Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.09.2006

OLG Düsseldorf: geschäftsführer, sonderrecht, zweiseitiges rechtsgeschäft, geschäftsführung, amt, gesellschafterversammlung, satzung, abberufung, gesellschaftsvertrag, verzicht

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 77/06
Datum:
26.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 77/06
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 36 T 17/05
Tenor:
Die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2 und der Beteiligten zu 3
ge-gen den Beschluss der 6. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2006 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben als Gesamtschuldner die
außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 1 zu tragen.
Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren der weiteren
Beschwerde: 25.000 €.
I.
1
Die Beteiligten streiten um den Antrag des Beteiligten zu 1 auf (Wieder-)Eintragung als
(Mit-)Geschäftsführer der Beteiligten zu 3, deren alleinige Gesellschafter die Beteiligten
zu 1 und 2 sind.
2
Gem. § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages / der Satzung vom 25. Februar 1998 (SBd.
Bl. 111) sind die Beteiligten zu 1 und 2 "Geschäftsführer kraft Sonderrechts". Eine
Abberufung kann danach nur aus wichtigem Grund erfolgen.
3
In der Gesellschafterversammlung vom 12. Mai 2004 (GA 62a/201) beschloss der
Beteiligte zu 2 – trotz Widerspruchs des Beteiligten zu 1 – dessen Abberufung als
Geschäftsführer aus wichtigem Grund.
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Am 2. Juni 2004 beantragte der Beteilige zu 2 im Wege einer einstweiligen Verfügung –
35 O 85/04 LG Düsseldorf, dem Beteiligten zu 1 die Geschäftsführung einstweilen zu
untersagen.
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Gleichzeitig erhob er Klage in der Hauptsache (Wirksamkeit der Abberufung aus
wichtigem Grund).
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2004 (GA 70) erklärte der Beteiligte zu 1, sein Amt als
Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung niederzulegen. Das wurde auf Antrag des
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Beteiligten zu 2 vom 8. Juli 2004 (SBd. Bl. 216) am 16. Juli 2004 im Handelsregister
eingetragen.
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 erging im einstweiligen Verfügungsverfahren am
29. Juni 2004 ein Versäumnisurteil, das die Erledigung des Verfügungsantrages
feststellte (BA 66). Die Klage zur Hauptsache nahm der Beteiligte zu 2 zurück.
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Mit notarieller Urkunde vom 25. Februar 2005 (SBd. Bl. 219) bestellte sich der Beteiligte
zu 1 kraft Sonderrecht unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages
zum weiteren Geschäftsführer der Beteiligten zu 3 und beantragte am 1. März 2005 (GA
75) die Eintragung.
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Das Amtsgericht – Rechtspfleger – teilte am 4. März 2005 (GA 77) und am 22. April
2005 (GA 100), es könne dem Antrag nicht entsprechen, weil der Beteiligte zu 1 sein
Sonderrecht aufgegeben habe und eine Wiederbestellung nur unter Beteiligung des
Mitgesellschafters bzw. auf einer Gesellschafterversammlung erfolgen könne.
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Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und die
es dem Landgericht vorgelegt hat (GA 112a), hat das Landgericht die
Zwischenverfügung aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, von seinen dort
geäußerten Bedenken gegen die Eintragung Abstand zu nehmen.
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Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 2 und zu 3 mit ihren weiteren
Beschwerden. Sie bitten,
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den angefochtenen Beschluss zu ändern und die Beschwerde des Beteiligten zu
1 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts zurückzuweisen.
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Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag.
14
II.
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Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den landgerichtlichen
Beschluss sind zulässig, sie haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
16
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 20. Februar 2006
ist statthaft und auch sonst zulässig, §§ 27, 29 FGG.
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Die Beteiligten zu 2 und 3 sind beschwerdeberechtigt, §§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG.
18
Nach diesen Vorschriften steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die
Entscheidung des Beschwerdegerichtes beeinträchtigt ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler
FGG, § 27, 10).
19
Das Recht der Beteiligten zu 3, der Gesellschaft, ist durch die Frage, wer deren
Geschäftsführer ist, betroffen (vgl. OLG Stuttgart NZG 2004, 472 = OLGR 2004, 277,
wonach die Gesellschaft ein Interesse daran hat, die Geschäftführerstellung feststellen
zu lassen).
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Auch die Rechte des Beteiligten zu 2 sind durch die angefochtene Entscheidung des
Beschwerdegerichtes grundsätzlich berührt. Es kann dahinstehen, ob dies schon
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deshalb gilt, weil der Beteiligte zu 2 selbst (Mit-)Geschäftsführer der Beteiligten zu 3 ist,
denn er ist zugleich deren Gesellschafter und in dieser Eigenschaft durch die
angefochtene Entscheidung betroffen. Die Frage, mit welchen Personen das
Geschäftsführungsorgan besetzt ist, kann für die Rechtsbeziehungen, die zwischen den
Gesellschaftern einer GmbH bestehen, in mannigfacher Weise eine Rolle spielen. Die
Frage muss deshalb auch zwischen den Gesellschaftern geklärt werden können (vgl.
