Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.02.2009

OLG Düsseldorf: in verkehr bringen, atemtest, leitlinie, arzneimittel, dosierung, gewinnung, anschlussberufung, vollstreckung, form, apotheker

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 2/02 II
03.02.2009
Oberlandesgericht Düsseldorf
20. Zivilsenat
Urteil
I-20 U 2/02 II
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Februar 2001 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewiesen, soweit die Klage nicht in Abänderung des
angefochtenen Urteils durch das insoweit rechtskräftige Urteil des Senats
vom 25. Juni 2002 in Verbindung mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes
(I ZR 194/02) vom 23.06.2005 abgewiesen worden ist.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das angefochtene Urteil
teilweise abgeändert und
1. der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhand-lung
fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs einen 13C-Harnstoff-Atemtest zum Nachweis einer
Heliobacter pylori-Infektion als Fertigarzneimittel oder Rezepturarz-
neimittel in Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, solange hierfür
keine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte nach §§ 21 ff. AMG vorliegt,
2. die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den Umfang der unter Ziffer 1.
beschriebenen Handlungen für die Zeit bis zum 12. April 2000 Auskunft
zu erteilen, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer-mengen, -
zeiten und -preisen, den abgegebenen Arzneimit-telmustern sowie den
Namen und Anschriften der Abnehmer;
b) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträ-gern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet.
3. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer 1. bezeichne-ten in
der Zeit bis zum 12. April 2000 vorgenommenen Handlungen entstanden
ist.
Die weitergehende Anschlussberufung ist durch das insoweit rechts-
kräftige Urteil des Senats vom 25. Juni 2002 in Verbindung mit dem Urteil
des Bundesgerichtshofes (I ZR 194/02) vom 23.06.2005 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des
Revisionsver-fahrens werden der Beklagten auferlegt.
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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
eine Vollstreckung der Klägerin in der Hauptsache durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € abzuwenden, wenn nicht
die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet. Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung hinsichtlich
der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem
Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor
Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils
beizutreibenden Betrages leistet.
1. Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung der Beklagten, einen 13C-Harnstoff-Atemtest
herzustellen und zu vertreiben. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf
die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung sowie auf die
tatsächlichen Feststellungen in den Urteilen des Senats vom 25. Juni 2002 (veröffentlicht in
GRUR-RR 2003, 15 ff.) und des BGH vom 23.06.2005 (I ZR 194/02 - "Atemtest",
veröffentlicht in BGHZ 163, 265 ff.) verwiesen.
Die Klägerin vertreibt unter der Bezeichnung "Heliobactertest I. 13C-Harnstoff" einen Test
zur Diagnose von Heliobacter pylori. Sie hat dafür unter dem 14. August 1997 eine EU-
weite arzneimittelrechtliche Zulassung erhalten. Die Beklagte ist Inhaberin einer Apotheke
in T. Sie vertrieb ebenfalls einen 13C-Harnstofftest für die diagnostische Anwendung. Den
dafür benötigten 13C-Harnstoff bezog sie als fertiges Produkt. Anfangs vertrieb die
Beklagte diesen in Mengen von 75 mg – wie die Klägerin – in Röhrchen. Später ging sie
dazu über, den 13C-Harnstoff mit Lactose zu vermischen und in Kapseln abzufüllen. Sie
bereitete dabei diese Kapseln als sogenannte verlängerte Rezeptur im Vorgriff auf
entsprechende ärztliche Verschreibungen in einer Anzahl von bis zu 100 Stück täglich vor.
Über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für ihren 13C-Harnstofftest verfügt die Beklagte
nicht. Die Beklagte verfügte über ein Schreiben des Regierungspräsidiums T. (Anlage K3
zur Klageerwiderung), in der dieses keine Bedenken gegen die Herstellung des Atemtestes
in der Apotheke der Beklagten äußerte.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Verhalten der Beklagten sei wettbewerbswidrig, weil
es nicht durch das Apothekenprivileg in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG gedeckt sei. Sie meint,
einziger wesentlicher Herstellungsschritt sei die Synthese des 13C-Harnstoffes, die von der
Beklagten behaupteten – von der Klägerin im Wesentlichen bestrittenen – weiteren
Herstellungsschritte seien demgegenüber untergeordnet und – soweit die Beklagte den
Harnstoff mit Lactose vermischt - nur zu dem Zweck erfolgt, eine Herstellung in der
Apotheke vorzuspiegeln.
