Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.03.2007

OLG Düsseldorf: cmr, schweizer recht, russland, verschulden, frachtführer, fixgeschäft, frachtvertrag, ablieferung, bestimmungsort, grenzabfertigung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 115/06
Datum:
07.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 115/06
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.05.2006 verkündete Urteil
der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (36 O
69/04) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht
zur Zahlung von 8.593,81 € nebst Zinsen verurteilt.
1
I.
2
Die Beklagte schuldet der Klägerin den zugesprochenen Gesamtbetrag als Frachtlohn,
Standgeld und Auslagenersatz.
3
1.
4
Die Klägerin hat gem. § 407 Abs. 2 HGB Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 3.300 €
für den Hintransport von der Schweiz nach Russland.
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Das gilt unabhängig davon, ob der Beklagten wegen des Ankunftstermins in K.
Gegenrechte zustehen. Das verspätete Eintreffen eines CMR-Transports vermag
lediglich Schadensersatzpflichten des Frachtführers auszulösen, führt aber nicht zum
automatischen, von einer Aufrechnung mit den Schadensersatzansprüchen
unabhängigen Erlöschen oder Reduzieren seines Vergütungsanspruchs.
6
a)
7
Es kann offen bleiben, ob die Parteien durch den Hinweis auf den Veranstaltungsbeginn
am 12. April in der E-Mail-Anfrage der Beklagten vom 26.03.2003 (Anl. B 4, Bl. 77 GA) in
Verbindung mit der Angabe des Eintrefftermins am - so übereinstimmend gemeint und
verstanden - 10. April 2003 Arbeitsbeginn in der Auftragsbestätigung der Klägerin vom
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26.03.2003 (Anl. K 1, Bl. 5/6 GA) den 10.04.2003 als absoluten oder relativen Fixtermin
im Sinne des deutschen allgemeinen Schuldrechts vereinbaren wollten, mit der Folge,
dass bei Nichteinhaltung dieses Fixtermins die Vergütungspflicht der Beklagten ohne
weiteres weggefallen wäre (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB, absolutes Fixgeschäft),
durch eine Rücktrittserklärung der Beklagten zum Wegfall gebracht werden konnte (§
323 Abs. 2 Nr. 2 BGB, relatives Fixgeschäft) oder zum Schadensersatz statt der
Leistung (§§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 2 BGB) berechtigen und bei dessen Berechnung
anhand der Differenzmethode untergehen würde. Eine solche Fixabrede wäre nach Art.
41 CMR unwirksam.
Nach der Rechtsprechung des Senats trifft die CMR mit der Anordnung von (einfachem)
Schadensersatz als Rechtsfolge einer Lieferfristüberschreitung eine abschließende und
erschöpfende Spezialregelung, neben der die nationalen Vorschriften über
Leistungsstörungen nicht zur Anwendung kommen und der insbesondere die dem
Fixgeschäft nach deutschem Recht innewohnenden Gedanken fremd sind; wegen der
Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil vom 09.03.1995,
NJW-RR 1995, 1120 = TranspR 1995, 288, Bezug genommen. Abweichende
Auffassungen anderer Gerichte bestehen, soweit ersichtlich, nicht. Die in der Literatur
geäußerte Kritik, dass eine Fixgeschäftsabsprache nur die Abgrenzung zwischen
(zwingend geregelter) Verspätung und (nicht bzw. nur teilweise geregelter)
Unmöglichkeit bestimme und deshalb der Parteivereinbarung überlassen sei (MüKo
HGB-Basedow, Art. 17 CMR Rz. 97), überzeugt den Senat nicht. Wenn ein
Lebenssachverhalt - hier: Ablieferung am 12. statt am 10. April - objektiv unter einen
bestimmten Tatbestand der CMR fällt - hier: Überschreitung der Lieferfrist i.S.d. Art. 19
CMR -, dann ist eine Parteiabrede dahingehend, dass es sich um etwas anderes als
den objektiv gegebenen CMR-Tatbestand handeln solle, eine zumindest mittelbare
Abweichung von den Bestimmungen der CMR im Sinne ihres Art. 41 Abs. 1 Satz 1.
