Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.11.2010

OLG Düsseldorf (schaden, maschine, fahrer, beförderung, frachtführer, transport, zeuge, anlage, wirtschaftliches interesse, messe)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 85/10
Datum:
17.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 85/10
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. April 2010 ver-
kündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Land-
gerichts D. (39 O 183/08) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreck-
baren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von
ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin ist Transportversicherer der P. I. GmbH (im folgenden P-GmbH genannt).
Sie nimmt die Beklagte aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf
Schadensersatz wegen Beschädigung von Transportgut in Anspruch. Diesem Begehren
liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Beklagte gehört zu den Messespediteuren, die die Erlaubnis haben, auf dem
Messegelände der Messe D. tätig sein zu dürfen. Die P-GmbH wollte auf der Messe D.
im Herbst 2007 ihre aus mehreren Bauteilen bestehende Kombinationsanlage Z.. 8....
ausstellen und beauftragte die Beklagte damit, die Maschine von E. zum Messegelände
zu transportieren und nach Beendigung der Messe wieder nach E.
zurückzutransportieren. Dieser Auftrag umfasste auch die Verpflichtung der Beklagten,
für den Abbau der Maschine und die Bereitstellung der Maschinenteile zum Abtransport
einen Gabelstapler mit Fahrer zu stellen; außerdem gehörte es zum Auftrag der
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Beklagten, die Maschinenbauteile auf dem Messegelände zu dem für den Abtransport
vorgesehenen LKW zu transportieren und die Maschinenbauteile auf den LKW zu
verladen.
Beim Transport der Maschinenbauteile zum Messegelände kam es unstreitig zu einem
Transportschaden, der auf dem Arbeitsauftrag des Zeugen K., Anlage B 2, Bl. 92 GA wie
folgt vermerkt ist: "1. Maschine zerkratzt, Lackschäden. 2. Maschine umgekippt."
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Am 31. Oktober 2007 bauten Mitarbeiter der P-GmbH nach Ende der Messe die
Maschine auf dem Messegelände ab; hierbei wurden sie von einem Gabelstaplerfahrer
unterstützt, der mit seinem Gabelstapler im Auftrag der Beklagten die für den Abbau
geschuldeten Leistungen der Beklagten erbrachte. Sodann blieben die
Maschinenbauteile zunächst am Messestand. Über diese Leistungen der Beklagten
verhält sich der Arbeitsauftrag vom 31. Oktober 2007, Anlage K 22, Bl. 33 GA.
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Am 5. November 2007 nahm der Zeuge K. die Maschinenbauteile mit seinem
Gabelstapler auf, beförderte sie zum bereitgestellten LKW und lud die Bauteile auf den
LKW auf. Als die Maschinenbauteile am 7. November 2007 bei der P-GmbH angeliefert
wurden, war ein Bauteil, nämlich der Siebwechsler mit einem Gewicht von 280 kg,
erheblich beschädigt. Auf dem Bordero (Anlage K 19, Bl. 30 GA), das der LKW-Fahrer
bei Ablieferung der P-GmbH aushändigte, ist vermerkt: "Maschine wurde beschädigt
durch Verladen". Auf dem Arbeitsauftrag der Beklagten an den Zeugen K. (Anlage B 1,
Bl. 65 GA) ist handschriftlich vermerkt: "1 Maschine beschädigt am Stand".
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Die Klägerin hat behauptet:
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Nach dem Abbau der Maschine am 31. Oktober 2007 sei der Siebwechsler noch
unbeschädigt gewesen. Die Transportschäden bei Anlieferung in Form von Kratzern an
der Maschine habe die P-GmbH noch vor Messebeginn behoben. Bei Anlieferung sei
jedoch keine Maschine umgekippt. Außerdem sei der hier in Rede stehende
Siebwechsler von diesem Schaden gar nicht betroffen gewesen.
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Der Schaden am Siebwechsler sei dadurch entstanden, dass dieses Maschinenbauteil
beim Verladen auf den LKW vom Gabelstapler heruntergefallen sei. Dies habe auch der
LKW-Fahrer bei Ablieferung in E. gegenüber der P-GmbH erklärt, als er die Anlage K 19
übergeben habe. Der handschriftliche Vermerk auf dem Bordero stamme ebenfalls von
diesem Fahrer.