Die Beklagte hat behauptet, den Harnstofftest auch auf Einzelrezept in der von ihr
beschriebenen Weise herzustellen. Sie hat weiter behauptet, sie prüfe den 13C-Harnstoff
mittels eines Massenspektrometers auf Identität, Reinheit und Gehalt. Sodann vermische
sie den Harnstoff mit Lactose, was dazu diene, die Dosierung zu vereinfachen und zudem
die verwendeten Kapseln vor der von ihr behaupteten hygroskopischen Wirkung des
Harnstoffes zu schützen. Sodann verfülle sie dieses Gemisch in Kapseln mit einem
Wirkstoffgehalt von 75 mg. Insoweit hat sie weiter behauptet, die Kapseln würden von den
Patienten eingenommen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Synthese des Wirkstoffes
noch nicht zur Herstellung des Arzneimittels zähle, so dass sie alle wesentlichen
Herstellungsschritte in der Apotheke durchführe. Insoweit hat sie weiter die Auffassung
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vertreten, der 13C-Harnstoff werde erst durch die exakte Dosierung anwendungsfähig.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß
1. verurteilt, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen 13C-Harnstoff-Atemtest zum
Nachweis einer Heliobacter pylori-Infektion in den Verkehr zu bringen und/oder zu
bewerben, solange für dieses Fertigarzneimittel keine Zulassung des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 21 ff. AMG vorliegt,
2. verurteilt, der Klägerin über den Umfang der unter Ziffer 1.) beschriebenen
Handlungen Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -
preisen, den abgegebenen Arzneimittelmustern sowie den Namen und Anschriften der
Abnehmer,
b) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
3. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1) bezeichneten Handlungen entstanden ist und
zukünftig entstehen wird.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, der sich die
Klägerin mit dem Ziel angeschlossen hat, dass sich die Klage auch gegen das
Inverkehrbringen und Bewerben der nach der Darstellung der Beklagten auf Einzelrezeptur
hin hergestellten 13C-Harnstoff-Atemtests richtet.
Im ersten Berufungsverfahren hat der Senat die Klage abgewiesen und die
Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der
Bundesgerichtshof dieses Urteil insoweit aufgehoben, als die Klage mit dem
Unterlassungsantrag und mit den Anträgen auf Auskunftserteilung und
Schadensersatzfeststellung für die Zeit bis zum 12. April 2000 abgewiesen worden ist.
Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
Die Klägerin meint, die Herstellung im Wege der Rezeptur könne ihr keinesfalls verboten
werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf abzuändern und die Klage insgesamt
abzuweisen sowie
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten behaupteten Produktionsschritte seien in
einer Apotheke weder fachgerecht, noch wirtschaftlich sinnvoll durchzuführen. Sie
behauptet weiter, der von der Beklagten hergestellte Atemtest werde nicht in Kapselform
eingenommen, weil dies das Untersuchungsergebnis verfälsche, sondern wie der von ihr
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vertriebene Atemtest in Flüssigkeit gelöst. Die Kapsel diene allein der Verpackung.
Der Senat hat Beweis erhoben auf Grund des Beweisbeschlusses vom 22. August 2006
(Bl. 445 GA) in Verbindung mit den ergänzenden Beschlüssen vom 5. Oktober 2006 (Bl.
464 GA) und 16.11.2006 (Bl. 476 GA) durch Einholung einer gutachterlichen
Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Hinsichtlich der
Beweisthemen wird auf die genannten Beschlüsse und hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme auf die Schreiben des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte vom 14. Februar 2007 (Bl. 480 f. GA) und 2. November 2007 (Bl. 506 f.
GA) Bezug genommen.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen.
2. Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, soweit nicht durch das erste Berufungsurteil
rechtskräftig über sie entschieden wurde, die Anschlussberufung der Klägerin hat in vollem
Umfang Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die
Beklagte zur Unterlassung und Auskunft verurteilt und deren Schadensersatzpflicht
festgestellt.
Das Inverkehrbringen und Bewerben von Arzneimitteln ohne Zulassung stellt ein im Sinne
des § 1 UWG a.F. sittenwidriges Handeln und ebenso ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres
Marktverhalten dar, dass, weil insoweit die Gesundheit des Verbrauchers auf dem Spiel
steht, auch gemäß § 3 UWG in der bis zum 30.12.2008 gültigen Fassung erheblich ist
(BGHZ 163, 265 – ATEMTEST, Juris Rn. 27). Der von der Beklagten in Verkehr gebrachte
Atemtest stellt sich als Fertigarzneimittel im Sinne des § 21 Abs. 1 AMG dar, denn er dient
der Erkennung einer Heliobacter pylori – Infektion, so dass durch die Bereitung des
abgabefertigen Atemtests ein Fertigarzneimittel entsteht.