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Hieran ändert es nichts, dass Schadensersatz statt der Leistung gemäß ergänzend
anwendbarem deutschem Recht dann in Betracht kommen mag, wenn der Frachtführer -
wie in dem der Entscheidung BGH 08.05.1985, NJW 1985, 2405 zugrunde liegenden
Fall - nach einer Teilstrecke die Weiterbeförderung des Gutes ablehnt. Dieser
Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden, in dem das Gut bis zum Bestimmungsort
transportiert wurde, nicht vergleichbar (so schon OLG Düsseldorf 09.03.1995, NJW
1995, 1120, 1121 zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 326 BGB a.F.). Es
braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der Umstand, dass der russische
Empfänger (wie von der Beklagten in der Berufungsinstanz erstmals klar vorgetragen
und von der Klägerin nicht bestritten) die Zeitmessanlage nicht in seinen unmittelbaren
Besitz übernahm, sondern sie im Zolllager beließ, während er sich um ihre Wieder-
Ausfuhr kümmerte, als eine Verweigerung der Annahme anzusehen ist. Indem der
Empfänger die Annahme des ihm - bis auf die Lieferfristüberschreitung - vertragsgemäß
zur Verfügung gestellten Gutes ablehnt, kann er doch nicht erreichen, dass diese
Überschreitung nach anderen Regeln als den einschlägigen Bestimmungen der CMR
zu beurteilen ist (vgl. Art. 30 Abs. 3 CMR).
10
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang schließlich, ob der Klägerin ein qualifiziertes
Verschulden i.S.d. Art. 29 CMR zur Last fällt. Dass die Rechtsfolge einer
Lieferfristüberschreitung nach Art. 17 Abs. 1 "Haftung", d.h. die Verpflichtung zum
Schadensersatz und, infolge des abschließenden Charakters der CMR, nur diese ist, ist
kein Ausschluss und keine Begrenzung der so erst statuierten Haftung i.S.d. Art. 29
CMR (vgl. MüKo-Basedow, Art. 29 CMR Rz. 30). Im übrigen liegt kein qualifiziertes
11
Verschulden vor, wie unten II. 2. im Einzelnen ausgeführt wird.
b)
12
Wegen der abschließenden Anordnung von Schadensersatz bei
Lieferfristüberschreitungen durch die CMR kann die Beklagte auch keine Minderung des
Werklohns (Fracht) gem. §§ 634, 638 BGB verlangen, zumal eine solche nach § 425
Abs. 1 HGB nicht einmal bei Anwendbarkeit des deutschen Frachtvertragsrechts
stattfände (OLG Düsseldorf 09.10.1986, TranspR 1986, 429, 430/431 zu § 429 HGB
a.F.; OLG Düsseldorf 09.03.1995, NJW-RR 1995, 1120, 1121).
13
2.
14
Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 2.200 € für den
Rücktransport von Russland in die Schweiz.
15
Die Frage nach einer automatischen Beseitigung oder Minderung dieses Anspruchs
durch die verspätete Ablieferung auf dem Hintransport stellt sich von vorn herein nicht.
Es handelt sich um einen anderen, rechtlich unabhängigen Frachtvertrag, der erst durch
die Auftragsbestätigung der Klägerin vom 17.04.2003 (Anl. K 2, Bl. 7 GA) zustande kam.
Die Klägerin war auch nicht wegen der vorangegangenen Lieferfristüberschreitung
verpflichtet, die Anlage unentgeltlich zurückzubefördern.
16
3.
17
Die vom Landgericht zugesprochenen 743,81 € (entsprechend 900 US-$) für die von
den Parteien sogenannten Konvoivermeidungskosten stehen der Klägerin ebenfalls zu
(§§ 675, 670 BGB).
18
a)
19
Mit E-mail vom 07.04.2003 schrieb die Beklagte der Klägerin: "bitte veranlassen Sie die
Zahlung der 900,- USD" (Anl. K 9, Bl. 57 GA). Es kann offen bleiben, ob darin mit dem
Landgericht ein Auftrag i.S.d. §§ 675, 662 ff. lag, oder vielmehr eine Weisung i.S.d. Art.
14 Abs. 1 CMR.
20
aa)
21
Im Falle eines Auftrags folgt der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des demgemäss
gezahlten Betrages aus § 670 BGB.
22
Die E-Mail-Erklärung der Beklagten war auch nicht in der Weise bedingt, dass eine
Erstattungspflicht nur für den Fall begründet wurde, dass der Transport seinen
Bestimmungsort noch fristgerecht erreichte. Vielmehr heißt es: "... damit das Fahrzeug ...
sich weiterbewegt und hoffentlich noch pünktlich in K. eintrifft, ..." Das erhoffte pünktliche
Eintreffen war Motiv für die Zahlung, aber nicht Voraussetzung für ihre Übernahme.