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An dem Siebwechsler sei ein Schaden in Höhe von 7.009,68 € entstanden.
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Dieser Schaden zuzüglich der Kosten für das Havariegutachten in Höhe von 895,- €
sowie die vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten sind Gegenstand der Klage.
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Die Beklagte hat demgegenüber behauptet:
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Als sich der Zeuge K. am 5. November 2007 zum Messestand der P-GmbH begeben
habe, sei der Siebwechsler schon beschädigt gewesen. Folglich müsse der Schaden
entweder schon bei der Zerlegung der Maschine in ihre Bauteile oder aber während der
Lagerung der Bauteile auf dem Messegelände entstanden sein; möglicherweise sei ein
Gabelstaplerfahrer eines anderen Unternehmens, das auf dem Messegelände tätig
gewesen sei, mit dem Gabelstapler gegen den Siebwechsler gestoßen.
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Sie meint, sie müsse für diesen Schaden nicht haften, weil der Schaden bereits
eingetreten sei, bevor sie die Maschinenbauteile am 5. November 2007 zur Beförderung
übernommen habe.
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Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Zur Begründung
hat es ausgeführt, die Beklagte hafte unbeschränkt, weil sie den Schaden leichtfertig
verursacht habe. Es bestünden Anhaltspunkte für ein dahingehendes qualifiziertes
Verschulden der Beklagten; demgegenüber habe die Beklagte die Schadensursache
nicht hinreichend aufgeklärt. Die Angaben auf dem Bordero und dem Arbeitsschein
widersprächen einander. Im Übrigen müsse die Beklagte jedoch auch für einen nach
dem 31. Oktober 2007 aber vor dem 5. November 2007 eingetretenen Schaden
einstehen, weil ihr das Transportgut am 31. Oktober nach dem Abbau zum Transport
übergeben worden sei. Eine Übergabe zum Transport liege nämlich auch dann vor,
wenn das Transportgut wegen Beförderungs- oder Ablieferungshindernissen zunächst
gelagert und erst nach Wegfall des Hindernisses weiterbefördert werden solle.
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Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht auf die Haftungsbeschränkung nach §
431 HGB berufen, weil im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der
Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden zurückzuführen sei, die Beklagte jedoch
ihrer Recherchepflicht nicht nachgekommen sei.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren
Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
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Das Landgericht habe bereits die Aktivlegitimation der Klägerin zu Unrecht bejaht, weil
die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie alleiniger Transportversicherer der P-
GmbH sei. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei der hier in Rede stehende
Transportauftrag auch keine Fixkostenspedition gewesen. Schließlich sei der Schaden
entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht in ihrer Haftungsobhut eingetreten. In
der Zeit vom 31. Oktober 2007 bis zum 5. November 2007 seien die Maschinenbauteile
auf dem von der P-GmbH gemieteten Messestand gelagert worden. In dieser Zeit hätten
sich die Maschinenbauteile mithin in der Obhut der P-GmbH befunden. Dies sei sowohl
durch die vorgelegten Urkunden als auch die Aussage des Zeugen K. bewiesen.
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Eben in diesem Zeitraum sei der Schaden eingetreten. Da sie, die Beklagte, nicht
einmal eigenverantwortlich den Abbau der Maschine durchgeführt habe, sondern diesen
vielmehr die P-GmbH in eigener Verantwortung lediglich unter Hilfestellungen des
Gabelstaplerfahrers vorgenommen habe, sei es verfehlt, die Lagerung der
Maschinenbauteile als transportbedingte Zwischenlagerung anzusehen.
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Jedenfalls sei sie ihrer Recherchepflicht nachgekommen, so dass nicht von einem
qualifizierten Verschulden ausgegangen werden könne. Schließlich habe sich das
Landgericht auch nicht mit ihren Einwänden zur Schadenshöhe auseinandergesetzt.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage
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abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Berufungsangriffen entgegen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache erfolglos. Die Beklagte muss
für den am Siebwechsler entstandenen Schaden gemäß § 425 HGB einstehen, ohne
sich auf die Haftungsbeschränkungen des § 431 HGB berufen zu können. Im Einzelnen
ist hierzu folgendes auszuführen:
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In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass
aufgrund des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme
ungeklärt geblieben ist, letztlich aber auch dahinstehen kann, ob der Schaden an dem
hier in Rede stehende Siebwechsler schon entstanden war, als der Zeuge K. sich am 5.
