Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.06.2010

OLG Düsseldorf (kläger, spanien, deutschland, räumung, zpo, haftung, angemessenheit, zahlung, familie, streitgenosse)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 194/09
Datum:
07.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 194/09
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 1 O 95/09
Tenor:
Die Berufung der Beklagten zu 2. gegen das am 17. September 2009
verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landge-
richts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 2.
G r ü n d e
1
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2. hat keinen Erfolg.
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A.
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Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 15. April 2010. Der
Senat hat dort im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
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I.
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Den Klägern stehen gegen die Beklagte zu 2. die in der Höhe nicht angegriffenen
Gebührenansprüche aus dem Anwaltsdienstvertrag gemäß §§ 675, 611 BGB zu.
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1.
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Offen bleiben kann, ob die Beklagte zu 2. die Kläger ausdrücklich beauftragt hat. Auch
die bloße Parteistellung begründet für sich genommen noch keinen Zahlungsanspruch;
denn bei Streitgenossenschaft ist nicht jeder Streitgenosse notwendig auch
Auftraggeber (vgl. OLG Köln AnwBl 1978, 65; KG ZMR 2006, 207 m.w.N.). Offen bleiben
kann auch, ob die Beklagte zu 2. das Handeln des Beklagten zu 1. durch ihr späteres
Verhalten genehmigt hat.
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2.
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Die Haftung der Beklagten zu 2. folgt nämlich aus der Anwendung des § 1357 Abs. 1
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BGB. Die Beauftragung der Kläger durch den Beklagten zu 1. stellte ein Geschäft zur
angemessenen Deckung des Lebensbedarfs für die Familie dar, weshalb die Beklagte
zu 2. für die dadurch entstandenen Kosten in gesamtschuldnerischer Haftung mit ihrem
Ehemann, dem Beklagten zu 1., einzustehen hat.
Die Beauftragung durch den Beklagten zu 1. steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Es spricht auch einiges dafür, dass das Handeln des Beklagten zu 1., die Kläger mit der
Vertretung in den Verfahren vor dem Amtsgericht Bergisch-Gladbach (Az. 62 C 240/05
und Az. 31 M 2775/06) und vor dem Landgericht Köln (Az. 9 T 133/06) zu beauftragen,
nach den Umständen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB) auch namens der Beklagten zu 2. erfolgt
ist. Nach einer Entscheidung des Kammergerichts (a.a.O.) darf bei der Beauftragung mit
der Vertretung von Streitgenossen ein Rechtsanwalt ohne Vorliegen besonderer
Umstände und Abreden gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich davon ausgehen, dass
eine Auftragserteilung durch alle Genossen erfolgt. Denn dies entspräche für den
Regelfall den Interessen aller Beteiligten, weil der Rechtsanwalt zwei Schuldner erhalte,
der handelnde Streitgenosse das Risiko seiner (alleinigen) Inanspruchnahme verringere
und der andere Streitgenosse wiederum eigene Ansprüche und Rechte gegenüber dem
Rechtsanwalt erhalte. Würde man diese Grundsätze auch im zu entscheidenden Fall
anwenden, folgte schon daraus eine Haftung der Beklagten zu 2.. Denn es ist weder
ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagte zu 1. den Auftrag ausdrücklich nur im
eigenen Namen erteilt hat. Vielmehr hat er den Klägern sämtliche an die Beklagte zu 2.
zugestellten Unterlagen zur Kenntnisnahme und Bearbeitung übergeben, was
wesentlich dafür spricht, dass die Kläger davon ausgehen durften, er sei hierzu
berechtigt und bevollmächtigt, auch im Namen der Beklagten zu 2. zu handeln. Dies
bedarf letztlich jedoch keiner Entscheidung, denn die Haftung der Beklagten zu 2. folgt
bereits aus der Anwendung der Grundsätze des Geschäfts zur angemessenen Deckung
des Lebensbedarfs gemäß § 1357 Abs. 1 BGB.
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a.
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Bei Beurteilung des Lebensbedarfs einer Familie ist nicht allein funktional auf die
Haushaltsführung und damit nur auf die Bedarfsgeschäfte des täglichen Lebens
abzustellen. Vielmehr ist der Begriff umfassend danach auszulegen, was
unterhaltsrechtlich gemäß den §§ 1360, 1360 a BGB zum Lebensbedarf der Familie zu
rechnen ist (BGHZ 94, 1 ff.; BGH NJW 2004, 1593 ff.; KG a.a.O.; MünchKomm/Wacke,
BGB, 5. Auflage 2010, § 1357 Rn. 19). Hierzu kann grundsätzlich auch die
Beauftragung eines Rechtsanwalts zählen (Staudinger/Voppel, BGB, Neubearbeitung
2007, § 1357 Rn. 46).
