Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.11.2004

OLG Düsseldorf: juristische person, sicherungsübereignung, restriktive auslegung, gesellschafter, geschäftsführer, anfechtung, gemischte schenkung, verschwiegenheit, unentgeltlich, eltern

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-12 U 45/04
18.11.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
12. Zivilsenat
Urteil
I-12 U 45/04
Landgericht Düsseldorf, 3 O 612/03
Die Berufung der Kläger gegen das am 12. März 2004 verkündete Urteil
des
Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückge-
wiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamt-
schuldner.
Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, sofern nicht die
Kläger
Sicherheit in Höhe von 110 % des insgesamt aus dem Urteil zu
vollstreckenden
Betrages leisten.
Gründe:
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I.
Die Parteien streiten darüber, ob den Klägern der von dem Beklagten in seiner Eigenschaft
als Insolvenzverwalter hinterlegte Erlös in Höhe von 70.954,41 Euro aus der Verwertung
von sechs PKW der GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) zusteht.
Die Kläger sind die Eltern des Herrn , der seit April 2000 Geschäftsführer und alleiniger
Gesellschafter der Schuldnerin war.
Im Mai und Juni 2000 gewährten die Kläger der Schuldnerin Darlehen in einer
Gesamthöhe von 522.160,00 DM, die sie im September 2001 kündigten.
Auf den Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin vom 25.9.2001 wurde am 1.11.2001 über
deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter
bestellt. Dieser verwertete in Absprache mit den Klägern sechs von der Schuldnerin
angeschaffte PKW und erzielte dabei einen Nettoerlös in Höhe von 70.954,41 Euro, den er
verzinslich anlegte.
Die Kläger haben behauptet, bei Hingabe der Darlehen seien deren Verzinsung mit
4 % und monatliche Tilgungsleistungen der Schuldnerin vereinbart worden. Sie hätten der
Schuldnerin am 1.7.2000 die Zins- und Tilgungsleistungen gestundet und hätten dafür von
dieser die vom Insolvenzverwalter später verwerteten sechs PKW zur Sicherheit übereignet
erhalten. Sie meinen, aufgrund dieser Sicherungsübereignung stünde ihnen der
Verwertungserlös zu.
Der Beklagte hat die insolvenzrechtliche Anfechtung der Sicherungsübereignung -soweit
diese überhaupt wirksam sei- erklärt.
Das Landgericht hat die auf Auskehr des Erlöses in Höhe von 70.954,41 Euro gerichtete
Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ob eine wirksame Sicherungsübereignung der PKW an die Kläger erfolgt sei, könne
dahinstehen. Die Kläger seien jedenfalls aufgrund der wirksamen insolvenzrechtlichen
Anfechtung der Sicherungsübereignung nicht berechtigt, den Verwertungserlös
herauszuverlangen. Die Anfechtung sei, soweit es sich um eine unentgeltliche Leistung
gehandelt habe, gemäß § 134 Abs. 1 InsO, soweit es sich um eine entgeltliche Leistung
gehandelt habe, gemäß § 133 Abs. 2, 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO begründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger.
Sie machen geltend:
Die Sicherheitsübereignung der Fahrzeuge sei eine entgeltliche Leistung gewesen. Ihre
Gegenleistung habe in der Stundung der monatlichen Tilgungsleistungen und der
Zinszahlungen sowie in dem Verzicht auf eine Kündigung des Darlehens bestanden.
Das Landgericht sei zu Unrecht von einer Anfechtbarkeit der Sicherungsübereignung
gemäß § 133 Abs. 2 InsO ausgegangen. Es handele sich bei ihnen nicht um dem
Schuldner nahestehende Personen im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Ihr Sohn sei als
Geschäftsführer der Schuldnerin und deren alleiniger Gesellschafter zwar eine der in
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Absatz 2 Nr. 1 der Vorschrift bezeichneten Personen gewesen. Da er als Geschäftsführer
der GmbH aber in den Angelegenheiten der Schuldnerin zur Verschwiegenheit verpflichtet
gewesen sei, greife der Ausschlusstatbestand des § 138 Abs. 2 Nr. 3 , 2. Halbsatz . Soweit
das Landgericht davon ausgegangen sei, dass ihr Sohn im Rahmen der vorgenommenen
Sicherungsübereignung nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen sei, sei dies ohne
Bedeutung, da es nur auf das generelle Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht
ankomme.
