Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.01.2000

OLG Düsseldorf: treu und glauben, ablauf der frist, angemessene frist, erwerb, papiere, anfechtung, ausstattung, vergleich, widerrufsrecht, nichterfüllung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 168/98
27.01.2000
Oberlandesgericht Düsseldorf
6. Zivilsenat
Urteil
I-6 U 168/98
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.10.1998 verkündete Urteil
der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie
folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 272.805,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 11.03.1998 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auf-erlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 320.000,00 DM abzu-wenden, falls nicht
der Kläger vor der Zwangsvollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften
einer in Deutschland ansässigen Großbank o-der öffentlich rechtlichen
Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines
Vertrages zur Verschaffung von Optionsscheinen in Anspruch.
Die X. in New York, Filiale .... emittierte im Oktober 1997 Währungs-Optionsscheine
auf das Währungsverhältnis britische Pfund/US-Dollar (GBP/US-$). Diese GBP/US-
Dollar Währungs-Optionen, die während der Laufzeit jederzeit ausübbar waren,
wurden in verschiedenen Ausstattungen, nämlich mit unterschiedlichen
Basispreisen von 1,6, 1,65 und 1,7 US-Dollar als Call- und Put-Optionen jeweils mit
Laufzeiten vom 07.11.97 bis 14.12.98 angeboten. Der Inhaber eines Optionsscheines
erwarb das Recht auf Zahlung eines Differenzbetrages in Höhe des Hundertfachen
der in amerikanische Dollar ausgedrückten Differenz, um die der am Ausübungstag
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festgestellte GBP/US-$ Wechselkurs den jeweiligen Basispreis überschreitet (Call
Optionsschein) bzw. unterschreitet (Put Optionsschein). Dabei sollten die an der
Frankfurter Devisenbörse amtlich festgestellten Mittelkurse zugrunde gelegt und der
Differenzbetrag sodann zum US-Dollar/DM Kassa-Geldkurs in DM umgerechnet
werden. Ab 30.10.97 wurden diese Optionsscheine im außerbörslichen Terminhandel
angeboten. Erster Handelstag an der Frankfurter Börse war der 04.11.97.
Am 30.10.97, dem Emmissionstag und ersten außerbörslichen Handelstag, warb die
X. AG ..., die als "Marketmaker" den Börsenhandel der Optionsscheine organisierte,
erstmals im Videotext des Fernsehsenders ... für die Optionsscheine. Die
streitgegenständlichen Call-Optionen mit der Wertpapierkenn Nr. (WKN) 818917 und
einem Basispreis von 1,70 US-Dollar wurden zu Stückpreisen von 0,62 DM, 0,64 DM
und 0,80 DM angeboten. Zeitgleich wurden die Call-Optionen mit den WKN 818915
(Basispreis 1,65 US-$) und 818913 (Basispreis 1,60 US-$) zu Preisen von 12,08 DM
und 16,42 DM angeboten.
Der Kläger, der seit Februar 1997 bei der Beklagten ein Wertpapierdepot unterhielt
und bereits zahlreiche Optionsgeschäfte getätigt hatte, wurde durch die
Bildschirmtextannonce auf die angebotenen Währungs-Optionsscheine
aufmerksam. Er orderte am 30.10.1997 in drei Telefonaten bei der Beklagten
insgesamt 30.000 Optionsscheine der Call-Option Basispreis 1,70 US-$ und zwar um
14.22 Uhr 5.000 Stück zu je 0,62 DM, um 14.24 Uhr weitere 15.000 Stück zu je 0,64 DM
und um 14.32 Uhr weitere 10.000 Stück zu je 0,80 DM. Über diese Käufe, die als sog.
Festpreisgeschäfte getätigt wurden, erteilte die Beklagte dem Kläger drei auf den
30.10.97 datierte Wertpapierabrechnungen, die einschließlich Gebühren von jeweils
65,00 DM insgesamt 20.895,00 DM ausmachten (Anlagen K 1 bis K 3 = 7 bis 9 GA).
