Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.05.2009

OLG Düsseldorf: anleger, direktor, england, börsengang, kapitalanlage, emissionsprospekt, handelsregister, aufklärungspflicht, erwerb, akte

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-9 U 175/08
Datum:
11.05.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-9 U 175/08
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. August 2008 verkündete
Schlussurteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts
Düssel-dorf (6 O 93/08) teilweise abgeändert.
Die Beklagten zu 1 und 2 werden verurteilt, als Gesamtschuldner neben
dem anderweitig verurteilten Beklagten zu 3 an den Kläger Zug um Zug
gegen
Übereignung von 11.226 Aktien der D... 20.697,20 EUR nebst 4 %
Zinsen
aus 1.800,00 EUR vom 08.04.2003 bis zum 22.04.2003,
aus 3.600,00 EUR vom 23.04.2003 bis zum 05.05.2003,
aus 5.400,00 EUR vom 06.05.2003 bis zum 27.07.2003,
aus 10.800,00 EUR vom 28.07.2003 bis zum 24.03.2004,
aus 18.000,00 EUR vom 25.03.2004 bis zum 26.07.2004,
aus 20.697,20 EUR vom 27.07.2004 bis zum 01.05.2007
sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 20.697,20 EUR seit dem 02.05.2007
zu zahlen.
Der Beklagte zu 2 wird darüber hinaus verurteilt, als Gesamtschuldner
neben dem anderweitig verurteilten Beklagten zu 3 an den Kläger Zug
um Zug gegen Übereignung der vorbezeichneten Aktien weitere Zinsen
in Höhe von 1 Prozentpunkt über dem Basiszinssatz aus 20.697,20 EUR
für die Zeit vom 12.04.2007 bis zum 01.05.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die durch die Anrufung des Landgerichts Zwickau
entstande-nen Mehrkosten. Die übrigen Kosten des ersten Rechtszuges
tragen die Be-klagten als Gesamtschuldner, die Kosten des
Berufungsverfahrens die Be-klagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1 und 2 können
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des von ihm
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger begehrt in der Berufungsinstanz von den Beklagten zu 1 und 2
Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Geldanlagen in nicht börsennotierte Aktien
der in England registrierten D..., deren Geschäftsgegenstand im Wesentlichen die
Suche und Bergung auf dem Meeresgrund liegender Schiffswracks und die
Vermarktung dabei gehobener Schätze ist.
3
Die Beklagten waren Direktoren der D... (nachfolgend: D...) mit Sitz in England. Die
Gesellschaft betrieb in R... eine Zweigniederlassung (G... B...), als deren Direktoren u.a.
der Beklagte zu 1 und zeitweise der Beklagte zu 3 im Handelsregister des Amtsgerichts
Düsseldorf eingetragen waren. Der Beklagte zu 2 war als Prokurist im Handelsregister
eingetragen (Anlage B 3). Er war in der R... Niederlassung tätig, wobei er angibt,
lediglich die Aufgaben eines Büroleiters innegehabt zu haben.
4
Der Kläger erwarb, nachdem er von Mitarbeitern der deutschen Niederlassung der D...
telefonisch kontaktiert worden war, am 08.04.2003, 23.04.2003, 06.05.2003, 28.07.2003,
25.03.2004 und 23.07.2004 insgesamt 11.226 O... S... der D... zu einem Betrag von
insgesamt 20.697,20 EUR. Zu diesem Zeitpunkt waren die Aktien der D... nicht an der
Börse notiert, ein Börsengang war ausweislich der von der D... herausgegebenen
Prospekte jedoch beabsichtigt. Inzwischen hat die D..., ohne dass es zu einem
Börsengang gekommen wäre, in England einen Insolvenzantrag gestellt.
5
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hafteten für die ihm aufgrund der
Aktienkäufe entstandenen Verluste. Sie hätten es als Direktoren der D... zumindest
billigend in Kauf genommen, dass Anleger ohne die erforderliche Aufklärung eine
ungewöhnliche und hochriskante Geldanlage tätigten, die zu einem Totalverlust führen
konnte.
