Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.04.2010

OLG Düsseldorf (software, uwg, verhalten, verhältnis zu, anbieter, öffentlich, wettbewerb, unternehmen, versorgung, zpo)

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 4/10
Datum:
28.04.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
VI-U (Kart) 4/10
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.09.2008 verkündete
Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln teilweise abgeändert
und insgesamt wie folgt neugefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu je 1/9.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird
nachgelas-sen, die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf
600.000,00 €
festgesetzt, wobei auf die Berufung der Klägerinnen und den Wert ihrer
Beschwer einerseits und die Berufung der Beklagten und den Wert
deren Beschwer andererseits je 300.000,00 € entfallen.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerinnen sind über das Bundesgebiet verteilte Hersteller von Dentalsoftware.
Jede von ihnen vertreibt u.a. Software-Produkte, die in Zahnarztpraxen für die
Praxisverwaltung, die Patientenberatung und die Abrechnung gegenüber den
Krankenkassen sowie den Patienten eingesetzt werden können.
3
Die Beklagte, nach § 77 Abs. 5 SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist die
Spitzenorganisation der Vertragszahnärzte im Sinne des SGB V. Ihre Mitglieder sind die
(regionalen) Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, die wiederum durch die im
jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich ansässigen Vertragszahnärzte gebildet
werden. Ihre öffentlichen Aufgaben ergeben sich aus § 75 SGB V.
4
Durch die gesetzliche Neuregelung der Kassenleistungen zum Zahnersatz, die zum
01.01.2005 in Kraft trat, wurde das prozentuale Zahnersatz-Bezuschussungssystem
durch ein befundbezogenes Festzuschusssystem ersetzt. Dieses sieht unabhängig von
der für einen bestimmten Befund gewählten Behandlungsmethode (Regelversorgung,
gleichartige oder andersartige Versorgung) einen an den statistischen
Durchschnittskosten der Regelversorgung bemessenen Festzuschuss der
Krankenkassen vor, der nur im Fall der Regelversorgung und der gleichartigen
Versorgung unmittelbar vom Zahnarzt über die zuständige kassenzahnärztliche
Vereinigung mit den Krankenkassen abgerechnet wird. Den Eigenanteil (im Fall der
Regelversorgung) bzw. die Mehrkosten (im Fall der gleichartigen Versorgung) rechnet
der Zahnarzt gegenüber dem Patienten (privat) ab. Im Fall der andersartigen
Versorgung erfolgt die gesamte Abrechnung ausschließlich zwischen dem Zahnarzt und
dem Patienten, wobei dieser im Wege der Kostenerstattung einen Zuschuss seiner
Krankenkasse erlangen kann.
5
Die Klägerinnen – wie auch andere Dentalsoftwareanbieter – hatten ihre
Abrechnungssoftware rechtzeitig zum Ende des Jahres 2004 an das neue
Festzuschusssystem angepasst. In (bis heute) fortlaufender Zusammenarbeit mit der
Beklagten haben sie auch die Folgeänderungen in ihren jeweiligen Softwareprodukten
umgesetzt und regelmäßig Updates angeboten. Die ergänzte Software jeder Klägerin
ermöglicht es neben der kompletten Behandlungsabrechnung u.a. auch, nach Eingabe
des individuellen Befundes die in Betracht kommenden Behandlungsmethoden
(Regelversorgung, gleichartige und andersartige Versorgung) mittels – jedenfalls -
standardisierter Abbildungen der von der Versorgungsweise abhängigen
Behandlungsergebnisse visuell darzustellen und die von der jeweiligen
Behandlungsmethode abhängenden Kosten unter Berücksichtigung des
Festzuschusses aufzuzeigen. Diese Funktion dient nicht nur zur Information des
behandelnden Zahnarztes, sondern als visualisierendes Hilfsmittel (auch) der
zahnärztlichen Patientenberatung über Behandlungsmethoden und damit verbundene
Eigenkosten bzw. Festzuschüsse. Ob und inwieweit hierbei personenbezogene Daten
des einzelnen Patienten, insbesondere Fotos, Röntgenbilder etc. in die Datenbank
implentiert werden können, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kaufpreis für die
angepassten und seit Ende 2004 auch auf dem Markt befindlichen Planungssoftware-
Produkte der Klägerinnen liegt zwischen 400 € und 1.400 €.
6
Die Beklagte gab an die ca. 52.000 bundesdeutschen Zahnärzte mit Kassenzulassung
zunächst ein schriftliches Kompendium heraus, welches die Auswirkungen der
gesetzlichen Neuregelung und die neuen Festzuschüsse im Einzelnen darlegt und
durch Bilder die einzelnen Befunde und die Ergebnisse der Regelversorgung sowie der
gleichartigen und andersartigen Versorgung darstellt.
7
Etwa Mitte 2005 schrieb die Beklagte die Entwicklung einer interaktiven Software mit
folgenden Leistungsanforderungen aus:
8
"Ausgehend vom zahnmedizinischen Befund soll der Benutzer durch eine
strukturierte, systematische Frageführung im Sinne eines Prüfungsschemas möglichst
schnell und einfach ermitteln können, welche Festzuschüsse im konkreten Fall
anzusetzen sind bzw. welche Versorgung als Regelversorgung gilt und welche
BEMA-Positionen dabei abrechenbar sind. Gleichermaßen soll das Instrument über
Versorgungsalternativen aufklären und das Praxispersonal darin unterstützen, bei
einer geplanten Versorgung zu ermitteln, welche Versorgungselemente der
Regelversorgung, gleich- oder andersartigen Versorgung zuzuordnen sind" (Anlage L
6 zum Schriftsatz der Beklagten v. 13.07.2006, GA 147).
9
Den Zuschlag erhielt der Q.-Verlag, der auf der Grundlage eines Werkvertrages für die
Beklagte die Software "DPF-I." (DPF = Digitale Planungshilfe zum Festzuschusssystem;
nachfolgend: "DPF") entwickelte. Die Klägerinnen hatten sich untereinander darauf
verständigt, nicht am Ausschreibungsverfahren teilzunehmen.
10
Die Software "DPF" zeigt dem Anwender auf der Grundlage der Befundeingabe für alle
drei Versorgungsarten (Regelversorgung, gleich- sowie andersartige Versorgung) die
gegenüber der Krankenkasse abrechenbaren BEMA-Positionen und die für den
privatärztlich abzurechnenden Teil maßgeblichen GOZ-Ziffern an. Über eine weitere
Funktion des Programms kann der Festzuschuss als Betrag angezeigt werden. Darüber
hinaus enthält "DPF" Visualisierungen der Behandlungsergebnisse einer
Regelversorgung sowie gleichartigen und andersartigen Versorgung durch abstrakte –
d.h. keinen Bezug zum jeweiligen Patienten aufweisende - Lichtbilder. Ob "DPF" im
Rahmen der Visualisierung – wie die Beklagte sowohl erstinstanzlich als auch im
Berufungsverfahren vorgetragen hat – seit jeher auch abstrakte Lichtbilddarstellungen
des Befundes umfasst, ist streitig.
11
Die Software umfasst – wiederum unstreitig - weder die Möglichkeit, personenbezogene
Patientendaten einzupflegen, noch Praxisorganisationsprogramme und insbesondere
kein Abrechnungssystem. Allerdings weist "DPF" eine Microsoft-basierte universelle
Schnittstelle auf, um die Daten in jedes hierauf eingerichtete marktgängige
Abrechnungsprogramm übernehmen zu können. Die für die Einrichtung auf die
Schnittstelle notwendigen Daten und Informationen stellt die Beklagte allen Software-
Herstellern kostenlos zur Verfügung. Die Klägerinnen haben hiervon keinen Gebrauch
gemacht.
12
Nachdem der Verband D., dem sämtliche Klägerinnen angehören, erfolglos die
Veröffentlichung von "DPF" im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem
Sozialgericht Berlin zu unterbinden versucht hatte, versandte die Beklagte ab März 2006
die Software "DPF" mittels CD-Rom ohne gesonderte Vergütung an alle ca. 52.000
Zahnärzte mit Kassenzulassung und bot in der Folgezeit die Möglichkeit zu kostenlosen
online-updates an. Im Juni 2008 wurde eine neue Version als CD-Rom wiederum ohne
gesonderte Vergütung an alle Vertragszahnärzte ausgegeben; kostenlose
Aktualisierungen sind wiederum nur online verfügbar.
13
Die Klägerinnen haben in der – wie sie es bezeichnen - kostenlosen Verteilung von
"DPF" und im Angebot kostenloser online-updates einen Kartellrechtsverstoß und eine
14
Verletzung des Lauterkeitsrechts gesehen.
Mit ihrer Klage haben sie beantragt,
15
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, "DPF" mittels CD-Rom an
Vertragszahnärzte kostenlos zu verteilen und/oder verteilen zu lassen,
2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu
unterlassen, zukünftige Updates der Software "DPF" kostenlos an alle
vertragszahnärztlichen Praxen abzugeben und/oder abgegeben zu lassen,
3. hilfsweise es zu unterlassen, mit der Software "DPF" allen vertragszahnärztlichen
Praxen kostenlos neben den Informationen zum Festzuschuss die Beispiele der
Versorgung visuell darzustellen,
4. festzustellen, dass die Beklagte den Klägerinnen zum Ersatz des Schadens
verpflichtet ist, der ihnen durch die kostenlose Zustellung von DPF entstanden ist.
16
17
Die Beklagte hat beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Sie ist der Klage insbesondere mit dem Vortrag entgegengetreten, dass sie mit dem
gerügten Verhalten ihre öffentlich-rechtlichen Aufgaben erfülle und daher nicht
wettbewerblich, sondern hoheitlich handele.
20
Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerinnen aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10
UWG bejaht und der Klage unter ihrer Abweisung im Übrigen in allen Anträgen jeweils
stattgegeben, soweit sich das Verhalten der Beklagten darauf erstreckt, dass "DPF"
neben der Darstellung eines abstrakten Lichtbildes nach Behandlung im Rahmen der
Regelversorgung auch Beispiele anderer Versorgungsarten enthält.
21
Hiergegen wenden sich sowohl die Klägerinnen als auch die Beklagte mit ihren jeweils
form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen.
22
Die Klägerinnen verfolgen mit ihrer Berufung weiterhin das in ihren Klageanträgen zum
Ausdruck kommende Ziel, dass die Beklagte eine Software mit jedweden Informationen
zur Festzuschussermittlung nicht kostenlos verteilen dürfe. Sie rügen, dass das
Landgericht den zu entscheidenden Sachverhalt in verschiedener Hinsicht und
insbesondere hinsichtlich der Leistungsmerkmale der streitgegenständlichen Software
"DPF" falsch verstanden habe. Darüber hinaus wiederholen sie mit der Berufung ihre
bereits erstinstanzlich vorgebrachten Angriffsmittel.
23
Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),
24
das angefochtene Urteil abzuändern und über die bereits ausgesprochene
Verurteilung den Hauptanträgen zu 1., 2. und 4. der Klage in vollem Umfang zu
entsprechen,
25
hilfsweise,
26
dem Hilfsantrag zu 3. stattzugeben sowie
27
festzustellen, dass die Beklagte gegenüber den Klägerinnen verpflichtet ist, den
durch die kostenlose Verteilung der Software DPF entstandenen Schaden zu
ersetzen, soweit diese die bildlichen Darstellungen der Regel-, gleichartigen und
andersartigen Versorgung enthält.