Bevor diese Wertpapierabrechnungen dem Kläger zugingen, hatte bereits ein
Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger telefonisch mitgeteilt, die Aufträge würden
storniert, da bei der Preisstellung ein Fehler unterlaufen sei. Sodann erteilte die
Beklagte dem Kläger drei auf den 31.10.97 datierte Mitteilungen über die Stornierung
der Aufträge (Anlagen K 5 bis K 7 = 14 bis 16 GA). Mit Schreiben vom 04.11.97 teilte
die Beklagte dem Kläger mit, wegen der Differenz zum tatsächlichen Marktpreis, den
ihr die Emittentin mit 8,00 DM bis 9,00 DM benannt habe, habe sie die Kaufverträge
nicht ausführen können. Kaufvertragliche Ansprüche könnten nicht erhoben werden.
Vorsorglich fechte sie ihre auf Abschluß der Kaufverträge über Optionsscheine
gerichteten Willenserklärungen wegen Irrtums an (Anlage K 8 = 17 GA).
Mit Anwaltsschreiben vom 05.11.97 widersprach der Kläger der Stornierung und
setzte zur Erfüllung der Kaufverträge eine Frist bis zum 13.11.97 (Anlage K 9 = 18 bis
20 GA). Das daraufhin von der Beklagten gemachte Abfindungsangebot über
5.000,00 DM lehnte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 17.11.97 als völlig
unzureichend ab und setzte zur Erfüllung der Kaufverträge eine Nachfrist bis zum
20.11.97 mit der Ankündigung, er werde nach fruchtlosem Fristablauf die Erfüllung
ablehnen und Schadensersatz nach § 326 BGB verlangen. Nach ablehnender
Stellungnahme der Beklagte teilte der Kläger ihr durch Anwaltsschreiben vom
04.12.97 mit, auf der Basis eines Börsenkurses von 9,91 DM belaufe sich sein
Schaden auf 276.405,00 DM. Er schlage als Vergleich die Zahlung von 85 % zuzüglich
anteiliger Anwaltskosten vor, was die Beklagte jedoch ablehnte.
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Auf der Basis des Börsenkurses von 9,79 DM je Stück am 20.11.1997 macht der
Kläger eine Schadensersatzforderung in Höhe von 272.805,00 DM geltend. Bei
ordnungsgemäßer Erfüllung der Kaufverträge hätte er die Optionsscheine am
20.11.1997, also noch vor Ablauf der gesetzten Nachfrist, zu dem Börsenkurs von
9,79 DM je Stück verkaufen und einen Verkaufserlös von insgesamt 292.700,00 DM
realisieren können. Nach Abzug der vereinbarten Anschaffungskosten in Höhe von
20.895,00 DM verbleibe ein Schaden in Höhe der Klagesumme. Da die
Optionsscheine im Zeitpunkt der Kaufvertragsabschlüsse an der Börse noch nicht
gehandelt worden seien, also ein Börsenkurs noch nicht existiert habe, sei ein Irrtum
der Beklagten über den "tatsächlichen Marktpreis" der Optionsscheine
ausgeschlossen. Zudem habe der jeweils vereinbarte Ausgabepreis nicht nur den
Angaben der X. AG im Videotext entsprochen, sondern sei bei den telefonischen
Kaufabschlüssen auch von der Beklagten zugrunde gelegt worden. Die
Telefonverkäufer hätten während der drei Telefonate die Kurse ausdrücklich
bestätigt, nachdem sie zuvor bei der X. ... rückgefragt hätten. Bei dem dritten Kauf
habe er den Verkäufer darauf hingewiesen, daß die beiden anderen auf der
Videotextseite angebotenen Optionsscheine zu teuer seien. In diesem
Zusammenhang habe er lediglich die Zusicherung erbeten, daß die
Basisausstattung, also Basiswert und Laufzeit, der von ihm bereits zuvor gekauften
Optionsscheine zutreffend seien. Von einem Vorbehalt der Preisüberprüfung durch
die Beklagte könne nicht die Rede sein. Die Beklagte sei sich über den Inhalt ihrer
Willenserklärung vollständig im klaren gewesen. Ihr Verhalten nach Abschluß der
Kaufverträge sei offensichtlich darauf zurückzuführen, daß sie von der späteren
Entwicklung ihres Finanzproduktes an der Börse überrascht worden sei und habe
feststellen müssen, daß die von ihr veranschlagten Ausgabepreise zu niedrig
kalkuliert gewesen seien. Dies aber liege im wirtschaftlichen Risikobereich der
emittierenden Bank, so daß sich die Beklagte weder durch Anfechtung noch unter
dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ihren vertraglichen
Verpflichtungen entziehen könne.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 272.805,00 DM nebst 4 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
1.
