Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.01.2006

OLG Düsseldorf: treu und glauben, volljährigkeit, abänderungsklage, rechtskraft, verzicht, zustellung, korrespondenz, beschwerdeschrift, abfindung, schenkung

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-8 WF 315/05
Datum:
12.01.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 WF 315/05
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Oberhausen vom 14. November 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
I.
1
Der Kläger war durch Urteil vom 04.12.2002 (40 F 31/02) zu Unterhaltszahlungen an die
Beklagte (geb. 30.05.1985) in Höhe von 269 EUR monatlich verpflichtet (6 ff. GA). Nach
Eintritt der Volljährigkeit der Beklagten am 30.05.2003 hat er sodann durch Klage nebst
Prozesskostenhilfeantrag vom 09.06.2004, nach Hinweis des Amtsgerichts vom
16.06.2004 (82 R BA) auf Hilfsantrag des Klägers gemäß § 65 Abs. 7 GKG (83 BA)
vorab zugestellt am 06.07.2004 (84 BA), durch Urteil vom 17.11.2004 (18 ff. GA/131 ff.
BA) eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 88,75 EUR monatlich ab
06.07.2004 und deren vollständigen Wegfall ab 01.09.2004 erstritten.
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Im vorliegenden Verfahren hat er Prozesskostenhilfe für eine Vollstreckungsgegen-
klage mit dem Ziel begehrt, die Zwangsvollstreckung von Unterhaltsrückständen aus
dem Urteil vom 04.12.2002 für den Zeitraum von 07/2003 bis 05.07.2004 (ent-sprechend
der Mahnung/Vollstreckungsandrohung der Beklagten vom 31.01.2005, 23 ff. GA, 28
GA) für unzulässig zu erklären, da sie nicht der materiellen Rechtslage entspreche und
gegen Treu und Glauben verstoße, zumal die Beklagte ihre wirtschaftlichen
Verhältnisse trotz mehrmaliger Aufforderung ab dem 16.04.2003 (10 GA) nur
schleppend offenbart habe, ihre Ansprüche im Schriftsatz vom 23.07.2004 selbst mit nur
noch 193,19 EUR monatlich errechnet habe (16 GA) und die Klage im Vertrauen auf
eine außergerichtliche Einigung dann erst Mitte 2004 eingereicht worden sei (1 ff. GA).
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Die Beklagte ist dem Prozesskostenhilfeantrag entgegengetreten (42 ff. GA).
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Das Amtsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen, da die eindeutige
gesetzliche Sperre des § 323 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen sei.
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Die besonderen Voraussetzungen einer Vollstreckungsgegenklage (Einwendungen
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außerhalb der Unterhaltsbemessung, Erfüllung, nachträglich wirksamer Unterhalts-
verzicht) seien nicht hinreichend dargelegt; gleiches gelte für einen etwaigen
Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB (69 ff. GA).
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Mit der Beschwerde macht der Kläger weiterhin geltend, hier sei - im Wege
teleologischer Reduktion - eine Ausnahme von § 323 Abs. 3 ZPO gerechtfertigt, da
ansonsten ein untragbares Ergebnis erzielt werde. Das Vertrauen der Beklagten auf den
Fortbestand des Unterhaltstitels sei unter Berücksichtigung ihres außer-gerichtlichen
Verhaltens (schleppende Auskunftserteilung, Kenntnis der Notwendigkeit einer
Abänderung des Unterhaltstitels nach Eintritt der Volljährigkeit, eigene Berechnung des
Unterhalts mit nur noch 193,19 EUR monatlich) nicht schutzwürdig, da es sich als grob
unredlich und zugleich als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstelle. Zudem sei
das Verhalten der Beklagten auch aus sonstigen Gründen (Veräußerung eines
geschenkten PKW, Widerruf der Schenkung wegen der Äußerung, der Kläger sei "für
sie gestorben", vgl. 78 ff. GA) evident unredlich. Schließlich habe sich die Beklagte
nunmehr adoptieren lassen, wovon er erst nachträglich am 27.10.2004 erfahren habe
(74 ff. GA).
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (81 GA).
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II.
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Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen
des Klägers rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
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1.
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Es kann dahinstehen, ob einer (erneuten) Verteidigung gegen Ansprüche aus dem
Urteil vom 04.12.2002 für den Zeitraum vom Eintritt der Volljährigkeit bis zum
05.07.2004 nicht bereits die Rechtskraft des Urteils vom 17.11.2004 entgegensteht, da
das Amtsgericht unter Ziff. 2 der Entscheidungsgründe ausgeführt hat, dass im Hinblick
auf die Zustellung der Abänderungsklage am 06.07.2004 mit der Entscheidung lediglich
der Zeitraum ab dem 06.07.2004 geregelt werden kann. Dementsprechend ist es
fraglich, ob der Kläger die Abänderung des Unterhaltstitels für den Zeitraum vor dem
06.07.2004 erneut - wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt
(Vollstreckungsgegenklage) - geltend machen kann (vgl. Soyka, Die Abänderungsklage,
Rn 31 mwN).
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2.
14
Selbst wenn der Senat davon ausgehen würde, dass die Rechtskraft des Urteils vom
17.11.2004 einer Vollstreckungsgegenklage betreffend Ansprüche aus dem Zeitraum
bis zum 05.07.2004 nicht entgegenstehen würde, hätte eine solche Vollstreckungs-
gegenklage aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht die
zur Gewährung von Prozesskostenhilfe notwendigen Aussichten auf Erfolg. Zwischen
den Parteien hat ab dem 16.04.2003 (im Hinblick auf den Eintritt der Volljährigkeit der
Beklagten am 30.05.2003) bis zur Einreichung des Prozess-kostenhilfeantrages für eine
Abänderungsklage am 15.06.2004 (mit Antrag auf sofortige Zustellung, 83 GA) eine
umfangreiche Korrespondenz über eine Abänderung des Unterhaltstitels stattgefunden,
in der über die Höhe des unterhaltsrelevanten Einkommens der Beklagten, deren Mutter
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sowie des Klägers (mit späterer Offenbarung einer erhaltenen Abfindung) gestritten
worden ist. Es stand dem Kläger frei, bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine
Auskunfts- oder Abänderungsklage einzureichen, um der Sperrwirkung des § 323 Abs.
3 ZPO zu entgehen, über die er sich offenbar - bis zum Hinweis des Amtsgerichts vom
16.06.2004 (82 R BA) - ausweislich der Formulierung des Schriftsatzes vom 22.06.2004
(83 GA) zumindest nicht hinreichend im Klaren war. Weder das außergerichtliche
Verhalten der Beklagten im Zeitraum vom 16.04.2003 bis zum 15.06.2004 noch die
weiteren in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Sachverhalte begründen eine
hinreichende Erfolgsaussicht für eine Vollstreckungsgegenklage den
Unterhaltszeitraum ab Volljährigkeit betreffend. Daran vermag auch nichts zu ändern,
dass die Beklagte im Rahmen ihrer Rechtsverteidigung gegen die Abänderungsklage
am 23.07.2004 den Unterhaltsanspruch ab Volljährigkeit nach ihrer eigenen
Berechnung vorläufig mit (nur noch) 193,19 EUR (statt der bislang titulierten 269 EUR)
beziffert hat (vgl. 16 GA/91 BA); ein rechtswirksamer Verzicht war mit dieser vorläufigen
Berechnung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ersichtlich nicht verbunden.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
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