28
Die Beklagte beantragt,
29
die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.
30
Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,
31
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
32
Die Klägerinnen beantragen,
33
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils und die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen Bezug genommen.
35
II.
36
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, wohingegen der Berufung der
Klägerinnen der Erfolg versagt bleibt. Die Klage ist zulässig, aber auch in dem vom
Landgericht zuerkannten Umfang unbegründet, so dass sie insgesamt abzuweisen war.
37
A.
38
Die – in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu prüfende - Zulässigkeit der Klage
besteht insbesondere auch hinsichtlich der mit den Klageanträgen zu 1. und 4.
verfolgten Feststellungsbegehren.
39
1.
40
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage grundsätzlich nur
das Bestehen oder Nichtbestehen eines (zudem: gegenwärtigen) Rechtsverhältnisses
zwischen den Parteien
Person zu einer anderen Person (oder Sache) zu verstehen ist (vgl. BGH, Urteil v.
07.06.2001, I ZR 21/99, NJW 2001, 3789 – 3791, zitiert nach juris Rz. 15; Greger in
Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 2a bis 3b).
41
a)
42
Der Feststellungsantrag zu 1. ist seinem Wortlaut nach nicht auf die positive oder
negative Feststellung gegenwärtiger Rechtsbeziehungen zwischen jeder Klägerin
43
einerseits und der Beklagten andererseits, sondern auf die Feststellung der fehlenden
Berechtigung der Beklagten zur kostenlosen Verteilung der streitgegenständlichen
Software an alle Kassenzahnärzte gerichtet. Eine solche sich auf die Rechtmäßigkeit
oder – wie hier – die Unrechtmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens beziehende
Feststellung hat eine abstrakte Rechtsfrage und damit grundsätzlich kein
Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO zum Gegenstand (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 16).
b)
44
Der Klageantrag ist als Prozesserklärung jedoch der Auslegung zugänglich, wobei nicht
allein der Wortlaut maßgebend ist, sondern der erklärte Wille, wie er insbesondere aus
der Klagebegründung und der darin zum Ausdruck kommenden Interessenlage
hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung
vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (zu allem: BGH
a.a.O., Rz. 17 m.w.N.).
45
Hiervon ausgehend ist der Feststellungsantrag der Klägerinnen dahin auszulegen, dass
die Voraussetzungen eines entsprechenden kartellrechtlichen und/oder
lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs jeder Klägerin gegen die Beklagte
(positiv) festgestellt werden soll. Denn aus der Gesamtschau aller Klageanträge sowie
deren im Gesamten gesehenen Begründung ergibt sich, dass es den Klägerinnen nicht
um die abstrakte Klärung der Rechtmäßigkeit des beanstandeten Verhaltens, sondern
um die Geltendmachung einer Verletzung ihrer kartellrechtlich sowie lauterkeitsrechtlich
geschützten Wettbewerbsinteressen und damit um den Schutzanspruch aus einem
konkreten gesetzlichen Rechtsverhältnis zwischen jeder Klägerin zur Beklagten geht:
46
Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass die Klage nicht nur mit dem ausdrücklich
auf die Abwehr eines Verhaltens gerichteten Unterlassungsantrag zu 2. und dem auf
Beseitigung der Vermögensnachteile gerichteten Schadensersatzbegehren zu 4.,
sondern insgesamt dem Rechtsschutzinteresse dient, die Beeinträchtigung jeder
Klägerinnen in eigenen rechtlich geschützten Wettbewerbsinteressen abwehren zu
wollen. Die wesentliche Begründung der Klage erfolgt schon von ihrem Aufbau her zum
Klageantrag zu 1.; auf die dortigen Ausführungen verweisen die Klägerinnen (zumindest
sinngemäß) im Wesentlichen zur Begründung der weiteren Klagehauptanträge (Seite
27, 28 der Klageschrift v. 05.05.2006; GA 26, 27). Inhaltlich führen die Klägerinnen zur
zentralen Begründung der Klage aus, durch die kostenlose Abgabe der
streitgegenständlichen Software an alle Vertragszahnärzte nebst dem Angebot von
online-Updates gerade in ihren eigenen wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten
beeinträchtigt zu werden (Seite 24 -26 der Klageschrift v. 05.05.2006; GA 23 – 25):
47
Die Klägerinnen behaupten, infolge des beanstandeten Verhaltes der Beklagten "ihre
Softwareprogramme nicht bzw. nicht mehr zu den bisherigen Preisen anbieten und
vermarkten zu können, weil die kostenlose Software … eine vergleichbare Leistung
enthält". Mit dem gerügten Verhalten greife die Beklagte "unmittelbar in die
wirtschaftlichen Belange der Klägerinnen ein und behindert diese im Wettbewerb", weil
zu erwarten sei, dass voraussichtlich "nur noch kompatible Abrechnungsprogramme zu
der kostenlosen CD-Rom" von den Zahnärzten verlangt und "die
Abrechnungsprogramme der Klägerinnen nicht mehr nachgefragt werden" würden und
deshalb "die Nachfrage nach den Softwareprogrammen der Klägerinnen einbrechen"
werde. Wegen unterschiedlicher Verfügbarkeit der "Schnittstellenkenntnisse" sei
"bereits eine Ungleichbehandlung und Gefahr für sämtliche Klägerinnen gegeben". Die
48
Beklagte greife durch das beanstandete Verhalten "maßgeblich in den Wettbewerb ein,
und zwar ausschließlich zu Lasten der Klägerinnen".
Ausgehend von diesem erkennbaren Rechtsschutzinteresse dienen sämtliche
gestaffelten Klageanträge dem Ziel, das beanstandete Verhalten der Beklagten in jeder
Hinsicht abzuwehren. Hierbei ist der mit dem Klageantrag zu 2. verfolgte
Unterlassungsanspruch auf das zu erwartenden künftige Angebot von online-Updates
und die mit dem Klageantrag zu 4. begehrte Feststellung einer Schadensersatzpflicht
lediglich auf die negativen Vermögensfolgen des angegriffenen Verhaltens beschränkt.
Das mit der Klage im Schwerpunkt angegriffene Verhalten der Beklagten selbst, nämlich
die kostenlose Verteilung der streitbefangenen Software, ist Gegenstand des
Klageantrags zu 1., der dann aufgrund des dargelegten umfassenden
Rechtsschutzinteresses vernünftigerweise dahin zu verstehen ist, dass hiermit ebenfalls
die Beeinträchtigung der eigenen wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten geltend
gemacht wird. Die damit begehrte gerichtliche Klärung ist auf die Feststellung von
Schutzansprüchen der jeweiligen Klägerin im Verhältnis zur Beklagten gerichtet. Dies
ist im Kern nichts anderes als die Geltendmachung einer kartellrechtlichen bzw.
lauterkeitsrechtlichen Unterlassungspflicht der Beklagten aus gesetzlichem
Rechtsverhältnis. Dies findet Ausdruck auch in der sprachlichen Formulierung des
Klageantrags, der in Anbetracht seiner sprachlichen Zeitform nicht auf die Feststellung,
dass die Beklagte zu Unrecht gehandelt hat, sondern auf die Feststellung gerichtet ist,
dass die Beklagte zum beanstandeten Verhalten (gegenwärtig und künftig) nicht
berechtigt ist.
49
So hat offensichtlich auch das Landgericht, welches seine angefochtene Entscheidung
auf den wettbewerblichen Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG gestützt hat, den
Klageantrag zu 1. verstanden, ohne dass eine der Parteien dem widersprochen hat.
50
c)
51
Die vorgenommene Auslegung verbietet sich nicht deshalb, weil sie zu einem aus
anderen Gründen unzulässigen Feststellungsantrag führen würde. Denn das für die
Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im Wege einer Feststellungsklage nach
§ 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist hier zu bejahen. Die
Klägerinnen sind ausnahmsweise nicht auf die Geltendmachung ihres (jeweiligen)
Unterlassungsanspruchs im Wege der (grundsätzlich vorrangigen) Leistungsklage zu
verweisen. Die begehrte gerichtliche Feststellung ist bereits zur endgültigen
Streitbeilegung geeignet, weil von einem Träger öffentlicher Gewalt – wie es die
Beklagte ist - erwartet werden kann, dass er bereits auf ein entsprechendes
Feststellungsurteil sein künftiges Verhalten ausrichten wird (vgl. Greger in Zöller, ZPO,
28. Aufl., § 256 Rn. 8 m.w.N.).
52
2.
53
Der Klageantrag zu 4. bezieht sich, wie insbesondere dem auf die Feststellung der
Ersatzpflicht für den "entstandenen Schaden" gerichteten Antragswortlaut zu entnehmen
ist, auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommene – vermeintlich
– schadensstiftende Verteilung der Software "DPF" und damit ebenfalls auf ein
gegenwärtiges Rechtsverhältnis zwischen den Streitparteien.
54
Für das so verstandene Feststellungsbegehren besteht das erforderliche
55
Feststellungsinteresse der Klägerinnen gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerinnen
können nicht auf eine grundsätzliche vorrangige (Schadensersatz-)Leistungsklage
verwiesen werden, weil der als schadensersatzbegründend geltend gemachte
Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung – wie die Klägerinnen unwidersprochen
vorgetragen haben - noch in der Fortentwicklung war, zumal unstreitig die Beklagte im
Jahr 2008 noch eine neue Version der Software verteilte und fortlaufend online-Updates
anbietet. Selbst wenn eine Bezifferung des Schadens in zweiter Instanz nun möglich
sein sollte, ist die Umstellung auf eine Leistungsklage im Berufungsverfahren nicht
geboten (Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 7 c m.w.N.).
3.
56
Die subjektive Klagenhäufung ist nach § 60 ZPO zulässig. Sämtliche Klägerinnen
stützen ihre mit den Klagen verfolgten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche
auf einen im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund, nämlich
auf die kostenlose Verteilung der DPF-Software durch die Beklagte seit März 2006 an
sämtliche bundesdeutschen Vertragszahnärzte sowie das daran anschließende
Angebot der Beklagten, kostenlose online-updates bereitzustellen. Die gemeinsame
Verhandlung und Entscheidung der Klagen ist daher im Interesse der
Prozesswirtschaftlichkeit zweckmäßig (vgl. hierzu Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl.,
§ 60 Rn. 7 m.w.N.).
57
Im Übrigen ergeben sich keine Zulässigkeitsbedenken.
58
B.
59
Die Klage ist jedoch mit ihren Haupt- und mit den Hilfsanträgen unbegründet.
60
Sowohl mit dem – ausgelegten - Feststellungsantrag zu 1. als auch mit der
Unterlassungsklage zu 2. verfolgen die Klägerinnen einen kartell- bzw.
lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. Beide Anträge
betreffen lediglich verschiedene Erscheinungsformen desselben beanstandeten
Verhaltens der Beklagten, nämlich zum einen der offline-Überlassung der Software
"DPF" und zum anderen der Bereitstellung fortlaufender online-Updates. Derselbe
Unterlassungsanspruch ist auch Gegenstand des Hilfsantrages zu 3., mit dem in Bezug
auf denselben Streitgegenstand in der Sache ein Minus zum Klageantrag zu 1. erreicht
werden soll. Zwar geht der Hilfsantrag mit der begehrten Unterlassung über die
Feststellungswirkung des Klageantrags zu 1. hinaus, er betrifft jedoch mit dem Ziel,
bestimmte Visualisierungsfunktionen der Software "DPF" zu unterbinden, einen
Streitgegenstand der von dem auf vollständige Verhinderung eines Vertriebs von "DPF"
zielenden Feststellungsantrag bereits umfasst ist.