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet:
Sämtliche Käufe des Klägers seien unter dem Vorbehalt der Preisüberprüfung und
damit unter der auflösenden Bedingung erfolgt, daß der genannte Preis nicht
zutreffe. Wie sich aus dem Gesprächsmitschnitt betreffend den dritten Kauf zum
Preis von 0,80 DM je Stück ergebe, habe der Kläger ihren Mitarbeiter auf die
erheblichen Preisunterschiede zu den Call-Optionen mit Basispreisen von 1,65 und
1,60 US-Dollar hingewiesen, für die trotz ansonsten gleicher Ausstattung im
Videotext von ... Stückpreise von 12,08 DM und 16,42 DM genannt worden seien. In
Anbetracht dieser erheblichen Preisunterschiede habe der Kläger um Überprüfung
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auch seiner vorangegangenen beiden Käufe gebeten. Daraufhin habe sich ihr - als
Zeuge benannter - Mitarbeiter P. mit der X. AG in Verbindung gesetzt. Diese habe
nach Überprüfung festgestellt, daß die dem Kläger genannten Preise unzutreffend
gewesen seien, und habe hierüber die Direktbank der Beklagten in Aachen
telefonisch informiert. Deren - ebenfalls als Zeuge benannter - Mitarbeiter A. habe
sodann am 30.10.1997 zwischen 15.34 Uhr und 15.44 Uhr telefonisch den Kläger über
die falsche Preisstellung und die Stornierung der drei Geschäfte informiert. Die dem
Kläger mitgeteilten Stückpreise von DM 0,62, DM 0,64 und DM 0,80 hätten nicht ihrem
Wert entsprochen sondern hätten außerhalb jeder Realität gelegen. Wie sich aus der
Vorab-Information mit Verkaufsprospekt der X. AG vom 29.10.1997 ergebe, sei für die
streitgegenständlichen Call-Optionen ein Stückpreis von 8,17 DM errechnet worden.
Dieser sei unter Zuhilfenahme mathematischer Formeln festgelegt worden. Bei
Aufnahme des außerbörslichen Telefonhandels am 30.10.1997 habe sich ein
Geldkurs von 8,38 DM ergeben, der bis zur Aufnahme des Börsenhandels weiter
angestiegen sei. Bei Aufnahme des Handels an der Börse am 04.11.1997 habe der
Fixingkurs 8,95 DM je Stück betragen. Die dem Kläger genannten Verkaufspreise
hätten somit außerhalb jeglicher Realität gelegen. Dies sei dem Kläger auch bewußt
gewesen sei, wie sich daraus ergebe, daß er während des dritten Telefongesprächs
auf die Preisunterschiede zu den übrigen Optionsscheinen hingewiesen habe.
Ihre Mitarbeiter hätten sich bei den drei Verkäufen im Irrtum über den Wert der vom
Kläger gewünschten Optionsscheine befunden. Sie habe unverzüglich nach
Kenntnis des richtigen Wertes durch ihren Mitarbeiter Agethen die Kaufverträge
wegen Irrtums angefochten und storniert. Die wertgerechten Preise seien
verkehrswesentliche Eigenschaften der Optionsscheine. Zudem habe sie sich in den
schriftlichen Wertpapierabrechnungen einen Irrtum ausdrücklich vorbehalten.
Jedenfalls liege im Hinblick auf die dem Kläger genannten Preise ein beiderseitiger
Irrtum vor, der zur Anwendung der Grundsätze über das Fehlen der
Geschäftsgrundlage führe. Offenbar liege eine Aquivalenzstörung vor, weil ein
auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Der Kläger
handele rechtsmißbräuchlich, wenn er in Kenntnis der falschen Wertangabe für die
Optionsscheine auf Vertragserfüllung bestehe.