November 2007 anschickte, dieses Maschinenteil auf den LKW zu verladen oder ob
dieser Schaden erst während des Verladens eingetreten ist. Zwar hat der Zeuge K.
bekundet, der Schaden sei bereits vorhanden gewesen, als er am 5. November 2007
auf dem Messegelände erschienen sei. Es gibt jedoch gewichtige Umstände, die nicht
überwindbare Zweifel begründen, ob diese Bekundung des Zeugen der Wahrheit
entspricht. Der Zeuge K. hat als möglicher Schadensverursacher ein eigenes
persönliches und wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Der Senat
kann auch nicht ausschließen, dass der Zeuge sich bei seiner Aussage von diesem
Interesse hat leiten lassen. Der Vermerk auf der Anlage K 19 über die Schadensursache
und die Feststellung des Havariekommissars im Schadensgutachten (Anlage K 4 zur
Klageschrift), wonach das Schadensbild zu der von der Klägerin behaupteten
Schadensursache passt, belegen, dass auch diese Schadensursache ernsthaft in
Betracht kommt. Schließlich hat der Zeuge K. glaubhaft bekundet, dass ihm der Fahrer
bei Ablieferung des Siebwechslers erklärt hat, der Schaden sei durch einen
Verladeunfall entstanden.
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Der Einwand der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 27. Oktober 2010, das
Schadensbild sei auch mit einem Umsturz der Maschine in Einklang zu bringen, mag
zutreffen. Aber selbst wenn das Schadensbild auch zu dem von der Beklagten
behaupteten Schadensereignis passt, vermag dies die Zweifel, die der Senat
hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Aussage des Zeugen K. hat, nicht auszuräumen,
so dass der Senat keinen Anlass sieht, diesem Vorbringen der Beklagten nachzugehen.
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Die nicht mehr zu klärende Frage, wie der Schaden entstanden ist, ist jedoch rechtlich
irrelevant für die Frage, ob die Beklagte dem Grunde nach für den entstandenen
Schaden gemäß § 425 HGB haften muss. Denn die Beschädigung des Frachtgutes hat
sich in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung ereignet, § 425
Abs. 1 HGB. Entgegen ihrer Ansicht hat die Beklagte den Siebwechsler nicht erst am 5.
November 2007, sondern bereits am Abend des 31. Oktober 2007 zum Transport
übernommen.
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Objektiv setzt die Übernahme des Frachtgutes durch den Frachtführer zur Beförderung
voraus, dass das Gut derart in seinen Verantwortungsbereich gelangt ist, dass er es vor
Schaden bewahren kann (vgl. Senat VersR 1977, 1122; Ebenroth/Boujong/Strohn-
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Schaffert, 2. Aufl., § 425 HGB, Tz. 18; Koller, 7. Aufl., § 425 HGB Rn. 17).
Übernimmt der Frachtführer – wie hier – vertraglich auch die Verladung, übernimmt er
das vom Absender bereit gestellte Gut zu dem Zeitpunkt, zu dem er zu erkennen gibt,
dass er die Herrschaftsgewalt zum Zwecke der Beförderung übernimmt (BGH NJW-RR
1990, 1314, 1315; Senat VersR 1983, 749 f.).
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In subjektiver Hinsicht ist es erforderlich, dass die Übernahme des Besitzes dem –
natürlichen – Willen entspricht. Dieser muss erkennbar und die Besitzübernahme darauf
gerichtet sein, die vertraglich vereinbarte Beförderung durchzuführen (Senat TranspR
1998, 112, 113; Ebenroth/Boujong/Strohn-Schaffert, 2. Aufl., § 425 HGB Tz. 19 f.). Das
ist auch dann der Fall, wenn der Frachtführer wegen einer von ihm zu vertretenden oder
sonst transportbedingten Verzögerung der Beförderung zunächst eine kurzfristige
Vorlagerung beabsichtigt, weil auch eine solche Vorlagerung der Erfüllung des
Beförderungsvertrages dient (vgl. BGH TranspR 1994, 279, 281 f.;
Ebenroth/Boujong/Strohn-Schaffert, 2. Aufl. § 425 HGB Tz. 20).