Die Kläger beantragen,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und den Beklagten zu
verurteilen, an sie 70.954,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung im Hinblick auf § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO bereits für unzulässig, weil die
Kläger in der Berufungsbegründungsschrift keine Ausführungen dazu gemacht haben, dass
der Anfechtungstatbestand des § 134 InsO ihrem Klageanspruch nicht entgegenstehe, da
es sich bei der Sicherungsübereignung der PKW um eine entgeltliche Leistung gehandelt
habe.
Im übrigen verteidigt er die Entscheidung des Landgerichts und vertieft seinen
erstinstanzlichen Sachvortrag.
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, auch
wenn in ihr nicht ausgeführt wird, dass die Sicherungsübereignung entgeltlich erfolgt und
deshalb der Anfechtungstatbestand des § 134 InsO nicht erfüllt sei. Ausführungen dazu,
dass keine unentgeltliche Sicherungsübereignung stattgefunden habe, hätte es nur dann
bedurft, wenn das Landgericht die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des §
134 InsO bejaht hätte. Dies war aber nicht der Fall. Das Landgericht hat es dahinstehen
lassen, ob die Sicherungsübereignung unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt ist und hat
seine Entscheidung darauf gestützt, dass für den Fall einer entgeltlichen
Sicherungsübereignung die Anfechtung aus § 133 InsO berechtigt sei. Unter diesen
Umständen genügte es, sich in der Berufungsbegründung mit dem Nichtvorliegen der
Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des
§ 133 InsO auseinander zu setzen.
2.
Die Berufung der Kläger ist unbegründet.
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Zu Recht hat das Landgericht es dahinstehen lassen, ob die Kläger Sicherungseigentum
an den später von dem Beklagten verwerteten PKW erlangt haben und ob die
Sicherungsübereignung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Zutreffend hat es ausgeführt,
dass den Klägern auch bei entgeltlich erworbenem Sicherungseigentum an den sechs
PKW kein Anspruch auf Befriedigung aus dem für die PKW erzielten Verwertungserlös
zustehe. Die Sicherungsübereignung sei von dem Beklagten nämlich wirksam gemäß §
133 InsO angefochten worden mit der Folge, dass der Beklagte die Herausgabe des
Verwertungserlöses an die Kläger verweigern dürfe.
Hierzu im einzelnen:
a.
Der von den Klägern geltend gemachte Zahlungsanspruch ergbt sich nicht aus den allein
in Betracht kommenden §§ 50 Abs. 1, 51 Nr. 1 InsO i.V.m. den §§ 166 Abs. 1, 170 Abs. 1
InsO und der zwischen den Parteien getroffenen Verwertungsvereinbarung.
Soweit die Kläger wirksames Sicherungseigentum an den sechs von dem Beklagten
verwerteten PKW erworben hatten, stand ihnen zwar gemäß den §§ 50 Abs. 1, 51 Nr. 1
InsO ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung zu.
Die Kläger als Sicherungsnehmer waren nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 InsO zur
abgesonderten Befriedigung aus den ihnen zur Sicherheit übereigneten PKW berechtigt.
Dabei durfte der Beklagte als Insolvenzverwalter gemäß § 166 Abs. 1 InsO die zum
Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im Besitz der Insolvenzschuldnerin befindlichen Pkw
freihändig verwerten. Zur freihändigen Verwertung der zum Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung noch im Besitz der Kläger befindlichen PKW war der Beklagte aufgrund
der mit den Klägern geschlossenen Verwertungsvereinbarung berechtigt. Aus dem
Verwertungserlös hatte der Beklagte die Kläger als absonderungsberechtigte Gläubiger zu
befriedigen, nachdem er vorweg die durch die Verwertung entstandenen Kosten für die
Insolvenzmasse entnommen hatte (§ 170 Abs. 1 InsO i.V.m. dem Inhalt der mit den Klägern
getroffenen Verwertungsvereinbarung).
b.