BGH NJW 1993, 1198; OLG Stuttgart a.a.O.).
Dem steht entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1 nicht entgegen, dass die
Eintragung des Geschäftführers einer GmbH grundsätzlich nur deklaratorisch wirkt
(Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 39, 5; Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl., § 39,
24). Denn auch insoweit gilt der Gutglaubensschutz des § 15 Abs. 3 HGB
(Roth/Altmeppen a.a.O.; Baumbach/Hueck a.a.O.).
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Die Frage, ob und wer bei der Ablehnung der Eintragung einer Satzungsänderung mit
konstitutiver Wirkung beschwerdeberechtigt ist (BGHZ 105, 324; BGH NJW 1992, 1824),
ist insofern entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1 ohne Belang.
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Ebenso wenig kann der Beteiligte zu 1 sich darauf berufen, aus der Entscheidung des
BayObLG (NZG 2000, 141 = NJW-RR 2000, 414) ergebe sich, dass bei Ablehnung der
Eintragung eines Geschäftsführers nur die Gesellschaft und der anmeldende
Geschäftsführer beschwerdeberechtigt seien. Denn zum einen betrifft die genannte
Entscheidung nur die Frage, ob der Anmeldende beschwerdeberechtigt ist und seine
Eintragung mit Rechtsmitteln weiterverfolgen kann. Zum anderen geht es in der hier
anstehenden Rechtsbeschwerde nicht um die Ablehnung der Eintragung des
Beteiligten zu 1 als Geschäftsführer, sondern gerade darum dass nach Auffassung des
Beschwerdegerichtes diese Eintragung vorzunehmen ist.
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Die Beteiligte zu 3 ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde auch ordnungsgemäß durch
ihren gesetzlichen Vertreter vertreten. Die GmbH wird gem. § 35 Abs. 1 GmbHG durch
ihren Geschäftsführer vertreten. Als solcher hat hier der Beteiligte zu 2 gehandelt. Dazu
ist er befugt, unabhängig davon, ob auch der Beteiligte zu 1 Geschäftsführer der
Beteiligten zu 3 ist, denn satzungsgemäß sind die Beteiligten zu 1 und zu 2 als
Geschäftsführer jeweils einzel-vertretungsbefugt, § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages.
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In der Sache ist die weitere Beschwerde ohne Erfolg, denn die angefochtene
Entscheidung des Beschwerdegerichtes beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts,
§ 27 FGG.
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Ob und ggf. in welchem Umfang das Registergericht über die Fragen der
Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung und darüber, ob die vorgelegten Urkunden die
beantragte Eintragung rechtfertigen, hinaus auch ein materielles Prüfungsrecht hat, ist
streitig (vgl. Roth/Altmeppen a.a.O., § 39, 13 ff.; Baumbach/Hueck a.a.O., § 39, 18 ff.).
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Bejaht wird die Prüfungskompetenz, ob die Gesellschafterbeschlüsse formell
ordnungsgemäß getroffen wurden; tatsächliche Angaben, die nicht bewiesen oder
unstreitig, aber für die materielle Rechtslage erheblich sind, soll das Gericht nicht nur
auf Grund einseitiger Behauptung des Antragstellers zugrunde legen dürfen (vgl.
Roth/Altmeppen a.a.O.). Andererseits wird geltend gemacht, dass nur evidente
Nichtigkeit oder Unwirksamkeit zur Versagung der Eintragung zwingen könne
(Baumbach/Hueck a.a.O.).
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Die Frage nach dem Umfang des Prüfungsrechtes bedarf indes in der vorliegenden
Sache keiner Entscheidung.
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Selbst wenn man ein weitgehendes materielles Prüfungsrecht bejahen und daher ein
Recht des Registergerichtes annehmen würde, zu prüfen, ob der Beteiligte zu 1 sein
ihm satzungsgemäß (§ 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages) eingeräumtes
Sonderrecht endgültig aufgegeben hat, würde dies nicht zu einem Erfolg der weiteren
Beschwerden in der Sache führen können.
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Denn das Landgericht ist – nach Auslegung des Schreibens des Beteiligten zu 1 vom
24. Juni 2004 (GA 70) – zu dem Ergebnis gekommen, dass die dort erklärte
Niederlegung des Amtes als Geschäftsführer das Sonderrecht des Beteiligten zu 1 als
Gesellschafter zur Geschäftsführung aus § 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages
(Sdbd. Bl. 115) nicht mit erfasst hat.
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Diese Auslegung der Willenserklärung des Beteiligten zu 1 durch das
Beschwerdegericht ist für den Senat bindend, solange sie nach den Denkgesetzen und
der feststehenden Erfahrung möglich – nicht zwingend – ist, mit den gesetzlichen
Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht
widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (Keidel a.a.O., § 27, 48).