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Diese objektiven und subjektiven Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall bereits
am Abend des 31. Oktober 2007 erfüllt.
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In diesem Zusammenhang verkennt der Senat nicht, dass allein der Umstand, dass die
Beklagte im Vorfeld eines geplanten Transports der Versenderin geholfen hat, das
Transportgut zur Abholung bereitstellen, nicht ausreicht, um davon auszugehen, dass
die Beklagte schon mit der Erbringung der Hilfeleistungen die Obhut über das
Transportgut erhalten hat. Denn selbst wenn – wie hier – auch schon die Verladung zum
Transportauftrag des Frachtführers gehört, bleibt es Aufgabe des Versenders, das
Transportgut versandfertig zu machen und es für die Verladung bereitzustellen. Hierin
ändert im Ausgangspunkt auch nichts, wenn Mitarbeiter des Frachtführers bei diesen
den Transport vorbereitenden Leistungen helfen.
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Im vorliegenden Fall ist jedoch die Besonderheit gegeben, dass die Beklagte auch bei
diesen Hilfeleistungen als Messespediteur tätig geworden ist, was im Ergebnis zur
Konsequenz hat, dass der ihr erteilte Auftrag gemäß §§ 133, 157 BGB dahin verstanden
werden muss, dass sie der P-GmbH umfassende Transport- und Logistikleistungen für
die Messeveranstaltung zu erbringen hatte. In der Summe ergibt sich aus den
übernommenen Pflichten der Beklagten, dass sie den von der P-GmbH für die Dauer
der Messe gemieteten Stand zu räumen hatte. Hierfür war es insbesondere erforderlich,
die Maschinenbauteile auf dem Messegelände zu transportieren. Bei dieser Sachlage
sind nach der Verkehrsauffassung die Bewegungen der einzelnen Maschinenbauteile
auf dem Messegelände bereits Teil der geschuldeten Transportleistung. Hierfür
sprechen auch folgende Überlegungen: Die Beklagte hätte auch sofort nach der
Trennung der einzelnen Maschinenbauteile diese Bauteile auf einen LKW aufladen und
abtransportieren können. Diese Verfahrensweise hätte auch dem ihr erteilten
Transportauftrag entsprochen, denn es ist unstreitig, dass die Verschiebung des
Abtransports auf den 5. November 2007 nicht einem Wunsch der Versenderin
entsprach, sondern vielmehr dadurch bedingt gewesen ist, dass sich die Beklagte aus
Kapazitätsgründen nicht in der Lage gesehen hat, die Maschinenteile sogleich
abzutransportieren. Schließlich muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden,
dass die P-GmbH diese Maschinenbauteile nicht unter Einsatz eines eigenen
Gabelstaplers auf dem Messegelände hätte bewegen dürfen, so dass sie auch diese
Leistungen zwingend von einem zugelassenen Messespediteur erbringen lassen
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musste. Auch dies begründet einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem
Transport der Exponate auf dem Messegelände und dem Abtransport vom
Messegelände, weil hierdurch nach der Verkehrsanschauung diese Transportleistungen
als der Beginn des Abtransports und nicht als bloße Unterstützungsleistungen für den
Aussteller, die Exponate versandfertig bereitzustellen, erscheinen.
Die Mitarbeiter der P-GmbH haben am Abend des 31. Oktober 2007 die zerlegten
Maschinenbauteile auf dem Messegelände zurückgelassen und haben die Heimreise
angetreten, so dass sie den unmittelbaren Besitz an diesen Bauteilen aufgegeben
hatten. Die Beklagte hatte als zugelassener Messespediteur die Berechtigung, sich
auch nach dem Ende der Messe auf dem Messegelände aufhalten und dort ihre
speditionellen Leistungen erbringen zu dürfen, so dass sie – zumindest - mittelbarer
Besitzer der Maschinenbauteile geworden ist, was sie zugleich objektiv in die Lage
versetzt hat, das Transportgut bis zum tatsächlichen Abtransport vor Schaden zu
bewahren. Diese Besitzerlangung diente schließlich auch der Erfüllung des bereits
abgeschlossenen Beförderungsvertrages.
