Frage, in welchem
Umfang sie der Beklagten zu 1. wegen Befreiung von eigenkapitalersetzenden
Sicherheiten betragsmäßig haften könnten, streitig sei. Streitig seien insbesondere die
von den Klägern bemühten Verbindlichkeiten gerade auch aus dem vorliegenden
Verfahren und der Parallelsache sowie die angeblichen Verbindlichkeiten des
Architekten F. Dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert und unerheblich. Die Kläger
haben zur sog. freien Spitze mit Schriftsatz vom 27.6.2008 schlüssig vorgetragen. Sie
haben ausgehend von der Feststellung des OLG Hamm, dass die bilanzielle
Überschuldung sich auf mindestens 85.207,33 Euro belaufen habe, auf Seite 5
vorgetragen, dass sich eine höhere Überschuldung von mindestens 174.478,61 Euro
ergebe, wenn man die in der vom OLG Hamm zu Grunde gelegten Handelsbilanz
angesetzten zu hohen Werte einer Eigentumswohnung und des sog. Felsengrundstücks
um 9.801,78 Euro und 10.707,32 Euro reduziere und außerdem Aufwendungen von
68.762,18 Euro berücksichtige, die zur Fertigstellung von 2 Einfamilienhäuser (in der
Bilanz unter fertige Erzeugnisse und Waren aufgeführt) notwendig waren. Bereits das
OLG Hamm hat hierzu auf den Seiten 7 und 8 seines Urteils vom 9.1.2008 ausgeführt,
dass es die Eigentumswohnung, das Felsengrundstück und auch die Pos. "fertige
Erzeugnisse und Waren" eher für überbewertet halte. Konkrete Einwände gegen die von
den Klägern dargelegte Überbewertung haben die Beklagten zu 2. und 3. nicht erhoben.
Bei der Feststellung der bilanziellen Überschuldung der Beklagten zum 31.5.2002
müssten außerdem die Forderungen zumindest der Bauherrn G und K (Kläger)
berücksichtigt werden, da diese Forderungen bei Bilanzerstellung bereits rechtshängig
waren mit der Folge, dass für sie in der Bilanz zumindest Rückstellungen hätten gebildet
werden müssen. Insgesamt schulden die Beklagten zu 2. und 3. der Beklagten zu 1. aus
§§ 31, 30 GmbHG einen Betrag, der ihre bereits geleisteten Zahlungen an S (35.163,22
Euro) und die berechtigten Pfändungen der Eheleute G und der Kläger übersteigen. Das
gilt auch, wenn man ihre Haftung aus §§ 31,30 GmbHG auf den Betrag begrenzt, um
den die Darlehensverbindlichkeiten der Beklagten zu 1. aus der Kaufpreiszahlung der
Beklagten zu 2. und 3. für die von der Beklagten zu 1. erworbenen Immobilie vermindert
worden ist. Die Beklagten zu 2. und 3. sind dem entsprechenden Vortrag der Kläger auf
Seite 6 des Schriftsatzes vom 27.6.2008 nicht entgegengetreten.
111
2.
112
Eigene Ansprüche, die die Kläger in 2. Instanz aus dem Gesichtspunkt der
sittenwidrigen Schädigung, zu der auch die besondere Fallgestaltung der sog.
113
Existenzvernichtung zählt, aus dem Gesichtspunkt der sog. Vermögensvermischung
und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG weiterverfolgen, sind dagegen
nicht gerechtfertigt.
a.
114
Für Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung /
Existenzvernichtung fehlt den Klägern die Aktivlegitimation. Die Rechtsfolgen dieser
Ansprüche aus § 826 BGB ergeben sich aus § 249 ff. BGB; es muss der Zustand
hergestellt werden, der ohne den existenzvernichtenden Eingriff bestehen würde.