61
Mit dem Feststellungsantrag zu 4. und dem im Berufungsverfahren erstmalig gestellten
weiteren Hilfsantrag, der sich mit der Beschränkung des – geltend gemachten -
schadensstiftenden Ereignisses auf bestimmte Visualisierungsfunktionen als Minus zum
Klageantrag zu 4. darstellt, wird die Feststellung desselben kartell- bzw.
lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruchs geltend gemacht.
62
Den Klägerinnen steht jedoch weder ein Unterlassungsanspruch noch ein
Schadensersatzanspruch nach Maßgabe des Kartell- oder Lauterkeitsrechts zu.
Voraussetzung eines solchen Unterlassungs- bzw. Schadensersatzanspruchs ist es,
63
dass in der "kostenlosen" Abgabe der Software "DPF" an alle Vertragszahnärzte nebst
Zur-verfügungstellung von online-Updates durch die Beklagte ein Kartellverstoß oder
ein im Sinne des § 3 UWG unlauteres Verhalten liegt. Dies ist indes nicht der Fall.
Zum Unterlassungsanspruch
64
1.
65
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich im Streitfall nicht aus § 33
Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 und 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB.
66
a)
deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte mit der streitgegenständlichen Verteilung
der Software im Rahmen der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgaben tätig geworden
ist.
67
Um den kartellgesetzlichen Schutzzweck möglichst umfassend zu verwirklichen, ist der
maßgebliche funktionale Unternehmensbegriff (Zimmer in Immenga/Mestmäcker,
Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 1 Rn. 27) weit auszulegen (vgl. Zimmer, a.a.O. Rn.
33 m.w.N.). Dass mit der zu beurteilenden Tätigkeit ein öffentlicher Zweck verfolgt wird,
steht daher für sich genommen dem unternehmerischen Charakter des fraglichen
Handelns nicht entgegen (BGH, Urteil v. 09.03.1999, WuW/E DE-R 289 –
Lottospielgemeinschaft; Zimmer, a.a.O., § 1 Rn. 30 m.w.N.). Erforderlich, aber auch
ausreichend für die Anwendbarkeit des Kartellgesetzes ist es allein, dass – wie der
Gesetzgeber in § 130 Abs. 1 GWB klargestellt hat - die Tätigkeit, die der Erfüllung
öffentlicher Aufgaben dient oder damit im Zusammenhang steht, mit von der
Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln erfolgt und sich als Teilnahme am
Wettbewerbsgeschehen darstellt (vgl. Senat, Beschluss v. 22.12.2004, VI-Kart 1/04 (V),
WuW/E DE-R 1397 ff., 1402 – ÖPNV Hannover, zitiert nach juris Rz. 57).
68
Dies ist vorliegend der Fall, weil die Beklagte, ohne durch öffentliches Sonderrecht zu
dem beanstandeten Verhalten ausdrücklich ermächtigt oder verpflichtet zu sein, in
einem Geschäftsbereich, in welchem sich private Hersteller und Vertreiber von
Dentalsoftware als Anbieter und Zahnärzte als Nachfrager gegenüberstehen, allen
potentiellen Nachfragern ein Software-Produkt zugänglich macht und sich hierdurch am
privatrechtlichen Wettbewerbsgeschehen beteiligt.
69
b)
Klägerinnen die Voraussetzungen eines – im Streitfall allein in Betracht kommenden -
Verstoßes gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot aus §§ 19 Abs. 1 und 4 Nr.
1, 20 Abs. 1 GWB nicht schlüssig dargetan.
70
aa)
Unterlassungsanspruchs trägt grundsätzlich derjenige, der sich – wie hier die
Klägerinnen - auf den Unterlassungsanspruch beruft (vgl. zur Beweislast im
gleichgelagerten Fall des Schadensersatzanspruchs aus § 33 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1
GWB: Emmerich in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 33 Rn.
86). Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, dass der Kartellrechtsverstoß eine
rechtsbegründende Tatbestandsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs nach § 33
Abs. 1 Satz 1 GWB ist, für die nach der allgemein anerkannten Grundregel (vgl. hierzu:
71
BGH, NJW 1991, 1052; Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl., Vor § 284 Rn. 17 a) der
Anspruchsteller die Beweislast trägt, während der Anspruchsgegner die
rechtsvernichtenden, rechthindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale
nachzuweisen hat.
bb)
Behinderungsverbot hätte den substantiierten Vortrag von Tatsachen erfordert, aufgrund
derer sich ergibt, dass der Beklagten auf dem für die streitbefangene Software sachlich
und räumlich relevanten Markt eine marktbeherrschende oder zumindest marktstarke
Stellung zukommt und dass der Vertrieb der streitbefangenen Software nebst dem
Angebot von online-Updates die Klägerinnen in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten ohne
sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt. Hierzu ist das tatsächliche Vorbringen
der Klägerinnen in jeder Hinsicht unzureichend.
72
(1)
der Beklagten als Anbieterin einer Software.
73
(1.1)
ihrer Alleinstellung als bundesweite Spitzenorganisation aller Vertragszahnärzte
begründet werden.
74
Es handelt sich dabei nämlich um eine sozialgesetzlich begründete und ausgestaltete
Rechtsstellung der Beklagten mit daraus folgenden Rechtsbeziehungen zwischen ihr
(der Beklagten) und den Vertragszahnärzten einerseits sowie den Krankenkassen und
deren Verbänden andererseits. Diese Beziehungen sind öffentlich-rechtlicher Natur (vgl.
Emmerich in Immenga/ Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 130 Rn. 33, 35). Der gesetzliche
Auftrag der Beklagten umfasst insbesondere die Sicherstellung einer den gesetzlichen
und den mit den Krankenkassenverbänden vereinbarten Anforderungen genügenden
vertragszahnärztlichen Behandlung (§ 75 Abs. 1 SGB V) und die Gewährleistung einer
ordnungsgemäßen Leistungsabrechnung (§ 106 a SGB V) sowie die Wahrnehmung der
Rechte der Vertragszahnärzte gegenüber den Krankenkassen (§ 75 Abs. 2 SGB V). Das
Rechtsverhältnis zu den Vertragszahnärzten beruht hierbei zudem auf deren gesetzlich
angeordneten Zwangsmitgliedschaft in den (regionalen) Kassenärztlichen
Vereinigungen, die wiederum kraft Gesetzes der Beklagten zugehören (§ 77 Abs. 1 Satz
1, 4 Satz 1 SGB V). Die aus diesem (Zwangs-) Rechtsverhältnis resultierenden
Aufgaben, Befugnisse und Pflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen und der
Beklagten ergeben sich abschließend aus dem SGB V. Sie sind weder Teil noch
Ergebnis einer wirtschaftlichen Betätigung der Beklagten. Daher geht der von den
Klägerinnen verfolgte Ansatz, dass die Beklagte durch das beanstandete Verhalten im
Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB ihre marktbeherrschende Alleinstellung im Verhältnis
zu den Vertragszahnärzten und Krankenkassen missbräuchlich auf dem Drittmarkt, auf
dem sich die Dentalsoftwarehersteller als Anbieter und die Zahnärzte als Nachfrager
gegenüberstünden, eingesetzt habe, von vornherein fehl. Es bedarf daher im Streitfall
auch keiner Entscheidung, ob es für die Geltendmachung eines auf § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB gestützten kartellrechtlichen Unterlassungsanspruchs erforderlich ist, dass das
gegen den Normadressaten vorgehende Unternehmen ebenfalls auf dem beherrschten
Markt tätig sein muss (vgl. hierzu Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht,
GWB, 4. Aufl., § 19 Rn. 114), was hier nicht der Fall wäre.
75
(1.2)
76
sowie ihrer daraus folgenden Rechtsverhältnisse zu den Vertragszahnärzten schließt
freilich nicht aus, dass sich die Beklagte jenseits ihrer öffentlichen Aufgaben und
Befugnisse auch wirtschaftlich betätigt. Sofern und soweit dies der Fall ist, handelt die
Beklagte als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne und unterliegt somit auch ihr
diesbezügliches Verhalten den Regeln des Kartellrechts. Die schlüssige Behauptung
einer Marktbeherrschung durch die Beklagte setzt dann voraus, dass jeweils bezogen
auf diese konkrete Verhaltensweise, im Streitfall also den Vertrieb der streitbefangenen
Software, der sachlich und örtlich relevante Markt abgegrenzt und darauf basierend
substantiiert zur Marktstellung der Beklagten vorgetragen wird. Diesen Anforderungen
genügt das Vorbringen der Klägerinnen nicht.
(1.2.1)
77
Ausgangspunkt der sachlichen Marktabgrenzung ist nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung das Bedarfsmarktkonzept. Einen einheitlichen Markt bilden hiernach
sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen
Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige
Verbraucher sie für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter
Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht
(vgl. BGH, WuW/E DE-R 2451, 2453 – E.ON/Stadtwerke Eschwege m.w.N.).
78
Eine an diesem Maßstab orientierte Marktabgrenzung ist auf der Grundlage des
Vortrags der Klägerinnen selbst unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im
Verhandlungstermin vom 10.03.2010 (Anlage zum Protokoll v. 10.03.2010, GA 719 f.)
und ihres nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 31.03.2010 nicht möglich.
79
Das klägerische Vorbringen beschränkt sich im Wesentlichen auf die pauschale
Behauptung eines einheitlichen sachlichen Markts für Dentalsoftwareprodukte bzw.
Zahnarztinformationssysteme. Dies ist unzureichend, weil aufgrund des Sach- und
Streitstandes eine nachvollziehbare Begründung für einen umfassenden Markt
gegenüber wohlmöglich verselbständigten Teilmärkten für Softwareprodukte mit
abgrenzbaren Funktionen wie beispielsweise Abrechnungsprogramme, Programme zur
(auf diese Funktion isolierte) Festzuschussermittlung, Praxisorganisationsprogramme
und Visualisierungsprogramme anhand der Bedarfsmarktkriterien geboten war.
80
Dieses Substantiierungserfordernis ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass die
Beklagte von vornherein für ihre Software – sollte der Verteilung als wettbewerbliche
Maßnahme qualifiziert werden - einen eigenständigen Teilmarkt reklamiert hat. Vielmehr
wird die Notwendigkeit einer näheren Abgrenzung auch durch das eigene Vorbringen
der Klägerinnen indiziert. Denn ihr Vorbringen, wonach einige Klägerinnen funktionell
abgrenzbare Programme als nur gegen gesonderte Vergütung freigeschaltete Module
oder gar eigenständige Softwareprodukte vertreiben, weist selbst darauf hin, dass nicht
jeder Nachfrager einen Bedarf nach allen angebotenen Softwarefunktionen hat, sondern
der Bedarf differenziert zu betrachten sein könnte. Hierfür spricht auch der durch die
allgemeine Lebenserfahrung nahe gelegte Gedanke, dass nicht jeder Zahnarzt als
potentieller Nachfrager für jedes Programm zwingend in Betracht kommt, sondern je
nach beruflicher Ausrichtung oder Praxisausrichtung wie beispielsweise im Merkmal der
Kassenzulassung ein unterschiedlicher Softwareausstattungsbedarf anzunehmen sein
könnte. So liegt die Annahme nahe, dass lediglich Zahnärzte mit Kassenzulassung
einen – nachvollziehbaren – Bedarf nach zum Beispiel Programmen zur Ermittlung des
Festzuschusses bzw. der BEMA-Positionen sowie zur visualisierungsunterstützen
81
Patientenberatung über die vor allem sozialrechtlich erheblichen Versorgungsvarianten
haben, andere Zahnärzte hingegen nicht. Hiermit setzt sich das Vorbringen der
Klägerinnen nicht auseinander.
