Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.11.2001

OLG Düsseldorf: treu und glauben, reiseveranstalter, recht der europäischen union, unverzüglich, allgemeine geschäftsbedingungen, schutzwürdiges interesse, vertragsschluss, gestaltungsspielraum

Oberlandesgericht Düsseldorf, 6 U 29/01
Datum:
22.11.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 29/01
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 12 O 176/00
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. November 2000
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
geändert. Der Beklagten wird untersagt, in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Be-zug auf Reiseverträge die folgende oder
dieser inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden, soweit der Vertrag nicht
mit einem Unternehmer geschlossen wird: "Der Veranstalter ist
berechtigt, den Reisepreis nach Abschluß des Rei-severtrages zu
erhöhen, wenn damit einer Erhöhung der Beförderungskosten oder
Abgaben für bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Flughafengebühren
oder einer Änderung der für die betreffende Reise geltenden
Wechselkurse Rechnung getragen wird und wenn zwischen
Vertragsschluß und dem vereinbarten Reiseantritt mehr als 4 Monate
liegen. Sollte dies der Fall sein, wird der Kunde unverzüglich,
spätestens jedoch 21 Tage vor Reiseantritt davon in Kenntnis gesetzt.
Preiserhöhungen danach sind nicht zulässig. Die Erhöhung des
Reisepreises darf höchstens dem Anstieg des Kostenfaktors
entsprechen, der die Erhöhung des Reisepreises begründet." Der
Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot
ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise gegen ihren Ge-
schäftsführer zu vollstreckende Ordnungshaft, oder gegen ihren
Geschäftsführer zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
angedroht. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hö-he von 50.000,00
DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstre-ckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft
einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder
Sparkasse erbracht werden. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es
gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.
Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 22 a AGBG eingetragen. Die
Beklagte ist als Reiseveranstalterin tätig und tritt u. a. unter der Marke "T." auf. In diesem
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Rahmen verwendet sie regelmäßig "Allgemeine Reisebedingungen" (im Folgenden:
ARB), die die folgenden Bestimmungen enthalten:
"5. Leistungs- und Preisänderungen/Mindestteilnehmerzahl
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...
4
- Der Veranstalter ist berechtigt, den Reisepreis nach Abschluß des Reisevertrages zu
erhöhen, wenn damit einer Erhöhung der Beförderungskosten oder Abgaben für
bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung der
für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird und wenn
zwischen Vertragsschluß und dem vereinbarten Reiseantritt mehr als 4 Monate liegen.
Sollte dies der Fall sein, wird der Kunde unverzüglich, spätestens jedoch 21 Tage vor
Reiseantritt davon in Kenntnis gesetzt. Preiserhöhungen danach sind nicht zulässig.
Die Erhöhung des Reisepreises darf höchstens dem Anstieg des Kostenfaktors
entsprechen, der die Erhöhung des Reisepreises begründet.
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Bei einer zulässigen Preiserhöhung von über 5 % des Reisepreises oder einer
zulässigen erheblichen Änderung kann der Kunde ohne Kosten vom Vertrag
zurücktreten oder statt dessen die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen
anderen Reise verlangen, wenn der Veranstalter in der Lage ist, eine solche Reise
ohne Mehrpreis für den Kunden aus dem Angebot der Veranstaltermarke T.-Reisen zur
Verfügung zu stellen. Der Kunde hat den Rücktritt oder das Verlangen nach einer
Ersatzreise unverzüglich nach Kenntnis der Änderungserklärung dem Veranstalter
gegenüber geltend zu machen. Letzteres gilt auch für den Fall der zulässigen Absage
der Reise durch den Veranstalter."
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Der Kläger wendet sich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang mit der
Unterlassungsklage nach § 13 AGBG gegen diese Klausel. Er hat geltend gemacht, die
Bestimmung sei gemäß §§ 10 Nr. 4, 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, weil sie keine der
Möglichkeit einer Preiserhöhung entsprechende Verpflichtung zur Preissenkung
enthalte, wenn die bezeichneten Kosten des Reiseveranstalters sich ermäßigten. Die
Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 1990 über
Pauschalreisen - 90/314/EWG - (ABl. EG Nr. L 158 vom 23. Juni 1990, S. 59 ff.; im
Folgenden: Pauschalreiserichtlinie) sehe eine solche Verknüpfung vor und sei vom
Bundesgesetzgeber in § 651 a Abs. 3 und 4 BGB insoweit nicht vollständig umgesetzt
worden. § 651 a Abs. 3 BGB sei deshalb richtlinienkonform auszulegen und könne ein
einseitiges Preiserhöhungsrecht nicht rechtfertigen. Die beanstandete Regelung sei
zudem mit wesentlichen Grundgedanken der §§ 651 a Abs. 3 und 4, 651 m BGB nicht
vereinbar und damit gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, weil sie den Eindruck
erwecke, ein Preiserhöhungsverlangen bis zum 21. Tag vor Reiseantritt wahre in jedem
Fall das Gebot der "unverzüg-lichen" Mitteilung. Die erforderliche Verknüpfung mit dem
Zeitpunkt der Kenntnis von den Kostensteigerungen fehle. Ferner benachteilige die
Bestimmung den Kunden unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGBG) und weiche von
wesentlichen Grundgedanken des § 651 a Abs. 3 BGB ab (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG), weil
sie Preiserhöhungen auch aufgrund solcher Umstände zulasse, die bei Abschluss des
Vertrages vorhersehbar oder sogar bereits entstanden und bekannt gewesen seien.
Damit werde das Kalkulationsrisiko weitgehend auf den Kunden abgewälzt. Schließlich
verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot, weil sie entgegen § 651 a Abs. 3
BGB keine genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthalte. Zwar
brauche der Reiseveranstalter in diesem Rahmen nicht seine gesamte Kalkulation zu
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offenbaren. Erforderlich sei jedoch eine allgemeine Beschreibung des
Berechnungsweges für die Erhöhung der jeweiligen Kostenpositionen, die den Kunden
in die Lage versetze, das Erhöhungsverlangen zu prüfen und nachzuvollziehen.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 500.000,00
DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu einer Dauer von sechs
Monaten gegen den gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu unterlassen, die folgende
oder dieser inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf Geschäftsverbindungen zu verwenden,
soweit diese nicht mit einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes
abgeschlossen werden:
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"Der Veranstalter ist berechtigt, den Reisepreis nach Abschluß des Reisevertrages zu
erhöhen, wenn damit einer Erhöhung der Beförderungskosten oder Abgaben für
bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung der
für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird und wenn
zwischen Vertragsschluß und dem vereinbarten Reiseantritt mehr als 4 Monate liegen.
Sollte dies der Fall sein, wird der Kunde unverzüglich, spätestens jedoch 21 Tage vor
Reiseantritt davon in Kenntnis gesetzt."