Danach kann es keine Außenhaftung geben, denn auch ohne die sittenwidrige
Schädigung bzw. den existenzvernichtenden Eingriff der Gesellschafter hätten die
Gesellschaftsgläubiger keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Gesellschafter
gehabt. Ihr Schaden – in Form des Forderungsausfalls – ist nur ein Reflex des
Vermögensentzugs bei der Gesellschaft. Unmittelbar wird nur die Gesellschaft
geschädigt. Bei ihr ist der Schaden daher auszugleichen. Das entspricht inzwischen
höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.07.2007, II ZR 3/04, BGHZ
173, 246 – Trihotel; Urteil vom 10.12.2007, II ZR 239/05, MDR 2008, 396, Rn 25 ff; Urt.v.
13.12.2007, IX ZR 116/06, WM 2008, 449; Beschluss vom 07.01.2008 II ZR 314/05,
BGH-Report 2008, 443; Urteil vom 28.4.2008, II ZR 264/06, BGH-Report 2008, 849 mit
Anm. Terlau; vgl. auch Dr. Strohn, Richter am BGH, zum Thema
Existenzvernichtungshaftung-Vermögensvermischungshaftung-Durchgriffshaftung,
ZInsO 2008, 706).
115
Von diesem Grundsatz kommen nur zwei Ausnahmen in Betracht, und zwar zum einen
für den Fall, dass der Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen beiseite schafft, um
gezielt den einzigen Gläubiger der Gesellschaft zu schädigen, zum anderen für den Fall
der sog. Vermögensvermischung. Der BGH hat in der Trihotel-Entscheidung
offengelassen, ob für den zuerst genannten Fall ausnahmsweise eine
Durchgriffs(außen)haftung in Betracht kommt. Für den vorliegenden Fall kann dies
ebenfalls offen bleiben, da ein solcher Fall hier nicht gegeben ist. Der weitere
Ausnahmefall wird nachfolgend unter b. erörtert.
116
Die Gläubiger werden durch die bloße Innenhaftung der Gesellschafter nicht
unzumutbar benachteiligt. Sie haben – wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
abgelehnt wird, z.B. weil der Gutachter die Existenzvernichtungshaftung als nicht
beweisbar oder mangels Bonität des Gesellschafters nicht durchsetzbar einschätzt - die
Möglichkeit, auf Grund eines Titels gegen die Gesellschaft den Anspruch der
Gesellschaft gegen die Gesellschafter aus sittenwidriger Schädigung /
Existenzvernichtungshaftung zu pfänden und sich überweisen zu lassen. Gleiches gilt
für den Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG analog.
117
b.
118
Eigene Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Vermögensvermischung analog
119
§ 128 HBG haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt.
120
Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung wegen Vermögensvermischung sind
sehr eng. Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, kommt ein
solcher Anspruch nur in Betracht, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und
121
Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise
verschleiert worden ist und deshalb die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung
ein unverzichtbarer Ausgleich für die Haftungsbeschränkung auf das
Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ist, nicht funktionieren können (Urteil vom
13.04.1994, II ZR 16/93, BGHZ 125, 366; Urteil vom 14.11.2005, II ZR 178/03, ZIP 2006,
467; Urteil vom 16.7.2007, II ZR 3/04, BGHZ 173, 246; Urteil vom 10.12.2007, II ZR
239/05, MDR 2008, 396; Urteil vom 7.1.2008, II ZR 314/05, BGHReport 2008, 443; Dr.
Strohn, a.a.O.). Für die Annahme einer Vermögensvermischung genügt nicht schon das
Fehlen einer "doppelten Buchführung" gemäß §§ 41 GmbHG, 238 HGB, solange sich
die Vermögenszuflüsse und -abflüsse sowie die Trennung von Gesellschafts- und
Privatvermögen der Gesellschafter noch aufgrund sonstiger vorhandener Unterlagen
nachvollziehen lassen. Die Buchführungspflicht obliegt gemäß § 41 GmbHG dem
Geschäftsführer; ihre Verletzung kann Schadensersatzansprüche der Gesellschaft
gegen ihn aus § 43 Abs. 2 GmbHG auslösen (BGH, Urteil vom 09.05.1974, II ZR 50/72,
DB 1974, 1619), führt aber noch nicht ohne weiteres zu einer Durchgriffs- oder sonstigen
Außenhaftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern.