Bedenken bestehen jedoch bereits gegen eine wirksame Sicherungsübereignung der
Fahrzeuge an die Kläger vor der am 1.11. 2001 erfolgten Insolvenzeröffnung.
Die Kläger haben zwar in erster Instanz als Anlage K 2 einen
Sicherungsübereignungsvertrag vom 1.7. 2000 vorgelegt. Der Beklagte hat aber behauptet,
dieser Sicherungsübereignungsvertrag sei erst nach dem Antrag auf Insolvenzeröffnung
vom 25.9.2001 aufgesetzt und auf den 1.7.2000 rückdatiert worden. Die Kläger hätten am
1.7.2000 lediglich die als "Abtretungserklärung" bezeichnete Vereinbarung TW 6 getroffen
und hätten erst als ihnen nach Insolvenzeröffnung bewusst wurde, dass eine "Abtretung"
von Fahrzeugen kein wirksames Sicherungsrecht begründen könne, den
Sicherungsübereignungsvertrag angefertigt.
Diesem Vortrag sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Es hätte insoweit
einer Erklärung dafür bedurft, dass zwei Vereinbarungen gleichen Datums existieren,
wobei nach dem Inhalt der einen die streitgegenständlichen Fahrzeuge den Klägern zur
Sicherheit übereignet, nach dem Inhalt der anderen die Fahrzeuge an die Kläger
"abgetreten" werden. Die Kläger haben aber lediglich unter Beweisantritt erwidert, mit der
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Abtretungserklärung TW 6 sei von den Vertragsparteien eine Sicherungsübereignung der
Fahrzeuge bezweckt worden und die von Laien erstellte Erklärung sei in diesem Sinne
auszulegen.
Dieser Streitpunkt bedarf allerdings ebenso wenig einer abschließenden Klärung, wie die
Frage, ob die Sicherungsübereignung unentgeltlich erfolgte und deshalb eine Anfechtung
unter den gegenüber den in § 133 InsO normierten Voraussetzungen vereinfachten
Voraussetzungen des § 134 InsO möglich war.
c.
Ob die Sicherungsübereignung im Sinne des § 134 InsO unentgeltlich erfolgte, ist fraglich.
Unentgeltlich erfolgte die Sicherungsübereignung nur, wenn das Eigentum an den PKW
von der Schuldnerin zugunsten der Kläger aufgegeben wurde, ohne dass die Kläger für
diese Leistung ein Vermögensopfer in Form eines Entgeltes an die Schuldnerin erbringen
mussten.
Durch die Sicherungsübereignung ist nachträglich die zuvor entgeltlich begründete
Darlehensverbindlichkeit der Schuldnerin abgesichert worden. In einem solchen Fall hängt
es von der Gestaltung der konkreten Sicherungsabrede ab, ob die Sicherungsübereignung
entgeltlich oder unentgeltlich erfolgte. Unentgeltlich ist sie, wenn für sie nicht eine
selbständige werthaltige Gegenleistung vereinbart wurde. Dabei kann bei einer kündbaren
Forderung deren "Stehenlassen" durch Stundung im Einzelfall ein ausgleichender
Gegenwert für die Besicherung sein, wenn der Gläubiger zu dieser Zeit noch die
Rückzahlung hätte erlangen können. Anhalt dafür kann der Umfang, in dem der Schuldner
zur Sicherheitengestellung in der Lage blieb, sein (vgl. Kirchhof, § 134 , Rdnr. 29 in
Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, München 2002).