Die danach nach § 21 Abs. 1 AMG erforderliche Zulassung ist auch nicht nach § 21 Abs. 2
Nr. 1 AMG entbehrlich. Der Bundesgerichtshof hat hierzu im vorangegangenen
Revisionsverfahren (BGHZ 163, 265 – ATEMTEST, Juris Rn. 23) folgendes ausgeführt:
"Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG dürfen zur Anwendung beim Menschen bestimmte
Fertigarzneimittel auch ohne Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde bzw.
entsprechende gemeinschaftsrechtliche Genehmigungen in den Verkehr gebracht werden,
wenn sie aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in
den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert
abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs
hergestellt werden und zur Abgabe in dieser Apotheke bestimmt sind. Mit dieser Regelung
wollte der Gesetzgeber solche Fertigarzneimittel von der Zulassung freistellen, die im
wesentlichen in der Apotheke selbst und nicht durch einen industriellen Hersteller
produziert werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum 4. Gesetz zur Änderung
des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373, S. 13). Erforderlich ist daher, dass alle
wesentlichen Herstellungsschritte in der Apotheke erfolgen (vgl. BVerwG Buchholz 418.32
AMG Nr. 33, S. 6). Die Frage, ob dies zutrifft, erfordert eine Prüfung des jeweiligen
Einzelfalls, wobei im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung die Art und die Anzahl
der jeweiligen Herstellungsschritte des Mittels zu berücksichtigen sind (vgl. Kloesel/Cyran,
Arzneimittelrecht, 82. Erg.-Lief. Juni 2002, § 21 AMG Anm. 30). Der Gesetzgeber hat die
Ausnahme ersichtlich auf die traditionelle "verlängerte Rezeptur" beschränken und die
industrielle Herstellung ausschließen wollen. Dementsprechend sind auch diejenigen für
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das Fertigarzneimittel erforderlichen Herstellungsschritte zu berücksichtigen, die nicht in
einer Apotheke, sondern nur industriell erfolgen können (BVerwG Buchholz 418.32 AMG
Nr. 33, S. 6). Dabei ist zu prüfen, welcher Stellenwert der nicht in der Apotheke der
Beklagten erfolgenden Herstellung des Wirkstoffs im Verhältnis zu den von der Beklagten
zur Herstellung ihrer Kapseln bei der Defektur ausgeführten weiteren Arbeitsschritten
zukommt."
Nach § 4 Abs. 14 AMG sind Herstellen das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das
Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das
Kennzeichnen und die Freigabe. Dabei bedeutet "Herstellen" nicht, dass sämtliche Schritte
des Herstellungsvorgangs in einer Hand liegen müssen und die Herstellung erst mit dem
letzten als Herstellungsvorgang beschriebenen Akt (Freigabe) erfüllt wäre. Vielmehr ist
jeder der in § 4 Abs. 14 AMG aufgeführten Teilschritte "Herstellen" (OLG Stuttgart, Urt. v.