Haftungsgrund im Rahmen der Vermögensvermischung ist nicht die mangelhafte
Buchführung, sondern der Tatbestand der von dem Gesellschafter zu verantwortenden,
die Kapitalschutzvorschriften missachtenden Vermischung der unterschiedlichen
Vermögensmassen. Ergibt sich unter diesen Voraussetzungen eine Unkontrollierbarkeit
der Zahlungsvorgänge mit der Folge, dass die Vermögensmassen der Gesellschaft und
des Gesellschafters nicht mehr unterschieden werden können, greift die Haftung des
Gesellschafters ein, wobei dem Gläubiger die Grundsätze zur sekundären
Behauptungslast des Gesellschafters zu Gute kommen, weil der Gesellschafter als
derjenige, der die Verhältnisse der Gesellschaft kennen muss, sich nicht auf ein
pauschales Bestreiten zurückziehen darf (BGH, Urteil vom 14.11.2005, a.a.O., Rn 15).
Die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ist keine Zustands-, sondern
eine Verhaltenshaftung wegen Rechtsformmissbrauchs. Sie trifft einen Gesellschafter
nur, wenn er aufgrund des von ihm wahrgenommenen Einflusses als Allein- oder
Mehrheitsgesellschafter für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich ist
(BGH, Urteil vom 14.11.2005, a.a.O., Rn 17; Urteil vom 13.04.1994, II ZR 16/93, BGHZ
125, 366).
Der Annahme einer Vermögensvermischung nach den vorstehenden Voraussetzungen
steht schon der eigene Vortrag der Kläger entgegen. Die Kläger haben in beiden
Instanzen die vorhandene, durch einen Steuerberater/Wirtschaftsprüfer zu einem
Jahresabschluss nebst Kontennachweisen verarbeitete, Buchhaltung der Beklagten zu
1. in vielfältiger Weise in Bezug genommen, um damit einen existenzvernichtenden
Eingriff bzw. einen Verstoß der Gesellschafter gegen das GmbHG zu begründen. Dieser
umfangreiche und dezidierte Sachvortrag wäre den Klägern nicht möglich, wenn die
Zahlungsvorgänge der Beklagten zu 1. nicht nachvollziehbar und deren
Gesellschaftsvermögen von dem Privatvermögen der Gesellschafter schlechthin nicht
unterscheidbar wäre.
122
Die Beklagten zu 2. und 3. sind auch ihrer sekundären Behauptungslast
nachgekommen. Sie haben zum Vorwurf einer Vermögensvermischung im
Prozessverlauf eingehend und unter Vorlage diesbezüglicher Geschäftsunterlagen der
GmbH Stellung bezogen (204/300/496 ff. GA).
123
Entgegen der Berufungsbegründung genügt es für den Tatbestand der
Vermögensvermischung gerade nicht, dass eine in einzelnen Punkten "undurchsichtige
124
Buchführung" der Gesellschaft zu verzeichnen ist oder Mängel der Buchführung
Gesellschaft eine Kontrollierbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschriften und
Eigenkapitalersatzregeln (insbesondere §§ 30, 31 GmbHG) lediglich erschweren, wenn
die maßgeblichen Zahlungsvorgänge anhand der Buchhaltung in Verbindung mit
sonstigen zur Verfügung stehenden Unterlagen nachvollziehbar bleiben. Dies gilt auch
für die von den Klägern gerügte buchhalterische Behandlung von Sicherheiten in der
laufenden Buchhaltung bzw. im Jahresabschluss und einen damit etwaig
einhergehenden zusätzlichen Aufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters, sich im
Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens den notwendigen Überblick über die
wirtschaftliche Situation der Gesellschaft zu verschaffen. Ebenso wie die Missachtung
von Buchführungsvorschriften nicht ohne weiteres zu einer Außenhaftung wegen
Vermögensvermischung führt, gilt für etwaige Verstöße der Gesellschafter gegen § 20
Abs. 1 InsO (Auskunftspflicht des Schuldners im Eröffnungsverfahren) entsprechendes.