Soweit die Kläger mit der Schuldnerin bereits bei der Darlehensgewährung Zins- und
Tilgungsleistungen vereinbart hatten, hätte deren Nichtleistung die Kläger am
1. 7.2000 zur Kündigung der Darlehen berechtigt. Das "Stehenlasssen" der kündbaren
Darlehensforderung durch Stundung wäre dabei ein ausgleichender Gegenwert für die
Sicherheitsübereignung gewesen, wenn die Kläger zu dieser Zeit noch die Rückzahlung
der Darlehen in einer Gesamthöhe von 592.160,00 DM hätten erreichen können. Zwar
bestand nach dem Inhalt des zu den Akten gereichten Jahresabschlusses der Schuldnerin
zum 31.12.2000 (Anlage TW 8) zu diesem Zeitpunkt eine bilanzielle Überschuldung der
Schuldnerin in Höhe von 543.974,06 DM. Den Klägern standen aber die später zur
Sicherheit übereigneten unbelasteten Fahrzeuge zur Befriedigung zur Verfügung. Für
diese wurde ca. 1,5 Jahre später zwar nur ein Verwertungserlös in Höhe von ca. 71. 000
Euro erzielt, der nicht zur Befriedigung der Gesamtdarlehensforderung geeignet gewesen
wäre. Die Kläger haben aber auch auf eine teilweise Befriedigung in Höhe der
Fahrzeugwerte verzichtet, so dass statt einer unentgeltlichen Leistung eine gemischte
Schenkung in Betracht zu ziehen sein könnte. Diese Frage bedarf aber keiner
abschließenden Klärung.
d.
Selbst wenn man zu Gunsten der Kläger von einer wirksamen entgeltlichen
Sicherungsübereignung ausgehen würde, ist diese nämlich von dem Beklagten gemäß
§ 133 Abs. 2 Satz 1 InsO wirksam angefochten worden.
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da.
Die Sicherungsübereignung ist zwischen der Schuldnerin und den Klägern als ihr
nahestehenden Personen im Sinne des § 138 Abs. 2 Nummer 3 InsO erfolgt.
Die Schuldnerin war als GmbH eine juristische Person. Die Kläger standen zu einer der in
§ 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO bezeichneten Personen in der in Absatz 1 Nr. 2 der Vorschrift
bezeichneten Verbindung. Sie waren die Eltern des Vertretungsorgans der GmbH, nämlich
dessen alleinigen Geschäftsführers. Zugleich waren sie die Eltern einer Person, die zu
mehr als einem Viertel am Kapital der GmbH beteiligt war, da ihr Sohn auch alleiniger
Gesellschafter der GmbH war.
db.
Gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz InsO würde es sich bei den Klägern zwar trotzdem
nicht um der Schuldnerin nahestehende Personen handeln, soweit ihr Sohn im Sinne
dieser Vorschrift kraft Gesetzes in den Angelegenheiten der Schuldnerin zur
Verschwiegenheit verpflichtet gewesen wäre. Dies war entgegen der von den Klägern
vertretenen Ansicht aber nicht der Fall.
Zwar stellt § 85 Abs.1 GmbHG das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen der GmbH
durch deren Geschäftsführer unter Strafe, woraus sich für den Sohn der Kläger eine
generelle Pflicht zur Verschwiegenheit in den Angelegenheiten der GmbH ergab. Dass der
Sohn der Kläger zugleich Gesellschafter der GmbH und als solcher nicht zur
Verschwiegenheit verpflichtet war, änderte an einer sich aus seiner
Geschäftsführereigenschaft ergebenden Verschwiegenheitspflicht nichts.
§ 138 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz InsO ist aber restriktiv auszulegen.
Nach dem Gesetzeszweck soll § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO Personen erfassen, die einem
gesellschaftsrechtlichen Insider nahe stehen und deshalb über besondere
Informationsmöglichkeiten über die juristische Person verfügen. Sie sollen so behandelt
werden, als ob sie selbst der juristischen Person nahe stehen, da an Verwandte
typischerweise Informationen weitergegeben werden.