28. Juni 1991, 2 U 18/91, Sander, Entscheidungsband zum Arzneimittelrecht, Stand 21.
Lfrg., Nr. 14 zu § 21 AMG). Hervorzuheben ist insoweit zunächst, dass nach dieser
gesetzlichen Definition der Herstellungsprozess mit der "Gewinnung" beginnt, d.h. mit der
Erzeugung des Wirkstoffs und mit der Freigabe endet. Für die Frage, ob alle wesentlichen
Herstellungsschritte in der Apotheke vorgenommen werden, kommt es somit entscheidend
auf die relative Bedeutung der einzelnen Herstellungsschritte an. Der von der Beklagten
demgegenüber vertretenen Auffassung, die Synthese des Wirkstoffes könne nicht dem
Herstellen des Arzneimittels zugeordnet werden, weil das AMG zwischen Wirkstoffen und
Arzneimitteln unterscheide, vermag sich der Senat mit der zuständigen Fachgerichtsbarkeit
nicht anzuschließen. Zum ersten ist der Wortlaut des § 4 Abs. 14 AMG eindeutig. Danach
gehört die "Gewinnung" zur Herstellung, wie auch das Anfertigen und Zubereiten. Zum
zweiten würde die Annahme, dass erst die Dosierung des Wirkstoffes den Beginn der
Herstellung im Sinne des AMG kennzeichne, einem Missbrauch Tür und Tor öffnen, weil
Arzneimittelhersteller auf diesem Wege nicht zugelassene Arzneimittel in Verkehr bringen
könnten, indem sie lediglich das Abpacken in anwendungsfähige Dosen dem Apotheker
überlassen (so auch OLG Stuttgart a.a.O. und BVerwG, Buchholz 418.32 AMG Nr. 33, Juris
Rn. 26). Daher geht auch das als Fachgerichtsbarkeit zuständige
Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. Rn. 30) selbstverständlich davon aus, dass die
Wirkstoffsynthese zum Begriff der Herstellung des Arzneimittels zu rechnen ist. Aus diesem
Grunde vermag sich der Senat im Ergebnis der von ihm eingeholten gutachterlichen
Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht
anzuschließen. Die Bewertung des Bundesinstituts geht nämlich von einem unrichtigen
rechtlichen Ansatz aus, wenn sie den Herstellungsprozess nicht nach den Bestimmungen
des AMG bestimmt, sondern auf die EU-Leitlinie "Note for Guidance on Start of Shelf-Life of
the Finished Dosage Form" (wiedergegeben Bl. 482 f. GA) bezieht. Schon die Annahme,
diese Leitlinie definiere den Herstellungsprozess, ist mit dem Wortlaut der Leitlinie nicht zu
vereinbaren. Wörtlich heißt es dort "The date of production of a batch is defined as the date
that the first step is performed involving combining the active ingredient with other
ingredients...", was übersetzt bedeutet "Das Herstellungsdatum einer Charge ist bestimmt
als das Datum, an dem der erste Schritt durchgeführt wird, der einen Kontakt zwischen dem
Wirkstoff mit Hilfsstoffen mit sich bringt". Damit wird das Herstellungsdatum definiert, aber
nicht der Beginn des Herstellungsprozesses. Soweit das Bundesinstitut in seiner
Stellungnahme ausführt, nach der Leitlinie richte sich das Herstellungsdatum nach dem
Beginn der Herstellung, findet sich für diese Aussage in der Leitlinie kein Anhaltspunkt. Die
Leitlinie kann daher nicht dazu herangezogen werden, zu bestimmen, welche Vorgänge
überhaupt unter den Begriff der Herstellung zu fassen sind. Richtig führt das Institut im
Übrigen in der ergänzenden Stellungnahme aus, dass zur Herstellung eines Arzneimittels
alle Arbeitsgänge gehören, die zur Fertigung und Kontrolle der zu verabreichenden
Darreichungsform gehören. Dies steht aber in Widerspruch zu der Annahme, der Beginn
der Herstellung sei in der Leitlinie definiert. Definiert ist in der Leitlinie die Feststellung des
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Herstellungsdatums, nicht der Beginn der Herstellung, von dem auch an keiner Stelle der
Leitlinie die Rede ist.
Um zu überprüfen, ob "alle wesentlichen Herstellungsschritte", also nicht etwa alle
Herstellungsschritte, in der Apotheke durchgeführt werden, bedarf es daher – wie schon der
Bundesgerichtshof im vorangegangenen Revisionsurteil festgestellt hat - einer wertenden
Betrachtung der im Einzelfall durchgeführten Herstellungsschritte.
Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung, dass bei dem in Rede stehenden 13C-
Harnstoff-Atemtest der Gewinnung des 13C-Harnstoffes mit einer Reinheit von 99% eine so
wesentliche Bedeutung zukommt, dass er gegenüber den weiteren Herstellungsschritten,
die die Beklagte in der Apotheke vornimmt, jedenfalls nicht als unwesentlich qualifiziert
werden kann. Ohne die Gewinnung des 13C-Harnstoffes ist eine diagnostische Wirkung
nicht zu erzielen. Die Herstellung eines Harnstoffes mit einem Anteil von 99% 13C-
Harnstoff macht den Atemtest überhaupt erst anwendbar. Zu berücksichtigen ist soweit,
dass nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien der 13C-Harnstoff zur Anwendung
zwingend nur noch abgemessen werden muss, da – dies ist eine Selbstverständlichkeit –
die Wirkstoffmenge entscheidend ist. Eine Menge von 75 mg 13C-Harnstoff ist damit ohne
weiteres anwendbar; weitere Zwischenschritte sind nicht zwingend erforderlich. Dies ergibt
sich zum einen daraus, dass die Klägerin ihren Atemtest in dieser Form – nämlich in
Röhrchen abgefüllt ohne Zusatz von Hilfsstoffen – vertreibt, zum anderen aber auch
daraus, dass unstreitig die Beklagte ursprünglich Atemtestsets in genau dieser
Darreichungsform vertrieben hat.