Dementsprechend geht auch der Berufungseinwand fehl, allein mit dem
Klägervorbringen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Rückerstattungsansprüche
gemäß § 31 GmbHG analog nicht habe feststellen können, liege ein für den Tatbestand
einer Vermögensvermischung ausreichender Sachvortrag vor.
Selbst wenn Kosten für eine dem Beklagten zu 3. gehörende Privatstraße aus dem
Vermögen der Beklagten zu 1. bestritten und die sich daraus ergebenden
Erstattungsansprüche nicht ordnungsgemäß verbucht bzw. bilanziert worden sein
sollten, handelt es sich um Vermögenszuflüsse und -abflüsse, bei denen die Trennung
von Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter noch aufgrund
sonstiger vorhandener Unterlagen nachvollziehbar ist, wie schon der Sachvortrag der
Kläger belegt.
125
Gleiches gilt für etwaige sonstige von den Klägern gerügte Fehler in den
Jahresabschlüssen, insbesondere für ihre Behauptung, darin seien
Vermögensgegenstände überbewertet und Rückstellungen für ungewisse
Verbindlichkeiten unterlassen worden. Dass eine Buchführung seitens der Beklagten zu
1. erfolgt ist, stellen die Kläger nicht in Abrede; deren etwaige "Unordentlichkeit" bzw.
"Undurchsichtigkeit" kann die Haftung wegen Vermögensvermischung nicht ohne
weiteres begründen, zumal sich die Kläger im Rahmen ihres Berufungsvorbringens in
der Lage sehen, eine Einzelauswertung der Unterlagen für die Geschäftsjahre
1998/1999 bis 2002/2003 vorzunehmen und daraus eine Abgrenzung der
unterschiedlichen Vermögensmassen mit umfangreichen Berechnungen vorzunehmen
(vgl. im einzelnen 647-665 GA).
126
Wäre die Buchhaltung der Beklagten zu 1. nicht nachvollziehbar, wäre es dem OLG
Hamm im Urteil vom 9.1.2008 (8 U 116/07) nicht gelungen, die zur Inanspruchnahme
der Beklagten zu 2. und 3 aus gepfändetem Recht der Beklagten zu 1. erforderlichen
Feststellungen zu den §§ 30, 31 GmbH zu treffen.
127
c.
128
Ebenfalls nicht schlüssig dargelegt haben die Kläger einen Anspruch gegen die
Beklagten zu 2. und 3. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG zu.
129
aa. Gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern
spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. § 64 Abs. 1 GmbHG ist nach der
130
derzeit noch geltenden Rechtsprechung des BGH Schutzgesetz zugunsten der
Gläubiger i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 30.03.1998, II ZR 146/96, BGHZ
138, 211; Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, 18. Auflage 2006, § 64, Rn 90 mwN in
Fn 390). Für sog. Altgläubiger, die bis zum Zeitpunkt der Insolvenzreife die
Gläubigerstellung erlangt haben, besteht der nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1
BGB zu ersetzende Schaden im sog. Quotenschaden, d.h. in dem Betrag, um den sich
die Insolvenzmasse, insbesondere durch Eingehung neuer Verbindlichkeiten, gemindert
hat (BGH, Urteil vom 03.02.1987, VI ZR 268/85, BGHZ 100, 19; BGH, Urteil vom
06.06.1994, II ZR 292/91, BGHZ 126, 181; Baumbach/Hueck-Schulze/Osterloh, a.a.O., §
64, Rn 92 mwN). Dieser sog. Quotenschaden besteht nicht in einer Minderung der
Insolvenzmasse in der Zeit seit Beginn der Insolvenzverfahrensverschleppung, sondern
in der Differenz der ursprünglich erzielbaren und tatsächlich erzielten Insolvenzquote.