Insoweit haben die Klägerinnen noch nicht einmal den Kreis der potentiellen Abnehmer,
aus deren Sicht der Bedarf und damit der Markt zu definieren ist, nachvollziehbar
dargelegt, zumal nicht jeder Zahnarzt eine Kassenzulassung haben muss und daher die
seitens der Beklagten angesprochenen ca. 52.000 Vertragszahnärzte nicht zwingend
allein die Marktgegenseite repräsentieren.
82
Die Klägerinnen hätten daher substantiiert dartun müssen, warum ungeachtet der ganz
verschiedenen Einsatz- und Verwendungszwecke von Dentalsoftwareprodukten
dennoch ein einheitlicher, grundsätzlich alle Programme umfassender Bedarf und damit
ein entsprechender Gesamtmarkt für Zahnarztinformationssysteme bestehen soll.
Dieses Substantiierungserfordernis erfüllt ihr Vortrag indes nicht. Allein der sinngemäß
geltend gemachte Umstand, dass die auf bestimmte Funktionen begrenzten Programme
– soweit diese teilweise selbständig vertrieben werden- über Schnittstellen zu
Praxissoftware-Gesamtlösungen zusammengefasst werden können, führt nicht
nachvollziehbar zu dem Schluss eines einheitlichen Marktes für
Zahnarztinformationssysteme. Die Integrationsfähigkeit eines Produkts in ein funktionell
anderes Produkt – wohlmöglich sogar in Produkte anderer Hersteller - steht unter den
Gesichtspunkten des Bedarfsmarktkonzepts der Zuordnung beider Produkte zu
verschiedenen Märkten nicht entgegen. Gleiches gilt für den weiteren Umstand, dass
einige Klägerinnen die verschiedenen Programme von vornherein nur als Software-
Gesamtpaket vertreiben; insoweit bleibt schon offen, ob die Programme eines Pakets
isoliert installiert und in Vernetzung mit Programmen anderer Hersteller oder
ausschließlich in der Paketzusammenstellung Verwendung finden können.
83
Die Abgrenzung nach einem umfassenden Dentalsoftwaremarkt oder selbständigen
Teilmärkten ist von entscheidungserheblicher Bedeutung. Das liegt auf der Hand. Denn
die Frage, wie sich der Absatz der Software "DPF" auf die Strukturmerkmale des
Marktes und die Wettbewerbsverhältnisse auswirkt und welche Marktstellung der
Beklagten zukommt, hängt ausschlaggebend davon ab, ob die Beklagte mit dem von ihr
abgesetzten Softwareprodukt, welches unstreitig nur Teilfunktionen der klägerischen
Produkte bzw. untereinander kompatiblen Produktpalletten abdeckt, auf einem
umfassenden Gesamtmarkt für Dentalsoftware oder einem selbständigen Teilmarkt für
den Bedarf nach Softwareprodukten bzw. –modulen mit vergleichbar beschränkten
Funktions- und Leistungsumfang tätig ist.
84
(1.2.2)
dargetan haben, kann im Streitfall dahin gestellt bleiben, ob ihr Vortrag die erstmals in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.03.2010 ausdrücklich als national
geltend gemachte räumliche Marktabgrenzung trägt. Allerdings bestehen insoweit
Bedenken; wobei der Senat auch hier – wie bei der gesamten Entscheidung –
zugunsten der Klägerinnen auch deren Vorbringen in dem nicht nachgelassenen
Schriftsatz vom 31.03.2010 berücksichtigt hat.
85
Da – wie die Klägerinnen in jenem Schriftsatz selbst einräumen (Seite 4) – im hier zu
entscheidenden Rechtsstreit von vornherein die Frage des relevanten Marktes streitig
war, hätten die Klägerinnen ihre Behauptung eines Gesamtmarktes nachvollziehbar
darlegen müssen. Hierzu gehört auch die räumliche Abgrenzung des von ihnen
86
pauschal behaupteten Gesamtmarktes. Da hierfür die Abnehmersicht über die
Austauschbarkeit der Produkte (und damit der Anbieter) maßgeblich ist (vgl. Möschel in
Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 19 Rn. 35), verfängt nicht das
lediglich den Nachfragerkreis einengende, aber zur Bandbreite in Betracht kommender
Anbieter nichts besagende Argument, dass das streitbefangene Softwareprodukt der
Beklagten und funktionell vergleichbare Softwareprodukte anderer Vertreiber nur
deutschen Zahnärzten mit Kassenzulassung nütze. Selbst auf einem auf solche
Produkte beschränkten Teilmarkt ist grundsätzlich der Wettbewerb mit gerade in
anderen EU-Ländern ansässigen Anbietern ohne weiteres denkbar. Das Erfordernis
spezifischer sowie komplexer Kenntnisse über das deutsche Sozialsystem und
Sozialrecht steht dem nicht zwingend entgegen. Erst Recht bei Annahme eines von den
Klägerinnen reklamierten Gesamtmarktes für Dentalsoftware, der nicht nur die im
Zusammenhang mit der Leistungsabrechnung stehenden Softwareprodukte umfasst,
stellt sich vor dem Hintergrund eines denkbaren EU-Binnenhandels die Frage, ob und
aus welchen Gründen nur im Bundesgebiet ansässige Softwareanbieter bzw. –
vertreiber vom durchschnittlichen und verständigen Nachfrager als Bezugsquelle
angesehen werden sollen. Deshalb greift auch der Hinweis der Klägerinnen auf die
angeblich von der Beklagten stammende Liste über die von ihr zugelassenen
Abrechnungsprogramme nicht, weil diese nichts über die Anbieterstruktur von
Dentalsoftwareprodukten insgesamt besagt.
Den Klägerinnen hätte es daher oblegen, nachvollziehbare Gründe dafür aufzuzeigen,
dass der durchschnittliche Zahnarzt deutsche Anbieter als gegen ausländische Anbieter
nicht austauschbar ansieht bzw. dass insoweit lediglich die für die Annahme
potentiellen Wettbewerbs nicht genügende abstrakte Möglichkeit eines Markteintritts
ausländischer Anbieter besteht. Darauf hat der Senat im Verhandlungstermin
ausdrücklich hingewiesen (Seite 2 f. der Sitzungsniederschrift vom 10.03.2010, GA
721 f.). Dessen ungeachtet haben die Klägerinnen ihren Sachvortrag weder im Rahmen
der Hauptverhandlung – die auf ihre Bitte hin zu diesem Zweck um rund 1 Stunde
unterbrochen worden ist – noch in dem Schriftsatz vom 31.03.2010 schlüssig ergänzt.
Der bloße Hinweis auf die Komplexität und Veränderlichkeit des deutschen Sozialrechts
genügt hierfür – wie bereits ausgeführt – nicht.
87
(1.2.3)
Ausführungen im Schriftsatz vom 31.03.2010) einen zur Feststellung einer
Marktbeherrschung ausreichenden Vortrag zur Marktstellung und Wettbewerbssituation
der Beklagten beim Vertrieb der streitbefangenen Software vermissen. Auch hierauf ist
die Beklagte im Senatstermin hingewiesen worden.
88
Nach § 19 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen marktbeherrschend, soweit es auf dem
sachlich und räumlich relevanten Markt entweder keinem oder keinem wesentlichen
Wettbewerb ausgesetzt ist (Nr. 1) oder aufgrund einer Gesamtschau der gesetzlich
benannten Strukturmerkmale sowie aller anderen zu den Wettbewerbsverhältnissen auf
dem relevanten Markt aussagekräftigen Gesichtspunkte (vgl. Bechtold, GWB, 5. Aufl., §
19 Rn. 43; Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 19 Rn.
54 f.) eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (Nr. 2).
89
(1.2.3.1)
90
Eine Marktbeherrschung wegen Fehlens wesentlichen Wettbewerbs kann im Streitfall
nicht festgestellt werden. Das gilt unabhängig davon, ob man mit den Klägerinnen einen
91
Gesamtmarkt für Dentalsoftware zugrunde legt oder der Beklagten folgend einen
selbständigen Teilmarkt für Festzuschussrechner annimmt. Auf einem Gesamtmarkt ist
die Beklagte ganz offensichtlich einem Wettbewerb ausgesetzt. Gleiches gilt im
Ergebnis bei der Annahme eines Teilmarktes. In diesem Fall ist zum einen der
Substitutionswettbewerb über die benachbarten Dentalsoftwaremärkte in Rechnung zu
stellen. Denn unstreitig besteht aus Sicht der Nachfrager ein mit "DPF" nicht gedeckter
Bedarf nach Softwareprodukten mit weitergehenden Funktionen, die – ebenfalls
unstreitig – zumindest bei den überwiegend angebotenen Softwarepaketen auch die
Funktion einer Festzuschussermittlung umfassen und sich deshalb auf die
Wettbewerbssituation der Beklagten beim Vertrieb von "DPF" auswirken: Dafür spricht,
dass nach eigenem Vorbringen bei 4 Klägerinnen in Rede steht, dass aufgrund des
Programms "DPF" der Absatz einzelner Module beeinträchtigt worden sein kann. Zum
anderen sind die Produktionsumstellungsflexibilität und der darin begründete potentielle
Wettbewerb der privaten Softwareanbieter zu berücksichtigen. Aus dem Sach- und
Streitstand ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es den privaten
Softwareherstellern nicht kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich
ist, die ohnehin in ihren überwiegenden Produkten verwendete
Festzuschussprogramme isoliert auf dem Markt anzubieten und hierdurch in
Wettbewerb mit der Beklagten auf dem Teilmarkt für Festzuschussrechner zu treten.
Auch die Klägerinnen, die im Senatstermin auf den Aspekt des potentiellen
Wettbewerbs ausdrücklich hingewiesen worden sind, machen dies nicht geltend, und
zwar auch nicht in ihrem Schriftsatz vom 31.03.2010.
(1.2.3.2)
92
Für die Prüfung einer im Vergleich mit anderen Unternehmen (Bechtold, a.a.O., § 19 Rn.
31) überragenden Marktstellung der Beklagten im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB fehlt
es auch unter Berücksichtigung des nicht nachgelassenen Sachvortrags an einer
ausreichenden tatsächlichen Grundlage:
93
(a)
94
Das gilt zunächst für den von den Klägerinnen befürworteten Gesamtmarkt für
Dentalsoftware.