6
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
7
Das Landgericht Zwickau hat am 26.06.2007 gegen den Beklagten zu 3 antragsgemäß
ein Teilversämnisurteil erlassen. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das
Landgericht Düsseldorf hat dieses die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 mit der
Begründung abgewiesen, dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch wegen
fehlerhafter Aufklärung zu. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers sei
die Kammer davon überzeugt, dass er vor seiner Anlageentscheidung einen Prospekt
der D... erhalten habe. Durch diesen sei er ausreichend über die mit dem Erwerb der
Aktien verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Die Risikohinweise der D... genügten
den bei derartigen Geschäften bestehenden gesteigerten Aufklärungspflichten. Es sei
sowohl über die besonderen Risiken bei nicht börsennotierten Aktien als auch über das
unternehmerische Risiko aufgeklärt worden. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich
auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung. Insoweit habe der Kläger
keine geeigneten Beweise für seine Behauptung, dass der Prospekt falsche Angaben
enthalte, angeboten.
8
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches
Begehren weiterverfolgt.
9
Der Kläger trägt vor, er sei über die Risiken der Kapitalanlage nicht ordnungsgemäß
aufgeklärt worden. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Prospekt erhalten. Die vom
Landgericht insoweit gezogenen Schlüsse seien unzutreffend. Ohnehin seien aber die
in den Prospekten enthaltenen Angaben nicht ausreichend. Es werde nicht in der
gebotenen Weise auf das Risiko des Totalverlustes der Anlage hingewiesen. Ferner sei
die Preisgestaltung der Aktie nur unzureichend dargestellt. Über die Pläne eines
Börsengangs werde unzutreffend informiert. Die Risikohinweise seien für einen
flüchtigen Leser nicht deutlich erkennbar. Sie würden zudem durch vorangestellte
werbende Aussagen verharmlost. Ferner trägt der Kläger vor, er sei durch
Telefonverkäufer mit falschen Angaben über den bevorstehenden Börsengang und
bereits erfolgreich abgeschlossene Projekte dazu veranlasst worden, die Kapitalanlage
zu tätigen. Zum Beweis dieser Tatsache könne er sich nur auf den Inhalt der zur Akte
gereichten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und auf den Haftbefehl des
Amtsgerichts Düsseldorf beziehen. Dies sei angesichts der Umstände als Beweis
ausreichend.
10
Der Kläger beantragt,
11
unter Abänderung des am 05.08.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts
Düsseldorf den Beklagten zu 1 und den Beklagten zu 2 zu verurteilen,
gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 3 Zug um Zug gegen
Rückübereignung der erworbenen 11.226 Aktien der D... an ihn 20.697,20 EUR
nebst Zinsen in Höhe von
12
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.800,00 EUR seit dem 08.04.2003
bis 22.04.2003,
13
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.600,00 EUR seit dem 23.04.2003
bis 05.05.2003,
14
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.400,00 EUR seit dem 06.05.2003
bis 27.07.2003,
15
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.800,00 EUR seit dem
28.07.2003 bis 24.03.2004,
16
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.000,00 EUR seit dem
25.03.2004 bis 26.07.2004 und
17
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 20.697,20 EUR seit dem
27.07.2004
18
zu zahlen.
19
Die Beklagten zu 1 und 2 beantragen,
20
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
21
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
22
Der Beklagte zu 1 macht geltend, die in den zur Akte gereichten Prospekten enthaltene
Risikoaufklärung sei ausreichend. Auch habe das Landgericht aus den wechselnden
Angaben des Klägers zutreffend den Schluss gezogen, dass er einen Prospekt erhalten
habe.
23
Der Beklagte zu 2 trägt vor, ihn treffe für eine möglicherweise unzureichende Aufklärung
keine Verantwortung. Er sei weder für die Erstellung des Prospekts noch für den Verkauf
der Aktien zuständig gewesen. Vielmehr sei es seine Aufgabe gewesen, die R...