Durch Urteil vom 30.10.1998 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Zwar seien zunächst drei Kaufverträge über den Erwerb der 30.000 Optionen zu den
dem Kläger genannten Preisen zustande gekommen, jedoch habe die Beklagte ihre
auf den Abschluß der Kaufverträge gerichteten Willenserklärungen widerrufen.
Während des dritten, mit dem Verkäufer P. geführten Telefonats hätten die Parteien,
wie sich aus dem Gesprächsmitschnitt ergebe, ein beiderseitiges Widerrufsrecht für
den Fall vereinbart, daß die vereinbarten Preise auf einem Irrtum beruhten. Nach dem
Inhalt des Gesprächsmitschnitts, den das Landgericht im einzelnen ausgewertet hat,
habe das für den dritten Vertrag vereinbarte Widerrufsrecht auch für die beiden
vorangegangenen Verträge gelten sollen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Unter
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht der Kläger ergänzend
geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts lasse sich aus dem von der
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Beklagten gefertigten Gesprächsschnitt, der den Gesprächsinhalt zudem nicht
korrekt wiedergebe, nicht entnehmen, daß er - der Kläger - seine Bereitschaft erklärt
habe, die abgeschlossenen Verträge im Falle eines Irrtums der Beklagten wieder
aufzuheben. Ein Anfechtungsrecht oder ein Recht auf Anpassung der Verträge unter
dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn
272.805 DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter ergänzender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht die
Beklagte ergänzende Rechtsausführungen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den
Akteninhalt nebst den überreichten Urkunden Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g r ü n d e :
Die Berufung des Klägers ist zulässig und auch begründet.
Seine Klage ist in vollem Umfange begründet. Der Kläger kann gemäß § 326 Abs. 1
BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung der am 30.10.1997 telefonisch mit der
Beklagten abgeschlossenen Verträge über den Erwerb von 30.000 GBP/US-Dollar
Währungs-Call-Optionsscheinen mit der WKN 818917 in der eingeklagten Höhe von
272.805,00 DM verlangen.
Das Landgericht hat zwar zutreffend angenommen, daß zwischen den Parteien drei
Kaufabschlüsse über den Erwerb der vorgenannten Call-Options-Scheine zustande
gekommen ist. Jedoch läßt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts aus dem
von der Beklagten aufgezeichneten und zu den Akten gereichten
Gesprächsmitschnitt betreffend das letztgenannte Telefonat um 14.32 Uhr mit dem
Telefonverkäufer der Beklagten P. (vgl. 86 - 90/101 - 105 GA) nicht herleiten, daß
zwischen diesem und dem Kläger ein "beiderseitiges Widerrufsrecht" vereinbart
worden ist, das für den Fall einer falschen Preis- oder Produktangabe habe ausgeübt
werden sollen, und zwar nicht nur hinsichtlich der dritten telefonischen Kauforder,
sondern auch für die zeitlich davor liegenden beiden telefonischen Kauforder von
14.22 Uhr über 5.000 Stück und von 14.24 Uhr über weitere 15.000 Stück Call-
Options-Scheine.
Die Beklagte kann die telefonisch abgeschlossenen Kaufverträge auch nicht wegen
Irrtums anfechten. Ebensowenig kann sie sich mit Erfolg darauf berufen, der Kläger
habe einen Kalkulationsirrtum auf ihrer Seite erkannt und nutze diesen in gegen Treu
und Glauben verstoßender Weise unzulässig aus.
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß zwischen den Parteien
drei Kaufabschlüsse über den Erwerb von insgesamt 30.000 Calloptions-Scheinen zu
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Stückpreisen von 0,62 DM, 0,64 DM und 0,80 DM jeweils telefonisch am 13.10.1997 um
14.22 Uhr, 14.24 Uhr und 14. 32 zustande gekommen sind. Aus dem
Gesprächsmitschnitt ergibt sich auch für den dritten Kaufauftrag über 10.000
Optionsscheine zu 0,80 DM je Stück nichts anderes. Nach dem Inhalt des bei den
Akten befindlichen Gesprächsmitschnitts (86 bis 90 und 101 bis 105 GA) hat der
Kläger zunächst den Wunsch geäußert, ihm den Kurs für die Option 818917 zu
nennen, weil er gerne 10.000 Stück kaufen wolle. Der Mitarbeiter der Beklagten P. hat
sodann erklärt, er bereite dann die Order vor und nenne dann den handelbaren Kurs.