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So liegt der Fall auch hier. Die Beauftragung der Kläger diente der Abwehr einer Klage
auf Räumung, Zahlung rückständiger Mietzinsen und Nutzungsentschädigung. Sie
betraf das Familienheim und diente damit der Sicherung der Ehewohnung und der
Abwehr einer erheblichen Forderung (KG a.a.O.). Unter Geschäfte im Sinne des § 1357
BGB fallen grundsätzlich alle rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen, die der
Aufrechterhaltung des ehelichen und familiären Haushaltes dienen (Staudinger/Voppel,
a.a.O., Rn. 44; MünchKomm/Wacke, a.a.O., Rn. 18; Palandt/Brudermüller, BGB, 68.
Auflage, § 1357 Rn. 12).
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Dem steht nicht entgegen, dass die Anmietung und Aufgabe einer Wohnung als
"Grundlagengeschäft" nach überwiegender Meinung nicht von § 1357 BGB umfasst sein
soll (OLG Brandenburg NJW-RR 2007, 221 f.: Staudinger/Voppel, a.a.O., Rn. 46;
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Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rn. 14). Denn hier geht es nicht um grundlegende,
kostenintensive Veränderungen, wie beispielsweise den Abschluss eines Bauvertrages
über ein Haus im Wert von fast DM 700.000,-- (= EUR 357.904,32; so in BGH NJW-RR
1989, 85 f.). Vielmehr geht es um die Erhaltung des geschaffenen Heims (vgl. KG
a.a.O.). Zu dessen Sicherung geschlossene Verträge fallen unter den
Anwendungsbereich des § 1357 BGB (so OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1084 für die
Beseitigung von Wasserschäden an der Ehewohnung mit Kosten von ca. DM 20.000,--
= EUR 10.225,84; OLG Düsseldorf BauR 2001, 956 für die Reparatur zur Beseitigung
von Brandschäden im Wert von DM 18.000,-- = EUR 9.203,25).
Nicht ersichtlich ist, dass der Umfang der Verbindlichkeit den Rahmen des nach §§
1360, 1360 a BGB Geschuldeten und damit zugleich denjenigen der Mitverpflichtung
nach § 1357 BGB sprengt. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch den Beklagten
zu 1. war nicht nur sachgerecht, sondern das damit verbundene Kostenrisiko auch
überschaubar. Der Betrag war nicht ungewöhnlich hoch, er beträgt EUR 5.479,38. Hier
ist zudem davon auszugehen, dass der Lebenszuschnitt der Beklagten zu 2., die neben
einem Wohnsitz in Deutschland auch einen in Spanien unterhält und sich dort nach
ihren eigenen Angaben einen guten Teil des Jahres aufhält bzw. seinerzeit aufgehalten
hat, eine Verpflichtung in diesem Umfang erlaubte.
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b.
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Auch das Merkmal der "Angemessenheit" ist erfüllt. Es ist nicht notwendig, dass der
abgeschlossene Vertrag ein "Geschäft des täglichen Lebens" darstellen muss, denn für
eine derartige Restriktion bestehen keine Anhaltspunkte (BGH NJW 1985, 1394
ff.m.w.N.). Das Erfordernis der "Angemessenheit" dient dem Ausschluss von Geschäften
größeren Umfangs, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden können. Hierbei
handelte es sich bei der Beauftragung der Kläger indes nicht, zumal diese auch nicht
beliebig zurückgestellt werden konnte, da gerichtliche Fristen einzuhalten waren.
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Im zu entscheidenden Fall spricht zudem vieles dafür, dass die Angemessenheit der
Bedarfsdeckung durch das Alleingeschäft des Beklagten zu 1. über das Übliche hinaus
erweitert war, denn die individuellen Verhältnisse der Eheleute deuten darauf hin (vgl.
hierzu BGHZ 94, 1 ff.). Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Eheleute zwei
Wohnsitze, nämlich einen in Deutschland und einen in Spanien leisten konnten. Geht
man weiter davon aus, dass sich die Beklagte zu 2. im fraglichen Zeitraum nach ihrem
eigenen Vorbringen für mehrere Monate in Spanien aufgehalten hat, muss den von ihr
vorgetragenen Umständen entnommen werden, dass sich der Beklagte zu 1. umfänglich
um die Belange der Eheleute in Deutschland kümmern sollte. Abgesehen davon, dass
er offensichtlich befugt war, die an die Beklagte zu 2. gerichtete Post der Gerichte zu
öffnen, spricht auch die mehrmonatige Abwesenheit der Beklagten zu 2. dafür, dass
zwischen den Eheleuten entsprechende Absprachen oder jedenfalls eine
stillschweigende und einvernehmliche Handhabung bestand. Dies gilt umso mehr, als
die Beklagte zu 2. grundsätzlich mit Rechtsnachteilen zu rechnen hatte, wenn sie bei
einer längeren Ortsabwesenheit keine Vorsorge traf, dass wichtige Erklärungen sie
erreichen (vgl. insoweit auch Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 130 Rn. 5 ff. mit zahlreichen
Nachweisen).
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c.
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Im Hinblick auf die obigen Darlegungen ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus den
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Umständen etwas anderes ergab.
d.