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat eingewandt, die beanstandete Klausel entspreche genau den Vorgaben des §
651 a Abs. 3 und 4 BGB und könne schon deshalb nicht unwirksam sein. Der
Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, die Zulässigkeit von Preiserhöhungen
an eine korrespondierende Preissenkungsverpflichtung für den Fall von
Kostenermäßigungen zu knüpfen, und in den zeitlichen Beschränkungen der §§ 651 a
Abs. 3 BGB, 11 Nr. 1 AGBG, dem Erfordernis der unverzüglichen Geltendmachung des
Erhöhungsverlangens und dem Lösungsrecht des Kunden nach § 651 a Abs. 4 BGB
einen angemessenen Interessenausgleich erblickt. Diese Wertung dürfe nicht über die
Bestimmungen des AGBG unterlaufen werden. Auch der Pauschalreiserichtlinie, die
ohnehin keine unmittelbare Wirkung für die Rechtsbeziehungen zwischen
Privatrechtssubjekten entfalte, sei eine Koppelung von Preiserhöhungen an eine
spiegelbildliche Preissenkungsverpflichtung nicht zu entnehmen, so dass sich der
Bundesgesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gehalten habe und eine
"richtlinienkonforme" Auslegung des § 651 a BGB im Sinne der Argumentation des
Klägers ausscheide. Der Zeitpunkt eines zulässigen Preiserhöhungsverlangens sei
selbst bei kundenfeindlichster Auslegung eindeutig und in Übereinstimmung mit der
gesetzlichen Regelung bezeichnet. Eine Beschränkung auf unvorhersehbare
Kostensteigerungen lasse sich aus § 651 a Abs. 3 BGB nicht herleiten und sei auch
nicht praktikabel. Die Angaben zur Berechnung des neuen Preises ließen erkennen,
wie sich Kostenerhöhungen für den Reisenden auswirkten, und genügten damit den
Anforderungen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat § 651 a Abs. 3 und 4 BGB als
abschließende Regelung für nachträgliche Preiserhöhungen bei Reiseverträgen
betrachtet und deshalb die Anwendbarkeit der §§ 9, 10 Nr. 4 AGBG verneint. Auch die
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Bezugnahme auf § 11 Nr. 1 AGBG in § 651 a Abs. 3 Satz 3 BGB rechtfertige den
Schluss, dass die übrigen Bestimmungen des AGBG nicht heranzuziehen seien.
Jedenfalls sei § 651 a Abs. 3 BGB als Erlaubnisnorm zu werten, die dem
Reiseveranstalter unter den bezeichneten Voraussetzungen eine nachträgliche
Preiserhöhung gestatte und eine solche Regelung von der Inhaltskontrolle nach den
Maßstäben des AGBG freistelle. Die beanstandete Klausel halte sich in diesem
Rahmen. Eine korrespondierende Preissenkungsverpflichtung sei in § 651 a Abs. 3
BGB, der den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie genüge, ebenso wenig vorgesehen
wie eine Beschränkung des Nachforderungsrechtes auf unvorhersehbare
Kostensteigerungen. Bereits feststehende Mehrkosten kämen dagegen als Grundlage
einer nachträglichen Preiserhöhung nicht in Betracht, weil es insoweit am Erfordernis
einer unverzüglichen Unterrichtung des Kunden fehle. Schließlich seien auch die
Bestimmungen zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens bei vernünftiger Auslegung
nicht missverständlich, so dass die Klausel im Ergebnis nicht zu beanstanden sei.
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, die zur Prüfung gestellte Klausel unterliege
der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 ff. AGBG. § 651 a Abs. 3 und 4 BGB enthalte weder
eine abschließende Regelung noch eine Erlaubnisnorm, sondern eröffne dem
Reiseveranstalter einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Fragen, ob und für
welche Kostenarten er sich eine Preiserhöhung vorbehalten wolle und wie diese zu
berechnen sei. Damit erfordere das Gesetz eine inhaltliche Konkretisierung, die nach
den Maßstäben des AGBG zu beurteilen sei. Diese Prüfung führe gemäß §§ 9, 10 Nr. 4
AGBG zur Unwirksamkeit der Formularregelung. Zum einen werde der Kunde durch den
Verzicht auf eine nach der Pauschalreiserichtlinie gebotene korrespondierende
Preissenkungsverpflichtung einseitig und unangemessen benachteiligt. Dem sei durch
eine richtlinienkonforme Anwendung des § 10 Nr. 4 AGBG Rechnung zu tragen. Zum
anderen werde ihm durch die Einbeziehung vorhersehbarer und sogar bereits
eingetretener Kostensteigerungen in die Erhöhungsgründe über den gesetzlich
zulässigen Rahmen hinaus das unternehmerische Risiko des Reiseveranstalters
aufgebürdet, während dieser in den Genuss von Kostensenkungen komme. Weiterhin
verstoße die Klausel bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung gegen § 9
AGBG, weil sie den Eindruck erwecke, ein spätestens 21 Tage vor Reiseantritt
erhobenes Preiserhöhungsverlangen sei unabhängig vom Gebot einer "unverzüglichen"
Mitteilung und deren Berechnung in jedem Fall ausreichend. Schließlich lasse die
Formularregelung konkrete Angaben zur Ermittlung des neuen Preises, insbesondere
zur Höhe des ursprünglichen Beförderungs- bzw. Gebührenanteils, zur Erhöhung dieses
Anteils durch den Leistungsträger, zu den Auswirkungen veränderter Wechselkurse und
zum für die Berechnung maßgeblichen Bezugszeitpunkt vermissen. Hilfsweise stützt der
Kläger seine Klage auf § 22 AGBG, weil die Verwendung der beanstandeten Klausel
ohne Hinweis auf die Verpflichtung zu korrespondierenden Preissenkungen und ohne
Angabe eines genauen Berechnungsmodus gegen die verbraucherschützenden
Bestimmungen des § 651 a Abs. 3 BGB in Verbindung mit der zugrunde liegenden
Pauschalreiserichtlinie verstoße. Ergänzend wiederholt er seinen Vortrag des ersten
Rechtszuges.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des am 29. November 2000 verkündeten Urteils des Landgerichts
Düsseldorf die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von
500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu einer Dauer
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von sechs Monaten gegen den gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu unterlassen,
die folgende oder dieser inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf Geschäftsverbindungen
zu verwenden, soweit diese nicht mit einem Kaufmann im Rahmen seines
Handelsgewerbes abgeschlossen werden:
"Der Veranstalter ist berechtigt, den Reisepreis nach Abschluß des Reisevertrages zu
erhöhen, wenn damit einer Erhöhung der Beförderungskosten oder Abgaben für
bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung der
für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird und wenn
zwischen Vertrags-schluß und dem vereinbarten Reiseantritt mehr als 4 Monate
liegen. Sollte dies der Fall sein, wird der Kunde unverzüglich, spätestens jedoch 21
Tage vor Reiseantritt davon in Kenntnis gesetzt. Preiserhöhungen danach sind nicht
zulässig. Die Erhöhung des Reisepreises darf höchstens dem Anstieg des
Kostenfaktors entsprechen, der die Erhöhung des Reisepreises begründet."
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen und verbleibt dabei, dass §
651 a Abs. 3 und 4 BGB in Verbindung mit § 11 Nr. 1 AGBG eine abschließende
Regelung für nachträgliche Reisepreiserhöhungen enthalte, die eine Inhaltskontrolle der
entsprechenden Klauseln nach §§ 9 ff. AGBG ausschließe. Eine korrespondierende
Preissenkungsbestimmung sei nach der eindeutigen, richtlinienkonformen und allein
maßgeblichen gesetzlichen Regelung nicht erforderlich. Von einer Abwälzung des
unternehmerischen Risikos könne angesichts der Beschränkung möglicher
Preiserhöhungen auf bestimmte Kostensteigerungen keine Rede sein. Schließlich
genüge es, wenn allgemein deutlich werde, wie sich den Reiseveranstalter treffende
Kostensteigerungen auf den Kunden auswirkten. Diesem Erfordernis werde die
beanstandete Klausel gerecht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge
und die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den
nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Kläger ist als qualifizierte
Einrichtung im Sinne der §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 22 a Abs. 1 AGBG berechtigt, gemäß § 13
Abs. 1 AGBG im Wege der Verbandsklage gegen die Verwendung nach §§ 9 bis 11
AGBG unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorzugehen. Da die zur
Überprüfung gestellte Preiserhöhungsklausel die Vertragspartner der Beklagten
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und damit
unwirksam ist (§ 9 Abs. 1 AGBG), ist die Beklagte unter Androhung der nach § 890 Abs.