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Demgegenüber ist für eine Übernahme zur Beförderung nicht erforderlich, dass der
Frachtführer unmittelbar mit der Besitzerlangung sogleich auch mit der vertraglich
vereinbarten Beförderung beginnt. Gerade in den Fällen, in denen es – wie hier –
wegen eines allein in der Sphäre des Frachtführers liegenden Grundes nach dem
bereits zum Zweck der Beförderung begründeten (zumindest mittelbaren) Besitzes des
Frachtführers noch nicht zur sofortigen Ausführung des Transports kommt, ist vielmehr
davon auszugehen, dass mit der Besitzerlangung eine kurzfristige Vorlagerung des
Transportguts beabsichtigt ist, weil auch diese Vorlagerung bereits der Erfüllung des
Beförderungsvertrages dient. Dies muss erst recht gelten, wenn – wie im vorliegenden
Fall – der Frachtführer neben der Beförderung auch die Verladung des Transportguts
schuldet und er bereits Transportleistungen erbracht hat, die sich nach der
Verkehrsanschauung schon als Teil der Verladungsarbeiten und damit als Beginn des
Abtransports vom Messegelände darstellen.
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An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn der neue Sachvortrag der Beklagten
im nachgelassenen Schriftsatz vom 27. Oktober 2010 zutrifft, wonach die P-GmbH
aufgrund ihres mit dem Messeveranstalter abgeschlossenen Vertrages berechtigt
gewesen ist, den Messestand auch über den 31. Oktober 2007 hinaus zu nutzen und sie
dem Veranstalter auch für den Zeitraum bis zum Abtransport am 5. November 2007 für
die Nutzung des Messestandes Miete gezahlt hat. Trifft dies zu, hätte dies lediglich zur
Konsequenz, dass die P-GmbH infolge ihres Nutzungsrechts die Möglichkeit gehabt
hätte, ihren unmittelbaren Besitz an den Maschinenbauteilen weiterhin aufrecht zu
erhalten, weil sie dann auch über den 31. Oktober 2007 hinaus ein Zutrittsrecht zum
Messegelände gehabt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass sie auf diese Möglichkeit
tatsächlich konkludent verzichtet und damit ihren unmittelbaren Besitz schon am Abend
des 31. Oktober 2007 aufgegeben hat, indem ihre Mitarbeiter den Messestand in der
Absicht verlassen haben, es nunmehr der Beklagten beziehungsweise dem von der
Beklagten eingeschalteten Unterfrachtführer fortan zu ermöglichen, jederzeit den
unmittelbaren Besitz an den Bauteilen der Maschine zu begründen, sobald sie sich zum
Abtransport in der Lage sehen. Sie, die P-GmbH, wollte demgegenüber den
unmittelbaren Besitz an den Maschinenbauteilen erst wieder mit der Ablieferung der
Bauteile an ihrem Firmensitz in E. zurückerlangen
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Die Beklagte kann sich auch nicht auf die gesetzliche Haftungsbeschränkung berufen,
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weil davon auszugehen ist, dass sie den Schaden am Siebwechsler leichtfertig im
Sinne des § 435 HGB verursacht hat.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in
Beschädigungsfällen von einer leichtfertigen Schadensverursachung durch den
Frachtführer auszugehen, wenn der Versender Umstände darlegt, die mit einer
gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass eine leichtfertige
Schadensverursachung gegeben ist, so dass den Frachtführer eine Recherchepflicht
zur Aufklärung des Schadensverlaufs und der Schadensursache trifft, der Frachtführer
dieser Verpflichtung jedoch nicht oder nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. BGH
TranspR 2006, 390).
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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.