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Soweit die Beklagte zu 2. einwendet, sie habe einen "separaten" Mietvertrag
abgeschlossen und sei von der Angelegenheit nicht betroffen gewesen, ist dies nicht
nachvollziehbar. Auch sie war auf Zahlung und Räumung in Anspruch genommen
worden. Ausweislich des von der Zwangsverwalterin im Verfahren vor dem Amtsgericht
Bergisch-Gladbach vorgelegten Mietvertrags vom 20. Dezember 2003 waren beide
Beklagten die Parteien des Mietvertrages. Zwar ist der Vertrag auf Mieterseite nur von
einer Person, möglicherweise dem Beklagten zu 1., unterschrieben worden. Dies führt
jedoch nicht zur Nichtigkeit des Vertrages, sondern allenfalls zu einem Formverstoß (§
550 BGB), und ändert an der grundsätzlichen Verpflichtung der Beklagten zu 2. daraus
nichts (vgl. Senat ZMR 2000, 210).
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Entsprechendes gilt für ihre Ausführungen dazu, es hätten getrennte Mietkonten
existiert. Die vorgelegten Unterlagen beziehen sich darüber hinaus auf Zeiträume, die
vor dem Abschluss des Mietvertrages vom 20. Dezember 2003 lagen und geben schon
deshalb zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass.
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B.
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Das Vorbringen der Beklagten zu 2. im Schriftsatz vom 28. Mai 2010 rechtfertigt keine
abweichende Beurteilung. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung durften die
Kläger davon ausgehen, dass sie der Beklagte zu 1. mit der Regelung der
Angelegenheiten, zu der auch die Beauftragung der Kläger zur Abwehr der auch gegen
die Beklagte zu 2. gerichteten Zahlungs- und Räumungsansprüche gehörte, beauftragt
hatte. Es ist von der Beklagten zu 2. nicht bestritten worden, dass der Beklagte zu 1. ihre
Gerichtspost öffnete und den Klägern zur Bearbeitung übergeben hat. Dies sowie die
den Klägern bekannten Umstände, dass nämlich die Beklagten Eheleute waren und die
Beklagte zu 2. sich mehrere Monate im Ausland aufhielt und deshalb Vorsorge zur
Abwendung von Rechtsnachteilen zu treffen hatte, konnten sie nur so verstehen, dass
sie auch im Namen der Beklagten zu 2. mandatiert worden waren. Soweit die Beklagte
zu 2. darauf verweist, sie habe sich um ihre Angelegenheiten stets selbst gekümmert
und so beispielsweise die Kläger einen Ehevertrag ausarbeiten lassen, folgt daraus
nichts Anderes. Denn mit dem Ehevertrag sollten im Zweifel nur die höchstpersönlichen
Interessen der Beklagten zu 2. gewahrt werden und zwar gerade gegenüber dem
Beklagten zu 1., während die Inanspruchnahme auf Räumung und Zahlung im
Zusammenhang mit der gemeinsamen Ehewohnung ersichtlich eine gemeinsame
Angelegenheit der Eheleute darstellte.
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Soweit die Beklagte zu 2. behauptet, sie habe "ihren angemieteten Hausteil" nach
Aufforderung geräumt, ist dieses nicht substantiiert. Das Vorbringen lässt nicht
erkennen, wann die Räumung erfolgt sein soll. Das Amtsgericht Bergisch Gladbach hat
auch die Beklagte zu 2. im Urteil vom 30. September 2005 zur Herausgabe des
Mietgegenstandes verurteilt. Die Berufung beider Beklagten gegen dieses Urteil wurde
vom Landgericht Köln mit Beschluss vom 31. März 2006 zurückgewiesen. Auch der
Räumungsschutzantrag (§ 765 a ZPO) der Beklagten zu 1. und 2. vom 26. September
2006 wurde vom Amtsgericht Bergisch-Gladbach zurückgewiesen.
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Nicht ersichtlich ist, dass die Beklagten keine eheliche Lebensgemeinschaft (mehr)
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hatten. Dass die Beklagte zu 2. einen Teil des Jahres in Spanien aufhältig war, während
der Beklagte zu 1. in Deutschland weilte, steht dem nicht entgegen, sondern beruhte
offensichtlich auf einer im gegenseitigen Einvernehmen getroffenen Vereinbarung zur
Lebensgestaltung.
Die Mitverpflichtung der Beklagten zu 2. in Höhe von EUR 5.479,38 sprengt nicht den
Rahmen des § 1357 BGB i.V.m. §§ 1360, 1360 a BGB. Auch wenn die Beklagte zu 2. in
Spanien keine eigene Immobilie bewohnte, sondern sich bei Freunden aufhielt, lässt
schon der mit der erforderlichen Reisetätigkeit verbundene finanzielle Aufwand und der
Umstand, dass auch in Deutschland ein Familienheim vorhanden war und unterhalten
wurde, hinreichende Rückschlüsse auf den Lebenszuschnitt der Eheleute zu.
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C.
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Da auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2 und 3 ZPO vorliegen, war
die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es im
Hinblick auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht.
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Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 5.479,38.
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