Niederlassung "organisatorisch am Laufen zu halten". Er sei für die Mieträume, die
Infrastruktur, die Personalbesetzung, die ordnungsgemäße Bearbeitung des
Schriftverkehrs, die Kontrolle eingehender Gelder sowie für die Aushändigung der
gezeichneten Aktien zuständig gewesen. Von irreführenden Angaben im
Verkaufsprospekt oder in den Verkaufsgesprächen, die er bestreite, habe er keine
Kenntnis gehabt. Eine Verantwortung für die Aufklärung der Anleger ergebe sich auch
nicht aus seiner Stellung als Direktor in England. Diese sei nach englischem Recht zu
beurteilen. Danach gelte bezüglich eines Direktors nicht das Prinzip der
Gesamtverantwortung, sondern das "Board-System". Hiernach sei jeder Direktor nur für
seinen Verantwortungsbereich in Verbindung mit seinen konkreten Handlungen
verantwortlich und haftbar. Im Übrigen seien die in den Prospekten enthaltenen
Angaben zutreffend und zur ordnungsgemäßen Aufklärung der Anleger ausreichend.
Dass es sich um eine spekulative Anlage handele, sei für jeden Anleger aufgrund des
Gesellschaftszwecks erkennbar. Auch habe die D... tatsächlich Such- und
Bergungsarbeiten durchgeführt und erfolgreich Schätze geborgen. Die Finanzen der D...
seien von Wirtschaftsprüfern geprüft und für ordnungsgemäß befunden worden. Der
Börsengang sei tatsächlich betrieben worden.
24
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
25
Die Akten 15 O 234/06 und 15 O 369/07 des Landgerichts Düsseldorf lagen vor und
waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
26
II.
27
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache mit Ausnahme eines Teils der
Zinsforderung Erfolg.
28
Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner neben dem
anderweitig verurteilten Beklagten zu 3 ein Schadensersatzanspruch in Höhe der
Anlagesumme von 20.697,20 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der 11.226 von ihm
erworbenen Aktien an die Beklagten zu 1 und 2 aus §§ 826, 840 Abs. 1 BGB zu. Die
Beklagten zu 1 und 2 haben den Kläger im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig
geschädigt, indem sie es als für die R... Niederlassung verantwortliche Direktoren der
D... bewusst zugelassen haben, dass der Kläger als Anleger nicht börsennotierte Aktien
der D... erwarb, ohne zuvor ausreichend über die Risiken der außergewöhnlichen und
hochriskanten Anlageform aufgeklärt worden zu sein.
29
1.
30
Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist deutsches Recht anwendbar
(Art. 40 Abs. 1 EGBGB). Sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort liegen in
Deutschland. Zwar hat der Kläger Aktien einer in England registrierten Gesellschaft
erworben. Der telefonische Kontakt und der Verkauf erfolgten jedoch von der in
Deutschland ansässigen Niederlassung der D... aus, so dass die bestehenden
Aufklärungspflichten von dort aus zu erfüllen waren. Auch der Erfolg ist in Deutschland
eingetreten, da der Kläger hier Geldbeträge auf deutsche Konten der D... überwiesen
hat (vgl. Anlage K 7).
31
Der Anwendbarkeit deutschen Rechts steht auch Art. 41 EGBGB nicht entgegen. Es
besteht keine engere Verbindung zum englischen Recht, da die Verletzung von in
Deutschland zu erfüllenden Aufklärungspflichten und nicht das Statut der emittierenden
Gesellschaft im Vordergrund steht.
32
2. a)
33
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung missbraucht ein Geschäftsführer oder
Vorstandsmitglied einer Gesellschaft, die hochriskante Anlagegeschäfte vermittelt, seine
geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet daher aus § 826 BGB,
wenn er veranlasst oder bewusst nicht verhindert, dass Anleger ohne die erforderliche
Aufklärung Anlagegeschäfte tätigen (vgl. BGH WM 1994, 453; BGH WM 2002, 1445,
1446; BGH WM 2003, 975, 977; BGH WM 2006, 84, 87). Bei ungewöhnlichen
Anlagegeschäften, die mit besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Risiken
behaftet sind, muss sich die Aufklärung auf die wesentlichen wirtschaftlichen
Zusammenhänge und Risiken des Geschäfts erstrecken. Das gilt sowohl für
Börsentermingeschäfte als auch für die Vermittlung von hochspekulativen Aktien (vgl.