23
bb)
24
Im Fall einer Weisung folgt der Erstattungsanspruch aus Art. 16 Abs. 1 CMR.
25
Die Klägerin hat die Konvoivermeidungskosten auch nicht verschuldet im Sinne dieser
Bestimmung.
26
Unstreitig kommt es häufig vor, dass für den LKW-Transit durch osteuropäische Staaten
die Grenzbehörden die Einweisung in einen Konvoi fordern. Es besteht kein
Anhaltspunkt dafür, dass diese Forderung hier auf ein Verhalten der Klägerin oder ihres
Subunternehmers zurückging.
27
Die mit der Konvoiproblematik verbundenen Kosten fallen auch nicht in den
Risikobereich der Klägerin. Vielmehr haben die Parteien in ihrem Vertrag vereinbart:
"Konvoikosten ... sind im oben genannten Frachtpreis nicht enthalten und werden
gemäß Auslagen weiterbelastet" (Auftragsbestätigung vom 26.03.2003). Nach dem Sinn
und Zweck dieser Vereinbarung gilt dasselbe für Kosten, die im Einvernehmen mit der
Beklagten als Auftraggeber zur Vermeidung eines anderenfalls vorgeschriebenen
Konvois aufgewendet werden.
28
b)
29
Der Senat kann ohne Beweisaufnahme zu der Überzeugung kommen, dass die
Klägerin die 900 $ tatsächlich an ukrainische Zollbeamte zahlte. Das folgt aus den
unstreitigen Eckdaten des Zeitablaufs.
30
Die E-Mail der Beklagten stammt vom Montag, dem 07.04.2003, um 11:48 Uhr.
Anschließend wurden die Dokumente geändert. Das war als solches von Anfang an
unstreitig; nach der Vorlage der "Packliste-Rechnung" mit einer verringerten
Wertangabe über 185.682,27 $ anstelle der ursprünglichen 256.000 $ auf einem
Formular der Beklagten (Anl. K 13, Bl. 116 GA) hat die Beklagte auch nicht mehr
bestritten, dass sie selbst an den Änderungen mitwirkte. Diese Änderungen wären
unsinnig gewesen, wenn die 900 $ nicht geflossen wären und den Sinneswandel des
Zolls herbeigeführt hätten. Zudem traf der LKW am 12.04.2003 um 13 Uhr in K. ein.
Während dieser insgesamt fünf Tage musste die Grenzabfertigung Slowakei-Ukraine zu
Ende abgewickelt werden, sodann die gesamte Strecke gefahren und schließlich die
Grenzabfertigung Ukraine-Russland durchgeführt werden. Das zeigt, dass keine
nennenswerten Standzeiten mehr entstanden, was angesichts der zuvor unstreitig
aufgetretenen Schwierigkeiten ebenfalls den Rückschluss auf eine
bestimmungsgemäße Verwendung der 900 $ zulässt.
31
4.
32
Schließlich hat das Landgericht zu Recht die Standgeldforderung der Klägerin gemäß
ihren Rechnungen vom 28.07.2003 (Anl. K 6, Bl. 11 GA) und 30.04.2003 (Anl. K 7, Bl.
12 GA) in Höhe von insgesamt 2.350 € als begründet angesehen.
33
Die Beklagte hat in erster Instanz nicht in erheblicher Weise bestritten, dass die
berechneten Standgelder mit ihrem Herrn M. abgesprochen sind. Auf die nicht näher
erläuterte Vorlage der Rechnungen mit der Klageschrift hin hat sie in der
Klageerwiderung erklärt, das behauptete Standgeld werde sowohl dem Grunde als auch
der Höhe nach bestritten. Daraufhin hat die Klägerin vorgetragen, das Standgeld sei
berechnet nach Absprache mit Herrn M. auf Seiten der Beklagten. Anschließend ist die
Beklagte auf das Thema nicht mehr zurückgekommen. Das wäre nach ihrem nur
ergebnishaften Bestreiten aus der Klageerwiderung aber erforderlich gewesen, wenn
34
sie auch der nunmehr erfolgten Substantiierung entgegentreten wollte (§ 138 Abs. 3
ZPO). Ohne ein Bestreiten durch die Beklagte brauchte die Klägerin auch keine
näheren Einzelheiten der Absprache darzulegen.
Das in der Berufungsbegründung erklärte Bestreiten einer Absprache nebst
Beweisangebot durch Zeugnis "M." (richtig sein dürfte "M.", s. Zitat eines Mitarbeiters
dieses Namens der Beklagten in dem Zeitungsartikel vom 20.03.2004, Anl. K 12, Bl. 115
GA) kann nicht zugelassen werden. Ein Fall des § 531 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.