1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen.
24
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Preiserhöhungsbestimmungen in
Nr. 5 vierter Spiegelstrich ARB an den Maßstäben der §§ 9 bis 11 AGBG zu messen. § 8
AGBG stellt sie nicht von der Inhaltskontrolle frei.
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a) Die Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten lehnen sich in diesem Punkt zwar
erkennbar an § 651 a Abs. 3 und 4 BGB an. Die Regelung erschöpft sich jedoch nicht in
der Wiedergabe des Gesetzes. Dieses eröffnet vielmehr einen gewissen
Gestaltungsrahmen, in dem der Reiseveranstalter darüber entscheiden kann, ob und
wegen welcher der genannten Kostenarten er sich eine Preiserhöhung vorbehalten will,
und den er hinsichtlich der Berechnung des neuen Preises ausfüllen muss. Damit
kommt der beanstandeten Klausel nicht nur deklaratorischer, sondern
gesetzesergänzender Charakter zu, so dass sie nach Wortlaut und Sinn des § 8 AGBG
grundsätzlich an den Bestimmungen der §§ 9 bis 11 AGBG zu messen ist (vgl. BGHZ
100, 157, 179; BGHZ 106, 42, 45; BGH WM 2001, 1152, 1153; Palandt/Heinrichs, 60.
Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 8).
26
b) Eine Überprüfung nach diesen Maßstäben entfällt auch nicht insoweit, als sich die
Klausel in dem durch § 651 a Abs. 3 und 4 BGB gezogenen Rahmen hält. Gesetzliche
Vorschriften, die eine bestimmte Vertragsgestaltung zulassen, sind im Allgemeinen nicht
als ("kontrollfreie") Erlaubnis- oder Rechtfertigungsnormen anzusehen, die
entsprechende Geschäftsbedingungen von der Inhaltskontrolle freistellen (vgl. BGHZ
106, 42, 45; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 34; Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 27; Staudinger/Coester, 13. Aufl., § 8
AGBG Rdnr. 38). Das folgt bereits daraus, dass solche Rechtsnormen gleichermaßen
für Individual- und Formularvereinbarungen gelten und damit regelmäßig das besondere
Schutzbedürfnis des Vertragspartners bei der Verwendung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen nicht berücksichtigen (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 8
AGBG Rdnr. 27). Sie sind deshalb grundsätzlich wertungsneutral, im Rahmen der
Inhaltskontrolle also nicht privilegierend (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, § 8
AGBG Rdnr. 34).
27
§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB kommt kein weiter gehender Erlaubnischarakter zu. Dafür
bedürfte es besonderer Anhaltspunkte (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 8 AGBG
Rdnr. 27), die hier nicht ersichtlich sind. Im Gegenteil eröffnen der bereits erörterte
Entscheidungsspielraum des Reiseveranstalters und insbesondere die erforderliche
Konkretisierung der Berechnung des neuen Preises eine Vielzahl von
Gestaltungsalternativen, die nicht sämtlich abstrakt als angemessen beurteilt werden
können. § 651 a Abs. 3 und 4 BGB zieht insoweit lediglich einen äußersten Rahmen,
der weder durch Individualvereinbarungen noch durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen zum Nachteil des Kunden überschritten werden darf (§ 651 m
BGB). Innerhalb dieses Rahmens sind Formularklauseln der Inhaltskontrolle anhand der
Klauselverbote der §§ 10, 11 AGBG und der Generalklausel des § 9 AGBG unterworfen,
so dass auch die hier relevante Preiserhöhungsregelung dieser Prüfung unterliegt (vgl.
AG Kleve RRa 2000, 166, 167 und NJW 2000, 3723, 3724; Brandner in
Ulmer/Brandner/Hensen, Anhang §§ 9 - 11 AGBG Rdnr. 582; Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 9 AGBG Rdnr. R 52; Führich, RRa 2000, 43, 46, NJW 2000,
3672, 3676 und RRa 2001, 59; einschränkend Schmid, NJW 2000, 1301, 1302;
Palandt/Sprau, § 651 a BGB Rdnr. 9 a).
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Die Verweisung in § 651 a Abs. 3 Satz 3 BGB rechtfertigt keine abweichende
Beurteilung. Sie stellt lediglich klar, dass der bis zum In-Kraft-Treten des § 651 a Abs. 3
und 4 BGB in erster Linie heranzuziehende Prüfungsmaßstab des § 11 Nr. 1 AGBG
durch die Gesetzesänderung nicht - wie im Gesetzgebungsverfahren gefordert (vgl.
Änderungsvorschlag des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus, BT-
Drucksache 12/7334, S. 8; siehe auch Tonner in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 651
29
a BGB Rdnr. 74; Soergel/Eckert, 12. Aufl., § 651 a Rdnr. 64) - durchbrochen, sondern
nur ergänzt und konkretisiert werden sollte. Der Umkehrschluss, dass eine
Inhaltskontrolle anhand anderer Bestimmungen des AGBG nicht mehr durchzuführen
sei, lässt sich daraus nicht ziehen. Durch die Ergänzung des § 651 a BGB mit Wirkung
vom 1. November 1994 kam der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Umsetzung der
Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 1990 über
Pauschalreisen (Pauschal-reiserichtlinie) nach, die ausweislich ihrer Präambel
wesentlich dem Verbraucherschutz dient und strengere nationale Vorschriften zum
Schutz der Verbraucher ausdrücklich zulässt. Entsprechend diesem Zweck beschränkte
sich der Bundesgesetzgeber darauf, die bereits vorhandenen Reiserechtsnormen
anzupassen oder zu ergänzen, soweit sie den Anforderungen der
Pauschalreiserichtlinie nicht genügten. Weiter gehende, nicht durch die Richtlinie
veranlasste Änderungen der §§ 651 a ff. BGB sollten nicht vorgenommen werden (so
ausdrücklich der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie
des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, BT-Drucksache 12/5354, S. 9). Mit
dieser Zielsetzung ist die Annahme, § 651 a Abs. 3 Satz 3 BGB beschränke die
Inhaltskontrolle von Preiserhöhungsklauseln auf den Rahmen des § 11 Nr. 1 AGBG und
schließe eine Überprüfung nach den Maßstäben der §§ 9 bis 11 AGBG im Übrigen aus,
nicht vereinbar.
2. Die beanstandete Klausel ist allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie für
den Fall von Kostenermäßigungen keine Senkung des Reisepreises vorsieht.