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Die weiteren Beschwerden zeigen keine Verletzungen dieser Grundsätze auf, sondern
wollen – unzulässigerweise – ihrer Auslegung anstelle der Auslegung des
Beschwerdegerichtes den Vorzug geben.
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Auch sie gehen davon aus, dass der Beteiligte zu 1 die Geschäftsführung niedergelegt
hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen er befugt gewesen wäre, darüber hinaus
auf das durch die Satzung vorgesehene Sonderrecht zu verzichten, kann dahinstehen.
Denn das Beschwerdegericht hat nicht die Auffassung vertreten, dass ein Verzicht nicht
möglich sei. Es ist lediglich im Rahmen der von ihm vorzunehmenden und fehlerfrei
vorgenommenen Auslegung – anders als die Beteiligten zu 2 und 3 – zu dem –
jedenfalls möglichen – Ergebnis gekommen, dass der Beteiligte zu 1 einen solchen
Verzicht nicht erklärt habe.
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Dagegen ist nichts zu erinnern.
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Vielmehr spricht für die Richtigkeit der Auslegung des Landgerichtes, dass nach
allgemeiner Meinung bei der Zuerkennung des (Sonder-) Rechtes zur Geschäftsführung
zwar der geschäftsführende Gesellschafter aus wichtigem Grund von seinem Amt als
Geschäftsführer abberufen werden darf, das Sonderrecht aber auch dann grundsätzlich
ausübbar bleibt (Roth/Altmeppen a.a.O., § 6, 33 m.N.).
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Mithin ist davon auszugehen, dass die Niederlegung des Amtes als Geschäftsführer
zwar die mit diesem Amt verbundene organschaftliche Stellung beendet hat, dass aber
das satzungsgemäß eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung bestehen
geblieben ist.
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Zu Unrecht hat das Registergericht sich auf den Standpunkt gestellt, die
"Geschäftsführerposition" könne nicht durch einseitige Erklärung des
sonderberechtigten Gesellschafters wieder aufleben. Gleichermaßen unzutreffend ist
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die Ansicht der Rechtsbeschwerden, zu einer erneuten Bestellung des Beteiligten zu 1
als Geschäftsführer bedürfe es eines Gesellschafterbeschlusses, es bestehe zwar ein
Anspruch auf (Wieder-)Bestellung als Geschäftsführer, der Gesellschafter sei jedoch
nicht berechtigt, sich durch eigene Erklärung wieder zum Geschäftsführer zu bestellen.
Durch die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH wird in einem körperschaftlichen
Akt ein Organverhältnis begründet (Roth/Altmeppen, a.a.O., § 6, 18 m.N.). Die
Bestellung ist, wie bei der Prokura, dem Geschäftsführer gegenüber rechtsgeschäftlich
zu erklären, wobei allerdings hier wegen der aus der Bestellung resultierenden Pflichten
ein zweiseitiges Rechtsgeschäft angenommen wird (dieselben, a.a.O., und § 46, 24).
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Richtig ist, dass die Zuständigkeit für die Bestellung des Geschäftsführers grundsätzlich
bei der Gesellschafterversammlung liegt. Die gesetzliche Grundsatzregelung ist
insoweit die Bestellung durch Beschluss der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit, § 47
Abs. 1 GmbHG (dies., a.a.O., § 6, 28).
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Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen vorsehen, § 6 Abs.
3 Satz 2 GmbHG; insbesondere kann die Bestellung des Geschäftsführers auch in den
Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden, was vor allem bei der erstmaligen
Bestellung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags praktisch
bedeutsam, aber auch bei einer späteren Satzungsänderung möglich ist (dies., a.a.O., §
6, 27 + 29).
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Ein – gesonderter – Beschluss der Gesellschafter über die Bestellung eines
Geschäftsführers ist dann nicht mehr erforderlich.
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So liegen die Dinge hier.
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In der nach wie vor wirksamen Regelung der Satzung (§ 5 Abs. 2 Gesellschaftsvertrag)
über das Sonderrecht des Beteiligten zu 1 als Gesellschafter zur Geschäftsführung liegt
zugleich die für eine Bestellung als Geschäftsführer erforderliche rechtsgeschäftliche
Erklärung der Gesellschaft gegenüber dem Beteiligten zu 1. Diese Erklärung hat der
Beteiligte zu 1 angenommen, indem er sich mit Urkunde vom 25. Februar 2005 unter
Berufung auf dieses Sonderrecht und unter Bezugnahme auf die Regelung in § 5 abs. 2
des Gesellschaftsvertrages zum weiteren Geschäftsführer der Beteiligten zu 3 "bestellt"
hat.
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Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu
1 beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Gerichtskosten haben die Beteiligten zu 2
und 3 kraft Gesetzes zu tragen.
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