Nach ihrem – bestrittenen – Vortrag nimmt die Beklagte in ihrer Apotheke zunächst eine
Identitätsprüfung vor, wozu sie auch nach § 11 Abs. 2 ApoBetrO verpflichtet ist. Das
bedeutet, dass der Apotheker überprüft, ob es sich bei dem gelieferten Stoff auch um den in
der Herstellerbescheinigung genannten handelt, was zum Beispiel eine
Chargenverwechslung oder Transportverunreinigungen vermeiden soll. Soweit die
Beklagte zeitweise weiter behauptet hat, auch eine umfassende Qualitätsprüfung
vorzunehmen, ist ihr Vortrag in sich widersprüchlich, denn die Beklagte hat ausdrücklich
behauptet, der von ihr bezogene 13C-Harnstoff sei mit einem Prüfzertifikat nach § 6 Abs. 3
ApoBetrO versehen. Dann kann aber die Qualitätskontrolle jedenfalls kein wesentlicher
Herstellungsschritt sein, weil er nach § 11 Abs. 2 S. 1 ApoBetrO auch unterbleiben könnte.
Die Kontrolle des bezogenen Wirkstoffs an sich ist zwar erforderlich, in der Definition des §
4 Abs. 14 AMG aber gar nicht aufgeführt, weil sie letztlich Bestandteil der Arbeitsschritte
Zubereiten, Abfüllen, Abpacken und Freigabe ist. Es ist also demgegenüber ein Hilfsschritt.
Deshalb kann offen bleiben, ob dieser Hilfsschritt in einer Apotheke überhaupt fachgerecht
durchgeführt werden kann.
Sodann behauptet die Beklagte, nunmehr den 13C-Harnstoff mit dem Hilfsstoff Laktose zu
vermischen, wobei sie unstreitig hierzu erst später übergegangen ist und ursprünglich ihren
Atemtest ohne Zufügung eines Hilfsstoffes vertrieben hat. Letzteres zeigt, dass dieser
Schritt nicht dazu erforderlich ist, den Atemtest anwendungsfähig zu machen. Die
wesentliche Funktion der Vermischung mit Laktose ist nach dem Vortrag der Beklagten, die
spätere Dosierung des Wirkstoffes zu erleichtern. Für die Anwendbarkeit erforderlich ist
dieser Schritt nicht.
Von erheblich weiter gehender Bedeutung ist demgegenüber die Abmessung einer
Testdosis von exakt 75 mg, denn bei einem quantitativen Messverfahren, welches bei dem
Atemtest zum Einsatz kommt, muss die Dosierung des Wirkstoffes naturgemäß von
Bedeutung sein.
Demgegenüber kann die Verkapselung nicht als erheblicher Herstellungsschritt angesehen
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werden, denn auch sie ist bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls nachteilig. Die Beklagte
hat den Atemtest ursprünglich wie auch die Klägerin in Teströhrchen abgepackt. Bereits
dies zeigt, dass die Anwendung des Atemtests auch ohne die Abfüllung in Kapseln ohne
weiteres möglich ist. Die Verkapselung ist demnach zur Anwendungsfähigkeit nicht
erforderlich. Dabei kann dahin stehen, ob die Kapseln – wie die Klägerin behauptet –
überhaupt nur als Transportverpackung dienen und bestimmungsgemäß zur Vermischung
des Atemtest-Pulvers mit einem Getränk geöffnet werden, wofür einiges spricht, oder ob die
Kapseln eingenommen werden sollen, was infolge der dadurch bedingten verzögerten
Wirkstofffreisetzung das Testergebnis beeinträchtigen dürfte, denn jedenfalls kann der
Atemtest auch unverkapselt angewendet werden.
Wägt man im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung diese Herstellungsschritte
gegeneinander ab, ergibt sich daraus dass die industrielle Gewinnung des 13C-Harnstoffes
jedenfalls nicht geringere Bedeutung hat, hat als der bedeutendste Herstellungsschritt der
Beklagten, nämlich die Abmessung von Dosen zu 75 mg Wirkstoffgehalt. Es handelt sich
damit bei der Synthese des Wirkstoffes um einen wesentlichen Herstellungsschritt, so dass
jedenfalls ein wesentlicher Herstellungsschritt nicht in der Apotheke der Beklagten
durchgeführt wird und die Beklagte sich demnach nicht auf § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG berufen
kann.