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Wie bereits dargelegt, kommt im vorliegenden Fall ernsthaft in Betracht, dass der
Siebwechsler beim Verladen vom Gabelstapler gefallen ist, weil das Schadensbild mit
dieser Schadensursache in Einklang steht und auf dem Bordero diese
Schadensursache vermerkt ist. Liegt hierin die Schadensursache, dann spricht eine
gewisse Wahrscheinlichkeit für eine leichtfertige Schadensverursachung, weil der
Zeuge K. dem Gabelstaplerfahrer am Abend des 31. Oktober 2007 konkrete
Anweisungen gegeben hat, wie die Maschinenbauteile angehoben werden müssen und
wo die jeweiligen Anhebepunkte bei den jeweiligen Bauteilen sind. Wenn somit der
Siebwechsler gleichwohl vom Gabelstapler gefallen ist, legt dies die Vermutung nahe,
dass der Siebwechsler entgegen den konkret erteilten Weisungen angehoben worden
ist, was wiederum den Vorwurf grob fahrlässiger Schadensverursachung rechtfertigt.
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Weil somit das konkrete Schadensbild und die konkret erteilten Verladeweisungen in
Verbindung mit dem Schadensvermerk auf dem Bordero hinreichend Anhaltspunkte für
eine leichtfertige Schadensverursachung lieferten, andererseits der Zeuge K. der
Beklagten im Arbeitsauftrag (Anlage B 1) eine andere Schadensursache mitgeteilt hatte,
wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, sich um nähere Aufklärung zur
Schadensursache und zum Schadenshergang zu bemühen. Da es erfahrungsgemäß
mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger wird, den Schadenshergang
aufzuklären und die Schadensursache zu ermitteln, ist der Senat der Auffassung, dass
die Recherche zeitnah erfolgen muss, nachdem dem Frachtführer beziehungsweise den
von ihm eingesetzten Subunternehmern die Umstände bekannt geworden sind, aus
denen sich die Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden ergeben.
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Dieser Recherchepflicht ist die Beklagte nicht, jedenfalls nicht vollständig und
umfassend, nachgekommen; denn sie hat es unterlassen, zeitnah nach dem
Schadensereignis den von ihr beauftragten Unterfrachtführer und den Fahrer, der den
Rücktransport ausgeführt hat, zu befragen, um insbesondere aufzuklären, welche
konkreten Angaben zum Schadenshergang der Fahrer aus eigener Anschauung zum
Schadenshergang machen kann.
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Der Beklagten ist es auch nicht gelungen, im Verlauf des Prozesses die geschuldeten
Recherchen nachzuholen; denn der Fahrer konnte nicht mehr zum Schadensereignis
befragt werden, weil es der Beklagten nicht gelungen ist, die gegenwärtige Anschrift
dieses Fahrers zu ermitteln. Dies geht im Ergebnis zu Lasten der Beklagten, weil davon
auszugehen ist, dass sich die Beklagte die erforderlichen Informationen von diesem
Zeugen hätte beschaffen können, wenn sie zeitnah zum Schadensereignis recherchiert
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hätte. Denn damals war der Fahrer noch bei dem den Transport ausführenden
Unterfrachtführer beschäftigt und somit für die Beklagte erreichbar , zumindest hätte
seinerzeit nach der Lebenserfahrung noch die Möglichkeit bestanden seine Anschrift zu
ermitteln.
Aber selbst wenn man der Auffassung wäre, dass die Recherchepflicht erst zu dem
Zeitpunkt erfüllt werden muss, zu dem der Geschädigte den Vorwurf leichtfertiger
Schadensverursachung erhebt und die Umstände benennt, aus denen er diesen
Vorwurf ableitet, muss es im vorliegenden Fall zu Lasten der Beklagten gehen, dass die
Informationen, die der Fahrer zum Schadensereignis hätte geben können, nicht mehr zu
beschaffen sind. Denn im vorliegenden Fall steht fest, dass mindestens zwei der am
Transport beteiligten Personen, nämlich dem Zeugen K. und dem Fahrer aufgefallen ist,
dass der Siebwechsler erheblich beschädigt worden ist. Demgemäß wäre die Beklagte
aufgrund des Frachtvertrages verpflichtet gewesen, den Schaden zu dokumentieren
oder die P-GmbH umgehend vom Schadenseintritt zu informieren (vgl. auch Ziffer 7.1.2
ADSp). Weil die Beklagte dieser Pflicht ebenfalls nicht, jedenfalls nicht vollständig
nachgekommen ist – die Vermerke auf dem Bordero und dem Arbeitsauftrag
widersprechen sich, wer den Vermerk auf dem Bordero angebracht hat, ist ungeklärt und
er lässt auch nicht erkennen, wer welche konkrete Beobachtung gemacht hat –, muss es
ihr im Prozess verwehrt sein, sich darauf zu berufen, zu dem Zeitpunkt, als ihr eine
leichtfertige Schadensverursachung vorgeworfen worden ist, sei ihr eine weitere
Aufklärung des Schadensherganges und der Schadensursache nicht mehr möglich
gewesen.