BGH NJW 1991, 1108; BGH WM 1991, 127, 128; BGH WM 1991, 1410 f.; BGH NJW
1992, 1879, 1880; BGH NJW 1994, 512). Hiernach hat der Vermittler solcher Geschäfte
dem potentiellen Kunden ein zutreffendes Bild von den Gefahren und Chancen in der
Weise zu verschaffen, dass der Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht
treffen kann. An die Aufklärung sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss
sie schriftlich erfolgen, um ihren Zweck, dem Anleger ein zutreffendes Bild von den
schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhängen zu vermitteln, erfüllen zu können. Die
Darstellung muss dabei zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der
Gestaltung her geeignet sein, einem unbefangenen Leser einen realistischen Eindruck
von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu verschaffen (vgl. BGH NJW 1992,
34
1879, 1880). Gleiches gilt für den Verkäufer einer Anlage, da auch in diesem Fall der
Anleger gleichermaßen schutzbedürftig ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2006,
I-6 U 121/04, zitiert nach juris, Rdnr. 23).
Diese Grundsätze sind auch auf die Aktien der D... anzuwenden. Diese unterscheiden
sich hinsichtlich der Anlageart und des Anlegerrisikos erheblich von Aktien
börsennotierter Unternehmen. Es handelte sich um eine Art Privatplatzierung einer
ausländischen Aktiengesellschaft. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge solcher
Geschäfte sind schwierig. Privatplatzierungen, mit denen Fremdkapital im Wege der
Ansprache eines begrenzten Personenkreises beschafft wird, um so den Gang des
Unternehmens an die Börse zu ermöglichen, sind den Anlegern im Regelfall nicht
bekannt. Die mit der Anlage verbundenen Risiken sind für sie nicht überschaubar. Das
gilt insbesondere für die Risiken, die sich daraus ergeben, dass etwa nicht genügend
Kapital aufgebracht werden kann, so dass der Börsengang scheitert, oder dass die
Aktiengesellschaft aus anderen Gründen unfähig wird, das Kapital zurückzuerstatten.
Zudem besteht noch kein geregelter Handel mit den Aktien, so dass kein Marktwert
existiert und die Anleger erheblichen Manipulationsmöglichkeiten ausgesetzt sind.
Schließlich ist auch der Gegenstand des Unternehmens höchst spekulativ und mit
hohen Verlustrisiken verbunden. Es gibt keine Erfolgsgarantie für die Bergungsarbeiten.
Selbst wenn Schätze gefunden werden, bedeutet dies nicht, dass mit ihnen im Ergebnis
ein Gewinn erzielt wird. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die Schätze sich als
unverwertbar erweisen oder dass die Verkaufserlöse nicht einmal die erheblichen
Kosten der Bergung decken. Dies rechtfertigt es, die dargestellten Grundsätze zur
Aufklärungspflicht bei hochriskanten Anlagegeschäften auch vorliegend anzuwenden
(vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2006, I-6 U 121/04, zitiert nach juris, Rdnr. 22).
35
b)
36
Die Beklagten zu 1 und 2 waren für eine ordnungsgemäße Aufklärung der in
Deutschland akquirierten Anleger, so auch des Klägers, verantwortlich.
37
Der Beklagte zu 1 war im Zeitpunkt der Aktienkäufe Managing Direktor der in England
registrierten D.... Er war zudem als Direktor der in R... ansässigen Niederlassung ins
Handelsregister eingetragen und somit aufgrund seiner organschaftlichen Stellung für
die ordnungsgemäße Aufklärung der in Deutschland geworbenen Anleger
verantwortlich.