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a) Nach § 651 a Abs. 3 BGB ist das Preiserhöhungsrecht nicht an eine spiegelbildliche
Preissenkungsverpflichtung gebunden, so dass die Formularbedingungen der
Beklagten nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung
abweichen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Eine solche Abweichung lässt sich auch nicht
durch eine "richtlinienkonforme" Auslegung des Gesetzes begründen:
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Gemäß Art. 4 Abs. 4 lit. a) der Pauschalreiserichtlinie dürfen die vertraglich festgelegten
Preise "nicht geändert werden, es sei denn, dass der Vertrag die Möglichkeit einer
Preiserhöhung oder -senkung ausdrücklich vorsieht ...". Damit knüpft die Richtlinie die
Zulässigkeit von Preisänderungen nicht an die kumulative Vereinbarung von
Preiserhöhungen und Preissenkungen (so allerdings Tonner in Münchener Kommentar,
§ 651 a BGB Rdnr. 71; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., § 651 a BGB Rdnr. 64; Tonner
in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band III, A 12, Art. 4
Pauschalreiserichtlinie Rdnr. 27; Führich, RRa 2000, 43, 45 und NJW 2000, 3672,
3674), sondern behandelt beide Möglichkeiten als - jeweils gesondert zu vereinbarende
- Alternativen (vgl. Tempel, TranspR 2000, 297, 298; Bidinger/Müller,
Reisevertragsrecht, 2. Aufl., § 651 a BGB Anm. 31). Diese Formulierung kann nicht mit
dem Hinweis, andernfalls sei die Fassung sinnlos, in eine zwingende Koppelung von
Preiserhöhungsrecht und Preissenkungsverpflichtung umgedeutet werden. Zwar
können die Vertragspartner jederzeit einvernehmlich einen geringeren Preis
vereinbaren. Ein solches Angebot des Reiseveranstalters wird der Kunde regelmäßig
nicht ablehnen, so dass eine besondere Regelung dieses Falles in der Tat wenig
sinnvoll wäre. Angesichts der Zulässigkeit strengerer nationaler Vorschriften ist indes
nicht auszuschließen, dass ein Mitgliedstaat nachträgliche Preiserhöhungen nur in
Verbindung mit einer korrespondierenden Preissenkungsverpflichtung gestattet.
Deshalb erschien es durchaus sachgerecht, auch diesen Fall in der Richtlinie zu
berücksichtigen und an einheitliche Voraussetzungen zu knüpfen. Ein Wille des Rates,
von sich aus eine solche Koppelung vorzuschreiben, lässt sich daraus nicht ableiten.
32
Die abweichende Auffassung des Klägers lässt sich auch nicht auf die
Entstehungsgeschichte der Pauschalreiserichtlinie stützen. Zwar weisen Tonner (in
Grabitz/Hilf, Band III, A 12, Art. 4 Pauschalreiserichtlinie Rdnr. 27) und Führich (NJW
2000, 3672, 3674) zutreffend darauf hin, dass der ursprüngliche Vorschlag der
Kommission für eine Richtlinie des Rates über Pauschalreisen, darunter auch
Pauschalurlaubsreisen und Pauschalrundreisen vom 23. März 1988 (ABl. EG Nr. C 96
vom 12. April 1988, S. 5 ff.) in der Präambel und in Art. 4 Nr. 4 zunächst nur den Schutz
der Verbraucher vor "ungerechtfertigten Preiserhöhungen" erwähnte und auf
Preissenkungen nicht einging. Entgegen ihrer Darstellung wurde die später
verabschiedete Fassung jedoch nicht bereits durch den geänderten Vorschlag der
Kommission vom 11. Juli 1989 (ABl. EG Nr. C 190 vom 27. Juli 1989, S. 10 ff.)
eingeführt. In Art. 4 Nr. 4 lit. c) dieses Entwurfs war als Korrelat für Preiserhöhungen, die
zudem einen Kostenanstieg um mehr als 4 % des vereinbarten Preises voraussetzten
(Art. 4 Nr. 4 lit. a) des Entwurfs), vielmehr ausdrücklich ein in gleicher Weise zu
berechnender Rückerstattungsanspruch des Ver-brauchers für den Fall vorgesehen,
dass sich die variablen Preisfaktoren um mehr als 4 % zugunsten des
Reiseveranstalters veränderten. Diese Regelung wurde ebenso wie der Schwellenwert
von 4 % des vereinbarten Preises nicht in die Richtlinie vom 13. Juni 1990
übernommen. Es liegt indes fern, dass der Rat diese eindeutige Bestimmung ohne
inhaltliche Änderung durch die unscharfe und missverständliche Formulierung
"Preiserhöhung oder -senkung" ("upward or downward revision") ersetzen wollte, zumal
Preiserhöhungen mit dem Wegfall der Schwelle von 4 % auch im Übrigen erleichtert
wurden.
33
Bei dieser Sachlage lässt sich bereits der Pauschalreiserichtlinie ein Koppelungsgebot
zwischen Preiserhöhungsrecht und Preissenkungsverpflichtung nicht entnehmen. Damit
scheiden zugleich eine "richtlinienkonforme" Auslegung des § 651 a Abs. 3 BGB oder
eine Anwendung des § 10 Nr. 4 AGBG in diesem Sinne aus.
34
b) Das Fehlen einer Preissenkungsregelung führt auch nach den allgemeinen
Maßstäben der §§ 9 Abs. 1, 10 Nr. 4 AGBG nicht zur Unwirksamkeit der beanstandeten
Klausel. Dabei kann dahinstehen, ob § 10 Nr. 4 AGBG überhaupt Änderungen der
Leistungspflicht des Vertragspartners des Verwenders erfasst (so Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 10 Nr. 4 AGBG Rdnr. 7) oder ob die Vorschrift nur die Leistung
des Verwenders betrifft und Änderungen der Gegenleistung - neben § 11 Nr. 1 AGBG -
nach § 9 Abs. 1 AGBG zu bewerten sind (so OLG Köln ZIP 1999, 21, 22; Schmidt in
Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 4 AGBG Rdnr. 4). Nach beiden Prüfungsmaßstäben
kommt es auf die Zumutbarkeit bzw. die Angemessenheit der Regelung, letztlich also
auf die Frage eines gerechten Interessenausgleichs an, die unabhängig von der
anwendbaren Gesetzesvorschrift nur einheitlich beantwortet werden kann und unter
dem hier erörterten Gesichtspunkt keine durchgreifenden Bedenken gegen die Klausel
begründet:
35
Als Erhöhungsgrund kommen mit Beförderungskosten, Abgaben für bestimmte
Leistungen und Wechselkursänderungen nur Kostenfaktoren in Betracht, die sich
typischerweise dem Einfluss des Reiseveranstalters entziehen und nur begrenzt
kalkulierbar sind. Damit steht der Mehrbelastung des Kunden ein schutzwürdiges
Interesse des Reiseveranstalters gegenüber, sich gegen unerwartete, je nach Ausmaß
möglicherweise existenzgefährdende Entwicklungen abzusichern. Die Interessen des
Kunden werden dabei zunächst durch die zeitlichen Schranken für Preiserhöhungen
36
geschützt. Die beanstandete Klausel schließt in Übereinstimmung mit §§ 651 a Abs. 3
Satz 2 BGB, 11 Nr. 1 AGBG Erhöhungen von vornhe-rein aus, wenn die Spanne
zwischen dem Vertragsschluss und dem vereinbarten Reiseantritt vier Monate nicht
überschreitet oder das Erhöhungsverlangen später als drei Wochen vor Reiseantritt
gestellt wird. In dem verbleibenden Zeitraum kann es nur zu Preiserhöhungen kommen,
wenn die Beklagte die Anpassung "un- verzüglich" fordert. Überschreitet die
Preiserhöhung die Schwelle von 5 %, kann der Kunde ohne Kosten vom Vertrag
zurücktreten oder wahlweise die Teilnahme an einer anderen mindestens
gleichwertigen Reise aus dem Angebot der Veranstaltermarke "T." verlangen, wenn die
Beklagte eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Kunden zur Verfügung stellen kann.