Nach dem Gesamtinhalt des Gesprächsmitschnitts bezog sich bereits diese
Äußerung auf den Ankauf der 10.000 Optionsscheine. Nunmehr trägt jedoch der
Kläger mit Schriftsatz vom 29.10.1999 auf Seite 3 vor, diese Äußerung habe sich
darauf bezogen, daß er zunächst 5.000 andere Optionsscheine mit der WBK Nr.
818872 habe verkaufen müssen und verkauft habe, um die streitgegenständlichen
10.000 Call-Optionen kaufen zu können. Selbst wenn man dies unterstellt, ergibt sich
im Ergebnis nichts anderes. Denn der Mitarbeiter der Beklagten hat anschließend
erklärt, er kaufe 10.000 Stück von 818917, einen Pfund-US-Dollar-Call mit der Basis
1,170, und müsse den handelbaren Kurs telefonisch holen. Sodann hat er den Kurs
mit 80 Pfennigen angegeben und gefragt, ob er dafür kaufen solle. Der Kläger hat die
Gegenfrage gestellt, ob der Kurs jetzt 80 Pfennige betrage, was der Mitarbeiter der
Beklagten bejaht hat. Sodann hat der Kläger sinngemäß erklärt, der Kurs sei aber gut
in die Höhe gegangen, er nehme 10.000 Stück. Der Mitarbeiter der Beklagten hat
dann sinngemäß bestätigt, der Kläger habe 10.000 Stück von 818917 zu 80
Pfennigen, also für 8.000 DM gekauft und die Valutierung erfolge am 30.11. Damit war
dieser dritte Kaufvertrag ebenfalls telefonisch zustandegekommen, und zwar ohne
jeden Vorbehalt im Hinblick auf den vereinbarten Stückpreis. Unerheblich ist
insoweit, daß die unter dem 30.10.99 erteilten, EDV-mäßig erstellten
Wertpapierabrechnungen den Aufdruck enthalten: "Maschinelle Belegerstellung
ohne Unterschrift. Irrtum vorbehalten." Es liegt auf der Hand, daß sich daraus nicht
herleiten läßt, der Mitarbeiter der Beklagten habe die Stückpreise nur unter Vorbehalt
der Nachprüfung genannt.
Nach dem weiteren Inhalt des Gesprächsmitschnitts sprachen der Kläger und der
Mitarbeiter der Beklagten erst nach Abschluß dieses dritten Kaufvertrages über den
Preisunterschied zu den anderen beiden Call-Optionen, ohne daß die
Gesprächspartner dessen Ursache klären konnten. Der Mitarbeiter der Beklagten
äußerte dann, er wolle das abklären und rufe zurück, wenn etwas nicht in Ordnung
sei. Sodann erklärt der Kläger wörtlich: "Gut. Also dann ist es ja so, ich habe gekauft
17.12.1998, 1,70er Basis, ein Call, das habe ich gekauft, ne." Damit bestätigte der
Kläger also nochmals, die streitgegenständlichen Call-Optionen für 0,80 DM je Stück
gekauft zu haben. Sodann wurden die beiden vorangegangenen Käufe
angesprochen, wobei der Mitarbeiter der Beklagten auch insoweit erklärte, wenn
damit irgend etwas nicht in Ordnung sein solle, werde er zurückrufen. Der Kläger
erklärte sich auch insoweit einverstanden und äußerte: "Wenn die Daten stimmen,
dann ist alles wunderbar." Daraufhin entgegnete der Mitarbeiter der Beklagten
"Okay." Sodann äußerte der Kläger wiederum: "Nur wenn die Daten nicht stimmen
sollten, ne.", worauf der Mitarbeiter der Beklagten wiederum erklärte, dann werde er
sich melden.