38
Der Beklagte zu 2 war ebenfalls für die ordnungsgemäße Aufklärung der Anleger
verantwortlich. Auch er war im Zeitraum der Aktienkäufe Direktor und jedenfalls bis zum
01.06.2004 Vorstandsmitglied der in England ansässigen D.... Auf die Struktur und die
rechtliche Ausgestaltung des englischen "Board-Systems" kommt es dabei vorliegend
ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass der Beklagte zu 2 im deutschen
Handelsregister lediglich als Prokurist eingetragen war, denn tatsächlich hatte er in
Bezug auf das Geschäft der D... in Deutschland eine nach dem maßgeblichen
deutschen Deliktsrecht einem Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied vergleichbare
Stellung inne:
39
Er selbst räumt ein, organisatorisch für den Betrieb der Niederlassung in R...,
insbesondere für die Mieträume, die Infrastruktur, die Personalbesetzung, die
ordnungsgemäße Bearbeitung des Schriftverkehrs, die Kontrolle eingehender Gelder
und die Aushändigung der gezeichneten Aktien zuständig gewesen zu sein. Hierin
40
erschöpfte sich seine Funktion indes nicht. So wurde er bereits auf Seite 11 des
deutschen Emissionsprospektes in der Fassung vom 10.12.2000 (Anlage 2 zu seiner
Berufungserwiderung vom 16.12.2008) unter der Rubrik "Vorstand, Direktoren"
gleichrangig mit den Beklagten zu 1 und 3 als für den Bereich der Verwaltung
zuständiger Direktor aufgeführt. Im Emissionsprospekt Nr. 2 vom 04.09.2002 (Anlage
K 20 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2007) wurde er an gleicher Stelle unter
Angabe von Geburtsdatum und früherer Funktion ebenfalls als Direktor und seit August
2001 zudem Vorstandsmitglied vorgestellt. Auf Seite 13 desselben Prospektes findet
sich ein "Vorwort zur Schatzsuche auf dem Meeresboden", das mit "Der Vorstand"
unterzeichnet ist und unter dem Fotos aller drei Beklagten abgedruckt sind. Schon
hieraus ergibt sich, dass der Beklagte zu 2 als Vorstandsmitglied auch Verantwortung
für die Geschäfte der D... in Deutschland, insbesondere die ordnungsgemäße
Aufklärung der dort geworbenen Anleger trug, auch wenn er nicht ausdrücklich als
Prospektverantwortlicher zeichnete (Seite 6 des Prospektes). Mit der Stellung eines mit
der bloßen Büroleitung betrauten Prokuristen wäre eine solche Hervorhebung
gegenüber den Anlageinteressenten, die ihr Vertrauen typischerweise den für das
operative Geschäft und den Verkauf verantwortlichen Organmitgliedern und dem
verantwortlichen Management entgegenbringen, schlechterdings nicht vereinbar.
Demgemäß hat der Beklagte zu 2 im Schriftverkehr mit Kunden (z.B. Anlagen K 21 und
K 22 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2007), u.a. gegenüber dem Kläger (Anlage
K 7 zur Klageschrift), auch als "Direktor" und nicht etwa "ppa." gezeichnet. Auch dies
steht der Annahme, seine Vorstandstätigkeit habe sich im Rahmen des "Board-
Systems" auf andere Bereiche erstreckt und er habe in Deutschland nur interne
Büroleiterfunktionen ausgeübt, entgegen.
Dass ein vom Beklagten zu 1 vorgelegter Emissionsprospekt in der Fassung vom
03.06.2003 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 10.07.2007, Bl. 84 ff. GA) den Beklagten zu 2
im Abschnitt "IV Firmenstruktur der D..." nicht als Direktor und Vorstandsmitglied
ausweist, rechtfertigt keine abweichende Würdigung. Zum einen gilt dies auch für die
vom Beklagten zu 2 mit der Klageerwiderung vom 02.07.2007 vorgelegten
Prospektfassungen vom 10.12.2000 und 04.09.2002 (Anlagen B 5 und B 6), die insoweit
wesentlich von den vom Kläger, vom Beklagten zu 1 als Anlage 3 zum Schriftsatz vom
10.07.2007 (Bl. 84 ff. GA) und zweitinstanzlich auch vom Beklagten zu 2 selbst
vorgelegten Fassungen abweichen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass gegenüber
den Anlegern zumindest auch Prospekte verwendet wurden, die den Beklagten zu 2 –
zutreffend – als Direktor und Vorstandsmitglied darstellten. Zum anderen wird der
Beklagte zu 2 selbst in den "Financial Statements" zum 31.12.2003 (vom Beklagten zu 1
als Anlage 4 zum Schriftsatz vom 10.07.2007, Bl. 84 ff. GA, mit dem Emissionsprospekt
in der Fassung vom 03.06.2003 vorgelegt) im Abschnitt über die Aktienbeteiligungen
der Direktoren noch als solcher aufgeführt. Da der Beklagte zu 2 letztlich auch weder
bestreitet, weiterhin Direktor der englischen Gesellschaft und deren Vorstandsmitglied
gewesen zu sein, noch vorträgt, dass sich seine Rechtsstellung in Bezug auf die
deutsche Niederlassung im maßgeblichen Zeitraum geändert habe, ist er nach alledem
deliktsrechtlich einem für die Aufklärung der Anleger verantwortlichen Organmitglied
jedenfalls gleichzustellen. Einer weiteren Aufklärung etwa durch Vernehmung des
Zeugen C... bedarf es insoweit nicht. Sollte sich der Beklagte zu 2 abweichend von
seiner Stellung innerhalb der D... tatsächlich auf Büroleitertätigkeiten beschränkt und die
anderen Bereiche den – offenbar ebenfalls in der deutschen Niederlassung
anwesenden – Beklagten zu 1 und 3 überlassen haben, könnte ihn dies weder von
seiner Verantwortung noch von der Haftung gegenüber den Anlegern entlasten.