Damit sind zum einen die Erhöhungsmöglichkeiten eng begrenzt und an strenge
Voraussetzungen geknüpft. Zum anderen wird der Kunde durch ein Lösungsrecht vor
unzumutbaren Mehrbelastungen geschützt, wobei die Schwelle mit 5 % des
Reisepreises niedrig bemessen ist. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und
Risiken gewährleisten bereits diese Voraussetzungen und Schranken einen
angemessenen Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern (vgl. Brandner in
Ulmer/Brand- ner/Hensen, Anhang §§ 9 - 11 AGBG Rdnr. 586), ohne dass es einer
zusätzlichen Preissenkungsverpflichtung bedarf.
Eine solche korrespondierende Verpflichtung brächte dem Kunden zudem keine
greifbaren Vorteile. Mit einem besonders geltend zu machenden Ermäßigungsanspruch
wäre ihm schon deshalb nicht gedient, weil er regelmäßig keinen Einblick in die
Kostenstrukturen des Reiseveranstalters besitzt und sich die erforderlichen Kenntnisse
allenfalls über einen Auskunftsanspruch verschaffen könnte (vgl. auch Tempel, TranspR
2000, 297, 299). Das wäre im Massengeschäft von Pauschalreiseveranstaltern nicht nur
unpraktikabel, sondern stünde regelmäßig auch außer Verhältnis zu den zu
erwartenden Vergünstigungen. Eine automatische Anpassungsverpflichtung könnte
diese Schwierigkeiten zwar vermeiden, hätte jedoch zur Folge, dass der
Reiseveranstalter die maßgeblichen Kostenfaktoren für jede einzelne Reise ständig
beobachten und - mangels eines Schwellenwertes - die Preise u. U. mehrfach anpassen
müsste. Das wäre völlig unwirtschaftlich, stünde im Regelfall ebenfalls außer Verhältnis
zum Ergebnis dieser Überwachung und würde einen Aufwand erfordern, der sich im
Ergebnis kostensteigernd und damit verbraucherfeindlich auswirken dürfte. Bei dieser
Sachlage kann die Annahme eines gerechten Interessenausgleichs nicht von einer der
Erhöhungsmöglichkeit korrespondierenden Preissenkungsregelung abhängen.
37
Seine abweichende Auffassung kann der Kläger schließlich auch nicht auf die
Rechtsprechung zur Konditionenanpassung bei Zinsänderungsklauseln (grund-legend
BGHZ 97, 212, 217 ff.) stützen. Die dafür entwickelten Grundsätze, wonach Klauseln,
die die darlehensgewährende Bank zur Erhöhung des Zinssatzes berechtigen, ohne sie
unter bestimmten Umständen (z. B. bei sinkendem Zinsniveau und Verbesserung der
Refinanzierungskonditionen) auch zur Herabsetzung der Zinsen zu verpflichten, den
Darlehensnehmer unangemessen benachteiligen und deshalb unwirksam sind, sind auf
den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Bei Darlehens- und anderen
Finanzierungsverträgen mit variablem Zins handelt es sich regelmäßig um auf längere
Zeit angelegte Dauerschuldverhältnisse, die dadurch geprägt sind, dass sich die
Refinanzierungskonditionen während der Vertragslaufzeit typischerweise - oft mehrfach
- ändern und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Anpassungsbedarf besteht.
Zudem geht es häufig um hohe Beträge, die schon bei moderaten Zinsänderungen zu
spürbaren Mehr- oder Minderbelastungen führen. Deshalb wäre es in der Tat
unangemessen, der Bank zwar ein Anpassungsrecht bei steigenden Zinssätzen
38
einzuräumen, eine entsprechende Entlastung des Darlehensnehmers bei gegenläufiger
Entwicklung jedoch in ihr Ermessen zu stellen. Pauschalreiseverträge haben dagegen
die einmalige Erbringung eines Leistungspaketes in regelmäßig überschaubarer Zeit
nach dem Vertragsschluss zum Gegenstand, so dass es nur ausnahmsweise zu nicht
vorhersehbaren Kostenentwicklungen kommen und sich nur selten ein nennenswerter
Anpassungsbedarf ergeben wird. Die wirtschaftlichen Auswirkungen erreichen
regelmäßig nicht annähernd die bei Finanzierungsverträgen übliche Größenordnung.
Damit treten andere tatsächliche Gesichtspunkte in den Vordergrund, die einer
Übertragung der erörterten Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt
entgegenstehen. Da § 11 Nr. 1 AGBG schließlich ebenfalls keine korrespondierende
Preissenkungsverpflichtung vorsieht und eine solche Verknüpfung in Rechtsprechung
und Literatur auch im Übrigen nicht generell gefordert wird (vgl. Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1 AGBG Rdnr. 51), ist die Preiserhöhungsklausel der
Beklagten in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden.
3. Die Klausel wahrt darüber hinaus die zeitlichen Schranken der §§ 651 a Abs. 3 Satz 2
und 3, Abs. 4 Satz 1 BGB, 11 Nr. 1 AGBG und ist damit auch insoweit nicht mit
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar (§ 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG).
39
Der Inhalt einer im Rahmen der Verbandsklage zu überprüfenden Klausel ist
erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Bei Mehrdeutigkeit ist
grundsätzlich von der kundenfeindlichsten Alternative auszugehen, um dem Verwender
die Möglichkeit zu nehmen, sich etwa außergerichtlich gegenüber seinem
Vertragspartner mit Erfolg auf eine denkbare, nach den §§ 9 ff. AGBG jedoch
unwirksame Klauseldeutung zu berufen (vgl. BGHZ 95, 350, 353; BGH NJW 1993,
1133, 1135; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 AGBG Rdnrn. 6 und 33; Hensen in
Ulmer/Brandner/Hensen, § 13 AGBG Rdnr. 10; Lindacher in Wolf/Horn/ Lindacher, § 13
AGBG Rdnr. 33; Palandt/Heinrichs, § 5 AGBG Rdnr. 9; alle m.w.N.). Diese Betrachtung
setzt jedoch voraus, dass bei vernünftiger Auslegung aus der Sicht der typischerweise
beteiligten Verkehrskreise tatsächlich Zweifel am Inhalt der Klausel verbleiben. Völlig
fern liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des
Rechtsverkehrs ernstlich nicht zu befürchten ist, rechtfertigen dagegen kein
Klauselverbot (vgl. BGHZ 91, 55, 61; BGH NJW 1993, 1133, 1135; BGH NJW 1994,
1798, 1799; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 AGBG Rdnr. 26; Lindacher in
Wolf/Horn/Lindacher, § 13 AGBG Rdnr. 34; Palandt/ Heinrichs, § 5 AGBG Rdnr. 9).
40
Nach diesen Maßstäben ist die beanstandete Klausel nicht mehrdeutig. Insbesondere
kann die Formulierung, dass der Kunde "spätestens jedoch 21 Tage vor Reiseantritt"
von Preiserhöhungen in Kenntnis zu setzen ist, bei verständiger Auslegung nicht als
Einschränkung des Gebotes der "unverzüglichen" Unterrichtung verstanden werden.