95
Weder aus dem Vortrag der Klägerinnen noch sonst ist ersichtlich, wie viele und welche
Wettbewerber auf dem relevanten Markt tätig sind, ob und welche
Unternehmensverflechtungen bestehen, welche Marktanteile die Beklagte und ihre
Wettbewerber haben oder welche anderen Faktoren mit Aussagekraft für den Umfang
des jeweiligen Produktabsatzes und damit über die Wettbewerbsverhältnisse
vorhanden sind, und aus welchen Gründen und aufgrund welcher Tatsachen die
Beklagte auf dem Gesamtmarkt für Dentalsoftware eine beherrschende Stellung
besitzen soll. Soweit die Klägerinnen mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
31.03.2010 auf die Liste zugelassener Abrechnungsprogramme Bezug nehmen, weist
diese lediglich die von der Beklagten zugelassenen Abrechnungsprogramme und deren
Einsatzhäufigkeit bei der kassenzahnärztlichen Abrechnung aus. Hieraus ergibt sich
indes schon deshalb nichts über die Anbieterstruktur auf einem von den Klägerinnen
reklamierten Gesamtmarkt, weil dort Abrechnungsprogramme nur einen – von den
Klägerinnen ebenfalls nicht näher quantifizierten und gewichteten - Teil der
Softwareprodukte darstellen. Es kommt hinzu, dass die Aufstellungen nur Aufschluss
darüber geben, wieviele kassenzahnärztliche Abrechnungen mit der Software welchen
96
Anbieters in den Kalenderjahren 2007 und 2008 bei der Beklagten eingereicht worden
sind. Die Zahl der Abrechnungsfälle als solche besagt aber nichts über die Anzahl der
ihnen zugrunde liegenden Softwareprogramme, weshalb von den Abrechnungsfällen
auch nichts auf Marktanteile der Softwareanbieter geschlossen werden kann. Überdies
weisen die Übersichten die auf die angegriffene Software "DPF" entfallenden
Abrechnungsfälle überhaupt nicht aus, so dass sie auch von daher keinerlei Aussage
über die Marktstellung der Beklagten zulassen. Zur Darlegung einer
marktbeherrschenden Stellung der Beklagten sind die Unterlagen deshalb erkennbar
ungeeignet.
Auch soweit die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
vorgetragen haben, dass die Klägerin zu 6. mit einem von ihr vertriebenen
Visualisierungsmodul seit März 2006 Absatzeinbußen in Höhe von .. % verzeichne,
ergibt sich hieraus nichts für die Marktstellung der Beklagten. Unabhängig davon, dass
der Vertrieb von "DPF" hierfür lediglich eine denkbare Ursache von mehreren sein kann
und deshalb hieraus nicht zwingend der Umkehrschluss auf einen entsprechenden
Verwendungsgrad der Software "DPF" zu ziehen ist, fehlt jedweder substantiierte
Vortrag dazu, wie ein – unterstellter – entsprechender Zugewinn bei der Beklagten auf
der Basis des relevanten Marktes und der Marktanteile zu gewichten ist.
97
Das Vorbringen der Klägerinnen beschränkt sich letztlich auf den Gesichtspunkt des
Zugangs zum Absatzmarkt. Hierzu machen die Klägerinnen geltend, dass der Beklagten
eine Zwitterstellung einerseits als Spitzenorganisation der potentiellen Software-
Nachfrager und andererseits als Softwareanbieter zukomme; sie sei aufgrund ihres
daraus resultierenden überragenden Informationsstandes in Bezug auf die
Marktgegenseite wie kein anderer Softwareanbieter in der Lage, unmittelbar an die ihr
verbundenen ca. 52.000 Vertragszahnärzte heranzutreten und diesen ihre Software
ungefragt kostenlos anzudienen.
98
Es mag sein, dass die Beklagte insoweit über einen im Vergleich zu ihren Konkurrenten
verbesserten Zugang zum Absatzmarkt verfügt. Daraus alleine kann indes nicht auf eine
marktbeherrschende Stellung der Beklagten geschlossen werden. Die Frage der
Marktbeherrschung lässt sich vielmehr nur auf der Grundlage einer Gesamtschau aller
relevanten Marktstrukturkriterien beantworten. Zu jenen gehören im Streitfall in jedem
Fall auch der Marktanteil und der Zugang zu den Beschaffungsmärkten. Zu Beidem
tragen die Klägerinnen nichts vor. Sachvortrag fehlt gleichermaßen zu der Frage,
welches Gewicht dem reklamierten bevorzugten Zugang zu den Kassenzahnärzten im
Vergleich zu den anderen Marktstrukturkriterien zukommt. Dass er der allein
entscheidende oder überragende Wettbewerbsparameter ist, kann ausgeschlossen
werden und wird auch von den Klägerinnen nicht nachvollziehbar behauptet. Für das
Gegenteil spricht vielmehr, dass schon nach dem eigenen Vorbringen nur für vier
Klägerinnen reklamiert wird, durch das Angebot der Beklagten mit einzelnen Modulen
unter Druck zu geraten.
99
(b)
100
Auch in Bezug auf einen Teilmarkt für "DPF" entsprechende Softwareprogramme ist
eine marktbeherrschende Position der Beklagten nicht dargelegt. Insoweit gelten die
vorstehenden Erwägungen gleichermaßen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der
durchschnittliche Nachfrager zur Deckung seines Gesamtbedarfs an
Softwareausstattung der Zahnarztpraxis im Allgemeinen auf Produkte anderer Anbieter
101
zurückgreifen muss und diese Produkte überwiegend als Gesamtpaket ohnehin "DPF"
entsprechende Funktionen umfassen oder solche Funktionen vereinzelt als gesondert
zu vergütende Module enthalten. Die Klägerinnen haben nicht behauptet, dass die
Nutzung der ohne gesonderte Berechnung überlassenen Software "DPF" in Verbindung
mit kompatiblen Ergänzungsprodukten demgegenüber preislich signifikant günstiger
oder aus anderen Gründen für den Nachfrager vorteilhafter ist. Daraus mag sich
erklären, dass allenfalls für 4 Klägerinnen überhaupt in Betracht kommt, dass der Absatz
ihrer Softwaremodule durch "DPF" tangiert wird. Der Wettbewerbsvorsprung der
Beklagten in Gestalt eines gegenüber anderen Anbietern verbesserten Zugangs zur
Marktgegenseite wird in seinen Auswirkungen daher durch einen
Substitutionswettbewerb relativiert.
(2)
Vertrieb von "DPF" schlüssig dargetan hätten, läge jedenfalls im Erstvertrieb der
streitbefangenen Software im Jahr 2006 kein Behinderungsmissbrauch im Sinne der §§
19 Abs. 1 und 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB. Denn in diesem erst zu einem Markteintritt der
Beklagten als Anbieter einer Dentalsoftware führenden Verhalten kann nicht zugleich
die (missbräuchliche) Ausnutzung der hiermit erst begründeten marktbeherrschenden
Stellung zur Behinderung anderer Unternehmen gesehen werden. Insoweit fehlt es von
vornherein an der Kausalität zwischen Marktbeherrschung und Beeinträchtigung der
wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten anderer Unternehmen.
102
Bereits begrifflich setzt die "missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden
Stellung durch ein … Unternehmen" (§ 19 Abs. 1 GWB) das Vorhandensein der
marktbeherrschenden Stellung als Aufgreiftatbestand und deren Instrumentalisierung zu
der zu beurteilenden Verhaltensweise voraus. Dieses begriffliche Verständnis entspricht
auch dem Schutzzweck des § 19 GWB. Die Vorschrift dient dazu, den durch den
Wettbewerb nicht kontrollierten Verhaltensspielraum des marktmächtigen
Unternehmens einer Verhaltenskontrolle zu unterwerfen, um
103
die Angehörigen der gleichen Wirtschaftsstufe im Wettbewerb oder in ihrer
Marktzutrittsmöglichkeit
sowie die Angehörigen der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufe und die
Teilnehmer auf Drittmärkten in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit
104
105
vor Behinderung durch Machtausübung des marktbeherrschenden Unternehmens zu
schützen (vgl. Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 19 Rn. 11).
106
Nichts anderes gilt für das Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB. Dieses dient
zusammen mit dem Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 1 GWB der Kontrolle des
Marktverhaltens marktmächtiger Unternehmen, indem Unternehmen, die als Anbieter
oder Nachfrager (bereits) über eine besondere Machtstellung verfügen, in ihrem
wettbewerbsrelevanten Verhalten gegenüber anderen Unternehmen Einschränkungen
auferlegt werden, um die von solchen Machtstellungen ausgehenden
Beeinträchtigungen wettbewerblicher Betätigungsmöglichkeiten anderer Unternehmen
107
in einer für die Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung erforderlichen,
wettbewerbskonformen Weise zu begrenzen (Markert in Immenga/Mestmäcker,
Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 20 Rn. 1).
Allenfalls hinsichtlich des weiteren Angebots nicht gesondert berechneter online-
Updates und des Vertriebs der Folgeversion von "DPF" im Jahr 2008 kann deshalb im
Ansatz ein Behinderungsmissbrauch überhaupt in Betracht kommen. Insoweit ist aber –
wie im Einzelnen ausgeführt – eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten nicht
dargetan.
108
cc)
Sachvortrag einzuräumen war, entscheidungsreif. Zwischen den Parteien standen von
vornherein die Voraussetzungen eines Kartellverstoßes durch den Vertrieb der
streitbefangenen Software im Streit. Dass die Beklagte hierbei in erster Linie den
Einwand der Unanwendbarkeit des Kartellrechts auf ihr Verhalten erhob und – wie ihr
Vorbringen bei verständiger Würdigung zu verstehen ist – hilfsweise jedenfalls der
Abgrenzung eines relevanten Gesamtmarktes entgegengetreten ist, ist prozessual nicht
zu beanstanden. Es bestand daher für die darlegungs- und beweisbelasteten
Klägerinnen von vornherein die Notwendigkeit, eine schlüssige Marktabgrenzung
vorzutragen. Hierauf sind die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat im Einzelnen hingewiesen worden. Den Klägerinnen ist überdies durch eine
geräumige Unterbrechung der mündlichen Verhandlung in dem erbetenen Umfang
Gelegenheit gegeben worden, ihr Vorbringen zu ergänzen. Der Senat hat schließlich
zugunsten der Klägerinnen auch das gesamte Vorbringen in dem nicht nachgelassenen
Schriftsatz vom 31.03.2010 bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt unter diesen Umständen nicht in
Betracht. Die Klägerinnen haben dezidierte rechtliche Hinweise erhalten und darauf
abschließend reagiert, wobei sämtliches diesbezügliches Vorbringen in die
Entscheidungsfindung eingeflossen ist. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung käme
vor diesem Hintergrund nur in Frage, wenn der Senat gehalten wäre, die Klägerinnen
erneut auf die Unzulänglichkeit ihres Sachvortrags hinzuweisen. Das ist nicht der Fall.
Ein erneuter Hinweis wäre vielmehr mit dem Gebot der strikten Neutralität des Gerichts
unvereinbar und liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass der Senat anstelle der
anwaltlichen Prozessvertreterin die Interessen der Klägerinnen wahrnähme.
109
2.
110
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nicht aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1
i.V.m. §§ 3 und 4 Nr. 10 UWG begründet.