Demgemäß kommt es auch nicht mehr auf das vom Beklagten zu 1 als Anlage 4 zum
41
Schriftsatz vom 10.07.2007 (Bl. 52 ff. GA) vorgelegte Organigramm der D... an, das den
Beklagten zu 2 als für den Verkauf in Deutschland zuständigen Direktor mit
nachgeordneter Niederlassung in R... ausweist und dessen Kenntnis und inhaltliche
Richtigkeit der Beklagte zu 2 (erstmals) nach Erörterung im Verhandlungstermin vom
16.02.2009 in Abrede gestellt hat.
c)
42
Die ihnen obliegende Aufklärungspflicht haben die Beklagten zu 1 und 2 verletzt.
43
Unabhängig von den Fragen, ob durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt war,
dass jeder Anleger vor der Erstanlage einen Emissionsprospekt erhielt, und ob auch der
Kläger einen solchen Prospekt erhalten hat, geben die in den zur Akte gereichten
Emissionsprospekten aufgeführten Risikohinweise kein zutreffendes Bild von den mit
der Anlage verbundenen Risiken.
44
Im Prospekt vom 10.12.2000 (Anlage 2 zur Berufungserwiderung des Beklagten zu 2)
werden die mit einer vorbörslichen Aktie verbundenen Risiken nicht vollständig
dargestellt. Es fehlt vor allem der Hinweis darauf, dass die Anleger bezüglich des
Aktienkurses erheblichen Manipulationsrisiken ausgesetzt sind und die Wertigkeit ihrer
Aktie nicht kontrollieren können. Des Weiteren fehlt eine Aufklärung darüber, welche
Folgen ein Scheitern des Börsengangs hat und welche Folgen sich daraus ergeben,
dass die Kapitalaufbringung scheitert. Auf den Umstand, dass es sich um vorbörsliche
Aktien handelt, wird nur unter den Ziffern 6. und 9. eingegangen, wobei lediglich auf
mögliche Schwierigkeiten bei der Veräußerung der Aktien insbesondere bei einem
Überhang an Verkaufsaufträgen hingewiesen wird. Hinzu kommt, dass sich die
Risikohinweise erst im hinteren Teil des Prospekts unter Ziffer XII finden und eine
deutliche Hervorhebung der wesentlichen Risiken nicht erfolgt. Zudem werden die
Hinweise durch die vorangehenden werbenden Angaben relativiert. So heißt es bereits
im "Vorwort zur Schatzsuche auf dem Meeresboden" des fotografisch abgebildeten
Chairman, dass die D... einerseits den Anleger, der das hohe Risiko eines Investments
eingeht, mit großen Gewinnerwartungen überzeugen, andererseits aber auch der
Wissenschaft Genüge tun will. Anschließend werden die Meeresarchäologie als solche
sowie einzelne Projekte dargestellt und durch Bilder von Bergungsgeräten,
Meeresschätzen, Schiffen und Tauchern illustriert. Dies erweckt beim Anleger die
Erwartung, dass hohe Gewinne möglich und auch zu erwarten sind. Er wird daher den
im hinteren Bereich abgedruckten Risikohinweisen, die bei dieser Gestaltung eher als
Formalie erscheinen, nicht mehr die erforderliche Aufmerksamkeit schenken. Insgesamt
entsteht durch diese Darstellungsweise der Eindruck eines erfolgreichen
Unternehmens, dessen Börsengang keine besonderen Probleme erwarten lässt.