Aus diesem Gesprächsablauf läßt sich nicht herleiten, daß der Kläger sich mit einer
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Vertragsaufhebung einverstanden erklärt hat, also dem Mitarbeiter der Beklagten das
Angebot auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages für alle drei Kaufverträge
gemacht hat, wenn irgend etwas mit den Daten nicht stimmen solle. Aus der Sicht
eines objektiven Erklärungsempfängers durfte der Mitarbeiter der Beklagten die
Äußerungen des Klägers nur dahin verstehen, daß er sicherstellen wollte, daß die
von ihm georderten Papiere die angegebene Ausstattung hatten und nicht aus
anderen Gründen im Vergleich zu den übrigen Call-Optionen besonders niedrig
angeboten wurden. Der Annahme des Landgerichts, der Kläger habe sich mit einem
Widerruf der auf den Abschluß der Kaufverträge gerichteten Willenserklärungen der
Beklagten einverstanden erklärt, falls die Preise nicht stimmen sollten, vermag der
Senat nicht zu folgen. Dies gilt um so mehr, als der Kläger unwidersprochen vorträgt,
er habe andere Papiere verkauft, um die streitgegenständlichen Call-Optionen
erwerben zu können. Dann hätte es nahe gelegen, auch im Hinblick auf den Verkauf
anderweitiger Papiere ein Rücktrittsrecht seitens des Klägers zu vereinbaren.
2. Es kommt also zunächst darauf an, ob die Beklagte die drei streitgegenständlichen
Kaufverträge wirksam im Sinne des § 119 BGB angefochten hat. Dies ist zu
verneinen.
Die jeweils tätig gewordenen Telefonverkäufer der Beklagten haben sich weder bei
der Preisangabe versprochen oder verschrieben, noch waren sie über den Inhalt
ihrer Erklärungen im unklaren, noch haben sie sich über eine verkehrswesentliche
Eigenschaft der vom Kläger georderten Optionsscheine geirrt. Der Wert einer Sache
ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft; hierzu rechnen nur die
wertbestimmenden Faktoren. Sollte die Berechnungsgrundlage für den
Ausgabepreis, der nach Darstellung der Beklagten nach dem sog. "Black/Scholes-
Modell" ermittelt worden sein soll, ein wertbestimmender Faktor der ausgegebenen
Optionsscheine sein, so war dieser den beteiligten Telefonverkäufern der Beklagten
nicht bekannt. Sie haben lediglich den Kurs bei der als "Marketmaker" fungierenden
X. AG erfragt und diesen dem Kläger gegenüber bestätigt und angeboten. Wie sich
aus dem zu den Akten gereichten Gesprächsmitschnitt betreffend das Telefonat um
14.32 Uhr mit dem Telefonverkäufer P. entnehmen läßt, hat er lediglich den aktuellen
Kurs bei der als "Marketmaker" fungierenden X. AG erfragt und diesen dem Kläger
angeboten. Über den sog. "inneren Wert" der Optionsscheine hat er sich ersichtlich
zunächst keine Gedanken gemacht, sich hierüber also auch nicht geirrt.