Dies soll aber dann nicht gelten, wenn der Insider kraft Gesetzes in Angelegenheiten der
juristischen Person zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und es deshalb an den
besonderen Informationsmöglichkeiten fehlt, die sich aus der Nähebeziehung zum Insider
ergeben. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich der Insider nicht gesetzwidrig verhält,
indem er seine Verschwiegenheitspflicht durch die unerlaubte Weitergabe von Kenntnissen
verletzt, die auf seiner besonderen Informationsmöglichkeit beruhen.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich aber weiter, dass eine Herausnahme der dem Insider
persönlich verbundenen Personen aus dem Kreis der dem Schuldner nahestehenden
Personen dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die für die Anfechtung relevanten
Informationen trotz einer generellen Verschwiegenheitspflicht des Insiders nicht den
Geheimhaltungsvorschriften unterlagen (vgl. Uhlenbruck-Hirte, Komm. zur InsO, 12. Aufl., §
138 Rdnr. 50).
So liegt der Fall hier, da der Sohn der Kläger alleiniger Geschäftsführer und zugleich
alleiniger Gesellschafter der GmbH war.
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Als solcher war er das Organ der GmbH, von dessen alleinigen Willen es abhing, ob eine
Tatsache überhaupt ein Geheimnis darstellte und ob dieses offenbart werden sollte.
Aufgrund dieser alleinigen Entscheidungsbefugnis konnte er durch die Offenbarung von für
die Anfechtung relevanten Informationen gegenüber seinen Eltern
Verschwiegenheitspflichten gegenüber der GmbH nicht verletzen. Nur die Annahme, der
Sohn der Kläger würde wegen der strafbewehrten Pflicht zur Verschwiegenheit über
gesellschaftliche Interna der Schuldnerin, diese Informationen nicht an seine Eltern
weitergeben, würde aber deren Herausnahme aus dem Kreis der Insider rechtfertigen.
Hierzu im einzelnen:
Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Unternehmens stehen und nur
einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind, sind nur dann ein Geheimnis, wenn sie
nach dem bekundeten oder erkennbaren Willen des maßgeblichen Organs der
Gesellschaft geheimgehalten werden sollen und der Geheimhaltungswille auf einem
objektiv anzuerkennenden Geheimhaltungsinteresse beruht (vgl. Michalski- Dannecker ,
Komm. zum GmbHG, München 2002, § 85 / Rdnr. 27 unter Hinweis auf die h.M.).
Maßgebend für die Bekundung des Willens zur Geheimhaltung ist bei einer GmbH in der
Regel der Geschäftsführer, da die Einstufung einer Tatsache als Geheimnis eine
Maßnahme der Geschäftsführung ist. Unter bestimmten Umständen kann für die Bildung
des Geheimhaltungswillens auch die Gesamtheit der Gesellschafter zuständig sein
(Rowedder- Schaal, Komm. zum GmbHG, 4.Aufl. § 85, Rdnr. 10).
Da der Sohn der Kläger nicht nur alleiniger Geschäftsführer der GmbH, sondern auch deren
alleiniger Gesellschafter war, war sein Wille für den Geheimhaltungswillen der GmbH allein
maßgeblich. Mit der Offenbarung von Tatsachen gab er konkludent auch ein evtl.
Geheimhaltungsinteresse auf und nahm den Tatsachen einen evtl. Geheimnischarakter.
Damit unterfielen sie nicht mehr dem Tatbestand des § 85 GmbHG. Entgegen der von den
Klägern in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsansicht würde der spätere
Eintritt weiterer Gesellschafter in die GmbH hieran nichts ändern. Die Bildung des
Geheimhaltungswillens für einen Zeitpunkt vor ihrem Eintritt in die Gesellschaft kann nicht
in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.
Für diese restriktive Auslegung des §138 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz InsO spricht auch § 85
Abs. 3 GmbHG, wonach die Tat nur auf Antrag der Gesellschaft verfolgt wird. Hat der
Geschäftsführer die Tat begangen, so ist ein von den Gesellschaftern bestellter besonderer
Vertreter antragsberechtigt, wenn -wie hier- kein Aufsichtsrat vorhanden ist.
Da der Sohn der Kläger alleiniger Geschäftsführer und in Personalunion auch
Alleingesellschafter der GmbH war, hatte er keine Strafverfolgung zu befürchten, wenn er
seine Eltern über Interna der Gesellschaft informierte, da er selbst seine eigene
Strafverfolgung nicht veranlassen würde.