111
Dies gilt unabhängig davon, ob vorliegend das UWG in seiner bis zum 29.12.2008
geltenden Fassung (nachfolgend: UWG 2004), unter dessen Geltung das
streitgegenständliche Verhalten der Beklagten überwiegend vorgenommen wurde, oder
in seiner zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltenden und für das künftige
Verhalten der Beklagten grundsätzlich maßgeblichen Fassung vom 22.12.2008 (gültig
ab 30.12.2008 – nachfolgend UWG 2008) Anwendung findet:
112
Nach § 8 UWG 2004 setzt der Unterlassungsanspruch eine Zuwiderhandlung gegen § 3
sowie das Bestehen einer Wiederholungsgefahr (Satz 1) oder Erstbegehungsgefahr
(Satz 2) voraus. Gemäß § 8 Abs. 1 UWG 2008 kann derjenige, der eine nach § 3 oder §
7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr (Satz 1) oder
113
auch schon drohender Zuwiderhandlung (Satz 2) auf Unterlassung in Anspruch
genommen werden.
Im Streitfall maßgeblich ist der Verbotstatbestand des § 3 UWG. Nach dessen Fassung
im UWG 2004 sind unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den
Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen
Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, unzulässig. Der neugefasste
§ 3 Abs. 1 UWG 2008 verbietet unlautere geschäftliche Handlungen, wenn sie geeignet
sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern
spürbar zu beeinträchtigen; darüber hinaus normiert die Vorschrift in ihrem Abs. 2
unlautere Verhaltensweisen gegenüber Verbrauchern und in Absatz 3 stets unzulässige
Verhaltensweisen. Das nach beiden Gesetzesfassungen unveränderte Verbot
unlauteren Verhaltens, welches einen Unternehmens- und Marktbezug aufweist, hat
durch die UWG-Novelle 2008 keine Änderung in den für die Lauterkeit maßgeblichen
Wertungsgesichtspunkten erfahren. Dies gilt insbesondere für die im Streitfall in
Betracht kommende Konkretisierung der Generalklausel in § 4 Nr. 10 UWG, der in
beiden Gesetzesfassungen die gezielte Behinderung von Mitbewerbern als Fall des
unlauteren Handelns bestimmt.
114
Vor diesem Hintergrund führen beide Gesetzesfassungen vorliegend zum selben
Ergebnis. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen unterstellt, dass das
beanstandete Verhalten der Beklagten eine Wettbewerbshandlung im Sinne der §§ 3, 2
Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 bzw. eine geschäftliche Handlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 2
Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 ist, ist die ohne gesonderte Berechnung von der Beklagten
veranlasste Versendung der streitbefangenen Software an alle Vertragszahnärzte nebst
dem Angebot zu ebenfalls nicht gesondert berechneten online-Updates nicht unlauter.
115
a)
Beklagte gemessen an ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen nach dem SGB V
überhaupt die streitbefangene Software "DPF" nebst online-Updates anbieten bzw.
vertreiben darf. Denn den Zivilgerichten obliegt in Bezug auf das Handeln eines
Hoheitsträgers nicht die Kontrolle des Marktzutritts, d.h. des Ob eines geschäftlichen
Handelns der öffentlichen Hand, sondern vielmehr – wie auch bei privaten
Wirtschaftssubjekten – ausschließlich die Prüfung des Marktverhaltens, also der Art und
Weise der wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. BGH, GRuR 2002, 825 -828, zitiert nach juris
Tz. 26 – Elektroarbeiten).
116
aa)
also des Wie einer wirtschaftlichen Betätigung (sowohl der öffentlichen Hand wie auch
jedes Privaten), ist durch den Regelungs- und Schutzzweck des UWG und der darin
normierten Abwehransprüche selbst bedingt. Das UWG bezweckt nicht den Erhalt
bestimmter Marktstrukturen und die Einschränkung des Zugangs zum Markt, sondern
die Kontrolle der Art und Weise des Marktverhaltens. Dies ergibt sich bereits im
Umkehrschluss aus § 4 Nr. 11 UWG, der ausdrücklich nur Marktverhaltensregelungen,
nicht aber Marktzutrittsregelungen erwähnt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, Gesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb, 28. Aufl., § 4 Rn. 13.14). Darüber hinaus setzt der
mit dem UWG bezweckte Schutz wettbewerblicher Entfaltungsmöglichkeiten gerade die
Wettbewerbsfreiheit und damit die Offenheit des Wettbewerbs für den Zutritt neuer
Mitbewerber voraus. Die Belebung des Wettbewerbs, wie es auch durch den Marktzutritt
der öffentlichen Hand geschehen kann, ist daher grundsätzlich erwünscht (BGH, GRuR
2002, 825 - 828, zitiert nach juris Rz. 21 - Elektroarbeiten), auch wenn sich hierdurch der
117
marktwirtschaftliche Konkurrenzdruck für private Unternehmen erhöht (Köhler, a.a.O., §
4 Rn. 13.12). Die Abwehransprüche des UWG können daher nicht auf einen Verstoß
gegen eine Vorschrift gestützt werden, die dem in Anspruch genommenen
Wettbewerber den Marktzutritt nur aus Gründen verwehrt, die nicht zumindest auch den
Schutz des lauteren Wettbewerbs bezwecken; der im Marktzutritt liegende Verstoß
gegen eine solche nicht auch nur sekundär wettbewerbsbezogene Vorschrift genügt zur
Begründung lauterkeitsrechtlicher Abwehransprüche nicht (BGH, a.a.O.).
Im Fall der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand bedeutet dies, dass allein
die Nichteinhaltung öffentlich-rechtlicher Schranken des Handelns die Tätigkeit
grundsätzlich nicht unlauter macht (BGH, a.a.O., zitiert nach juris Rz. 22 f.). Demzufolge
haben die Zivilgerichte im Rahmen von Wettbewerbsstreitigkeiten prinzipiell nicht
darüber zu urteilen, welche Grenzen einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung der
öffentlichen Hand zu setzen sind. Ihre wettbewerbsrechtliche Beurteilung bezieht sich
vielmehr auf die Art und Weise der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb
(vgl. Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 13.13). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die
öffentliche Hand sich überhaupt wettbewerblich betätigen darf. Die Entscheidung
hierüber obliegt der Gesetzgebung und den zuständigen Aufsichtsbehörden
einschließlich der entsprechenden Fachgerichtsbarkeit (vgl. BGH, GRuR 2002, 825,
826 – Elektroarbeiten; Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 13.11 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob
die durch das Verhalten der öffentlichen Hand – eventuell – verletzte öffentlich-
rechtliche Vorschrift im Einzelfall die öffentlich-rechtliche Klagebefugnis eines (privaten)
Mitbewerbers begründet. Denn das Lauterkeitsrecht dient nicht dazu, etwaige
Rechtsschutzlücken des öffentlichen Rechts auszufüllen (BGH, a.a.O., zitiert nach juris
Rz. 23; Köhler, a.a.O., § 4 UWG Rn. 13.15).
118
Lediglich wenn die das Ob einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit des Hoheitsträgers
regelnde öffentlich-rechtliche Vorschrift auch eine (zumindest sekundär) auf den Schutz
der Lauterkeit bezogene Funktion hat, ist die Frage, ob der Träger öffentlicher Gewalt
seine hoheitlichen Kompetenzen überschreitet, auch lauterkeitsrechtlich erheblich (vgl.
BGH, a.aO., zitiert nach juris Rz. 22 f.).
119
bb)
Verteilung der streitbefangenen Software sowie des Angebots von online-Updates für
sich genommen, selbst wenn dies bewusst oder gar absichtlich und planmäßig unter
Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Beschränkungen ihres Marktzutritts erfolgt,
hinzunehmen. Auf die Klärung der Frage, ob die Beklagte hiermit die Grenzen ihrer
öffentlichen Aufgaben nach § 75 Abs. 1 und 2 SGB V überschritten hat, kommt es unter
dem Gesichtspunkt des Lauterkeitsrechts nicht an. Die Aufgabenzuweisung in dieser
Norm schreibt die Betätigungsgrenzen der Beklagten schon nicht im Sinne eines
gesetzlichen Verbots fest. Zudem hat § 75 Abs. 1 und 2 SGB V weder primär noch
sekundär eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion. Wie dem
gesamten SGB liegt auch den Regelungen zur gesetzlichen Krankenversicherung im
SGB V vielmehr der Zweck zugrunde, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit zu
verwirklichen (§ 1 Abs. 1 SGB I). Die in § 75 Abs. 1 und 2 SGB V getroffene
Aufgabenregelung dient hierbei zum einen dem Schutz der Solidargemeinschaft der
Krankenversicherten, indem die Beklagte als Gewährsträgerin einer den gesetzlichen
und vertraglichen Anforderungen entsprechenden Leistung der Vertragszahnärzte
(Leistungserbringer) fungiert (Sicherstellungsauftrag und Überwachungsauftrag), und
zum anderen dem Schutz der Leistungserbringer (insbesondere gegenüber den
Krankenkassen), deren Interessen die als Selbstverwaltungskörperschaft der
120
Vertragszahnärzte organisierte Beklagte wahrzunehmen hat.
Aufgrund dessen verbietet sich auch die vom Landgericht vorgenommene
Unterscheidung des hoheitlichen Handelns der Beklagten danach, mit welchen
Funktionen "DPF" vom hoheitlichen Auftrag gedeckt ist oder nicht. Denn eine solche
nach Produktfunktionen differenzierende Lauterkeitsbetrachtung führt letztlich zu einer
dem Lauterkeitsrecht entzogenen Überprüfung des Marktzutritts und der öffentlich-
rechtlichen Handlungsbefugnis der Beklagten. Sie hat mit ihrem Bezug zur technischen
Funktion des Produkts auch nicht die Art und Weise der wettbewerblichen
Verhaltensweise im Blick.
121
b)
Beklagte die streitbefangene Software den Vertragszahnärzten zur Verfügung gestellt
hat und – nach wie vor – online-Updates anbietet. Den Vorwurf der Unlauterkeit
begründen die Klägerinnen insbesondere mit der aus der Zwitterstellung der Beklagten
als Spitzenverband der potentiellen Nachfrager und als Softwareanbieter und dem
daraus resultierenden besseren Zugang zur Marktgegenseite, ferner mit der
unmittelbaren und unentgeltlichen Zurverfügungstellung des streitbefangenen
Softwareprodukts systematisch an alle als potentielle Nachfrager in Betracht
kommenden Vertragszahnärzte sowie der hieraus resultierenden Auswirkungen auf die
Wettbewerbsmöglichkeiten aller privaten Anbieter. Hierbei obliegt den Klägerinnen die
Darlegungs- und Beweislast für die den Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG
begründende Vornahme einer nach § 3 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung
und damit für die eine Unlauterkeit begründenden Umstände.
122
aa)
unzulässigen Verhaltensweise nach § 3 Abs. 3 UWG 2008 in Verbindung mit dem
Anhang zu dieser Vorschrift. Weder aus dem Vorbringen der Klägerinnen noch sonst
ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die ohne gesonderte Berechnung angebotene
Softwareüberlassung nebst regelmäßigen Aktualisierungen zu (versteckten) Kosten der
Nutzer führt und deshalb nach Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässig wäre.
123
bb)
Behinderung der Klägerinnen oder eines anderen Mitbewerbers im Sinne des § 4 Nr. 10
UWG (in beiden Gesetzesfassungen).