3. Auf seiten der Beklagten könnte allenfalls ein Kalkulationsirrtum vorgelegen
haben, der grundsätzlich nicht zur Anfechtung berechtigt. Bei einem
Kalkulationsirrtum handelt es sich um einen schon im Stadium der Willensbildung
unterlaufenden Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum), der grundsätzlich nicht zur
Anfechtung berechtigt, weil derjenige, der auf einer unzutreffenden
Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung
ermittelt und seinem Angebot zugrundelegt, auch das Risiko dafür trägt, daß seine
Kalkulation zutrifft. Der Mitarbeiter der Beklagten hat seinem Angebot lediglich
zugrunde gelegt, daß er die Papiere von der Emmisionsbank X. zu den ihm von der
als "Marketmaker" fungierenden X. AG genannten Preisen kaufen und demgemäß zu
den mit dem Kläger vereinbarten Stückpreisen an diesen ohne Verlust
weiterverkaufen konnte.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt,
berechtigt ein darin liegender Kalkulationsirrtum selbst dann nicht zur Anfechtung,
wenn der Erklärungsempfänger - hier also der Kläger - diesen erkannt oder die
Kenntnisnahme treuwidrig vereitelt hätte. Allerdings kann der Erklärungsempfänger
unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen oder der
unzulässigen Rechtsausübung verpflichtet sein, den Erklärenden auf einen
Kalkulationsfehler hinzuweisen. Denn es kann eine unzulässige Rechtsausübung im
Sinne des § 242 BGB darstellen, wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt
und auf der Durchführung des Vertrages besteht, obwohl er wußte oder sich
treuwidrig der Kenntnisnahme verschlossen hat, daß das Angebot auf einem
Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruht. Jedoch reicht allein die positive Kenntnis
von einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden für die Annahme einer unzulässigen
Rechtsausübung nicht aus. Vielmehr kommt dem Ausmaß des Kalkulationsirrtums
wesentliche Bedeutung zu, wie sich daraus ergibt, daß nach § 119 Abs. 1 zweiter
Halbsatz BGB ein Irrtum rechtlich nur dann relevant ist, wenn die Erklärung bei
verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben worden wäre. Dies aber ist nur
bei einem Irrtum von einigem Gewicht anzunehmen. Deshalb ist die Annahme eines
fehlerhaft berechneten Angebots im allgemeinen nur dann mit den Grundsätzen von
Treu und Glauben unvereinbar, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden
schlechthin unzumutbar ist, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche
Schwierigkeiten geriete. Hinzu kommen muß, daß sich die Kenntnis des
Erklärungsempfängers im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch auf
diese Umstände beziehen muß (vgl. BGH WM 1998, 2375 - 2379). Soweit diese
Entscheidung des BGH in der Literatur teilweise Kritik erfahren hat, teilt der Senat
diese Kritik nicht.
Der Kläger hatte, als er die Call-Optionsscheine zu den im Videotext des
Fernsehsenders ... angegebenen Kursen orderte, keine positive Kenntnis davon, daß
die Emissionsbank die Kurse irrtümlich zu niedrig kalkuliert hatte. Der Umstand, daß
die vergleichbaren - gleichzeitig ausgegebenen - Währungsoptionen mit einem
geringeren Basispreis aber ansonsten gleicher Ausstattung um ein Vielfaches über
den ihm für die streitgegenständlichen Call-Optionen genannten Preisen lagen,
begründete nicht die positive Kenntnis des Klägers, daß die ihm genannten Preise
für die georderten Optionen irrtümlich zu niedrig angesetzt waren. Ihm war zwar beim
Abschluß des dritten Geschäfts die unverhältnismäßig niedrige Preisgestaltung der
von ihm georderten Optionsscheine bzw. die unverhältnismäßig hohe
Preisgestaltung der vergleichbaren - gleichzeitig ausgegebenen - Optionsscheine mit
einem geringeren Basispreis aber ansonsten gleicher Ausstattung aufgefallen,
worauf er den Mitarbeiter der Beklagten auch hingewiesen hat. Daraus läßt sich
jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit folgern, der Kläger habe einen
Kalkulationsirrtum der Beklagten erkannt. Vielmehr läßt sich der Hinweis des Klägers
auch zwanglos dahin interpretieren, daß er befürchtete, die von ihm georderten
Optionsscheine seien gegenüber den vergleichbaren weiteren Optionsscheinen
geringer ausgestattet und deshalb den genannten Preis nicht wert.