Dabei sind die Massebestandteile zu eliminieren, die Gegenstand eines Aus- oder
Absonderungsrechts sind; gleichzeitig sind die durch diese Sonderrechte gesicherten
Insolvenzforderungen in der Höhe von der Passivseite abzuziehen, in der sie durch
diese Rechte gedeckt werden (BGH, Urteil vom 30.03.1998,
II ZR 146/96, a.a.O.; Baumbach/Hueck-Schulze/Osterloh, a.a.O., § 64, Rn 95 mwN). Die
objektiven Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 64 Abs. 1 GmbHG müssen im
Prozess gegen den Geschäftsführer dargelegt und im Streitfall bewiesen werden. Dazu
gehört die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH in dem für die Haftung
maßgeblichen Zeitpunkt.
131
bb. Der Senat hat bereits Zweifel, ob der BGH nach der unter II. 1. dargestellten neuen
Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung gegen Gesellschafter an seiner bisherigen
Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung gegen den Geschäftsführer festhält. Auch die
Konstruktion der Durchgriffshaftung gegen den Geschäftsführer steht nicht mit den
Grundsätzen des § 249 BGB nicht im Einklang. Wenn der Insolvenzverwalter es
versäumt, gegen den Geschäftsführer die Ansprüche nach § 64 Abs. 2 GmbHG geltend
zu machen, haben die Gläubiger die Möglichkeit, auf Grund eines Titels gegen die
Gesellschaft die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 64 Abs. 2
GmbH pfänden und sich überweisen zu lassen.
132
cc.
133
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der BGH an seinen bisherigen Grundsätzen zur
Durchgriffshaftung des Geschäftsführers festhält, steht den Klägern der geltend
gemachte Anspruch nicht zu. Sie haben zwar schlüssig dargelegt, dass die Beklagte zu
1. spätestens zum 31.5.2002 überschuldet war. Hiervon ist auch das OLG Hamm im
Urteil vom 9.1.2008 – 8 U 116/07 – ausgegangen, ohne dass die Beklagten zu 2. und 3.
dagegen Einwände erhoben haben. In dem Überschuldensstatus sind auch solche
Darlehen zu passivieren, die eigenkapitalersetzend sind (BGH Urteil vom 8.1.2001, II
ZR 88/99, NJW 2001, 1280). Folglich hat die Geschäftsführerin der Beklagten zu 1. , die
Beklagte zu 2., nach dem Vortrag der Kläger pflichtwidrig gehandelt, weil sie nicht
spätestens drei Wochen nach dem 31.5.2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
beantragt hat. Ihr Verschulden ist zu vermuten.
134
Eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG ergab sich hieraus allerdings
nur für die Beklagte zu 2., nicht dagegen für den Beklagten zu 3., der lediglich
Gesellschafter war. Die Kläger haben nicht schlüssig vorgetragen, dass der Beklagte zu
3. Geschäftsführerfunktionen in einem maßgeblichen Umfang wie die Beklagte zu 2.
135
ausübte. Die Aussage des Architekten Freyschmidt im strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren ("Auch der Beklagte zu 3., der maßgeblich die Geschicke der
Gesellschaft beeinflusste, hatte nicht nur als faktischer Geschäftsführer Einblicke in die
Vermögenslage. Im standen überdies als Gesellschafter die entsprechenden
Möglichkeiten zur Verfügung, sich über die Vermögenslage des Unternehmens einen
Einblick zu verschaffen.") reicht für eine Haftung des Beklagten zu 3. nach §§ 823 Abs. 2
BGB, 64 Abs. 1 GmbHG nicht aus, da dieser Aussage nicht entnommen werden kann,
welche konkreten Tätigkeiten der Beklagte zu 3. ausgeübt hat. Allein die Einwirkung auf
die Geschäftsführung, mag sie auch umfangreich gewesen sein, führt noch nicht zu
einer Haftung als faktischer Geschäftsführer. Erforderlich ist ein eigenes Handeln in
einem den Geschäftsführer / Mitgeschäftsführer kennzeichnenden Umfang (BGH, Urteil
vom 21.3.1988, II ZR 194/87, BGHZ 104, 44; Baumbach/Hueck-Schulze/Osterloh,
GmbHG, a.a.O. § 64 Rdn. 36/47).