35
II.
36
Gegenüber diesen Forderungen der Klägerin kann die Beklagte nicht mit ihrem
etwaigen Anspruch auf Schadensersatz wegen Lieferfristüberschreitung (Art. 17 Abs. 1,
Art. 19 CMR) aufrechnen.
37
Das folgt aus Ziff. 19 ADSp, deren Einbeziehung in den Vertrag der Parteien in der
Berufung nicht mehr streitig ist, zumal beide Seiten auf ihren Schriftstücken
standardmäßig darauf hinweisen, dass sie ausschließlich auf der Grundlage der ADSp
arbeiten (s. auf Seiten der Beklagten z.B. e-mail vom 07.04.2003). Ein
Ausnahmetatbestand, dessentwegen das so vereinbarte Aufrechnungsverbot hier nicht
eingreifen würde, ist nicht gegeben.
38
1.
39
Der etwaige Gegenanspruch der Beklagten ist nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist
beim derzeitigen Sach- und Streitstand ungeklärt, ob der Beklagten ein Schaden
entstanden ist.
40
a)
41
Dass die in der Vertragskette Vorangehenden es unter Bezugnahme auf den
überschrittenen Liefertermin ablehnen mögen, das jeweils vereinbarte Entgelt zu zahlen
- also der russische Veranstalter an S. T., S. T. an die S. S. AG (im folgenden: S. S.) und
S. S. an die Beklagte -, ist als solches unerheblich. Eine unberechtigte
Zahlungsunwilligkeit wäre kein Schaden, sondern die Beklagte und ihre Vordermänner
müssten ihre jeweiligen Ansprüche erforderlichenfalls gerichtlich durchsetzen (Senat
09.10.1986, TranspR 1986, 429, 430). Für eine ausnahmsweise Unzumutbarkeit
gerichtlicher Inanspruchnahme ist nichts vorgetragen.
42
b)
43
Ob die Zahlungen zu Recht abgelehnt werden, lässt sich derzeit nicht feststellen.
44
Im Verhältnis der Beklagten zu ihrem Auftraggeber S. S. setzt eine berechtigte
Zahlungsverweigerung durch letztere einen dieser entstandenen Schaden voraus, denn
auch dieses Vertragsverhältnis unterliegt der CMR. Ebenso wie Russland, ist auch die
Schweiz Mitgliedstaat dieses Übereinkommens. Der Vertrag zwischen der Beklagten
und S. S. ist ein Vertrag über die Beförderung von Gütern i.S.d. Art. 1 Abs. 1 CMR. In
diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Beklagte zunächst Wert darauf
gelegt hat, dass sie einen bloßen Speditionsauftrag zur Besorgung des Transports
erhalten habe und keinen Frachtauftrag, bevor sie später von einer "Frachtvergütung"
45
spricht und sich als "Frachtführer" bezeichnet. Es kommt auch nicht darauf an, ob
insoweit, wie Raum für nationales Recht ist, auf den Vertrag wirklich, wie die Beklagte
ohne Begründung, jedoch auch ohne konkreten Widerspruch durch die Klägerin
behauptet, Schweizer Recht Anwendung findet. Jedenfalls hatte die Beklagte mit S. S.
eine feste Vergütung vereinbart, nämlich 4.600 € für den Hin- und 3.700 € für den
Rücktransport. Damit haftet sie nach deutschem Recht wie ein Frachtführer (§ 459 HGB)
und folglich auch als ein solcher im Rahmen der CMR (Koller, Transportrecht, Art. 1
CMR Rz. 3). Nach Schweizer Recht steht ohnehin jeder Spediteur "in bezug auf den
Transport der Güter unter den Bestimmungen über den Frachtvertrag" (Art. 439 OR).
Auch zwischen S. S. und S. T. gelten die Bestimmungen der CMR mit der Folge, dass
eine Lieferfristüberschreitung nur dann den Anspruch auf die Fracht entfallen lässt,
wenn dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist und er mit dem entsprechenden
Schadensersatzanspruch zulässigerweise aufrechnet. Die auch bei diesem
Vertragsverhältnis bestehende Unklarheit im Beklagtenvortrag hinsichtlich des
Vertragstyps (Speditions- oder Frachtvertrag) ist wiederum wegen Art. 439 OR ohne
Belang.