124
Die Regelung des § 4 Nr. 10 UWG erfasst mit dem Erfordernis der Zielgerichtetheit
lediglich die individuelle Behinderung, nicht hingegen die allgemeine Marktbehinderung
(vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 5. Aufl., § 4.10
Rn. 10/7 m.w.N.). Tatbestandlich ist daher nur diejenige Beeinträchtigung der
wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten (Ohly in Ohly/Sosnitza, a.a.O., § 4.10 Rn.
10/8), die bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie nicht auf die
Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern (unmittelbar) auf die
Störung der Entfaltung (vgl. Köhler, in Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb, 28. Aufl., § 4 Rn. 10.7 und 10.10 m.w.N.) eines bestimmten Konkurrenten
oder einer bestimmten Gruppe von Konkurrenten gerichtet ist.
125
Eine solche individuelle Behinderung haben die Klägerinnen nicht schlüssig dargetan.
Indem die Beklagte die streitbefangene Software allen Vertragszahnärzten ohne
gesonderte Berechnung zur Verfügung gestellt und damit den Anreiz gesetzt hat, ihre
Software anstatt die entsprechenden Funktionen der Dentalsoftware jedes beliebigen
126
Software anstatt die entsprechenden Funktionen der Dentalsoftware jedes beliebigen
(privaten) Mitbewerbers zu nutzen, beeinträchtigt sie die wirtschaftlichen
Entfaltungsmöglichkeiten aller privaten Dentalsoftware-Anbieter gleichermaßen. Nichts
anderes ergibt sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der Klägerinnen, die eine
Verstopfung des Marktes mit der streitbefangenen Software geltend machen. Es gibt –
wovon nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten auszugehen
ist – auch kein konkretes Vergleichsprodukt mit einer der streitbefangenen Software
vergleichbar beschränkten Funktion, dessen Verdrängung durch das beanstandete
Verhalten drohen würde. Das beanstandete Verhalten ist somit nicht gegen einzelne
Marktteilnehmer gerichtet, sondern betrifft im Sinne allenfalls einer allgemeinen
Marktbehinderung die gesamte Branche. Eine Marktverstopfung scheidet überdies auch
deshalb aus, weil lediglich für 4 Klägerinnen überhaupt geltend gemacht wird, dass ihr
Absatz bei den betreffenden Modulen oder Softwareteilangeboten durch die
angegriffene Maßnahme der Beklagten beeinträchtigt worden sein kann.
cc)
stellt sich auch nicht nach den von der Rechtsprechung fallgruppenartig entwickelten
Maßstäben als unlauter im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG dar.
127
(1)
für eine Verletzung der allgemeinen Marktverhaltensregeln, die jeden Marktteilnehmer
treffen, der Waren oder Leistungen anbietet. Der Umstand, dass die Beklagte den
Kassenzahnärzten die streitbefangene Software ohne gesonderte Vergütung zur
Verfügung stellt, macht das Angebot nicht zu einem unzulässigen Lockangebot. Denn
es findet weder eine Bindung der potentiellen Abnehmer an eine später nur gegen
gesonderte Vergütung angebotene Folge-Software- oder Update-Überlassung statt
noch geht es der Beklagten darum, andere, dann zu vergütende Produkte im
Zusammenhang mit der streitbefangenen Software anzubieten. Lauterkeitsrechtlich
unbedenklich sind ebenso die Begleitumstände der Zurverfügungstellung, namentlich
das Anschreiben zur Übersendung der streitbefangenen Software an die Empfänger. Es
hat keinen irreführenden oder Kunden abfangenden oder abwerbenden Charakter. Die
streitbefangene Software setzt aufgrund ihres nur erheblich eingeschränkten
Funktionsumfangs vielmehr im Rahmen des durchschnittlichen Praxisbedarfs die
Verwendung der Dentalsoftware-Produkte privater Anbieter gerade voraus und trägt
dem in Gestalt ihrer universellen Schnittstelle für gängige Abrechnungsprogramme
Rechnung.
128
(2)
kommen darüber hinaus besondere Verhaltenspflichten in Betracht, denen gerade der
Hoheitsträger als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der
Grundrechtsbindung unterliegt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist das zur Beurteilung
stehende Verhalten der Beklagten indes nicht zu beanstanden.
129
(2.1)
Gefährdung des Wettbewerbsbestandes.
130
Wird die öffentliche Hand zum Zweck der Erfüllung öffentlicher Aufgaben tätig, darf sie
bei der Wahl ihrer Mittel die sachlich berechtigten Interessen privater Wettbewerber
nicht außer Acht lassen (vgl. BGH, Urteil v. 08.07.1993, I ZR 174/91 –
Abrechnungssoftware für Zahnärzte -, GRUR 1993, 917 – 920, zitiert nach juris Rz. 31 f.;
Köhler , a.a.O., § 4 UWG Rn. 13.35). Dies führt dazu, dass die öffentliche Hand sich bei
131
der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch privatwirtschaftliche Mittel im Bereich des
verfassungsrechtlich Zulässigen halten und auf (das Wie betreffende) Maßnahmen
beschränken muss, die zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind und am wenigsten in die
berechtigten Interessen privater Wettbewerber eingreift. Die mit öffentlichen Mitteln
finanzierte Preisunterbietung oder die gar unentgeltliche Zuwendung der Leistung sind
daher unlauter, wenn sie zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes führen (vgl.
BGH, Urteil v. 08.07.1993, I ZR 174/91 – Abrechnungssoftware für Zahnärzte -, GRuR
1993, 917 – 920, zitiert nach juris Rz. 31; Köhler a.a.O., § 4 UWG Rn. 13.35).
Weder aus dem klägerischen Vorbringen noch sonst ist ersichtlich, dass die Beklagte
den Wettbewerbsbestand im Geschäftsbereich der Dentalsoftware im Sinne einer
allgemeinen Marktbehinderung (hierzu Köhler a.a.O.) dadurch gefährden würde, dass
sie "DPF" ohne gesonderte Vergütung allen Vertragszahnärzten zur Verfügung stellt.
132
Die streitbefangene Software macht – wie bereits ausgeführt – unstreitig die
ausschließlich von den Klägerinnen sowie anderen privaten Mitbewerbern angebotene
Softwareprodukte mit ihren weitergehenden Funktionen, welche der durchschnittliche
Nachfrager für seinen Zahnarztpraxisbedarf benötigt, nicht entbehrlich. Dies wird auch
darin deutlich, dass die streitbefangene Software "DPF" eine Schnittstelle zur
Verbindung mit den ausschließlich von privaten Anbietern vertriebenen Abrechnungs-
und Praxisorganisationsprogrammen bietet und die Beklagte die zur Nutzung dieser
Schnittstelle erforderlichen Informationen diskriminierungsfrei jedem privaten Anbieter
zur Verwendung in dessen Software kostenlos zur Verfügung stellt. Der
durchschnittliche Nachfrager ist daher weiterhin auf die Produkte der privaten Anbieter
angewiesen. Seine Entscheidung darüber, welches Produkt er für die
Festzuschussermittlung oder die Visualisierung nutzen will, hängt nicht allein von dem
Fehlen einer gesonderten Vergütung für "DPF" ab, sondern – nach der allgemeinen
Lebenserfahrung – von weiteren Faktoren, wie zum Beispiel die erwünschten
Leistungsmerkmale und Qualitätsanforderungen an die einzelnen Funktionen wie auch
an die Software-Gesamtlösung für den Praxisbedarf sowie die Kompatibilität der
verschiedenen Softwareprodukte und –module.
133
Dementsprechend fehlt, obschon "DPF" seit mittlerweile vier Jahren vertrieben wird,
auch jedweder Sachvortrag der Klägerinnen zu irgendwelchen den
Wettbewerbsbestand gefährdenden Wirkungen des beanstandeten Verhaltes. Ein
Konkurrenzverhältnis besteht allenfalls zwischen "DPF" und
Patientenberatungsprogrammen (ob als Tool eines Gesamtpakets, Module oder eigenes
Softwareprodukt), welche regelmäßig die DPF-Funktionen neben weiteren Funktionen
umfassen. Dem Klägervorbringen kann aber nicht einmal entnommen werden, dass der
Absatz dieser Programme marktweit gefährdet ist. Lediglich für vier Klägerinnen wird
überhaupt reklamiert, dass der Absatz einzelner (gesondert zu vergütender)
Programmmodule oder (in einem Fall) von Softwareprodukten aus der jeweiligen
Produktpalette beeinträchtigt werden könne. Es wird nicht geltend gemacht, dass
tatsächlich Kunden der Klägerinnen wegen der Verfügbarkeit von "DPF" Verträge
gekündigt hätten. Nur für einen Fall, nämlich für die Klägerin zu 6., haben die
Klägerinnen einen Absatzrückgang eines "DPF" funktionsentsprechenden
Programmmoduls in Höhe von … % behauptet. Selbst wenn dieser Rückgang auf die
finanziell günstigere Verfügbarkeit von "DPF" zurückzuführen sein sollte, weist dies
alles schon nicht auf eine allgemeine, d.h. im wesentlichen alle Anbieter treffende
Marktbehinderung und erst recht nicht auf eine Gefährdung des Wettbewerbsbestandes
hin. Vielmehr setzt die in der im Streit stehenden Art und Weise vertriebene Software
134
"DPF" den Fortbestand des privaten Wettbewerbs zur umfassenden Versorgung der
potentiellen Nachfrager mit Softwareprodukten geradezu voraus. Zudem ist über die
universelle Schnittstelle in der Software "DPF" und das Angebot der Beklagten, die zur
Nutzung dieser Schnittstelle notwendigen Informationen jedem Softwareanbieter
kostenlos zur Verfügung zu stellen, gewährleistet, dass die Softwareprodukte der
Klägerinnen weiterhin vom Nachfrager verwendet werden können. Dass die
Klägerinnen diese Möglichkeit – wohlmöglich nach kartellrechtswidriger Abstimmung
ihres Marktverhaltens – nicht nutzen, ist jedenfalls ihre eigene unternehmerische
Entscheidung. Die Notwendigkeit, ihre Softwareprodukte unter Nutzung der von der
Beklagten auch ihnen kostenlos angebotenen Informationen umzustellen, stellt
ebenfalls keine Wettbewerbsbestandsgefährdung dar; Produktumstellungen als
Reaktion auf Konkurrenzprodukte und Marktzutritte sind dem Leistungswettbewerb
regelmäßig immanent.
Darüber hinaus tragen die Klägerinnen selbst vor, dass die streitbefangene Software der
Beklagten die Reparatur von Zahnersatz, die etwa … % der zahnärztlichen Leistungen
im Rahmen des Zahnersatzes ausmache, nicht unterstützt. Auch das spricht indiziell
gegen eine Gefährdung des Wettbewerbsbestandes.
135
(2.2)
dafür, dass die Beklagte ihre öffentlich-rechtliche Stellung und Mittel zur Förderung des
Absatzes von "DPF" missbraucht.