Allerdings ist der positiven Kenntnis eines Kalkulationsirrtums im Einzelfall
gleichzustellen, wenn sich der Erklärungsempfänger - hier also der Kläger - einer
solchen Kenntnis treuwidrig verschließt, indem er naheliegende Rückfragen
unterläßt. Insoweit greift der Rechtsgedanke des § 162 BGB ein. Jedoch läßt sich aus
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dieser Vorschrift unmittelbar nur herleiten, daß der Eintritt nachteiliger Umstände
nicht treuwidrig von einer Partei vereitelt und umgekehrt vorteilhafte Umstände nicht
treuwidrig herbeigeführt werden dürfen. Im Streitfall geht es jedoch - ebenso wie in
dem zitierten, vom BGH entschiedenen Fall - um die weiterreichende Frage, ob und
inwieweit nach Treu und Glauben eine Obliegenheit einer Partei angenommen
werden kann, einen ihr nachteiligen Umstand, nämlich positive Kenntnis, durch
entsprechende Erkundigungen herbeizuführen. In Fällen unerlaubter Handlung ist
ein Rückgriff auf § 162 BGB nur dann angenommen worden, wenn es der
Geschädigte versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende, durch einfache
Nachfrage zu realisierende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen und letztlich das
sich Berufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheine, weil jeder andere in der Lage
des Geschädigten die Kenntnis gehabt hätte. Allerdings hat der BGH in der zitierten
Entscheidung offengelassen, ob diese Rechtsprechung auch auf vorvertragliche
Schuldverhältnisse zwischen dem Auftraggeber und dem Anbieter anwendbar ist.
Jedenfalls könne der Rechtsgedanke aus § 162 BGB in derartigen Fällen nur mit
äußerster Zurückhaltung herangezogen werden. Die Grenzlinie zwischen schädlicher
positiver Kenntnis und grundsätzlich unschädlicher bloßer Erkennbarkeit des
behaupteten Kalkulationsirrtums dürfe nicht rechtsfehlerhaft zu Lasten des
Erklärungsempfängers verschoben werden. Denn es sei grundsätzlich allein Sache
des Anbieters, den Erklärungsempfänger von einem Kalkulationsfehler und von
dessen unzumutbaren wirtschaftlichen Auswirkungen auf seinen Betrieb umfassend
und für diesen nachprüfbar in Kenntnis zu setzen. Eine Pflicht zur Aufklärung könne
allenfalls dann angenommen werden, wenn sich der Tatbestand des
Kalkulationsirrtums mit seinen unzumutbaren Folgen für den Anbietenden aus
seinem Angebot oder aus dem Vergleich zu den weiteren Angeboten oder aus den
dem Erklärungsempfänger bekannten sonstigen Umständen geradezu aufdränge.
Nur in einem solchen Ausnahmefall könne es nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben gerechtfertigt sein, den Auftraggeber - im Streitfall den Kläger als
Erklärungsempfänger - entgegen eigenen Interessen als verpflichtet anzusehen, an
der Aufklärung eines Kalkulationsfehlers des anderen Vertragsteils mitzuwirken (vgl.
BGH a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger das Vertragsangebot bzw. die
Vertragsangebote der Beklagten nicht angenommen in dem Bewußtsein, daß die
niedrigen Angebotspreise auf einem Kalkulationsirrtum der Beklagten beruhen
mußten. Zum einen mußte sich dem Kläger nicht geradezu aufdrängen, daß die
niedrige Preisgestaltung der von ihm georderten Call-Optionen auf einem
Kalkulationsirrtum der Beklagten bzw. der Emissionsbank beruhten. Zum anderen
war die Vertragsdurchführung, auch wenn ein Kalkulationsirrtum vorlag, für die
Beklagte nicht schlechthin unzumutbar, weil sie durch die drohenden Verluste nicht
in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten konnte. Immerhin handelt es
sich bei der Beklagten um ein Bankinstitut und es ist nicht ersichtlich, daß sie durch
die Verluste der streitgegenständlichen Geschäfte in ernsthafte wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten konnte.
4. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB sind gegeben. Der Kläger
hat der Beklagten eine angemessene Frist zur Lieferung der Optionsscheine gesetzt
verbunden mit der Androhung, er werde die Erfüllung nach Ablauf der Frist ablehnen
und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
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Es entspricht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Sinne des § 252 Satz 1 BGB, daß
der Kläger die Optionen noch vor Ablauf der gesetzten Frist, nämlich am 20.11.1997
zu den zu diesem Zeitpunkt notierten Kursen von 9,79 DM ausgeübt hätte. Deshalb
ist ihm der rechnerisch zutreffend berechnete Gewinn in Höhe von 272.805,00 DM
entgangen.
Die eingeklagten und zuerkannten Zinsen in Höhe von 4 % stehen dem Kläger gemäß
§ 291 BGB ab Rechtshängigkeit zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistungen
beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 272.805,00 DM.