Zum einen wäre der Begriff "unverzüglich" in diesem Fall funktionslos, weil eine
Information 21 Tage vor Reiseantritt in jedem Fall ausreichen würde. Zum anderen
beschreibt das Wort "spätestens" nach allgemeinem Sprachgebrauch eine äußerste
zeitliche Grenze, in Verbindung mit einer weiteren Zeitangabe also eine zusätzliche
Schranke. Damit wird auch für einen Laien hinreichend deutlich, dass das
Preiserhöhungsverlangen sowohl "unverzüglich" als auch spätestens 21 Tage vor
Reiseantritt gestellt werden muss, mithin kumulativ an zwei eigenständige
Voraussetzungen geknüpft und der Hinweis auf den spätestmöglichen Zeitpunkt nicht
etwa als Erläuterung oder Einschränkung des Wortes "unverzüglich" zu verstehen ist.
41
Die fehlende Anknüpfung der Klausel an den in § 651 a Abs. 4 Satz 1 BGB
bezeichneten Zeitpunkt der Kenntnis von dem Preisänderungsgrund begründet
ebenfalls keine wirksamkeitsrelevante Unklarheit. Dem durchschnittlichen
Vertragspartner der Beklagten wird die gesetzliche Definition des Begriffs "unver-
züglich" in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zwar regelmäßig nicht bekannt sein. Auch im
allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet dieses Wort jedoch ein rasches Handeln ohne
vorwerfbare Verzögerung. Bereits dieser subjektive Einschlag legt es nahe, für die
Beurteilung des Erfordernisses "unverzüglicher" Unterrichtung auf den Zeitpunkt der
Kenntnis des Reiseveranstalters von den maßgeblichen Kostensteigerungen, die ihm
ein Preiserhöhungsverlangen erst ermöglicht, abzustellen. Eine abweichende, die
Schranken der §§ 651 a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, 651 m BGB überschreitende
Auslegung kommt vernünftigerweise nicht in Betracht, so dass ein Verstoß gegen § 9
Abs. 2 Nr. 1 AGBG ausscheidet.
42
4. Entgegen der Auffassung des Klägers gestattet die Klausel auch keine
nachträglichen Preiserhöhungen wegen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits
eingetretener oder hinreichend konkretisierter Kostensteigerungen. Eine
unangemessene Benachteiligung des Kunden (§ 9 Abs. 1 AGBG) oder eine mit
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbarende
Erweiterung der in § 651 a Abs. 3 BGB abschließend (§ 651 m BGB) geregelten
Anpassungsmöglichkeiten ist insoweit nicht feststellbar.
43
Die Begriffe der "Erhöhung" bzw. "Änderung" von Kosten, die die Fortentwicklung eines
Sachverhalts über eine gewisse Zeitspanne umschreiben, lassen zwar nicht eindeutig
erkennen, ob sie an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder an den der Preisbildung
anknüpfen. Damit erfasst die Formulierung nach dem Maßstab der kundenfeindlichsten
Auslegung zunächst auch vorvertragliche Kostensteigerungen. Die beanstandete
Klausel verpflichtet die Beklagte jedoch andererseits, den Kunden "unverzüglich" von
Preiserhöhungen zu unterrichten. Kostensteigerungen vor Vertragsschluss könnte sie
indes schon bei der ursprünglichen Vereinbarung berücksichtigen; redlicherweise
müsste sie sie zu diesem Zeitpunkt auch geltend machen. Einem späteren
Erhöhungsverlangen stünde damit Satz 2 der zur Prüfung gestellten
Formularbestimmung entgegen.
44
Allerdings kann der Kunde durch eine nachträgliche Preiserhöhung auch dann
unangemessen benachteiligt werden, wenn die dafür maßgeblichen
Kostensteigerungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht eingetreten,
jedoch bereits konkret voraussehbar waren (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1
AGBG Rdnr. 41; Staudinger/Coester-Waltjen, § 11 AGBG Rdnr. 21; Führich, RRa 2000,
43, 47 und NJW 2000, 3672, 3676). Grundsätzlich fallen die mit der geschuldeten
Leistung verbundenen Aufwendungen in das Kalkulationsrisiko des Reiseveranstalters.
Die durch § 651 a Abs. 3 BGB eröffnete Möglichkeit, Kostensteigerungen auf den
Kunden abzuwälzen, rechtfertigt sich allein daraus, dass der Reiseveranstalter die in
Betracht kommenden Kosten typischerweise nicht beeinflussen und demgemäß auch
nur beschränkt in seiner Kalkulation berücksichtigen kann. Nur unter diesem
Gesichtspunkt führen die in den §§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB, 11 Nr. 1 AGBG
vorgesehenen Schranken zu einem gerechten Interessenausgleich. Dieser ist nicht
mehr gewahrt, wenn der Reiseveranstalter die Kostensteigerungen bereits hinreichend
konkret absehen und deshalb in die ursprüngliche Preisvereinbarung einbeziehen
konnte. Andererseits kann nicht jede sich vage abzeichnende Kostenerhöhung eine
spätere Preisanhebung ausschließen. Abgesehen von Abgrenzungsschwierigkeiten
45
würde der Reiseveranstalter dadurch gezwungen, mögliche Kostensteigerungen bereits
vorsorglich in der Preisgestaltung vorwegzunehmen. Das hätte im Ergebnis
preistreibende Wirkung und läge damit nicht im Interesse des Verbrauchers. Ein
Ausschluss voraussehbarer Mehrkosten als Preiserhöhungsgrund kommt deshalb nur
für konkret und bestimmt absehbare Steigerungen in Betracht (vgl. Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1 AGBG Rdnr. 41; Schmid, NJW 2000, 1301, 1302). Dafür
reicht die allgemeine Kenntnis des Reiseveranstalters von steigenden Kerosinpreisen
nicht aus, solange die beauftragte Fluggesellschaft daraus keine Konsequenzen
gezogen hat und die aus einer einseitigen oder vertraglichen Preisanpassung
entstehenden Mehrkosten nach Zeitpunkt und Höhe nicht bekannt sind (so auch
Schmid, NJW 2000, 1301, 1302 f.; a. A. wohl Führich, RRa 2000, 43, 46 und NJW 2000,
3672, 3676).
Von diesem Ausgangspunkt trifft die beanstandete Klausel auch ausreichende
Vorkehrungen gegen Preiserhöhungen aufgrund bei Vertragsschluss voraussehbarer
Kostensteigerungen. Waren diese bereits hinreichend bestimmt, konnten sie bei der
ursprünglichen Preisgestaltung berücksichtigt werden. Ein nachträgliches
Preiserhöhungsverlangen wäre dann nicht mehr "unverzüglich" angebracht und damit
unzulässig. Standen Zeitpunkt und Umfang des Kostenanstiegs dagegen noch nicht
fest, bestehen gegen eine Preisanpassung unter den - inhaltsgleich in die beanstandete
Klausel übernommenen - Voraussetzungen der §§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB, 11 Nr. 1
AGBG keine durchgreifenden Bedenken.
46
5. Die zur Prüfung gestellte Formularbestimmung enthält indes keine hinreichend
genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises (§ 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB). Der
Beklagten verbleibt damit ein Gestaltungsspielraum, der vom Zweck des Gesetzes nicht
mehr gedeckte, mit einem gerechten Interessenausgleich nicht zu vereinbarende
Berechnungsmöglichkeiten einschließt. Dadurch wird der Kunde entgegen den Geboten
von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, so dass die
Preiserhöhungsklausel im Ergebnis gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.
47
a) Welche Anforderungen an die von § 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB geforderten "ge-nauen
Angaben zur Berechnung des neuen Preises" zu stellen sind, ist im Einzelnen streitig.
Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des
Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen soll es ausreichen, "wenn hinsichtlich der
genannten Erhöhungsgründe allgemein deutlich wird, wie sich eine den
Reiseveranstalter treffende Kostensteigerung für den Reisenden auswirken wird, wobei
zu berücksichtigen ist, dass gerade die erhöhte Kostenbelastung des Reiseveranstalters
ursächlich für den von dem Reisenden verlangten Mehrbetrag sein muss" (BT-
Drucksache 12/5354, S. 9; ebenso Bechhofer, Reisevertragsrecht, § 651 a BGB Anm. E.
I.). Das soll der Reiseveranstalter "im Streitfall hinsichtlich einer konkret erfolgten
Preiserhöhung darzulegen und zu beweisen" haben (BT-Drucksache 12/5354, S. 9).
Eckert (Soergel/Eckert, § 651 a BGB Rdnr. 61) und Führich (RRa 2000, 43, 45 und NJW
2000, 3672, 3675; ähnlich RRa 2001, 59, 60) verlangen übereinstimmend, dass der
Reisende zumindest nachvollziehbare Angaben erhalten müsse, die ihm die Prüfung
ermöglichen, ob die Preiserhöhung auch in der geforderten Höhe berechtigt ist. In
vergleichbarer Weise stellt Sprau (Palandt/Sprau, § 651 a BGB Rdnr. 7 a) darauf ab, ob
der Reisende in der Lage ist, im Falle einer den Reiseveranstalter treffenden
Kostenmehrbelastung nachzuvollziehen, wie sich diese auf den konkreten Reisepreis
auswirkt. Das Amtsgericht Kleve (RRa 2000, 166 und NJW 2000, 3723) hält eine "-
wenn auch allgemeine - Beschreibung des Berechnungsweges für die Erhöhung der
48
betroffenen Kostenposition" für erforderlich, während Bidinger/Müller (§ 651 a BGB
Anm. 28) von einer zulässigen Klausel erwarten, "den Weg aufzuzeigen, wie sich die
jeweilige Kostenmehrbelastung des Reiseveranstalters für ... (den Kunden) auswirkt".
Nach Auffassung von Schmid (NJW 2000, 1301, 1304) soll es sogar genügen, "wenn
der Reiseveranstalter darlegt, dass gerade die vom Leistungsträger geforderten
Mehrkosten (alleinige) Ursache des vom Reisenden verlangten Mehrpreises sind und
nicht der nachträglichen Gewinnerhöhung dienen sollen". Andererseits verlangt Tonner
(Münchener Kommentar, § 651 a BGB Rdnr. 70 sowie Der Reisevertrag, § 651 a BGB
Rdnr. 63) eine konkrete Darlegung, wie hoch der betroffene Kostenanteil im
ursprünglichen Reisepreis war, um welchen Betrag dieser Anteil durch den
Leistungsträger erhöht und nach welchem Vergleichszeitpunkt der neue Preis ermittelt
wurde. Seiler (Erman/Seiler, 10. Aufl., § 651 a BGB Rdnr. 32) schließt sich dem an, sieht
diese Voraussetzungen indes bereits durch die Formulierung, der Reisepreis sei "in
dem Umfang zu ändern, wie sich ... (die) Erhöhung (der Kosten) pro Person bzw. pro
Sitzplatz" auf ihn auswirke, erfüllt.
b) Bei der Entscheidung der Streitfrage ist zunächst davon auszugehen, dass die
Angaben zur Berechnung des neuen Preises nach dem eindeutigen Wortlaut des § 651
a Abs. 3 Satz 1 BGB bereits in der Preiserhöhungsklausel enthalten sein, mithin vorab
abstrakt formuliert werden müssen (vgl. Führich, RRa 2000, 43, 46, NJW 2000, 3672,
3677 und RRa 2001, 59, 60). Das schließt die Bezeichnung konkreter - für jede Reise
unterschiedlicher - Anteile der einzelnen Kostenpositionen am Gesamtpreis oder gar
deren jeweiliger Erhöhung aus. Die Auffassung von Tonner kann damit allenfalls für die
nachträgliche Konkretisierung der Berechnung im Streitfall, nicht jedoch für die
Gestaltung der Preisanpassungsklausel Geltung beanspruchen. Andererseits genügt es
nicht, die Preiserhöhung nach Grund und Höhe lediglich kausal an einen Anstieg der in
Betracht kommenden Kostenpositionen zu knüpfen. Der Kunde muss zwar erkennen
können, dass die Nachforderung des Reiseveranstalters ausschließlich auf
Kostensteigerungen beruht und nicht der Gewinnmaximierung oder dem Ausgleich von
Fehlkalkulationen dient. Darüber hinaus verlangt § 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB nach
seinem eindeutigen Wortlaut jedoch "genaue Angaben zur Berechnung des neuen
Preises". Dadurch sollen die Transparenz der neuen Preisbildung gewährleistet und die
Beschränkung der Anhebung auf die den Reiseveranstalter treffenden Mehrkosten
sichergestellt werden. Auch das Erfordernis eines gerechten Interessenausgleichs
zwischen den Vertragspartnern (§ 9 Abs. 1 AGBG) gebietet es, den Kunden nur mit
Preiserhöhungen zu belasten, deren Berechtigung er überprüfen kann. Bereits die
Preisanpassungsklausel muss deshalb die maßgeblichen Berechnungskriterien zur
Ermittlung des neuen Preises benennen und den Kunden in die Lage versetzen, diesen
anhand der gegebenenfalls mitzuteilenden Einzelangaben für die betreffende Reise
nach Grund und Höhe nachzuvollziehen. Dazu gehört zumindest die Bezeichnung der
relevanten Kostenpositionen, der für die Berechnung der Kostensteigerung
entscheidenden Bezugszeitpunkte, der für die einzelnen Kostenpositionen
anzuwendenden Verteilungsmaßstäbe und des daran anknüpfenden
Berechnungsweges. Nur auf diese Weise kann verdeutlicht werden, "wie sich eine den
Reiseveranstalter treffende Kostensteigerung für den Reisenden auswirken wird" und
dass "gerade die erhöhte Kostenbelastung des Reiseveranstalters ursächlich für den
von dem Reisenden verlangten Mehrbetrag" ist.
49
c) Diesen Anforderungen wird die beanstandete Klausel nicht gerecht. Zwar bezeichnet
sie in Übereinstimmung mit § 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB die Kostenpositionen, die als
Grundlage einer Preiserhöhung in Betracht kommen. Es fehlt jedoch bereits die Angabe
50
der Bezugszeitpunkte für die Ermittlung der an den Kunden weiterzureichenden
Kostensteigerungen. Insbesondere bleibt unklar, ob alle seit der Preisbildung oder der
Drucklegung des Prospektes eingetretenen Mehrbelastungen der Beklagten oder nur
diejenigen nach Vertragsschluss mit dem Kunden in die Berechnung einzubeziehen
sind. Im ersten Fall wäre ein gerechter Interessenausgleich zwischen den
Vertragspartnern nicht mehr gewahrt (vgl. LG Berlin RRa 2000, 27 f.; Schmid, NJW
2000, 1301, 1303 f.; Führich, RRa 2000, 43, 46 f., NJW 2000, 3672, 3676 und RRa
2001, 59, 60; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1 AGBG Rdnr. 41). Die Unklarheit
lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung beheben. Das Gebot der "unverzüglichen"
Unterrichtung des Kunden von Nachforderungen hindert die Beklagte nur, die
Entscheidung über eine Preiserhöhung längere Zeit hinauszuschieben, nicht jedoch, in
eine rechtzeitig mitgeteilte Erhöhung frühere, selbst vorvertragliche Kostensteigerungen
einzuschließen. Damit verbleibt ihr schon im Ansatz ein erheblicher
Gestaltungsspielraum, der sich auch auf unangemessene Berechnungsweisen
erstreckt, während der Kunde weder die möglichen Preiserhöhungen überblicken noch
diese anhand vorgegebener Berechnungskriterien nachvollziehen kann. Schon dies
führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zur
Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (so auch AG Kleve RRa 2000, 166,
167 und NJW 2000, 3723, 3724; Führich, RRa 2000, 43, 46 f., NJW 2000, 3672, 3676 f.
und RRa 2001, 59; Kappus in Graf von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Reise- und
Hotelaufnahmebedingungen, Rdnr. 59).