Aus den gleichen Gründen war der Beklagten auch das in Verkehr bringen oder Bewerben
des 13C-Harnstoff-Atemtests als Rezepturarzneimittel zu verbieten, nachdem diese sich
nachdrücklich eines Rechtes hierzu berühmt hatte. Die Voraussetzungen einer
zulassungsfreien Rezeptur liegen nämlich nur dann vor, wenn das Arzneimittel tatsächlich
aufgrund einer individuellen Rezeptur hergestellt wird. Hieran fehlt es, wenn ein Mittel in
keiner Weise mehr von der dem Apotheker angelieferten Bulkware abweicht und sich
dessen Tätigkeit daher auf das bloße Neuverteilen der seiner Einwirkung im übrigen nicht
mehr unterliegenden Arznei beschränkt (so der Bundesgerichtshof im vorangegangenen
Revisionsverfahren a.a.O. Rn. 25 unter Verweis auf OLG Stuttgart a.a.O.). Wie bereits das
Oberlandesgericht Stuttgart (a.a.O.) zutreffend ausgeführt hat, können an den Begriff der
Herstellung eines Rezepturarzneimittels keine geringeren Anforderungen gestellt werden
als an ein Herstellen im Wege der Defektur, die daher ja auch als "verlängerte Rezeptur"
bezeichnet wird. Dies bedeutet, dass jedenfalls solche Arbeitsschritte außer Betracht zu
bleiben haben, denen für die Anwendung des Arzneimittels keine Bedeutung zukommt.
Eine Anfertigung auf Rezeptur liegt danach nur dann vor, wenn neben der Verpackung und
Etikettierung auch materielle Schritte des Herstellens hinzukommen. Danach beschränkt
sich aber auch im Falle der von der Beklagten behaupteten Herstellung auf Rezept der
Herstellungsbeitrag der Beklagten darauf, den als Bulkware angelieferten 13C-Harnstoff in
anwendungsgerechte Portionen von - wohl überwiegend - 75 mg aufzuteilen, wobei sie
sich die Arbeit dadurch erleichtert, dass sie die Bulkware zunächst mit einem Hilfsstoff,
nämlich Laktose, vermischt. Die wesentliche Bedeutung dieser Vermischung besteht aber
auch nach ihrem Sachvortrag darin, das Abmessen einer Dosis von 75 mg zu erleichtern,
es handelt sich also letztlich um ein Verpackungshilfsmittel, welches sie zur Aufteilung des
ihrer Einwirkung im Übrigen nicht unterliegenden Mittels einsetzt. Auch wenn für die
Anwendung als diagnostisches Arzneimittel die Dosierung von erheblicher Bedeutung ist
kann man unter dem bloßen Abmessen einer vorgeschriebenen Stoffmenge keine
Herstellung auf Rezept sehen, weil das Arzneimittel selbst vollkommen unverändert bleibt.
Jedenfalls bis zum Zugang des Schreibens des Regierungspräsidiums T. vom 12. April
2000 handelte die Beklagte auch schuldhaft, weil sie hätte erkennen können und müssen,
dass der Vertrieb des Atemtests gegen § 21 Abs. 1 AMG verstößt. Der Klägerin steht daher
nach § 1 UWG a.F. insoweit ein Schadensersatzanspruch zu, was antragsgemäß
festzustellen war. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen
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Entscheidung verwiesen werden. Der zuerkannte Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 242
BGB, denn zur Berechnung ihres Schadensersatzanspruches bedarf die Klägerin der im
Tenor genannten Auskünfte, die die Beklagte auch ohne weiteres erteilen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, denn das Unterliegen der Klägerin
mit ihren Schadensersatzfeststellungs- und Auskunftsansprüchen für die Zeit nach dem 12.
April 2000 ist verhältnismäßig geringfügig.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Ein
begründeter Anlass, erneut die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Entscheidung
des Senats im Einklang sowohl mit der obergerichtlichen Rechtsprechung wie auch der
fachgerichtlichen Rechtsprechung steht und im Übrigen im Wesentlichen auf einer
tatsächlichen Bewertung beruht.
Streitwert: 60.000 € (entsprechend der Festsetzung durch den Bundesgerichtshof im
Revisionsrechtszug)