Für diese Betrachtung spricht auch, dass der Bundesgerichtshof (vgl.BGHZ Bd. 58, S. 23)
im Rahmen des § 31 Nr. 2 KO entschieden hat, dass die juristische Person GmbH ihrem
einzigen Gesellschafter gleichzusetzen sei, wenn es sich bei dem Gemeinschuldner um
eine Einmann- GmbH handele. Schließe diese Verträge mit den Angehörigen ihres
alleinigen Gesellschafters, sei so zu entscheiden, wie wenn der Gesellschafter selbst der
Gemeinschuldner wäre.
Übertragen auf den vorliegenden Fall würde dies bedeuten ,dass die Kläger sich so
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behandeln lassen müssen, als ob ein Fall des § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorliegen würde, in
dem gesetzliche Verschwiegenheitspflichten des Geschäftsführers der GmbH keine Rolle
spielen. .
Durch die Weitergabe der für die Anfechtung relevanten Informationen an seine Eltern,
konnte der Sohn der Kläger die ihm generell obliegende Verschwiegenheitspflicht darüber
hinaus auch deshalb nicht verletzen, weil eine Tatsache nur dann ein Geheimnis darstellt,
wenn das maßgebende Organ an der Geheimhaltung der geschützten Vorgänge im
Interesse der Gesellschaft objektiv interessiert ist (Rowedder a.a.O. Rdnr. 10). Dies war hier
nicht der Fall.
Bei den für die Anfechtung relevanten Informationen handelt es sich um Informationen über
finanzielle Probleme der GmbH. An deren Geheimhaltung bestand ein objektives Interesse,
wenn das Bekanntwerden der GmbH einen materiellen oder immateriellen Schaden
zugefügt hätte (Michalski-Dannecker , Komm. zum GmbHG, München 2002, § 85, Rdnr.
30). Insoweit hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass gegenüber den Klägern als
Darlehensgebern wahrheitsgemäße Angaben über die Vermögensverhältnisse der
Schuldnerin als Darlehnsnehmer zu machen waren, um in den Genuss des Darlehens zu
kommen, eine Stundung zu erreichen oder seine Kündigung zu verhindern.
Die vorgenommene restriktive Auslegung von § 138 Abs. 2 Nr. 3, 2. Halbsatz InsO führt
schließlich auch nicht zum Leerlaufen dieser Vorschrift, da Geschäftsführer einer GmbH,
die nicht deren Alleingeschäftsführer oder nicht zugleich Alleingesellschafter der GmbH
sind, ebenso von der Ausnahmevorschrift umfasst sind, wie alle anderen
Berufsangehörigen, die kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit in Angelegenheiten des
Schuldners verpflichtet sind, also vor allem Rechtsanwälte, Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer.
dc.
Die Insolvenzgläubiger wurden durch die Sicherungsübereignung unmittelbar
benachteiligt, da die Insolvenzmasse durch sie um die sicherungsübereigneten PKW
verkürzt wurde.
dd.
Aufgrund der bei nahestehenden Personen zu erwartenden Kenntnis von den finanziellen
Problemen des Schuldners beinhaltet § 133 Abs. 2 InsO eine Vermutung für den
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis der nahestehenden
Person hiervon, die von dem Anfechtungsgegner zu widerlegen ist. Der Insolvenzverwalter
hat nur zu beweisen, dass der Schuldner mit einer ihm nahestehenden Person einen
Vertrag geschlossen hat und dass hierdurch eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung
eingetreten ist (Braun, Komm. zur InsO, 2004, § 133, Rdnr. 33).
Die Vermutung, dass die Schuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat
und dass ihnen dieser zum Zeitpunkt der Sicherungsübereignung bekannt war, haben die
Kläger nicht widerlegt. Im übrigen waren ihnen die finanziellen Verhältnisse der
Schuldnerin jedenfalls insoweit bekannt, als sie wussten, dass die Schuldnerin keine Zins-
und Tilgungsleistungen erbringen konnte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
erfüllt sind.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 70.954,41 Euro.
S. E. O.