136
(2.2.1)
Nachfrager in Betracht kommenden Vertragszahnärzte, was der Beklagten nur aufgrund
der Verfügbarkeit der persönlichen Daten aller in den ihr angehörenden
Kassenärztlichen Vereinigungen organsierten Vertragszahnärzte möglich war. Die in
diesem Wissen liegende öffentliche Ressource stellt einen Wettbewerbsvorsprung dar,
dessen Ausnutzung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist und nur bei Hinzutreten
besonderer Umstände, welche die Ausnutzung missbräuchlich erscheinen lassen,
unlauter wäre. Hierzu bietet der Streitfall, in welchem die Beklagte mit der Zur-
verfügungstellung der streitbefangenen Software ihre öffentliche Aufgabe gegenüber
den Vertragszahnärzten verfolgte, keinen Anlass. Es liegt weder eine Verquickung der
öffentlich-rechtlichen Aufgaben mit der wirtschaftlichen Betätigung noch ein Missbrauch
der amtlichen Autorität oder des Vertrauens in die Objektivität und Neutralität der
Amtsführung vor (zu Allem: BGH, GRUR 2009, 606 – Buchgeschenk vom Standesamt).
137
(2.2.2)
zurückgreifen kann, um die streitbefangene Software herauszugeben und insbesondere
ohne gesonderte Berechnung allen potentiellen Nachfragern zur Verfügung zu stellen,
ist dies allein ebenfalls wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden (BGH, a.a.O.).
Weitere Umstände, welche die
lauterkeitsrechtlicher Maßstäbe missbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nicht
ersichtlich. Insbesondere ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine
Zweckentfremdung öffentlicher Mittel:
138
Dass die Beklagte mit dem beanstandeten Verhalten andere Ziele als die Erfüllung
ihres gesetzlichen Auftrages aus § 75 Abs. 1 und 2 SGB V und der hieraus abgeleiteten
Aufgabe, alle Vertragszahnärzte über die sachlich richtige Abrechnung zu informieren,
erreichen wollte, behaupten die Klägerinnen selbst nicht. Selbst wenn die Beklagte ihre
139
öffentlich-rechtlichen Kompetenzen hiermit objektiv überschritt, begründet dies allein
nicht eine Zweckentfremdung der finanziellen Mittel.
Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahme nur gegen
gesonderte Vergütung hätte erfolgen dürfen. Die Mittel für die Durchführung der
Aufgaben, welche der Beklagten obliegen, sind von ihren Mitgliedern, den
Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, und die Mittel für die Durchführung deren
Aufgaben durch deren Mitglieder, d.h. von den Vertragszahnärzten, aufzubringen. Dies
geschieht jeweils durch eine Umlage. Die Erhebung von Gebühren zur Finanzierung
von Verwaltungskosten ist weitgehend ausgeschlossen (vgl. zu allem: Sproll in
Krauskopf, Soziale Krankenversicherung / Pflegversicherung, Loseblattsammlung Stand
November 2009, § 81 SGB V Rn. 21 f.). Die Beklagte finanziert ihre Aufgabenerfüllung –
wie hier die von ihr in Auftrag gegebene Herstellung der Software DPF und deren
allgemeine Verteilung unter den Mitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigungen - somit
mittelbar aus Beiträgen der Vertragszahnärzte, denen sie wiederum die Software "DPF"
ohne gesonderte Berechnung zur Verfügung stellt. Aufgrund dessen wird die
Zurverfügungstellung der streitbefangenen Software – jedenfalls unter
lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten – sogar als entgeltlich zu bewerten sein, zumal
ansonsten mangels Unternehmensbezug schon keine geschäftliche Handlung im Sinne
des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 vorläge (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm,
Wettbewerbsrecht, 28. Aufl., § 2 Rn. 21).
140
(2.2.3)
dass die Beklagte missbräuchlich Vertrauen in ihre öffentlich-rechtliche Funktion,
insbesondere in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung, in Anspruch
genommen oder ihre amtliche Autorität im Verhältnis zu den Vertragszahnärzten
missbraucht hätte.
141
Im Zusammenhang mit dem Aspekt der Neutralität der Amtsführung machen die
Klägerinnen geltend, die Beklagte fördere durch ihr Verhalten einseitig den Absatz von
Softwareprodukten der privaten Unternehmen, welche die streitbefangene Software
"DPF" entwickelt haben, namentlich des Dentalexplorers des Q.-Verlages und des
Abrechnungsprogramms der Firma "s.", die mit dem Q.-Verlag bei der Entwicklung von
"DPF" zusammengearbeitet hat. Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage, weil weder
aus dem Vorbringen der Klägerinnen noch sonst zu erkennen ist, dass die beiden an
der Entwicklung von "DPF" beteiligten Unternehmen von der Beklagten irgendwie
bevorzugt oder im Wettbewerb mit anderen privaten Softwareentwicklern und –anbietern
gefördert wurden bzw. werden:
142
Die Beklagte hat den Auftrag zur Softwareentwicklung öffentlich ausgeschrieben und
letztlich an den Q.-Verlag vergeben. Die Klägerinnen behaupten selbst nicht, dass die
Ausschreibungsanforderungen auf die fraglichen Unternehmen besonders
zugeschnitten gewesen seien oder die Vergabeentscheidung unter sachfremden
Erwägungen einseitig erfolgt sei. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich insbesondere nicht,
dass sie sich aus Gründen, die in den Ausschreibungsbedingungen lägen, nicht an der
Ausschreibung beteiligt hätten. Nach ihrem Vortrag ist vielmehr davon auszugehen,
dass dies auf einer – möglicherweise kartellrechtswidrigen (§ 1 GWB) – Absprache
beruhte.
143
Der Q.-Verlag hat die streitbefangene Software auf der Grundlage eines Werkvertrages
für die Beklagte erstellt, das Werk übergeben und hierfür die vereinbarte Vergütung
144
erhalten. Die Beklagte – und nicht der Q.-Verlag oder "s." – ist die Herausgeberin der
streitbefangenen Software. Ihr stehen die Rechte hieran zu.
Durch die von der streitbefangenen Software umfasste universelle Schnittstelle kann
"DPF" in jedes – microsoft-basierte – Abrechnungs- und Praxisverwaltungsprogramm
jedes Anbieters, der seine Software entsprechend eingerichtet hat, integriert werden.
Die zur Einrichtung der Abrechnungs- und Praxisverwaltungsprogramme erforderlichen
Daten und Informationen stellt die Beklagte – unstreitig – jedem privaten
Softwarehersteller kostenlos und diskriminierungsfrei zur Verfügung. Auch insoweit ist
keine einseitige Förderung des Absatzes von Programmen bestimmter Hersteller
ersichtlich. Dass die Klägerinnen die allgemein kostenlos angebotenen Informationen
nicht zur Einrichtung ihrer Produkte auf die Schnittstelle nutzen, ist ihre eigene
unternehmerische Entscheidung. Eine Verletzung der neutralen Amtsführung kann
hierbei auch nicht darauf gestützt werden, dass der Q.-Verlag oder "s." aufgrund ihrer
Entwicklungsbeteiligung besser in der Lage gewesen sein sollen, ihre Softwareprodukte
von vornherein auf die Schnittstelle einzurichten. Diese Möglichkeit steht letztlich jedem
Dentalsoftwareanbieter offen. Produktumstellungen als Reaktion auf
Konkurrenzprodukte und Marktzutritte sind dem Leistungswettbewerb regelmäßig
immanent.
145
Zum Schadensersatzanspruch
146
Der mit dem Feststellungsbegehren zu 4. und dem mit der Berufung erstmals
formulierten weiteren Hilfsantrag verfolgte Schadensersatzanspruch ergibt sich weder
aus §§ 33 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 und 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB noch
aus §§ 9 Satz 1, 3 UWG. Denn die Beklagte hat, indem sie ohne gesonderte
Berechnung die streitbefangene Software in den Jahren 2006 und 2008 allen
Vertragszahnärzten zur Verfügung stellte und online-Updates hierzu angeboten hat und
immer noch anbietet, weder dem kartellrechtlichen Behinderungsverbot aus den §§ 19
Abs. 1 und 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB zuwider noch unlauter im Sinne des § 3 UWG
gehandelt. Insoweit gilt das zum Unterlassungsanspruch im Einzelnen Ausgeführte
entsprechend, so dass hierauf verwiesen werden kann. Auch hinsichtlich des
lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruchs kann aus den bereits im Rahmen des
Unterlassungsanspruchs erörterten Gründen hierbei dahingestellt bleiben, ob das UWG
in seiner bis zum 29.12.2008 oder in seiner Fassung vom 22.12.2008 Anwendung
findet.
147
Unabhängig davon fehlt es an der für die Feststellung der grundsätzlichen
Schadensersatzpflicht erforderlichen substantiierten Behauptung einer
Schadenswahrscheinlichkeit.
148
Die positive Feststellung einer Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach
setzt voraus, dass die Entstehung eines dem Gläubiger vom Schuldner zu ersetzenden
Schadens wahrscheinlich ist (vgl.: BGH, NJW 1972, 198, NJW 1978, 544, NJW 1992,
697, 698; Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 256 Rn. 8a). Solange der Eintritt irgendeines
Schadens noch ungewiss ist, besteht das die Schadensersatzpflicht zum Gegenstand
habende Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, nicht.
149
Die Wahrscheinlichkeit irgendeines auf das beanstandete Verhalten der Beklagten
zurückzuführenden Schadens haben die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen
Klägerinnen auch nicht ansatzweise substantiiert dargetan. Obwohl ihnen
150
substantiierter Vortrag hierzu möglich und zumutbar ist und DPF nunmehr seit vier
Jahren auf dem Markt ist und konkrete Auswirkungen gezeigt haben müsste, behaupten
sie lediglich die Eignung der kostenlosen Abgabe von "DPF", den Absatz der eigenen
Produkte zu beeinträchtigen. Dass tatsächlich auch nur ein Kunde wegen des
streitbefangenen Softwareprodukts der Beklagten einen Vertrag mit einer der
Klägerinnen gekündigt hätte, behaupten die Klägerinnen selbst nicht. Lediglich für vier
Klägerinnen wird behauptet, dass sie mit dem Absatz einzelner Programmmodule oder
Softwareprodukte durch die streitbefangene Softwareprodukt der Beklagten
beeinträchtigt werden können. Die damit aufgezeigte Eignung von Absatzeinbußen
genügt zur Darlegung einer Schadenswahrscheinlichkeit indes nicht. Auch soweit die
Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptet haben, die
Klägerin zu 6. habe mit einem von ihr vertriebenen Visualisierungsmodul seit März 2006
einen Absatzrückgang in Höhe von ... % verzeichnet, kann hierauf alleine keine
tatsächliche Vermutung einer Kausalität des beanstandeten Vertriebs von "DPF" hierfür
und damit eine Schadenswahrscheinlichkeit gegründet werden. Denn die nicht
gesondert vergütete Abgabe von "DPF" an alle Vertragszahnärzte ist nur eine denkbare
Erklärung für den geltend gemachten Absatzrückgang, der – ohne weiteren
nachvollziehbaren Vortrag der Klägerinnen - nicht wahrscheinlicher erscheint als
beispielsweise die Möglichkeit einer Marktsättigung mit diesen Programmfunktionen
oder des Marktanteilsverlustes an einen privaten Mitbewerber.
III.
151
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 100 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
152
Für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht kein Anlass. Die der
Entscheidung der kartellrechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Fragen zugrunde
gelegten Maßstäbe beruhen ebenso wie die Beurteilung der Darlegungs- und
Beweislastverteilung auf der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Der Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall kommt keine rechtsgrundsätzliche
Bedeutung zu.
153