46
Ob S. T. ein Schaden entstanden ist, weil ihr gegenüber der russische Veranstalter zu
Recht die Zahlung des vereinbarten (Miet-) Entgelts ablehnt, ist bisher nicht
entscheidbar. Zu den vertraglichen Grundlagen ist noch überhaupt nichts vorgetragen.
Das auf diesen Vertrag anwendbare Recht wäre bei objektiver Anknüpfung gem. Art. 28
Abs. 1, 2 EGBGB das der Schweiz, doch liegt bei einer staatlichen Organisation als
Vertragspartner nahe, dass diese entweder auf der Vereinbarung des Rechts ihres
Landes besteht, oder dass die Parteien sich auf ein drittes "neutrales" Recht einigen.
Unbekannt ist auch, welche Vereinbarung die Parteien zur Zeitfrage getroffen haben
und wer, gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen, das Verspätungsrisiko
übernommen hat. Ebenso unbekannt ist der einschlägige Inhalt des anwendbaren - sei
es Schweizer, sei es russischen oder sonstigen - nationalen Rechts.
47
2.
48
Ob qualifiziertes Verschulden des Frachtführers i.S.d. Art. 29 CMR, § 435 HGB zur
Folge hat, dass der Frachtführer sich auf das vereinbarte Aufrechnungsverbot nicht
berufen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Der Schaden, dessen Ersatz die
Beklagte begehrt, geht nicht auf ein qualifiziertes Verschulden der Klägerin zurück.
49
a)
50
Die Verzögerung über das Wochenende 29./30.03.2003 deshalb, weil der LKW wegen
des am 29.03. geschlossenen Grenzbüros erst am 02.04.2003 abgefertigt wurde, wurde
allerdings in qualifiziert schuldhafter Weise durch den Grenzspediteur K. & W.
verursacht, den die Klägerin (über die U. E. AG) selbst eingeschaltet hatte und für den
sie daher nach Art. 3 CMR einzustehen hat. Wenn ein Grenzbüro an einem Wochentag,
an dem es normalerweise geöffnet hat, ausnahmsweise schließt, ohne dies seinen
Vertragspartnern auch nur vorher mitzuteilen, dann liegen Verzögerungen für LKWs, die
an diesem Tag die Dienste des Grenzbüros in Anspruch zu nehmen beabsichtigten, auf
der Hand.
51
Diese Verzögerung war jedoch nicht kausal für den Schaden. Sie betrug genau zwei
Tage. Wäre der LKW statt - wie unstreitig ist - am 12.04.2003 um 13 Uhr zwei Tage
52
früher eingetroffen, dann wäre das am 10.04.2003 um 13 Uhr gewesen und damit auch
außerhalb der nur bis zum Arbeitsbeginn am 10.04. vereinbarten Lieferfrist. Es ist auch
nicht etwa ersichtlich, dass die Verzögerung zwischen Arbeitsbeginn und 13 Uhr durch
größere Eile beim Aufbau usw. aufgefangen worden wäre.
b)
53
Die Verzögerung an der slowakisch-ukrainischen Grenze (04.04. - 08.04.2003) geht auf
kein qualifiziertes Verschulden der Klägerin oder ihres Unterfrachtführers zurück.
54
So, wie die Klägerin die Vorgänge an jener Grenze schildert, fand dort kein qualifiziert
schuldhaftes oder auch nur objektiv falsches Verhalten der Frachtführerseite statt. Nach
dem Klägervortrag nahm man, nachdem sich gegen 22 Uhr am 03.04.2003 die
Konvoiproblematik gezeigt hatte, um 9 Uhr am Freitag, dem 04.04.2003, Kontakt mit der
Beklagten auf und versuchte, mittels jeweils abgestimmter Zahlbeträge die Problematik
zu vermeiden, was am 07.04.2003 schließlich gelang; anschließend wurden gemäß der
gefundenen Lösung die Papiere geändert bzw. neu erstellt, nämlich die
"Rechnung/Packliste" durch die Beklagte selbst und die übrigen Dokumente vor Ort
durch die Klägerin bzw. von ihr beauftragte Personen oder den Zoll. Es ist nichts
ersichtlich, was die Klägerin in dieser Situation hätte anders und besser machen
können, um diese Verzögerung zu vermeiden oder auch nur um den halben Tag
abzukürzen, dessen es bedurft hätte, damit ohne den qualifiziert verschuldeten
Zeitverlust an der Schweizer Grenze (s.o. a)) die Lieferfrist eingehalten worden wäre.