45
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Prospekt vom 04.09.2002, der – soweit
ersichtlich – auch Grundlage der Fassung vom 03.06.2003 war (Anlage K 20 zum
Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2007). Auch in diesem Prospekt wird auf die oben
aufgeführten Gefahren, die mit dem Erwerb vorbörslicher Aktien verbunden sind, nicht
eingegangen. Die Risikohinweise finden sich wie im Prospekt vom 10.12.2000 erst im
hinteren Bereich unter Ziffer XIII, ohne dass besondere Hervorhebungen erfolgen. Zwar
wird in diesem Prospekt im Vorwort (Seite 13) nicht mehr auf hohe, sondern nur noch
auf "realistische" Gewinnerwartungen hingewiesen. Auch dies erweckt jedoch beim
Anleger die Erwartung einer erfolgreichen Kapitalanlage, zumal in unmittelbarem
Zusammenhang auf die Zusammenarbeit mit einem "führenden" Meeresarchäologen
46
sowie auf die mögliche überdurchschnittliche Ausschüttung an die Aktionäre im Falle
einer erfolgreichen Schatzsuche verwiesen wird. Die Einführung endet sodann mit der
Feststellung, dass mit der heutigen Technik alles möglich und nur eine Kostenfrage sei.
Auch hierdurch und durch die folgenden Darstellungen von laufenden Projekten wird
dem Anleger das Bild eines erfolgreichen Unternehmens vermittelt. Demgegenüber
treten die späteren Risikohinweise in den Hintergrund. Dies gilt auch, soweit unter Ziffer
6. der Risikohinweise ausgeführt wird, dass der Zeitpunkt der Börsenzulassung nicht
absehbar sei, denn durch die vorherige positive Darstellung des Unternehmens entsteht
beim Anleger der Eindruck, dass einer Börsenzulassung jedenfalls keine wesentlichen
Hindernisse entgegenstehen.
d)
47
Die Beklagten zu 1 und 2 haben in Bezug auf die unterbliebene Aufklärung auch
vorsätzlich gehandelt. Dass die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken nicht
zutreffend und erschöpfend dargestellt waren, musste sich den Beklagten zu 1 und 2
aufdrängen. Es liegt auf der Hand, dass die mit einer Kapitalanlage verbundenen
Risiken zutreffend und nicht geschönt dargestellt werden müssen. Als Verantwortliche
eines hochspekulative Anlagen vertreibenden Unternehmens mussten die Beklagten zu
1 und 2 erkennen, dass dies vorliegend nicht geschehen war, sofern sie sich dieser
Erkenntnis nicht verschlossen. Ein Irrtum über den Umfang der Aufklärungspflicht
entlastet die Beklagten zu 1 und 2 deshalb nicht (vgl. BGHZ 124, 151, 163; BGH WM
2001, 2313, 2315; BGH WM 2002, 1445, 1447).
48
3.
49
Dem Kläger ist durch den Erwerb der Aktien aufgrund der unzureichenden
Risikoaufklärung ein Schaden in unstreitiger Höhe von 20.697,20 EUR entstanden.
50
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1994, 512, 513;
BGH NJW 1997, 2171, 2173) ist derjenige, der bei hochspekulativen Anlagegeschäften
eine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der
Schaden auch bei gehöriger Aufklärung eingetreten wäre. Umstände, die dafür
sprechen, dass der Kläger die Anlage auch im Falle einer ordnungsgemäßen
Aufklärung getätigt hätte, haben die Beklagten zu 1 und 2 indes nicht schlüssig
vorgetragen.
51
4.
52
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 849, 246, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für die Zeit
bis zur jeweiligen Rechtshängigkeit kann der Kläger dabei lediglich den gesetzlichen
Zinssatz von 4 % (§ 246 BGB) verlangen. Einen früheren Verzugseintritt hat er nicht
vorgetragen.
53
5.
54
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4, 281 Abs. 3 Satz
2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
55
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen
56
nicht vor.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 20.697,20 EUR.
57
M... Dr. W... S...
58