Darüber hinaus enthält die Klausel keine Angaben zu den für die einzelnen Kos-
tenpositionen heranzuziehenden Verteilungsmaßstäben. Reiseveranstalter buchen bei
den Leistungsträgern in der Regel nicht Einzelleistungen für jede einzelne
Pauschalreise, sondern bestimmte - u. U. variable - Kontingente. Kommt es dabei zu
Kostensteigerungen, müssen diese auf die einzelnen Pauschalreiseverträge umgelegt
werden. Zwar liegt es nahe, insoweit den auch der ursprünglichen Preiskalkulation
zugrunde liegenden Maßstab anzuwenden. Dieser ist dem Kunden aber regelmäßig
nicht bekannt. Zudem werden häufig mehrere Verteilungsmaßstäbe in Betracht
kommen. So können erhöhte Beförderungskosten etwa für jeden einzelnen Transport
(Flug, Bahn- oder Schiffsreise, Bustransfer etc.) auf die jeweiligen Teilnehmer, alternativ
aber auch die Gesamtkosten eines Reiseveranstalters auf alle betroffenen Kunden
umgelegt werden. Sie können nach der Zahl der vom Reiseveranstalter gebuchten
Plätze (Gesamtkontingent), aber auch nach der voraussichtlichen Auslastung verteilt
werden, so dass der Reiseveranstalter u. U. den auf nicht verkaufte Reisen entfallenden
Eigenanteil auf die gewonnenen Kunden verlagern kann. Wechselkursbedingte
Mehrkosten für Hotelzimmer, Ferienhäuser etc. lassen sich nach der Zahl der Einheiten,
der Kapazität, der tatsächlichen oder voraussichtlichen Belegung (nach Kopfteilen) oder
dem Preisverhältnis umlegen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Verträge mit
ausländischen Hotelbetreibern regelmäßig als Währungsfestgeschäfte abgeschlossen
werden (vgl. Kappus in Graf von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Reise- und
Hotelaufnahmebedingungen, Rdnr. 58) und manche Reiseveranstalter deshalb auf
einen Wechselkursvorbehalt in ihren Preisanpassungsklauseln verzichten (vgl.
Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur
Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, BT-
Druck-sache 12/5354, S. 21; siehe auch die im Parallelverfahren 6 U 30/01 zur Prüfung
stehende Klausel). Enthält die Klausel gleichwohl einen solchen Vorbehalt, muss sie
sich indes an den dadurch eröffneten Möglichkeiten messen lassen. Im Ergebnis
verbleibt der Beklagten mithin auch hier ein erheblicher Gestaltungsspielraum, den sie
gegebenenfalls zum eigenen Vorteil nutzen kann. Der Kunde ist dagegen nicht in der
51
Lage, das Ergebnis an vorgegebenen Berechnungskriterien zu messen. Auch dies führt
zu einer unangemessenen Benachteiligung und damit zur Unwirksamkeit der Klausel
gemäß § 9 Abs. 1 AGBG.
Schließlich ist der Klausel nicht zu entnehmen, auf welchem Berechnungsweg (durch
welche Rechenoperation) der neue Preis ermittelt werden soll. Sie beschränkt sich auf
die Feststellung, dass die Preiserhöhung höchstens dem Anstieg des sie begründenden
Kostenfaktors entsprechen darf. Damit erschöpft sie sich in einer kausalen Verknüpfung
zwischen Kostenanstieg und Preiserhöhung und in der Klarstellung, dass die Anhebung
nicht zur Gewinnsteigerung genutzt werden soll. Offen bleibt hingegen, ob der
Reisepreis um den absoluten Betrag der auf die Reise entfallenden Mehrbelastung
erhöht, ob die von der Kostenerhöhung betroffenen Kalkulationsansätze -
gegebenenfalls unter Berücksichtigung bereits einkalkulierter Sicherheitsmargen -
prozentual angehoben oder ob für bestimmte Gruppen von Reisen einheitliche
Pauschalen angesetzt werden sollen. Davon hängt letztlich ab, ob die Preiserhöhung
sich tatsächlich auf den zulässigen Rahmen beschränkt. Anhand der beanstandeten
Klausel kann der Kunde das nicht nachvollziehen, während der Beklagten wiederum ein
weiter, letztlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum verbleibt. In der Gesamtschau
wird die Klausel deshalb dem Erfordernis einer transparenten Preisbildung (§ 651 a
Abs. 3 Satz 1 BGB) nicht gerecht, so dass sie den Kunden entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und damit insgesamt gemäß § 9 Abs. 1
AGBG unwirksam ist.
52
6. Bei dieser Sachlage kann der Kläger die Beklagte gemäß § 13 Abs. 1 AGBG auf
Unterlassung in Anspruch nehmen, soweit die beanstandete Klausel nicht gegenüber
einer natürlichen oder juristischen Person oder einer rechtsfähigen
Personengesellschaft, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen
oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer; §§ 13 Abs. 3 AGBG, 14
Abs. 1 BGB), verwendet wird. Die Unterlassungsverpflichtung erstreckt sich ohne
weiteres auf das Verbot, sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf die
unwirksame Klausel zu berufen (vgl. BGH NJW 1981, 1511 f.; BGHZ 127, 35, 38;
Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, § 13 AGBG Rdnr. 27 und § 15 AGBG Rdnr. 7).
53
Auf den Antrag des Klägers sind der Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung
zugleich die nach § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel anzudrohen.
54
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55
Gemäß § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO wird die Revision zugelassen, weil der
höchstrichterlich noch nicht entschiedenen, in der Instanzrechtsprechung und der
Literatur kontrovers diskutierten Frage, welche Anforderungen an die - gemäß §§ 651 a
Abs. 3 Satz 1, 651 m BGB zwingenden - Angaben zur Berechnung des neuen Preises in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu stellen sind, grundsätzliche Bedeutung
zukommt und die Entscheidung des Rechtsstreits von dieser Frage abhängt.
Preisanpassungsklauseln nach § 651 a Abs. 3 und 4 BGB werden bundesweit von allen
größeren Reiseveranstaltern verwendet. Es besteht deshalb ein erhebliches Bedürfnis,
ihre Wirksamkeit unter dem genannten Gesichtspunkt im Rahmen der vorliegenden
Verbandsklage zu klären.
56
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 5.000,00 DM festgesetzt (vgl. Hensen
57
in Ulmer/Brandner/Hensen, § 15 AGBG Rdnr. 33 m.w.N.).
Die Beschwer der Beklagten liegt unter 60.000,00 DM.
58