55
Es ist auch davon auszugehen, dass es sich tatsächlich so verhielt, wie die Klägerin
vorträgt. Die Beklagte bestreitet dies nur pauschal, wobei sie angesichts ihrer E-Mail
vom 07.04.2003 zugestehen muss, sich mit einer Konvoivermeidungszahlung von 900 $
einverstanden erklärt zu haben, und auf die vorgelegte "Rechnung/Packliste" auf ihrem
eigenen Formular überhaupt nicht eingeht. Nachdem die Beklagte unbestritten
jedenfalls in die Angelegenheit einbezogen war, hätte sie aber der detaillierten
Schilderung der Klägerin ebenso detailliert und konkret entgegentreten müssen.
56
c)
57
Andere qualifiziert schuldhafte Handlungen oder Unterlassungen der Klägerseite sind
nicht feststellbar.
58
Ihrer Darlegungsobliegenheit ist die Klägerin nachgekommen. Nach Abzug der beiden
von ihr vorgetragenen Verzögerungen - 29./30.03. an der schweizerisch-deutschen
Grenze und 04. bis 08.04.2003 an der slowakisch-ukrainischen Grenze - verbleiben an
reiner Fahrzeit 8 1/2 Tage, nämlich der 28.03. zur Hälfte, 31.03. - 03.04., der 08.04. zur
Hälfte, 09. - 11.04. und der 12.04. zur Hälfte. Dass die Fahrt bei ordnungsgemäßem
Verlauf noch weniger als 8 1/2 Tage in Anspruch genommen hätte, behauptet auch die
Beklagte nicht. Die beiden genannten Verzögerungen stehen auch im Tatsächlichen
fest. Die Verzögerung an der Grenze Schweiz-Deutschland ergibt sich aus dem von der
Klägerin vorgelegten Carnet TIR nebst Souches mit den Schweizer und deutschen
Zollstempeln vom 31.03. und einem österreichischen Zollstempel vom 01.04.2003 (Anl.
K 8, Bl. 53/54); auch das von der Beklagten eingereichte unvollständige Carnet TIR
(Anl. B 2, Bl. 29 GA) trägt als Fax-Absendedatum erst den 31.03.2003. Wegen der
Verzögerung an der slowakisch-ukrainischen Grenze wird auf oben b) Bezug
genommen.
59
Die weiteren Vorwürfe der Beklagten tragen nicht. So ist nicht ersichtlich, weshalb die
behauptete Verwendung eines Zollversandscheins T 1 an der schweizerisch-deutschen
Grenze anstelle eines Carnet TIR zu einer weiteren Verzögerung als der an dieser
Grenze ohnehin eingetretenen geführt haben soll. Im übrigen trifft es zwar zu, dass in
dem am 07./08.04.2003 neu erstellten Frachtbrief (Anl. B 3, Bl. 30 GA) die Angaben aus
Spalte 30 des ursprünglichen Frachtbriefs (Anl. B 1, Bl. 28 GA) nicht übernommen
wurden, denn sie sind dort nicht vorhanden. Dieser eventuelle Fehler hat sich aber nicht
ausgewirkt. Die fraglichen Angaben sind von Bedeutung für die temporäre
Eingangsverzollung in Russland, bei der keinerlei Probleme ersichtlich sind; es besteht
auch keine zeitliche Lücke im festgestellten Geschehensablauf, die auch nur
möglicherweise auf Probleme bei der russischen Eingangsverzollung zurückgeht.
Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin die Beklagte über die Änderung
der LKW-Nummer von 1 A. auf 1 W in Kenntnis setzte und der russische Empfänger den
LKW wegen der geänderten Nummer und/oder der fehlenden Eintragung in der
Frachtbrief-Spalte 30 nicht an der Grenze ausfindig machen konnte, denn es ist nicht
nachvollziehbar, wie der Empfänger auch bei zügigem Auffinden des LKWs dessen
Abfertigung so hätte beschleunigen können, dass er noch rechtzeitig am
Veranstaltungsort eingetroffen wäre. Der generelle Vorwurf der Beklagten, die Klägerin
habe sich um die ordnungsgemäße Transportorganisation und -abwicklung überhaupt
nicht gekümmert, sondern alles ihrem offensichtlich überforderten Unterfrachtführer vor
Ort überlassen, ist angesichts des festgestellten Geschehensablaufs ebenfalls
unzutreffend.
60
III.
61
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713.
62
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht
erfüllt (s.o. I. 1. a)).
63
Streitwert für die Berufungsinstanz: 8.593,81 €
64