Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.11.2005

OLG Düsseldorf: anfechtbarkeit, geschäftsfähigkeit, zwang, auflage, vorladung, androhung, beweisanordnung, duldungspflicht, psychiatrie, hauptsache

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 128/05
Datum:
08.11.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 128/05
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 11 T 69/05
Tenor:
Der angefochtene Beschluss sowie der zugrunde liegende Beschluss
des Amts-gerichts Mülheim an der Ruhr vom 15. März 2005 werden
aufgehoben.
Die Kostenentscheidung folgt der Hauptsache.
I.
1
Die Beteiligten zu 1 und 2 verfolgen im Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht
die Ungültigerklärung mehrerer Eigentümerbeschlüsse.
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Das Amtsgericht hat am 15. März 2005 einen Beweisbeschluss verkündet, wonach ein
Sachverständigengutachten über die Prozessfähigkeit der Antragsteller eingeholt
werden soll und die Ärztekammer Nordrhein um Vorschlag eines geeigneten
Sachverständigen gebeten wird.
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Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligte zu 1 und 2 Beschwerde eingelegt, weil
eine derartige Beschlussfassung nicht veranlasst sei.
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Sie haben um Aufhebung des Beschlusses gebeten.
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Die Kammer hat am 2. Mai 2005 die Beschwerde als unzulässig verworfen.
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Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligte zu 1 und 2 ihr ursprüngliches
Begehren weiter.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Juni 2005 die Sache dem Bundesgerichtshof zur
Entscheidung vorgelegt, weil auf das Rechtsmittel der Beschwerdeführer die
Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben seien, der vorlegende Senat sich jedoch
durch die Entscheidung des OLG Hamm - 15 W 385/88 vom 14. September 1988 (OLGZ
1989, 15) gehindert sehe, entsprechend zu beschließen. Der Bundesgerichtshof hat am
29. September 2005 die Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf zur Behandlung
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und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben, weil die Entscheidung des
OLG Hamm in einem Pflegschaftsverfahren gemäß § 38 FGG a.F. ergangen sei und ihr
nichts zu der Frage entnommen werden könne, ob in dem vorliegenden Verfahren nach
§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG der Beschluss, ein Gutachten zur Frage der Verfahrensfähigkeit
eines Beteiligten zu erheben, selbständig angefochten werden könne.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
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Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 FGG). Die
Beschwerdeberechtigung der Antragsteller ergibt sich aus der Verwerfung ihrer
Erstbeschwerde als unzulässig (BayObLG WuM 2000, 565).
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1.
einer Rechtsverletzung (§ 27 FGG).
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Das Landgericht hätte die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 nicht als
unzulässig verwerfen dürfen; sie ist vielmehr gemäß § 19 FGG zulässig.
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a)
Beweisbeschlüssen verneint, weil eine unmittelbare Auferlegung von Handlungs- und
Duldungspflichten nebst Androhung von Zwang in der Anordnung auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten noch
nicht zu sehen sei.
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Hierbei hat sich die Kammer auf die Entscheidung des OLG Hamm - 15 W 385/88 - vom
14.09.1988 (OLGZ 1989, 15) gestützt. Dieses hat in einem Verfahren nach § 1910 BGB,
in dem das Amtsgericht einen Beweisbeschluss erlassen hatte, wonach durch
Einholung eines ergänzenden, ausführlichen schriftlichen Sachverständigengutachtens
eines Facharztes für Psychiatrie geklärt werden sollte, ob der Betroffene sich in einem
die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der
Geistestätigkeit (Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 Ziffer 2 BGB) befindet und mit der
Erstattung des Gutachtens eine Ärztin für Neurologie und Psychiatrie des
Gesundheitsamts beauftragt worden war, die Beweisanordnung nicht für anfechtbar
gehalten, weil dieselbe dem Betroffenen keine Handlungs- oder Duldungspflicht
auferlege und keinen Zwang androhe.
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2.
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a)
werden, ob die Antragsteller geschäftsfähig (vgl. §§ 104 ff. BGB) und damit
verfahrensfähig (vgl. § 52 ZPO) sind, was Voraussetzung für einen wirksamen Antrag
nach § 43 Abs. 1 WEG ist. Ein Zwischenbeschluss in der Form eines
Beweisbeschlusses ist grundsätzlich unanfechtbar. Eine Ausnahme gilt aber, wenn
durch diesen unmittelbar in erheblichem Maße in Rechte eines Beteiligten eingegriffen
wird (BayOblG WuM 2000, 565; BayObLGZ 1996, 1, 4 m.w.N.; Keidel/Kahl, FGG 14.