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Die sonstigen Einwände der Beklagten rechtfertigen keine vom landgerichtlichen Urteil
abweichende Entscheidung.
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Die Klägerin hat durch Vorlage der Versicherungspolice nachgewiesen, dass sie
Transportversicherer der P-GmbH ist. Der Einwand, sie sei nicht alleiniger
Transportversicherer, ist unsubstantiiert, denn hierbei handelt es sich um eine
Negativtatsache, nämlich um die Behauptung, es gäbe keine Mitversicherer. Sofern die
Beklagte diese Behauptung substantiiert bestreiten will, muss sie demgemäß konkret
dartun, wer ihrer Auffassung nach noch Mitversicherer ist. Denn nur wenn ein
dahingehender Sachvortrag der Beklagten erfolgt, kann die Klägerin diese Behauptung
widerlegen.
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Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass und warum es sich bei dem
Transportauftrag zumindest um eine Fixkostenspedition gehandelt hat. Die Beklagte
bestreitet auch nicht, dass die in Rechnung gestellten Preise bei Auftragserteilung fest
vereinbart worden sind.
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Der Schadensumfang und die Schadenshöhe sind durch das Havariegutachten
nachgewiesen.
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Richtig ist zwar, dass die Besichtigung des Sachverständigen erst am 26. November
2007 stattgefunden hat. Die Beklagte übersieht jedoch, dass die P-GmbH unmittelbar
nach Eintreffen der Maschine den Schaden fotografiert und sie diese Fotos dem
Sachverständigen vorgelegt hat. Da der Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt,
dass das Schadensbild auf den Fotos dem Schadensbild entspricht, das er am 26.
November 2007vorgefunden hat, steht somit fest, dass der Schaden zwischen dem 7.
November und dem 26. November 2007 nicht größer geworden ist.
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Den Austausch der beschädigten Teile hat der Sachverständige für erforderlich erachtet
und die Kosten der Ersatzteile (4.309,68 €) sind nicht zu beanstanden. Den
Arbeitsaufwand für die Reparatur (45 Stunden) hat er ebenfalls für erforderlich gehalten.
Dem Vorbringen der Klägerin, dass ein Stundenlohn für derartige Arbeiten in Höhe von
45,- € ortsüblich und angemessen ist, ist die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert
entgegen getreten, so dass auch der Ansatz der Höhe des Stundenlohns als zutreffend
anzusehen ist, um die tatsächlichen Kosten einer fachgerechten Instandsetzung zu
ermitteln.
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Gemäß § 429 Abs. 2 HGB wird vermutet, dass die zur Schadensbehebung
erforderlichen Kosten der Wertminderung entsprechen, die am Transportgut infolge der
Beschädigung eingetreten ist.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
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Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wird zugelassen, weil die
Voraussetzungen des § 543 ZPO gegeben sind.
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Die Frage, ob die Besonderheiten der Messespedition es rechtfertigen, von einer
Übernahme des Transportguts bereits mit dem Beginn der speditionellen Leistung auf
dem Messegelände auszugehen, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Diese Frage ist
jedoch von grundsätzlicher Bedeutung. Weil es häufig vorkommt, dass das Transportgut
nach dem Messeende noch einige Zeit auf dem Messegelände verbleibt, ist es sowohl
für die Messespediteure als auch die Aussteller von großer Bedeutung, wer das Risiko
trägt, wenn es noch auf dem Messegelände zu einer Beschädigung oder einem Verlust
des Transportguts kommt.
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Ebenfalls bislang ungeklärt und von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, zu
welchem Zeitpunkt die Recherchepflicht des Frachtführers beginnt, wenn Anhaltspunkte
vorliegen, die darauf hindeuten, dass eine Beschädigung des Frachtguts leichtfertig
herbeigeführt worden ist.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: - bis 8.000,- €.
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