Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.02.2003

OLG Düsseldorf: sachverständigenkosten, aufwendung, fahrzeug, reparaturkosten, qualifikation, bezifferung, abhängigkeitsverhältnis, schmerzensgeld, vergleich, meinung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 W 3/03
Datum:
27.02.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-1 W 3/03
Tenor:
Auf die Beschwerde der Anwälte des Klägers wird unter Abänderung
des Be-schlusses der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom
02.12.2002 der Streitwert für den Rechtsstreit auf
7.248,43 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 09.04.2002 auf
Schadensersatz in Anspruch. Im Verfahren vor dem Landgericht hat er neben einem
unbezifferten Schmerzensgeld Ersatz materieller Schäden in Höhe von insgesamt
4.748,43 Euro verlangt, worin 348 Euro für die vorgerichtliche Tätigkeit eines Kfz-
Sachverständigen sowie 40 Euro allgemeine Unkostenpauschale enthalten sind.
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Nach Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich hat die Kammer den Streitwert mit
Beschluß vom 02.12.2002 auf bis 7.000 Euro festgesetzt und hierbei die
Sachverständigenkosten und die Auslagenpauschale unberücksichtigt gelassen mit der
Begründung, diese seien nicht streitwerterhöhend. Mit Schriftsatz vom 19.12.2002
haben die Anwälte des Klägers gegen diese Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt
und den Antrag gestellt, den Streitwert auf 7.248,43 Euro festzusetzen.
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Der Anwalt der Beklagten hat sich der Meinung der Klägervertreter angeschlossen, die
Einlegung einer eigenen Beschwerde indessen nur angekündigt.
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Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Soweit das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hat, ist sie gemäß § 25 GKG
zulässig und begründet. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Anwälte des Klägers
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aus eigenem Recht, also nicht namens ihres Mandanten, um eine höhere
Wertfestsetzung bitten. Das ist zulässig (§ 9 Abs. 2 BRAGO).
Das Landgericht hat den Streitwert mit bis 7.000 EUR zu niedrig festgesetzt.
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Gemäß §§ 12, 22 GKG, 4 Abs. 1 ZPO sind bei der Wertberechnung unter anderem die
Kosten unberücksichtigt zu lassen, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht
werden. Die Beantwortung der Frage, ob Sachverständigenkosten bzw. eine
Auslagenpauschale in einem Schadensersatzprozeß als "Hauptforderung" oder als
"Nebenforderung" gemäß § 4 ZPO zu behandeln sind, hängt primär davon ab, wie der
Kläger seine Ansprüche geltend gemacht hat, also vom Klageantrag und dessen
Begründung. Ob ein miteingeklagter Anspruch "Nebenforderung" ist, bestimmt sich
weiter aus seinem Verhältnis zu dem als "Hauptforderung" in Betracht kommenden
Anspruch. Zur "Hauptforderung" muß die "Nebenforderung" in einem
Abhängigkeitsverhältnis stehen; sie muß von ihr sachlich-rechtlich abhängen. Sind die
Forderungen dagegen nach materiellem Recht gleichrangig, so ist keine von ihnen
Nebenforderung (h.M., vgl. BGH Rpfleger 1976, 207).
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Dabei ist zwar grundsätzlich zutreffend, dass vorgerichtliche Kosten eines
Privatgutachtens streitwertneutrale Nebenforderungen sein können (vgl. Schneider,
Streitwert-Kommentar für den Zivilprozeß, 11. Auf. 1996 Rdz.3295). Etwas anderes gilt
indessen dann, wenn die Sachverständigenkosten im Rahmen eines deliktsrechtlichen
Anspruchs zusammen mit anderen gleichrangigen Schadenspositionen geltend
gemacht werden; in diesem Fall sind eingeklagte Schadensersatzansprüche
regelmäßig als Hauptforderungen und nicht als Nebenforderungen zu qualifizieren
(ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. auch OLG München, NJW-RR 1994, 1484;
OLG Brandenburg, JurBüro 2001, 95 zur Geltendmachung als Verzugsschaden;
Schneider, aaO. Rdz. 3310 a).
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Vorliegend hat der Kläger die beiden Beträge als "Hauptforderungen" geltend gemacht.
Sowohl die Sachverständigenkosten als auch die Auslagenpauschale sind hier
Aufwendungen für die Beseitigung des Schadens, den der Kläger erlitten hat. Denn
regelmäßig dient das Sachverständigengutachten nicht nur zur Bezifferung eines
Schadensersatzanspruches gegenüber den Beklagten, sondern auch als
Entscheidungsgrundlage dafür, ob das beschädigte Fahrzeug noch reparaturwürdig ist.
Die Aufwendung für das Sachverständigengutachten ist damit eine gleichrangige
Schadensposition neben den anderen vom Kläger geltend gemachten
Schadensbeträgen wie z.B. den Reparaturkosten. Das gleiche gilt für die eingeklagte
Auslagenpauschale (vgl. OLG München aaO.).
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Sind somit beide Schadenspositionen als Hauptforderung geltend gemacht, so kann der
Umstand, dass sich der begehrte Ersatz zugleich auch unter den gebührenrechtlichen
Kostenbegriff subsumieren läßt, diesem die Qualifikation als Hauptforderung nicht mehr
nehmen. Denn § 22 GKG trifft eine Regelung nur für jenen Fall, dass die Kosten als
Nebenforderung anzusehen sind, erfaßt mithin den Fall der Geltendmachung als
Hauptforderung nicht.
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Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§
25 Abs. IV GKG).
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