Auflage 2003, § 19 Rdz. 9).
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Das BayOblG hat die Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung verneint, in der einem
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Beteiligten aufgegeben wurde, die Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit durch Vorlage
eines nervenfachärztlichen Gutachtens auszuräumen, weil es dem Betroffenen
freistehe, der Auflage des Gerichts nachzukommen und ihm im Falle der Weigerung
keine unmittelbaren Nachteile entstehen (BayOblGZ 1996, 4 , 5 m.w.N.; ZMR 2000,
852). Ebenso verneint das BayOblG (2Z BR 174/03 vom 27.08.2003) die Anfechtbarkeit
eines Beschlusses, mit dem ein Sachverständiger beauftragt wird, sich anhand der
Akten zu der Verfahrensfähigkeit des Antragstellers und zu weiteren in Betracht
kommenden Erkenntnismöglichkeiten, z.B. eine Untersuchung des Antragstellers zu
äußern, weil eine Untersuchung des Antragstellers hiermit nicht angeordnet sei, so dass
ein erheblicher Eingriff in Rechte des Betroffenen nicht vorliege.
Anders sei dies dagegen zu beurteilen, wenn das Gericht von Amts wegen die
Untersuchung eines Antragstellers durch einen psychiatrischen Sachverständigen
anordnet. Der Antragsteller muss in diesem Fall mit einer Vorladung und Untersuchung
durch den Sachverständigen und für den Fall einer Weigerung mit Zwangsmitteln des
Gerichts gemäß § 33 FGG zur Durchsetzung des Beweisbeschlusses rechnen. Dies
führe wegen des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die Rechte der
Antragsteller zur Anfechtbarkeit der Entscheidung (BayObLG 2Z BR 63/00 vom
22.07.2000, WuM 2000, 565; Keidel/Kahl, FGG 15. Auflage 2003, § 19 Rdz. 9).
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b)
amtsgerichtlichen Beweisbeschlusses vom 15. März 2005 verneint. Anders als wenn
einem Beteiligten lediglich aufgetragen wird, Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit durch
Vorlage eines nervenfachärztlichen Gutachtens auszuräumen oder einem
Sachverständigen aufgegeben wird, sich anhand der Akten zu der Verfahrensfähigkeit
des Antragstellers und zu weiteren in Betracht kommenden Erkenntnismöglichkeiten,
z.B. eine Untersuchung des Antragstellers zu äußern, hat das Amtsgericht vorliegend
von Amts wegen die Begutachtung der Prozessfähigkeit der Antragsteller durch einen
Sachverständigen angeordnet. Die Antragsteller müssen damit einer Vorladung und
Untersuchung durch den Sachverständigen Folge leisten und für den Fall einer
Weigerung mit Zwangsmitteln des Gerichts gemäß § 33 FGG zur Durchsetzung des
Beweisbeschlusses rechnen. Dies - und nicht erst die unmittelbare Auferlegung einer
Handlungs- oder Duldungspflicht bzw. eine Androhung von Zwang (so OLG Hamm 15
W 385/88 vom 14.09.1988) - führt nach Auffassung des Senats wegen des bereits damit
verbundenen erheblichen Eingriffs in die Rechte der Antragsteller zur Anfechtbarkeit der
Entscheidung.
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3.
weil sie nach dem Vorgesagten zu Unrecht eine Beschwerdeberechtigung der
Antragsteller verneint und das Rechtsmittel als unzulässig verworfen hat.
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Die Entscheidung des Amtsgerichts leidet unter einem Begründungsmangel.
Spätestens nach Einlegung der Beschwerde hätte der Amtsrichter dartun müssen,
welche Anhaltspunkte für ernsthafte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Antragsteller
der Beweisanordnung zugrunde lagen.
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Hiernach war dem Antrag der Beschwerdeführer entsprechen und die Aufhebung der
Entscheidungen der Vorinstanzen beschließen.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt der Hauptsache. Denn die nach § 47 WEG
abzuwägenden Billigkeitsgesichtspunkte lassen sich vor Beendigung des
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Hauptsacheverfahrens nicht abschließend bewerten.