Der Anspruch gegen die Beklagte zu 2. scheitert schließlich daran, dass die Kläger
einen Quotenschaden nicht schlüssig dargelegt haben. Dabei geht der Senat davon
aus, dass die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nur nicht zum Wegfall des
Anspruchs aus § 64 Abs. 2 GmbHG führt (Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 3.
Auflage 2006 Rdn. 244), sondern auch den Anspruch der Gläubiger aus §§ 823 Abs. 2
BGB, 64 Abs. 1 GmbHG unberührt lässt (Prof. Dr. Karsten Schmidt, NZI 1998, 9/11).
Schmidt (a.a.O.; s.a. Schmidt-Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl. 2002, § 64
Rdn. 44) zeigt auf, dass die Altgläubiger, zu denen die Klägerin zählt, bei
Masselosigkeit im Zweifel keine Klage erheben, weil Prozessaufwand und –risiko außer
Verhältnis zum Ertrag stehen. Der vorliegende Fall bestätigt diese Auffassung. Bei
Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Masselosigkeit ist es für Altgläubiger
schwierig darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang sich die Insolvenzquote
während der Verfahrensverschleppung verringert hat. Auch den Klägern ist diese
Darlegung nicht gelungen. Ihre Berechnung, die darauf abstellt, dass im Juni 2002 mit
Hilfe der Gesellschafterdarlehn noch alle Gläubiger hätten befriedigt werden können,
nach Ablehnung der Insolvenzeröffnung tatsächlich aber keine Zahlungen geleistet
worden seien, lässt außer Acht, dass es sich bei den Gesellschafterdarlehen nicht um
Vermögen, sondern um Verbindlichkeiten der Gesellschaft gehandelt hat und die
Umqualifizierung dieser Darlehen in funktionales Eigenkapital sowie die von der
Rechtsprechung entwickelten Eigenkapitalersatzregeln lediglich zur Folge haben, dass
der Gesellschafter während der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH
nicht durchsetzen darf (BGH, Urteil vom 8.1.2001, II ZR 88/99, NJW 2001, 1280). Aus
diesem Grund wird bei der Feststellung der Überschuldung das der Gesellschaft analog
§ 30 GmbHG zustehende Leistungsverweigerungsrecht gegenüber
eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht berücksichtigt. Folglich können die Rechte der
Gesellschaft aus
136
§§ 30, 31 GmbHG auch nicht bei der Feststellung der Verschlechterung der
Insolvenzquote auf Grund verzögerter Insolvenzanmeldung berücksichtigt werden.
Durch die nach Eintritt der Überschuldung erfolgte Rückzahlung der Darlehen an die
Gesellschafter hat sich hinsichtlich der Rechte der Gesellschaft gegenüber den
Gesellschaftern nichts wesentliches geändert. Aus dem ursprünglichen
Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft analog § 30 GmbHG ist ein
Erstattungsanspruch der Gesellschaft analog §§ 30, 31 GmbHG entstanden. Dass
dieser Erstattungsanspruch der Beklagten zu 1. auf Grund der Verzögerung der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens heute weniger wert ist, als das ursprüngliche
Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten zu 1. vor Auskehrung der Darlehen, etwa
137
weil die Beklagten zu 2. und 3. heute nicht (mehr) in der Lage sind, diesen Anspruch zu
erfüllen, haben die Kläger nicht dargelegt.
C.
138
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97, 100 ZPO.
139
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
140
D.
141
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
142
Für die 1. Instanz wird der Streitwert in Abänderung der Festsetzung des Landgerichts
auf 89.774,39 EUR (56.478,91 + 12.978.95 + 12.978,95 + 4.890,58 + 2.447) festgesetzt.
143
Für die 2. Instanz wird der Streitwert auf 120.295,40 EUR (12.979,25 + 50.837,24 +
56.478,91) festgesetzt. An diesem Streitwert sind die Kläger voll, die Beklagte zu 1. in
Höhe von 63.816,49 EUR (12.979,25 + 50.837,24) und die Beklagten zu 2. und 3. in
Höhe von 112.957,82 EUR (2 x 56.478,91) beteiligt.
144
E.
145
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).
146